Ben Ler­ner: Die To­p­e­ka Schu­le

Ben Lerner: Die Topeka Schule
Ben Ler­ner:
Die To­p­e­ka Schu­le

Ei­ne Emp­feh­lung von Ba­rack Oba­ma aus dem Jahr 2019 (als es in den USA er­schien)? Na, dann kann nicht mehr viel schief­ge­hen. Schein­bar ein Glück für den Suhr­kamp-Ver­lag, der das Bie­ter­du­ell dies­mal ge­won­nen ha­ben dürf­te, nach­dem die er­sten bei­den Ro­ma­ne von Ben Ler­ner bei Ro­wohlt er­schie­nen wa­ren. Im­mer­hin ist der Über­set­zer Ni­ko­laus Stingl ge­blie­ben. Stingl wird auch den im Früh­jahr bei Suhr­kamp er­schei­nen­den Es­say­band Ler­ners über Ly­rik über­set­zen, wäh­rend die sei­ne Ge­dich­te, die eben­falls im März von Suhr­kamp vor­ge­se­hen sind, an­de­re Über­set­zer ha­ben. Der Ver­lag hat nun ein hoch­ge­lob­tes Buch im Pro­gramm, dem vor der wie­der ein­mal al­les ent­schei­den­den Prä­si­den­ten­wahl nichts we­ni­ger als ei­ne Ana­ly­se der US-ame­ri­ka­ni­schen Ge­sell­schaft at­te­stiert wird.

Die Haupt­fi­gur ist der 1979 ge­bo­re­ne Adam Gor­don, Sohn des Psych­ia­ters Jo­na­than Gor­don und vor al­lem der be­rühm­ten fe­mi­ni­sti­schen Psych­ia­te­rin Dr. Ja­ne Gor­don (es gab im­mer­hin ein­mal ei­ne Ein­la­dung zu »Op­rah« – der Rit­ter­schlag). Bei­de stam­men zwar aus New York, hat es aber nach To­p­e­ka, Kan­sas, ver­schla­gen. Sie ar­bei­ten an der »Foun­da­ti­on«, ei­ner Mi­schung aus In­sti­tut, Kli­nik und Uni­ver­si­tät. Na­tür­lich sind sie trotz des kon­ser­va­ti­ven Kan­sas-Um­felds De­mo­kra­ten ge­blie­ben; der Va­ter, Jo­na­than, ist auf sei­ne lan­gen Haa­re im­mer noch stolz und lässt sie nur ein­mal, für ein selbst­pro­du­zier­tes Film­chen, ab­schnei­den. Ein­mal Hip­pie, im­mer Hip­pie. Ja­ne ist na­tür­lich Hass-Sub­jekt, wo­bei »Xan­thip­pe« mit »Pe­nis­neid« und »In­tel­li­genz­be­stie« noch die harm­lo­se­sten At­tri­bu­te sind. Schlim­mer als die Ak­ti­vi­sten vor Ort (an­ge­führt von ei­nem Prie­ster) sind die an­ony­men An­ru­fer (man be­harr­te dar­auf, im Te­le­fon­buch sicht­bar zu blei­ben). Ja­nes Tech­nik: sie bit­tet die Be­lei­di­ger lau­ter zu spre­chen, da die Lei­tung schlecht sei. Nach mehr­ma­li­gen Auf­for­de­run­gen er­le­digt sich die Sa­che.

Der Ro­man hat acht grö­ße­re Ka­pi­tel. Vier er­zäh­len aus der Sicht von Adam, wo­bei nur im letz­ten Ka­pi­tel, wel­ches die un­mit­tel­ba­re Ge­gen­wart (ab ca. 2017 um­fasst), Adam zum Ich-Er­zäh­ler wird (ver­hei­ra­tet; mit zwei Töch­tern, vier und zwei Jah­re alt). Die an­de­ren drei Ka­pi­tel sind im aukt­oria­len Stil ver­fasst. In je zwei Ka­pi­teln er­zäh­len Jo­na­than und Ja­ne als Ich-Er­zäh­ler be­stimm­te Pha­sen von Adams Le­ben, wo­bei mehr als ein­mal der Ein­druck ent­steht, sie er­zäh­len es Adam, Ih­rem Sohn. Hin­zu kom­men sie­ben sehr kur­ze Ka­pi­tel (das läng­ste um­fasst 12 Sei­ten), in der in Kur­siv­schrift aukt­ori­al aus der Sicht ei­nes ge­wis­sen Dar­ren er­zählt wird.

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Edu­ar­do Hal­fon: Du­ell

Eduardo Halfon: Duell
Edu­ar­do Hal­fon: Du­ell

Ein Buch von 106 Sei­ten soll ein »Ro­man« sein. So steht es im­mer­hin auf dem Co­ver zu Edu­ar­do Hal­fons »Du­ell« (Über­set­zung von Lu­is Ru­by). Es zeigt zwei Jun­gen, schein­bar gleich­alt­rig, die et­was in der Fer­ne in Au­gen­schein neh­men. Es wird nicht das er­ste Mal sein, dass ich, nach­dem ich das Buch ge­le­sen hat­te, ins Rät­seln kom­me.

Hal­fon macht kei­nen Hehl dar­aus, dass der Ich-Er­zäh­ler er sel­ber ist. Mal ist er zehn (die El­tern zie­hen mit ihm und sei­nem Bru­der von Gua­te­ma­la in die USA), dann 13 oder 14. Im­mer wie­der gibt es die­se Er­in­ne­rungs­split­ter in die Ju­gend. Den Rah­men bil­det ei­ne Rei­se als viel­leicht 40jähriger zu­rück nach Gua­te­ma­la, dem Ort sei­ner Groß­el­tern. Er ist et­was auf der Spur, dass ihn nicht mehr los lässt: Ein Fo­to von Sa­lo­mon, ei­nem klei­nen, kränk­li­chen Jun­gen, ein Bru­der sei­nes Va­ters. Er meint sich an die Ge­rüch­te zu er­in­nern, dass er tra­gisch in ei­nem See in Gua­te­ma­la er­trun­ken sein soll. Aber nie­mand will das be­stä­ti­gen. Wen er auch fragt – al­le strei­ten ab, dass es die­ses Er­eig­nis je ge­ge­ben hat. Der Jun­ge auf dem Bild sei da­mals nach New York ge­kom­men, zu ei­ner Be­hand­lung. Und dort ver­stor­ben.

Er­schwert wird die Su­che weil der Na­me Sa­lo­mon in der um­fang­rei­chen Fa­mi­lie Hal­fons in je­der Ge­ne­ra­ti­on min­de­stens ein­mal ver­ge­ben wur­de. Und dann ist die Fa­mi­lie über­all ver­streut. Einst in Eu­ro­pa, ei­ne Li­nie kommt aus dem Li­ba­non, leb(t)en sie nun in den USA, Mit­tel- oder Süd­ame­ri­ka, Ost­eu­ro­pa, Süd­frank­reich. Wo an­fan­gen? Wo su­chen?

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Ein Schat­ten

                      Ein Schat­ten                       nach Loui­se Glück Als sie sich küss­ten mit­ten             auf der Land­stra­ße, war da et­was.                        Ein Vo­gel­flug. Sich von ein­an­der lö­send,            blick­ten sie rasch auf:                               ein Fal­ke flog mit sei­nem Fang da­von,            und die­se Flug­ge­stalt                     warf über Lehm­grund ei­nen Schat­ten. Als der ab­rupt dann im Ge­län­de            ver­schwand, ging es ihr                                 durch den Kopf: ...

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»Ich ist ein an­de­rer, der ein an­de­rer ist«

»Wer war Emi­lio Ren­zi?« fragt Leo­pold Fe­der­mair in sei­ner »Spu­ren­su­che mit Ri­car­do Pi­glia«, ei­nem Es­say von statt­li­chen 245 Sei­ten, auf­ge­teilt in 24 Ka­pi­tel. Nur we­ni­gen dürf­te im deutsch­spra­chi­gen Raum Ri­car­do Pi­glia oder auch Emi­lio Ren­zi ein Be­griff sein. Sol­len die­se Men­schen die­ses Buch le­sen? Be­reits nach we­ni­gen Sei­ten ist für mich der Fall klar: Ja. ...

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De­niz Oh­de: Streu­licht

Deniz Ohde: Streulicht
De­niz Oh­de: Streu­licht

Ei­ne »fei­ne Säu­re« ist da in der Luft. Und ein »Lei­ses Brum­men«. Un­auf­hör­lich. Es reg­net »In­du­strie­schnee«. Re­gel­mä­ßig gibt es Pro­be­alarm. Nein, nicht ir­gend­wo im Ruhr­ge­biet – es ist Frank­furt, der »In­du­strie­park«; ein Che­mie­park. Dort wohnt ei­ne (na­he­zu) na­men­los blei­ben­de Ich-Er­zäh­le­rin, von der man nur den er­sten Buch­sta­ben des »K‑Namens« er­fährt (»Frau A—«) und ver­nimmt, dass das »I« in ih­rem Vor­na­men lan­ge ge­spro­chen wird. Ge­bo­ren ist sie nach al­lem, was man sich zu­sam­men­le­sen kann, En­de der 1980er Jah­re. Die Mut­ter ist Tür­kin, die sich ir­gend­wann aus ei­nem »Fünf­hun­dert-See­len-Dorf an der Schwarz­meer­kü­ste« auf­ge­macht hat. Der Va­ter Deut­scher. Er hat 40 Jah­re 40 Stun­den die Wo­che Alu­mi­ni­um­ble­che in Lau­gen ge­taucht. Die Toch­ter kommt zu Be­ginn des Ro­mans zu Be­such, man ist in der un­mit­tel­ba­ren Ge­gen­wart. Sie wird fast er­schla­gen vom Rauch, der in den Räu­men steht. Ei­ne »ängst­li­che Teil­nahms­lo­sig­keit« macht sich in ihr breit. Die Mut­ter ist »ge­gan­gen«, aber das er­fährt man erst viel spä­ter. So­phia und Pik­ka, die Freun­de seit der Schul­zeit, hei­ra­ten. Das ist der Rah­men für De­nis Oh­des Erst­ling.

»Streu­licht« ist ein Bil­dungs­ro­man in dop­pel­ter Be­deu­tung: Ein Ro­man über das Bil­dungs­we­sen in Deutsch­land (ge­nau­er: in Hes­sen) und da­mit eben auch über Vor­ur­tei­le und Dis­kri­mi­nie­run­gen, die sub­ku­tan prä­sent sind und bis­wei­len mit er­schrecken­der Ehr­lich­keit aus­ge­spro­chen wer­den. Denn die Ich-Er­zäh­le­rin ist zwar for­mal Deut­sche. Für vie­le und eben auch für Leh­rer (und auch Leh­re­rin­nen) ist sie je­doch ei­ne Tür­kin, die es ge­schafft hat (oder, spä­ter dann, eben auch nicht). Und es ist auch ein na­he­zu klas­si­scher Bil­dungs­ro­man über die For­mung ei­nes Men­schen durch und mit Bil­dung und über die Schwie­rig­keit ei­nes Auf­stiegs­ver­spre­chens, aber das ist nicht nur die Schuld der an­de­ren, son­dern auch ein we­nig die der Er­zäh­le­rin.

Es wird rück­blickend weit­ge­hend chro­no­lo­gisch er­zählt; nur manch­mal gibt es Zeit­sprün­ge, die al­ler­dings mü­he­los zu be­wäl­ti­gen sind. Der Ton ist me­lan­cho­lisch, nie sen­ti­men­tal, bis­wei­len an­kla­gend und auch schon ein­mal selbst­an­kla­gend. Die Er­zäh­le­rin be­wegt sich in ei­nem en­gen, fast her­me­ti­schen Kos­mos. Über­mä­ssig vie­le So­zi­al­kon­tak­te hat sie nicht. Bis auf flüch­ti­ge Be­kannt­schaf­ten blei­ben nur So­phia und Pik­ka als Freun­de.

Ei­ne Ab­rech­nungs- oder gar Wut­pro­sa ist »Streu­licht« nicht. Das läuft sub­ti­ler, mit in­ten­si­ven, bis­wei­len sur­rea­len Stim­mungs­bil­dern, die die Tri­stesse (wenn der Ort Prot­ago­nist ist) oder die Ver­zweif­lung (bei Men­schen) nicht ver­ber­gen, son­dern, pa­ra­dox ge­nug, er­strah­len las­sen. Spä­ter, als sie zum Stu­di­um in ei­ner frem­den Stadt wohnt, ver­misst sie all die Un­zu­läng­lich­kei­ten ih­res Hei­mat­or­tes und dann kommt ei­nem die Ge­nüg­sam­keit des Va­ters in den Sinn, dass man »hier« doch »al­les« ha­be.

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Chri­stoph Pe­ters: Dorf­ro­man

Chri­stoph Pe­ters:
Dorf­ro­man

Ei­nen »Dorf­ro­man« über den Nie­der­rhein, be­han­delnd die Jah­re un­ge­fähr zwi­schen 1975 und 1982, teil­wei­se ge­spie­gelt aus der Er­in­ne­rung durch ei­nen Sohn, der in­zwi­schen in Ber­lin wohnt und die be­tag­ten El­tern (um die 83 Jah­re) in ih­rem Haus im Dorf zu Pfing­sten be­sucht. Das al­les auf 400 Sei­ten. Wer Ac­tion oder Skan­dal oder bei­des will, soll­te das Buch zur Sei­te le­gen. Aber wer sich bei­spiels­wei­se für Zeit- und Kul­tur­ge­schich­te der al­ten Bun­des­re­pu­blik in­ter­es­siert, ist hier rich­tig.

Das Dorf ist Hül­ken­donck. Goog­le Maps kennt es nicht, aber man kennt dort auch nicht »Cal­car« und »Cle­ve«, wie die näch­sten Städ­te in al­ter Recht­schrei­bung (war­um auch im­mer) im Ro­man ge­nannt wer­den. Bei Kal­kar horcht man viel­leicht auf – und liegt rich­tig: Es geht um den so­ge­nann­ten »Schnel­len Brü­ter«, ein sei­ner­zeit neu­ar­ti­ger Kern­kraft­werk-Typ, ge­plant, be­wil­ligt und ge­baut in den 1970er Jah­ren und von da an fast im­mer um­strit­ten und um­kämpft. Als er fer­tig war, vie­le Jah­re spä­ter, (na­tür­lich wa­ren die Bau­ko­sten ex­plo­diert) woll­te ihn nie­mand mehr. Er ging nie ans Netz. Mil­li­ar­den für Nichts. Na­ja, heu­te ist dort »Kern­was­ser­wun­der­land«, ein Frei­zeit­park mit Kir­mes und Dis­co.

Chri­stoph Pe­ters, 1966 in Kal­kar ge­bo­ren, ist der Au­tor die­ses Dorf­ro­mans. In­wie­fern jetzt der Ich-Er­zäh­ler tat­säch­lich Chri­stoph Pe­ters ist, wird nicht auf­ge­löst. Er bleibt im üb­ri­gen na­men­los. Wie merk­wür­di­ger­wei­se auch al­le an­de­ren Prot­ago­ni­sten der en­ge­ren Fa­mi­lie – der Va­ter, die Mut­ter, die Ge­schwi­ster – wäh­rend es an­son­sten vor Na­men oder Spitz­na­men der Nenn- und rich­ti­gen Tan­ten und ‑On­kel, Groß­el­tern, Cou­si­nen und Cou­sins nur so wim­melt (ein Ver­zeich­nis braucht man sich nicht an­zu­le­gen; die mei­sten blei­ben Epi­so­de). Am En­de wird pflicht­schul­dig auf die Fik­ti­on ver­wie­sen; Ähn­lich­kei­ten mit le­ben­den oder ver­stor­be­nen Per­so­nen sei­en nicht be­ab­sich­tigt.

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Die dop­pel­te An­net­te

Das Gen­re ist be­reits im Ti­tel ein­ge­ar­bei­tet: »An­net­te, ein Hel­din­nen­epos«. An­net­te ist An­ne Beau­ma­noir (ganz ge­nau: Ray­mon­de Mar­cel­le An­ne Beau­ma­noir), die al­le nur An­net­te nen­nen, 1923 ge­bo­ren; sie wird in die­sem Jahr 97 Jah­re alt. 2000 er­schien ihr er­stes Er­in­ne­rungs­buch in Frank­reich (2019 ins Deut­sche über­setzt). Und die deut­sche Schrift­stel­le­rin und Über­set­ze­rin An­ne We­ber, die ...

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Frank Wit­zel: In­ni­ger Schiff­bruch

Frank Witzel: Inniger Schiffbruch
Frank Wit­zel:
In­ni­ger Schiff­bruch

Die Ka­no­ni­sie­rung des li­te­ra­ri­schen Gen­res der »Au­to­fik­ti­on« schrei­tet schein­bar vor­an. Mit »In­ni­ger Schiff­bruch« legt Frank Wit­zel, der 2015 mit sei­nem Buch­preis-Sie­ger­text »Die Er­fin­dung der Ro­ten Ar­mee Frak­ti­on durch ei­nen ma­nisch-de­pres­si­ven Teen­ager im Som­mer 1969« schockier­te, über­for­der­te (zu­min­dest mich) und zu­gleich be­ein­druck­te (eben­so), ei­nen stark au­to­bio­gra­phi­schen Pro­sa­text über das Le­ben sei­ner El­tern und – was noch ent­schei­dend sein wird – sei­nen hier­aus ent­stan­den Le­bens­prä­gun­gen vor. Der Ti­tel er­in­nert ein we­nig an »Wunsch­lo­ses Un­glück«, wie Pe­ter Hand­ke 1972 sei­nen Ver­such über den Frei­tod sei­ner Mut­ter (und da­mit über ihr Le­ben) zu er­zäh­len nann­te. Aber die Auf­lö­sung für Wit­zels Ti­tel wird so­fort in der Wid­mung auf­ge­löst: Es han­delt sich um ei­ne For­mu­lie­rung im Ge­dicht »L’in­fi­ni­to« von Gia­co­mo Leo­par­di, über­setzt von Rai­ner Ma­ria Ril­ke. Spä­ter wird der Le­ser er­fah­ren, dass die El­tern bei ei­ner Ita­li­en­rei­se in den 2000er Jah­ren auf Leo­par­di auf­merk­sam ge­macht wur­den und der Va­ter schließ­lich das Ge­dicht »für Alt, Kla­vier und Or­che­ster« ver­ton­te. Und war­um der Mu­sik­leh­rer, Chor- und Or­che­ster­lei­ter Carl Wit­zel (Jahr­gang 1930) dies ge­tan hat­te, er­fah­ren wir auch: »In die­sem sehn­süch­tig ver­zwei­fel­ten Zei­len des Dich­ters, des­sen ‘phy­si­sches Le­ben ein Mar­ty­ri­um war, nur von we­ni­gen Stun­den re­la­ti­ver Schmerz­frei­heit un­ter­bro­chen’, wie es in ei­nem von mei­ner Mut­ter aus­ge­schnit­te­nen Zei­tungs­ar­ti­kel hieß, schie­nen mei­ne El­tern noch ein­mal un­ab­hän­gig von­ein­an­der auf ei­ne ge­mein­sa­me Sehn­sucht ge­sto­ßen zu sein.«

Wer ge­nau liest stellt sich die Fra­ge: Wor­in liegt denn die »ge­mein­sa­me Sehn­sucht«, die der Er­zäh­ler hier sug­ge­riert? Im Dau­er­schmerz des Dich­ters? In den we­ni­gen Mo­men­ten, in de­nen er schmerz­be­freit war? In ei­ner Art Schmer­zens­ver­wandt­schaft (die Mut­ter wird als Schmer­zens­frau [Rheu­ma] dar­ge­stellt)? Oder geht es um die Sehn­sucht des »Schiff­bruchs«, des Schei­terns?

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