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Vielleicht neigt jeder, der glaubt, genau Bescheid zu wissen, zur Rhetorik. Es gibt dann beim Schreiben nichts mehr zu erarbeiten, zu erforschen, man ist nicht auf‑, sondern abgeklärt und wird sich von nichts überraschen lassen. Die Gedanken verfertigen sich unter solchen Voraussetzungen nicht beim Sprechen/Schreiben. Es geht nur noch darum, die passenden, d. h. wirksamsten Formulierungen zu finden. Nach meinem Empfinden ist das ein kaltes Schreiben, die Rhetorik ein kaltes System (was man durchaus, von Fall zu Fall, schätzen kann). In meinem eigenen Fall kommt es häufig vor, daß ich mich auf dem diskursiven Weg nicht mehr auskenne, und auch jetzt in diesem Moment ist das ein wenig der Fall. Vielleicht bin ich damit nicht der einzige; im schon ein gutes Stück fortgeschrittenen 21. Jahrhundert sind wir doch alle – alle? – ziemlich ratlos; die Ratlosigkeit ist unsere condition actuelle. Mit meiner Kritik am hysterischen Literaturbetrieb, am Optimierungswahn, am Bildungsabbau, an der gesellschaftlichen Infantilisierung und anderen Phänomenen unserer schönen, grauenhaften Gegenwart, ernte ich regelmäßig Zustimmung, nichts als Zustimmung – freilich gepaart mit der Bemerkung, leider könne man nichts dagegen machen. Der Neoliberalismus ist auf zahllosen Schleichwegen totalitär geworden; du mußt und willst mitmachen, es gibt keinen Ort außerhalb. Du mußt wollen; du willst müssen. Unterdessen sind wir ratlos, ich und meine Gleichgesinnten, die – so mein Eindruck – mehrheitsfähig sein könnten.
Warum kann man nichts machen? Etwa weil das revolutionäre Subjekt fehlt? Oder, besonnener, das alternative Subjekt? Mit der Arbeit ist die Arbeiterklasse verschwunden (die ohnehin vorher schon »verbürgerlicht« war). Und auf Minderheiten kann man nicht bauen, sie bilden kein kollektives Subjekt. Oder? Bei Forrester bleiben diese Fragen unbeantwortet, sie werden nicht einmal gestellt. Ihre Rhetorik läuft auf einen Punkt am Horizont hinaus: bedingungsloses Grundeinkommen für alle! Vom Staat oder einer anderen Körperschaft zu garantierende Erhaltung aller, unabhängig davon, ob sie arbeiten oder nicht. Das aber ist eine Maßnahme, die allein nicht ausreicht, weil sie nur fruchten kann, wenn sie von mindestens einer zweiten begleitet wird: Bildung für alle, in einem radikalen Sinn, ohne Hierarchien, ohne Prüfungen, ohne Wettbewerb, ohne zeitliche Grenzen (die tatsächliche Entwicklung geht in die Gegenrichtung). Weiterlesen