In­ge­borg Bach­mann: Die Ra­dio­fa­mi­lie

Ingeborg Bachmann: Die Radiofamilie
In­ge­borg Bach­mann:
Die Ra­dio­fa­mi­lie

Im Rah­men ih­rer Tä­tig­keit als »Script Edi­tor« beim öster­rei­chi­schen Sen­der »Rot-Weiß-Rot« (RWR) ver­fass­te In­ge­borg Bach­mann – ne­ben an­de­ren Hör­spiel­be­ar­bei­tun­gen und –über­set­zun­gen – zwi­schen Fe­bru­ar 1952 und Ju­li 1953 ins­ge­samt 15 Fol­gen der sei­fen­oper­ähn­li­chen Se­rie »Die Ra­dio­fa­mi­lie«, die zu­nächst 14tätig, bald je­doch wö­chent­lich aus­ge­strahlt wur­de (mit Aus­nah­me ei­ner Som­mer­pau­se); im­mer ge­nau 30 Mi­nu­ten. In­ge­borg Bach­mann kann zu­sammen mit den bei­den an­de­ren Au­toren Jörg Mau­the und Pe­ter Wei­ser als Schöp­fe­rin der »Ra­dio­fa­mi­lie« gel­ten. Die letz­te von ihr ge­schrie­be­ne Fol­ge war Nr. 63 und wur­de im Sep­tem­ber 1953 aus­ge­strahlt. »Die Ra­dio­fa­mi­lie« wur­de 1955 nach 153 Fol­gen im Sen­der RWR auf­grund ih­rer Be­liebt­heit im ORF wei­ter­ge­führt. Erst im Ju­ni 1960, mit der 351. Fol­ge, wur­de die Se­rie ein­ge­stellt.

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Lá­szló Vé­gel: Be­kennt­nis­se ei­nes Zu­häl­ters

László Végel: Bekenntnisse eines Zuhälters
Lá­szló Vé­gel:
Be­kennt­nis­se ei­nes Zu­häl­ters

Blue ist ein Stu­dent, der nicht fer­tig wird, Vor­le­sun­gen schwänzt und sei­nen Pro­fes­sor Sík mit ei­ner Mi­schung aus Re­spekt (als Wis­sen­der und Hu­ma­nist) und Ver­ach­tung (als Re­prä­sen­tant ei­nes Sy­stems) be­trach­tet. Er nimmt ei­nen »Job« bei ei­nem »In­ge­nieur« an. Die­ser ga­belt un­ter der Jeu­nesse do­rée der Stadt jun­ge Mäd­chen und Frau­en auf und ver­führt sie in sei­ner Woh­nung. Blue fo­to­gra­fiert die bei­den bei den se­xu­el­len Hand­lun­gen, um dann die Frau­en mit den Bil­dern zu kon­fron­tie­ren und da­hin­ge­hend zu be­ein­flus­sen, es wei­ter mit dem In­ge­nieur zu trei­ben. Aber die ver­meint­li­che Er­pres­sung ist ei­gent­lich un­nö­tig; die an­ge­spro­che­nen Frau­en wür­den sich auch wei­ter frei­wil­lig mit dem In­ge­nieur ab­ge­ben, um ih­rem schnö­den All­tag zu ent­flie­hen. Schließ­lich ver­guckt sich Blue in die jun­ge Gym­na­sia­stin Bea. Der In­ge­nieur ist ent­zückt und »über­lässt« ihm das Mäd­chen.

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Wal­le Say­er: Zu­sam­men­kunft

Walle Sayer: Zusammenkunft
Wal­le Say­er: Zu­sam­men­kunft

»Zu­sam­men­kunft« lau­tet der Ti­tel die­ses Bu­ches von Wal­le Say­er. Im Un­ter­ti­tel pas­send: »Ein Er­zähl­ge­flecht«. Es ist Bün­de­lung und Zu­sam­men­fas­sung der Pro­sa­schrif­ten des Au­tors von 1986 bis 2009, die zum Teil über­ar­bei­tet sein sol­len. Und am En­de gibt es noch ein biss­chen Un­ver­öf­fent­lich­tes.

Wenn man Wal­le Say­er bis­her noch nicht kann­te, ist man dank­bar für die­ses Buch. Zeigt sich doch ei­ne Stim­me ganz ei­ge­ner In­ten­si­tät in den meist no­tiz­ähn­li­chen Ge­dan­ken­split­tern. Ins­be­son­de­re die No­ta­te über Kind­heit und Ju­gend de­mon­strie­ren ei­ne Mei­ster­schaft in der Evo­ka­ti­on der Stim­mung der je­weils herauf­beschworenen Zeit.

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Die Schön­heit des be­ob­ach­ten­den Tiers

Die fein­füh­lig-re­fle­xi­ven Er­zäh­lun­gen des Rai­ner Ra­bow­ski

Rainer Rabowski: Die gerettete Nacht
Rai­ner Ra­bow­ski:
Die ge­ret­te­te Nacht

Mo­men­te der Won­ne: Ei­ne Frau und de­ren Lä­cheln her­aus ei­ner Art Se­kun­den­bei­schlaf an Mit­wis­se­rei und Kom­plizenschaft, wie er manch­mal un­ter völ­lig Frem­den mög­lich ist, durch nichts wei­ter be­dingt. Kon­tra­stie­rend mit dem Wüh­len ei­nes Selbst-Ent­wur­zel­ten in ei­nem rie­si­gen Hau­fen Sperr­müll, red­se­lig auf ei­ne schräg-um­ständ­li­che Wei­se, ein gei­sti­ges Ver­stol­pern im all­mäh­li­chen Sor­tie­ren und Sich­ten des erst noch zu fin­den­den La­ge­plans sei­ner Ge­danken. Es sind fast Epi­pha­ni­en, die Rai­ner Ra­bow­ski da be­schreibt, nein – dar­auf muss man be­stehen -: er­zählt. Es sind Er­zäh­lun­gen, »Le­bens­mit­schrif­ten« vom Aufgehoben­sein in ei­ne von al­lem an­de­ren gelöste[n] Be­we­gung. Was doch die­se Schlaf­lo­sig­keit, die dem Ich-Er­zäh­ler in schö­ner(?) Re­gel­mä­ßig­keit (oder Unregel­mäßigkeit?) al­les her­vor­bringt: Ein Fla­nie­ren in der Stil­le der Nacht. Ei­ner Nacht, die, wenn man ge­nau hin­hört, hin­sieht und riecht die­se Schön­heit des…alles ge­nau be­ob­ach­ten­den Tiers zu er­zeu­gen ver­mag (ganz im Ge­gen­satz zur schau­rig-af­fek­ti­ven Jekyl­l/­Hyde-Ver­wand­lung).

Da der Ich-Er­zäh­ler na­men­los bleibt, ist es ver­füh­re­risch, ihn mit dem Au­tor gleich­zusetzen oder zu ver­wech­seln. Der Ort ist über­deut­lich Düs­sel­dorf (die Stadt Pe­ter Kür­tens, wie es ein­mal heißt) und mehr als nur Ku­lis­se (wie sich schon in der Be­zeich­nung »Düs-Tro­pi­en I« auf der er­sten Sei­te zeigt): Tau­send­füß­ler, Gleis­an­schluss Gather­hof, Haupt­bahn­hof Hin­ter­ein­gang, Für­sten­platz, Burg­platz, Bil­ker Al­lee, See­stern, Ecke Her­zog-/Cor­ne­li­us­stra­ße, Gu­stav-Poens­gen-Stra­ße, Ka­ro­lin­ger­stra­ße, etc. Wer will, kann auf ei­ner Kar­te Punk­te ma­chen, die­se ver­bin­den und er­hält ein Be­we­gungs­pro­fil. Ob­wohl: die wirk­lich wich­ti­gen Or­te blei­ben an­ge­deu­tet, et­wa die B‑Straße, G‑Straße oder K‑Straße – als gel­te es, die­se jung­fräu­lich zu er­hal­ten und dem Zu­griff des neu­gie­ri­gen Le­sers zu ent­zie­hen.

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Ni­na Jäck­le: Ziel­in­ski

Nina Jäckle: Zielinski
Ni­na Jäck­le: Ziel­in­ski
Schil­de­run­gen von schlei­chen­dem Wahn­sinn gibt es in der Li­te­ra­tur seit je­her. Zu­meist do­mi­nier­ten je­doch eher in­di­rek­te, oft­mals dis­kret-um­schrei­ben­de Er­zäh­lun­gen über die je­wei­li­ge Fi­gur und de­ren Wahn­bild, die im Fort­gang des Ge­sche­hens ein­ge­floch­ten wer­den. Wahn­sin­ni­ge in das Zen­trum ei­ner Ge­schich­te zu rücken kam ver­stärkt erst mit der li­te­ra­ri­schen Mo­der­ne. Am schwie­rig­sten sind da­bei je­ne Kon­stel­la­tio­nen, die den of­fen­sicht­lich Wahn­sin­ni­gen selbst er­zäh­len las­sen. Sie un­ter­lie­gen gleich zwei Pro­ble­men: Ei­ner­seits darf der Au­tor die Fi­gur nicht vor­füh­ren und de­nun­zie­ren. Hier­zu wür­de man auch ei­ne über­trie­be­ne Sen­sa­tio­na­li­sie­rung mit­tels bil­li­ger Schock­ef­fek­te zäh­len. An­de­rer­seits droht bei ei­ner zu of­fen­sicht­li­chen und em­pha­ti­schen Par­tei­nah­me die Ge­fahr ei­ner fal­schen He­roi­sie­rung oder gar Ba­ga­tel­li­sie­rung.

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Frie­de­ri­ke Roth: Abend­land­no­vel­le

Friederike Roth: Abendlandnovelle
Frie­de­ri­ke Roth: Abend­land­no­vel­le
Der Ti­tel »Abend­land­no­vel­le« führt zu­nächst in die Ir­re. Tat­säch­lich han­delt es sich bei Frie­de­ri­ke Roths Buch nicht um ei­ne No­vel­le im klas­si­schen Sin­ne. Es ist ein lan­ges Pro­sa­ge­dicht in drei Tei­len; »An­fan­gen end­lich«, »Un­er­hör­te Be­ge­ben­hei­ten. Wie­der­ho­lun­gen nur« und »Am En­de. Kein An­fang.«

Im zwei­ten Teil wird al­so di­rekt Be­zug auf die De­fi­ni­ti­on Goe­thes ge­nom­men. Bei Roth be­steht die un­er­hör­te Be­ge­ben­heit in den schier end­los emp­fun­de­nen Wie­der­ho­lun­gen des Im­mer­glei­chen im Lau­fe ei­nes Le­bens. Früh er­kennt der Le­ser, dass die Auf­tei­lung ein Le­ben ei­nes Men­schen struk­tu­rie­ren soll: Ju­gend und Er­wach­sen­wer­den zu Be­ginn – am En­de das Al­ter, der her­an­na­hen­de Tod. Da­zwi­schen das, was man sa­lopp wie un­voll­stän­dig mit »Le­ben« be­schrei­ben könn­te. Zur »Abend­land­no­vel­le« wird dies durch die ra­di­ka­le Spie­ge­lung die­ses Le­bens in un­se­rer Ge­sell­schaft, dem »Abend­land«.

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Pierre Chi­quet: Der Sprin­ger

Pierre Chiquet: Der Springer
Pierre Chi­quet: Der Sprin­ger

Zu­nächst denkt man, dass das Buch »25« heißt. Die­se Zahl prangt weiß auf schwar­zem Un­ter­grund auf dem Co­ver. Erst auf dem zwei­ten Blick er­kennt man den rich­ti­gen Ti­tel, senk­recht in gol­de­nen Buch­sta­ben: »Der Sprin­ger«. Auf der näch­sten Sei­te, um­riss­ar­tig die »26«. Auf der vor­letz­ten Sei­te »27«. Da­zwi­schen: das Buch. Was ha­ben die Zah­len zu be­deu­ten? Nach ei­nem Drit­tel ahnt der Le­ser: Es sind Zim­mer­num­mern. In Zim­mer 27 trifft sich ein Paar. Und in Zim­mer 26 ist der Ehe­mann der Frau. Viel spä­ter er­fährt man, dass das Zim­mer 25 auch noch ei­ne Rol­le spielt. Es ist ver­wir­rend.

Da­bei be­ginnt al­les so ein­fach: Ei­ne to­te Frau, ein Kom­mis­sar, der im som­mer­li­chen Ge­wit­ter­re­gen den Tat­ort zu Fuß auf­sucht und ein zu­meist schwei­gen­der Tat­ver­däch­ti­ger, der ge­steht und da­nach nur noch ei­nen Satz in ei­nem lan­gen Ver­hör sagt. Am Grab der Ge­tö­te­ten, we­ni­ge Ta­ge spä­ter, er­scheint dem Kom­mis­sar epi­pha­nisch die Ge­stalt der Frau und auch gleich die Ge­schich­te da­zu. Es ist die Ge­schich­te von Paul­zen, des­sen ehe­ma­li­gen Stu­di­en­kol­le­gen Stock­mann und von Made­lei­ne, die dann Stock­manns Ehe­frau wur­de. Plötz­lich sucht Stock­mann Paul­zen auf und »bie­tet« ihm oh­ne Um­stän­de sei­ne Frau an. Sie »ent­glei­te« ihm und er kom­me mit ihr nicht mehr zu­recht. Er kön­ne sie ha­ben.

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Ro­ger Wil­lem­sen: Die En­den der Welt

Roger Willemsen: Die Enden der Welt
Ro­ger Wil­lem­sen: Die En­den der Welt

Von Blai­se Pas­cal sind zwei Aus­sprü­che über das Rei­sen über­lie­fert. Zu­nächst der Leit­spruch al­ler Rei­se­muf­fel: »Al­les Un­heil der Men­schen kommt da­her, daß sie nicht ru­hig zu Hau­se blei­ben kön­nen«. Und schließ­lich das heim­li­che Mot­to all je­ner Fo­to­gra­fien bzw. Vi­deo­fil­mer, die Zu­hau­se­ge­blie­be­ne ge­le­gent­lich an den Rand des Wahn­sinns trei­ben oder ge­trie­ben ha­ben: »Al­lein aus Freu­de am Se­hen und oh­ne Hoff­nung, sei­ne Ein­drücke und Er­leb­nis­se mit­tei­len zu dür­fefn, wür­de nie­mand über das Meer fah­ren.« Der er­ste Satz ist zu tri­vi­al, dass er von Ro­ger Wil­lem­sen in sei­nem Er­zäh­lungs­band »Die En­den der Welt« Ver­wen­dung fin­den könn­te und fin­det al­len­falls noch ei­nem Be­gleit­schrei­ben wie die­sem Ver­wen­dung. Und der zwei­te Satz wä­re in An­be­tracht der Gü­te der Rei­se­be­ob­ach­tun­gen, ‑im­pres­sio­nen, und ‑re­fle­xio­nen die­ses Bu­ches ei­ne Un­ver­schämt­heit ge­gen­über dem Au­tor.

22 Rei­se­er­zäh­lun­gen aus drei­ßig Jah­ren sind hier ver­sam­melt. So un­ter­schied­lich sie sind – ih­re Klam­mer ist die Su­che, die sich im Ti­tel ma­ni­fe­stiert: Die Su­che nach dem/den Ende/n der Welt; ei­nem Platz, der dann viel­leicht der Ort zum Wirk­lich-Wer­den ist. Manch­mal fragt sich der Le­ser: Hat er es nicht dies­mal ge­fun­den? In Pa­ta­go­ni­en, Isaf­jör­dur oder Tim­buk­tu? In der Klau­stro­pho­bie der Wei­te auf Ton­ga? Oder viel­leicht am Nord­pol oder auf Kamt­schat­ka?

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