Gräu­el der Ge­gen­wart ‑6/11-

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Der sprin­gen­de Punkt in For­re­sters Dar­stel­lung ist das Spär­lich­wer­den der Ar­beit und der Un­wil­le der mit dem The­ma be­faß­ten In­sti­tu­tio­nen, Mas­sen­me­di­en und Po­li­ti­ker, die­se Tat­sa­che an­zu­er­ken­nen und ihr Rech­nung zu tra­gen. Lie­ber tut man so, als sei die Ar­beits­lo­sig­keit ein vor­über­ge­hen­des Pro­blem, das man mit her­kömm­li­chen Me­tho­den lö­sen kön­ne. Un­ter­des­sen su­chen die Leu­te ver­zwei­felt nach Ar­beit oder se­hen sich ge­nö­tigt, so zu tun, als such­ten sie da­nach, oder sie er­fin­den auf ih­rem an­ge­stamm­ten Po­sten ei­gent­lich un­nö­ti­ge Ar­beits­auf­ga­ben, so daß sich der Streß, ob­wohl er ab­ge­baut wer­den könn­te, noch er­höht. Doch es wird For­re­ster zu­fol­ge auch in Zu­kunft viel zu we­nig Ar­beit und im­mer we­ni­ger da­von ge­ben. We­nig Ar­beit je­den­falls im her­kömm­li­chen, auf die Zei­ten der in­du­stri­el­len Re­vo­lu­ti­on zu­rück­ge­hen­den Sinn. Auch wohl­mei­nen­de Po­li­ti­ker, de­nen das Schick­sal der über­flüs­sig Ge­wor­de­nen ein An­lie­gen ist, hal­ten an der Idee der Ar­beit fest. Ur­sa­chen die­ser Si­tua­ti­on gibt es meh­re­re. For­re­ster nennt vor al­lem die Au­to­ma­ti­sie­rung, Ro­bo­ter­i­sie­rung und Di­gi­ta­li­sie­rung – heu­te wä­ren Künst­li­che In­tel­li­genz, deep lear­ning und Re­pro­duk­ti­on in­tel­li­gen­ter Ma­schi­nen hin­zu­zu­fü­gen –, de­ren ge­sell­schaft­li­che Fol­gen man seit der Nach­kriegs­zeit hät­te vor­her­se­hen kön­nen, hät­te man die da­mals er­schie­ne­nen Schrif­ten des Ky­ber­ne­ti­kers Nor­bert Wie­ner ernst­ge­nom­men. Trotz­dem be­klagt For­re­ster das Ver­schwin­den der Ar­beit nicht grund­sätz­lich. Im Ge­gen­teil, man kön­ne und sol­le dies als Be­frei­ung vom bi­bli­schen Joch – »im Schwei­ße dei­nes An­ge­sichts« etc. – be­grü­ßen; als Chan­ce, end­lich ei­ne freie Ge­sell­schaft zu er­rich­ten.

Schon Marx und En­gels hat­ten die Ver­kür­zung des Ar­beits­tags als Vor­aus­set­zung für ech­te De­mo­kra­tie ge­nannt; erst dann hät­ten die Ar­bei­ter ge­nü­gend freie Zeit, sich um die An­ge­le­gen­hei­ten der Po­lis zu küm­mern. Denkt man For­re­sters Aus­füh­run­gen wei­ter, liegt das Heil, wenn es denn ei­nes gibt, nicht so sehr in Ar­beits­zeit­ver­kür­zun­gen, wie sie in ei­ni­gen eu­ro­päi­schen Län­dern ge­gen En­de des 20. Jahr­hun­derts tat­säch­lich durch­ge­führt wur­den (in­zwi­schen hat sich die Ten­denz frei­lich wie­der um­ge­kehrt), son­dern im be­din­gungs­lo­sen Grund­ein­kom­men für al­le, das es den Men­schen er­mög­li­chen soll, ih­re Grund­be­dürf­nis­se zu be­frie­di­gen. Es ist zwei­fel­los ei­ne Iro­nie der Ge­schich­te, daß nicht je­ne Län­der, die im 20. Jahr­hun­dert den Kom­mu­nis­mus zu ver­wirk­li­chen ver­such­ten und ihn da­bei des­avou­ier­ten, die­ser Lö­sung nä­her­ka­men, son­dern der fort­ge­schrit­te­ne, tech­no­lo­gisch hoch­ent­wickel­te Ka­pi­ta­lis­mus. »Je­der nach sei­nen Fä­hig­kei­ten, je­dem nach sei­nen Be­dürf­nis­sen.« Wer krea­tiv sein will, kann das gern tun, und wenn er Geld da­mit ver­dient, auch recht. Ein aus­rei­chend do­tier­tes Grund­ein­kom­men für al­le wür­de die Vi­si­on von Marx und En­gels in die Pra­xis um­set­zen.

In der Schweiz wur­de 2016 ei­ne Volks­ab­stim­mung über die Ein­füh­rung ei­nes sol­chen Grund­ein­kom­mens ab­ge­hal­ten: 77 Pro­zent der Bür­ger, die sich dar­an be­tei­lig­ten, wa­ren da­ge­gen. Im­mer­hin gibt es im­mer wie­der Vor­stö­ße in die­se Rich­tung; nach wis­sen­schaft­li­chen Kri­te­ri­en durch­ge­führ­te Ex­pe­ri­men­te mit ei­ner re­prä­sen­ta­ti­ven Grup­pe von Per­so­nen über die Aus­wir­kun­gen wä­ren wün­schens­wert. In Finn­land wur­de ein sol­cher Ver­such mit 2000 Test­per­so­nen rea­li­siert, doch die Er­geb­nis­se sind nicht sehr aus­sa­ge­kräf­tig; er­stens des­halb, weil nur Per­so­nen aus­ge­wählt wur­den, die un­mit­tel­bar vor dem Ex­pe­ri­ment ar­beits­los wa­ren, und zwei­tens, weil die Aus­zah­lung des Grund­ein­kom­mens be­fri­stet war, so daß sich wohl die mei­sten zwangs­läu­fig mit der Fra­ge des Da­nach be­schäf­tig­ten und auf Ar­beits­su­che gin­gen, weil sie län­ger­fri­stig gar kei­ne Al­ter­na­ti­ve hat­ten. Sol­che Ver­suchs­an­ord­nun­gen ge­hen in der Re­gel da­von aus, ein we­sent­li­ches Ziel be­stehe dar­in, die ar­beits­lo­sen Be­zie­her ei­nes Grund­ein­kom­mens wie­der in den Ar­beits­markt ein­zu­glie­dern. Wenn die Er­geb­nis­se in die­sem Punkt schlecht sind, wird der Schluß ge­zo­gen, die ge­te­ste­te Maß­nah­me sei eben doch nicht so sinn­voll. Aber der Sinn ei­nes Grund­ein­kom­mens in For­re­sters und auch in mei­nem Ver­ständ­nis be­steht nicht dar­in, die Be­trof­fe­nen in die Ar­beits­welt zu­rück­zu­lei­ten. Die­se Sicht der Din­ge ent­spricht dem al­ten ka­pi­ta­li­stisch-uti­li­ta­ri­sti­schen, letzt­lich pro­fit­ori­en­tier­ten Den­ken so­wie der volks­tüm­li­chen Hal­tung des »Nicht mit mei­nem Geld!«, der Ab­leh­nung von so­ge­nann­tem Schma­rot­zer­tum. In For­re­sters Sicht geht es dar­um, mit ei­ner ge­sell­schaft­li­chen Si­tua­ti­on zu­recht­zu­kom­men, in der die al­te Ar­beits­welt lä­diert ist, deut­lich schrumpft und ten­den­zi­ell über­haupt ver­schwin­det.

Die Fra­ge bleibt be­stehen und wur­de bis­her auch nicht in An­sät­zen be­ant­wor­tet, was die Men­schen dann mit ih­rer gren­zen­lo­sen Frei­zeit an­fan­gen; ob sich die Be­deu­tung die­ses Worts mit kon­kre­ten In­hal­ten, mit Be­wußt­wer­dung und Krea­ti­vi­tät füllt oder ob sich die Be­frei­ten neu­en Zwän­gen, Ab­hän­gig­kei­ten, Süch­ten, Kon­sum­fe­ti­schis­men un­ter­wer­fen, die sie als Frei­heit er­le­ben. Der Ka­pi­ta­lis­mus näm­lich, so For­re­ster, braucht die Über­flüs­si­gen nach wie vor, zwar nicht als Pro­du­zen­ten, aber als Kon­su­men­ten. Wä­re es al­so doch sinn­voll, Be­din­gun­gen für den Be­zug ei­nes Grund­ein­kom­men auf­zu­stel­len? Zwar kei­ne Lei­stungs­nach­wei­se, eher das Ge­gen­teil da­von: Stre­ben nach mehr Bil­dung? Auf­wer­tung der Volks­hoch­schu­len, Re­form des al­ten Kon­zepts die­ser Bil­dungs­ein­rich­tun­gen?

Ach! Die­sel­be Idee äu­ßer­te Pe­ter Slo­ter­di­jk schon 1984... Wie auch nicht, hat­te er doch in sei­ner Kri­tik der zy­ni­schen Ver­nunft der zwang­haf­ten und ar­ro­gan­ten Em­sig­keit, die sich wie ein ro­ter Fa­den durch die abend­län­di­sche Gei­stes- und Ge­sell­schafts­ge­schich­te zie­he, ei­ne »ky­ni­sche«, d. h. ent­spann­te, hei­te­re, be­sitz- und ar­beits­lo­se Le­bens­wei­se ent­ge­gen­ge­setzt, ei­ne ro­man­ti­sche Uto­pie, die in deut­schen Lan­den je­ner Tau­ge­nichts ver­kör­pern kann, den der Dich­ter Jo­seph Ei­chen­dorff der Li­te­ra­tur schenk­te. In ei­ner Pau­se mei­ner an­stren­gen­den Schreib­ar­beit ha­be ich in al­ten Ta­ge­bü­chern ge­blät­tert und bin als­bald auf ei­nen Ein­trag ge­sto­ßen, in dem ich ei­nen Vor­trag Slo­ter­di­jks re­sü­mie­re, den ich am Vor­abend im Ra­dio ge­hört hat­te. Slo­ter­di­jk se­he ei­ne ar­beits­lo­se Ge­sell­schaft her­auf­kom­men, le­se ich da, die Mehr­heit der Be­völ­ke­rung wer­de »vor den To­ren der Ar­beits­welt« la­gern und nicht ein­ge­las­sen wer­den. In die­ser Si­tua­ti­on gel­te es, er­träg­li­che Le­bens­for­men für die Aus­ge­steu­er­ten zu ent­wickeln. Slo­ter­di­jk glaubt sie in ei­ner »Al­li­anz von Heil­kunst und Le­bens­kunst« zu fin­den, und auch »neu­re­li­giö­se Grup­pen« hät­ten ne­ben den post­mo­der­nen Ky­ni­kern das Ih­re da­zu bei­zu­tra­gen. Struk­tu­rel­le Ar­beits­lo­sig­keit als Chan­ce, ein gan­zes Heer von hei­te­ren Le­bens­künst­lern her­an­zu­bil­den! Ein Volk von grund­ver­sorg­ten Tau­ge­nicht­sen! Wun­der­bar… Die Wirk­lich­keit, das muß man 36 Jah­re nach je­nem Da­tum lei­der auch Slo­ter­di­jk ent­ge­gen­hal­ten, spricht ei­ne an­de­re Spra­che, die Mehr­heit will von Kunst und The­ra­pie über­haupt nichts wis­sen. Aber so ist das nun mal mit der Ro­man­tik, sie wi­der­spricht den Ge­ge­ben­hei­ten, ihr Reich ist die Phan­ta­sie.

In Ja­pan be­ob­ach­te ich den Wi­der­spruch zwi­schen struk­tu­rel­ler Ar­beits­lo­sig­keit und un­ver­dros­se­nem Ar­beits­ethos, an dem nicht ein­fach nur fest­ge­hal­ten wird, son­dern das man, je län­ger die »Kri­se« dau­ert – und wie es aus­sieht, wird sie end­los dau­ern, falls ihr nicht ei­ne Ka­ta­stro­phe ein En­de setzt –, um­so mehr ver­schärft. Statt sich in die­sem rei­chen Land da­mit zu­frie­den­zu­ge­ben, daß für vie­le Pro­duk­ti­ons- und zu­neh­mend auch Ver­wal­tungs- und Dienst­lei­stungs­ab­läu­fe im­mer we­ni­ger Ar­beits­zeit und Ar­beits­kraft (ein­schließ­lich gei­sti­ger Ar­beits­kraft) er­for­der­lich ist, er­fin­det man, d. h. nicht »das Sy­stem«, son­dern die Mas­se der An­ge­stell­ten, an­geb­lich not­wen­di­ge oder vor­teil­haf­te, tat­säch­lich aber sinn­lo­se, wir­kungs­lo­se, nicht sel­ten so­gar stö­ren­de Ar­bei­ten, ei­ner­seits aus Ge­wohn­heit, in ei­nem Selbst­lauf, der die Par­kin­son­schen Ge­set­ze zu be­stä­ti­gen scheint (»work ex­pands so as to fill the time available for its com­ple­ti­on”), an­de­rer­seits aus Angst vor dem welt­weit um­ge­hen­den Ge­spenst der Ar­beits­lo­sig­keit. Ist der Ar­beits­platz be­droht, tut der Ar­bei­ten­de so, als hät­te er un­ge­heu­er viel zu tun, und sucht sich Tä­tig­kei­ten, die an­geb­lich drin­gend aus­ge­führt wer­den müs­sen. Die Vor­ge­setz­ten for­dern in ei­nem fort Ver­bes­se­run­gen von Dienst­lei­stun­gen al­ler Art, die fak­tisch aber für die Be­trof­fe­nen – Kun­den eben­so wie Fir­men­per­so­nal – neue Be­la­stun­gen sind. Ob­wohl uns so vie­le La­sten von elek­tro­ni­schen oder elek­tro­nisch ge­steu­er­ten Ma­schi­nen ab­ge­nom­men wird, ha­ben wir al­le im­mer we­ni­ger Zeit. Wir ver­lie­ren die­se Zeit mit un­ge­ahn­ten Lap­pa­li­en, in der Ar­beit eben­so wie in der Frei­zeit. Das kom­mu­ni­sti­sche Pa­ra­dies, von dem Fou­rier, Marx und For­re­ster träum­ten, will sich ein­fach nicht ver­wirk­li­chen las­sen – im Ge­gen­teil, es rückt in im­mer wei­te­re Fer­nen.

Die wirt­schaft­li­che Min­dest­si­che­rung könn­te bei den In­di­vi­du­en En­er­gien frei­set­zen, so daß sie schöp­fe­risch tä­tig wür­den, sich oh­ne äu­ße­re Zwän­ge fort­bil­de­ten, ih­re Fä­hig­kei­ten in den Dienst die­ser oder je­ner gu­ten Sa­che stell­ten und sich nicht zu­letzt an der res pu­bli­ca, an Bür­ger­initia­ti­ven, Wah­len, Kul­tur­ein­rich­tun­gen, be­tei­lig­ten. Der Be­griff der Ar­beit selbst wür­de sich än­dern; Ar­beit wür­de für den Ein­zel­nen kei­ne Müh­sal und kein Joch mehr be­deu­ten, son­dern die Mög­lich­keit, sich selbst frei zu ver­wirk­li­chen. Auch die­ser Ge­dan­ke fin­det sich schon bei Marx: Durch fort­wäh­ren­de Bil­dung, durch Ar­beit an mir selbst und schöp­fe­ri­sche, au­to­no­me Tä­tig­keit wer­de ich zu dem, der ich sein kann. Ich ent­fal­te sämt­li­che Fä­hig­kei­ten, die in mir an­ge­legt sind. Die all­seits oder we­nig­stens viel­seits ge­bil­de­te ge­bil­de­te Per­sön­lich­keit, ei­ne al­te hu­ma­ni­sti­sche, in die grie­chi­sche An­ti­ke zu­rück­rei­chen­de Idee, war im »Rea­len So­zia­lis­mus« zu ei­ner Flos­kel ver­kom­men. In der DDR wur­de die­ses Ide­al (mit­samt dem ein­her­ge­hen­den Glück) ge­setz­lich ver­ord­net: »Das Ziel des ein­heit­li­chen so­zia­li­sti­schen Bil­dungs­sy­stems ist ei­ne ho­he Bil­dung des gan­zen Vol­kes, die Bil­dung und Er­zie­hung all­sei­tig und har­mo­nisch ent­wickel­ter so­zia­li­sti­scher Per­sön­lich­kei­ten, die be­wusst das ge­sell­schaft­li­che Le­ben ge­stal­ten, die Na­tur ver­än­dern und ein er­füll­tes, glück­li­ches, men­schen­wür­di­ges Le­ben füh­ren.« Klingt gut, oder? Ver­wirk­licht wur­de das Ide­al nicht, und wenn, dann am ehe­sten im Wi­der­stand ge­gen die­se all­zu wirk­li­che so­zia­li­sti­sche Ge­sell­schaft. Nach de­ren welt­wei­tem En­de und dem Sieg des neo­li­be­ra­len Ka­pi­ta­lis­mus (nicht nur in Ruß­land, son­dern auch in Chi­na) fällt es schwer, an den »gu­ten Men­schen« zu glau­ben. Kann er un­ter den Be­din­gun­gen von Kon­su­mis­mus und kom­mer­zi­el­ler Kon­kur­renz, von di­gi­ta­li­sier­tem Ego­is­mus und all­ge­gen­wär­ti­ger Kul­tur­in­du­strie denn ir­gend­ei­ne Zu­kunft ha­ben? Men­schen­mas­sen strö­men in den Lou­vre, um die Mo­na Li­sa zu se­hen bzw., da die Mas­se ein kon­zen­trier­tes Se­hen un­mög­lich macht, um ein T‑Shirt, ein Tüch­lein, ei­nen Schlüs­sel­an­hän­ger, ei­nen Ku­gel­schrei­ber, ei­ne Pup­pe, was auch im­mer, aber mit ei­ner Re­pro­duk­ti­on die­ses (ver­meint­li­chen) Hö­he­punkts der Hoch­kul­tur ver­se­hen, mit dem Mar­ken­zei­chen »Mo­na Li­sa« ge­wis­ser­ma­ßen, im Mu­se­ums­shop zu er­wer­ben. Gleich­zei­tig gibt es für klas­si­sche Kon­zer­te, in Wien zum Bei­spiel, kein hei­mi­sches Pu­bli­kum mehr, Bil­dungs­sen­dun­gen sind aus dem Fern­se­hen ver­bannt (es wür­de sie auch nie­mand an­se­hen), die Schu­len le­gen auf An­eig­nung von Wis­sen kei­nen Wert mehr, sie wol­len nur noch te­sten, um die Kon­kur­renz­fä­hig­keit zu si­chern und Ver­gleich­bar­keit für den Kon­kur­renz­kampf auf dem Ar­beits­markt her­stel­len. Die viel­sei­tig ge­bil­de­te Per­sön­lich­keit, für wel­che die letz­ten tech­no­lo­gi­schen Re­vo­lu­tio­nen die be­sten Ent­wick­lungs­be­din­gun­gen ge­schaf­fen ha­ben (in je­dem Smart­phone ist das ge­sam­te Welt­wis­sen ein­schließ­lich der Mo­na Li­sa vor­han­den), ge­hört der Ver­gan­gen­heit an.

Ge­nau das, so mein Ein­druck, war die Sor­ge von Ma­dame For­re­ster an ih­rem Le­bens­abend. Aber viel­leicht ist es nur mei­ne ei­ge­ne Sor­ge, denn For­re­ster scheint von der Rea­li­tät des Gu­ten Men­schen aus­zu­ge­hen. Die Leu­te, so ver­ste­he ich ih­re Aus­füh­run­gen, sind jahr­zehn­te­lang miß­braucht und ir­re­ge­führt wor­den. A prio­ri ha­ben sie an ih­rer Be­frei­ung ein ge­wis­ser­ma­ßen na­tür­li­ches In­ter­es­se, doch der Neo­li­be­ra­lis­mus hat lei­der ih­re Ge­hir­ne ver­ne­belt. Re­si­gna­ti­on hat sich breit­ge­macht. Da­ge­gen müß­te man an­ge­hen. Aber wie? In­dem man Bü­cher schreibt? Best­sel­ler wie Der Ter­ror der Öko­no­mie? Al­lein die Grup­pe de­rer, die frei­wil­lig Bü­cher le­sen, ist, Best­sel­ler hin oder her, ei­ne ver­schwin­den­de Min­der­heit ge­wor­den, und un­ter den Le­sern kom­men we­ni­ge über Har­ry Pot­ter hin­aus.1 Die di­gi­ta­le Re­vo­lu­ti­on hat auch dar­an ih­ren An­teil von Schuld.

© Leo­pold Fe­der­mair

→ Teil 7/11


  1. Über die Harry-Potter-Bücher rümpfe ich nicht mehr die Nase, seit ich George Steiners Einschätzung hinsichtlich der komplexen Syntax und des reichen Wortschatzes dieser Romanserie gelesen habe. Freilich, Steiner bedauert auch, daß die Leser von Harry Potter nicht über diese Lektüre hinauskommen. J. K. Rowling könne sich den Welterfolg selbst nicht erklären, bemerkt Steiner und fragt sich, ob Kinder, die Harry Potter gelesen haben, danach zu den Klassikern übergehen: Die Schatzinsel, Gullivers Reisen, Oliver Twist usw. Die Antwort ist "nein", wie Untersuchungen von Literatursoziologen ergeben haben. 

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  1. Die Idee des be­din­gungs­lo­sen Grund­ein­kom­mens (BGE) ist der letz­te Stroh­halm ei­ner im Kern »lin­ken« Pa­ra­dies­po­li­tik (und das nach dem Ver­sa­gen des »So­zia­lis­mus«, der sich 1990f zeig­te). Es gibt m. E. kei­ne se­riö­se Rech­nung, die das Auf­kom­men für das BGE in ir­gend­ei­ner Form auf­zei­gen könn­te. Als ich dies auf Face­book an­läß­lich des Schwei­zer Re­fe­ren­dums er­wähn­te und um ei­ne Bei­spiel­rech­nung bat, fiel den Adep­ten nichts an­de­res ein, als dass die In­itia­to­ren schon al­les rich­tig ge­rech­net ha­ben dürf­ten. Das war’s dann.

    Im Kern ha­ben wir in Deutsch­land fast ein BGE. Es nennt sich of­fi­zi­ell »Ar­beits­lo­sen­geld II«, vul­gär: »Hartz IV«. Pro for­ma ist es an be­stimm­te Be­din­gun­gen ge­knüpft, die nicht al­le ein­leuch­ten, aber im Kern durch­aus ver­nünf­tig sind. So sind bei­spiels­wei­se Ver­mö­gens­frei­be­trä­ge be­nannt, die man kürz­lich an­ge­passt (d. h. er­höht) hat. Au­ßer­dem muss sich der Lei­stungs­emp­fän­ger dem Ar­beits­markt zur Ver­fü­gung hal­ten und zu­mut­ba­re Jobs an­neh­men. An­son­sten dro­hen Sank­tio­nen. Die sind um­strit­ten, wo­bei die ak­tu­el­le Rechts­spre­chung auch hier Frei­be­trä­ge ein­ge­räumt hat, d. h. es darf ei­nem nicht mehr das gan­ze Geld ge­kürzt wer­den.

    Der Be­trag pro Per­son liegt der­zeit bei € 424. Die Kalt­mie­te wird bis rd. € 360 über­nom­men (für Ein­zel­per­so­nen). Ne­ben­ko­sten wer­den so­zu­sa­gen nach Aus­la­ge er­stat­tet; prak­tisch al­les wird vom Amt be­zahlt (meist üb­ri­gens auch die Rund­funk­ge­bühr). Der Sturm ge­gen Hartz-IV ist im­mer noch groß, ins­be­son­de­re die Wohl­fahrts­ver­bän­de se­hen hier »Ar­mut« am Werk. Da­bei wird still­schwei­gend da­von aus­ge­gan­gen, dass auch Hartz-IV-Emp­fän­gern ei­ne Teil­ha­be ähn­lich ar­bei­ten­den Men­schen er­mög­licht wer­den soll.

    Las­sen wir die­sen Punkt ein­mal bei­sei­te, so kann man sa­gen, dass min­de­stens rd. € 800 na­he­zu vor­aus­set­zungs­los be­zahlt wer­den. Ver­hun­gert ist dar­an bis­her mei­nes Wis­sens nie­mand. Gro­ße Sprün­ge, d. h. Kon­sum, der jen­seits des Le­bens­un­ter­halts liegt, ist da­mit schwer­lich mög­lich. Ich neh­me dies als Bei­spiel, um zu ver­deut­li­chen, dass ein BGE von € 800 zwar theo­re­tisch zum Le­ben aus­reicht, aber den Ka­pi­ta­lis­mus ( d. h. am En­de ja nichts an­de­res als In­du­strie und auch Dienst­lei­stungs­ge­wer­be) prak­tisch zum Still­stand brin­gen wür­de. Das BGE muss al­so weit hö­her lie­gen, da­mit bspw. Elek­tronik­pro­duk­te oder auch Mo­bi­li­tät ab­ge­deckt sind.

    Viel­leicht soll man sich al­so nach dem ge­setz­li­chen Min­dest­lohn ori­en­tie­ren. Der liegt in Deutsch­land der­zeit bei € 9,35/Stunde brut­to. Bei ei­ner 40 Stun­den-Wo­che sind das € 1.621 brutto/Monat. Als Ein­zel­per­son oh­ne Kin­der blei­ben da­von rd. € 1.200 net­to üb­rig. Wohl ge­merkt: Da­von müs­sen bspw. Mie­te und Ne­ben­ko­sten ge­tra­gen wer­den.

    Mit € 1.200 ist na­tür­lich ein Thea­ter- und/oder Mu­se­ums­be­such und auch ein Buch/Monat für durch­schnitt­lich € 20 drin. Si­cher­lich. Wenn man das möch­te. Ein Au­to zu un­ter­hal­ten wird schon schwie­ri­ger, aber das will man viel­leicht gar nicht mehr. Wenn man al­so ein BGE an­strebt, soll­te es in die­sem Be­reich lie­gen.

    Bleibt die Fra­ge, wie € 1.200 bei rd. 80 Mio. Men­schen in Deutsch­land zu be­zah­len sind. Das Auf­kom­men hier­für lä­ge bei € 1.152.000.000.000‬. Im Jahr 2019 lag der Bun­des­haus­halt (Aus­ga­ben des Bun­des – d. h. bei der schwar­zen Null, die bis 2019 galt, grob ge­sagt iden­tisch mit den Ein­nah­men) bei € 356.000.000.000. Man kann so­fort er­ken­nen, dass es ei­ne Dis­kre­panz um rund ge­rech­net Fak­tor 3 gibt. Das gilt auch dann, wenn man die an­de­ren So­zi­al­lei­stun­gen, die im Haus­halt aus­ge­wie­sen wer­den – al­so bspw. Kin­der­geld – her­aus­rech­nen wür­de (was ja in­ten­diert ist)

    Das Geld für das BGE muss al­so ir­gend­wo her­kom­men. Wie wä­re es mit ei­ner er­höh­ten Um­satz­steu­er. Da­mit wür­de al­ler­dings dem Kon­su­men­ten das Geld, was man ihm gibt, so­fort wie­der ab­ge­zo­gen. Wo­mög­lich muss man auch Mie­ten dann um­satz­steu­er­pflich­tig ma­chen (bis­her in D be­freit).

    Da­bei ist ja gar nicht ge­sagt, dass die Sum­me der bis­he­ri­gen Ein­nah­men blei­ben wür­de. Was ge­schieht mit den Ar­beits­lo­sen in den Ver­wal­tun­gen, die bis­her Lohn­er­satz­lei­stun­gen be­ar­bei­ten? Wie­vie­le Men­schen wä­ren mit ei­nem BGE zu­frie­den und wür­den ih­re Ar­beit (mit der sie Steu­ern für den Staat er­wirt­schaf­ten) ein­fach auf­ge­ben. Hand­wer­ker bei­spiels­wei­se könn­ten ihr BGE mit Schwarz­ar­beit auf­bes­sern; mehr denn je, denn Zeit wä­re vor­han­den. Na­tür­lich wür­den die Kün­ste nebst Li­te­ra­tur enorm pro­fi­tie­ren, denn jetzt wä­re es Zeit, end­lich sei­nen Ro­man zu schrei­ben. Oder sich zu »bil­den«. Oder viel­leicht doch lie­ber Net­flix oder Par­ty?

    Wer sol­che Vor­be­hal­te äu­ßert, gilt ja längst als schlech­ter Mensch bzw. als je­mand, der nur das Schlech­te im Men­schen sieht. Und es gibt ja Bei­spie­le, wie BGE in be­grenz­tem »For­mat« an­geb­lich funk­tio­nie­ren. Das glau­be ich al­ler­dings auch – weil es ei­ne Sub­ven­tio­nie­rung durch all die gibt, die nicht an dem Pro­jekt BGE teil­neh­men. So­bald al­le un­ter­schieds­los ein BGE er­hal­ten, wird die Wirt­schaft das oh­ne ei­ne se­riö­se Fi­nan­zie­rung nicht aus­hal­ten. Es sei denn, man druckt ein­fach Geld bis die In­fla­ti­on al­les auf­frisst und dann das Le­ben wie­der von vor­ne los­geht. Mein Ver­dacht ist, dass dies hin­ter der Idee des BGE steckt.

  2. Dass die Mensch­heit frei ist, wenn die Ma­schi­nen die Ar­beit über­neh­men, ist ei­ne über­star­ke Ver­ein­fa­chung.
    Zur Volks­wirt­schaft: Tat­säch­lich ist nicht das durch­schnitt­li­che Ein­kom­men, son­dern die In­ve­sti­ti­ons­quo­te der Re­al­wirt­schaft für Wachs­tum und Be­schäf­ti­gung maß­geb­lich. Wie Gre­gor schon an­deu­tet: al­lein vom Kon­sum aus ei­nem ubi­qui­tä­ren Grund­ein­kom­mens bricht die Wirt­schaft und ihr auf­ge­setz­ter Fi­nanz­ka­pi­ta­lis­mus so­fort zu­sam­men. Das ist un­ge­fähr so, als hät­te man in der Mit­te des 19. Jahr­hun­derts be­schlos­sen, die Dampf­lo­ko­mo­ti­ven »aus Um­welt­grün­den« nur noch mit Stroh zu be­feu­ern. Da­mit wä­re man kei­ne hun­dert Me­ter weit ge­kom­men...
    Ich er­ken­ne zwei Mo­ti­ve aus al­ten Dis­kus­sio­nen wie­der: die Über­flüs­sig­keit des Künst­lers und der Krea­ti­ven, und die hu­mor­vol­le bzw. re­bel­li­sche Per­spek­ti­ve, dass Ar­beit »krank macht«. Bei­des ist dis­kus­si­ons­wür­dig, aber ich ken­ne kei­ne Er­ör­te­rung, die aus die­sen zwei »Kern­pro­ble­men« ei­nen Sy­stem­wech­sel be­grün­den konn­te. Das ist ganz klar zu we­nig Ar­gu­ment. Da müss­ten die Künst­ler und die durch bzw. oh­ne Ar­beit Kran­ken schon wirk­lich sehr ka­putt und ver­zwei­felt sein... Was vor­kommt, kei­ne Fra­ge! Aber eben nicht aus­reicht, weil po­li­ti­sche Pla­nung nicht dis­funk­tio­nal sein soll­te.

  3. Die Fra­ge ist, in wel­chem Maß Ma­schi­nen (inkl. Al­go­rith­men, Ro­bo­ter, KI) wirk­lich die bis­her von Men­schen be­wäl­tig­ten Ar­bei­ten über­neh­men, oh­ne daß im sel­ben Maß neue Ar­beits­plät­ze für Men­schen ent­ste­hen. Je mehr sich die­ses Ver­hält­nis dra­ma­ti­siert, de­sto dring­li­cher stellt sich die Fra­ge, wie die Ar­beits­lo­sen er­hal­ten wer­den kön­nen. Ich glau­be nicht, daß 80 Mio. Deut­sche nicht ar­bei­ten WOLLEN. Aber die Zahl der Ar­beits­plät­ze könn­te ein­fach bei wei­tem nicht aus­rei­chend sein. Tat­säch­lich ist es so, daß in Län­dern wie USA oder Ja­pan, mit star­ker Tech­no­lo­gi­sie­rung und Ro­bo­ter­i­sie­rung, zwar die Angst vor Ar­beits­lo­sig­keit gras­siert, aber der Sta­ti­stik nach die Ar­beits­lo­sen­zah­len in den letz­ten Jah­ren kon­ti­nu­ier­lich ge­sun­ken sind (vor Co­ro­na). Könn­te es sein, daß vie­le pre­kä­re, schlecht be­zahl­te Ar­beits­plät­ze ent­stan­den sind? Könn­te es sein, daß die Un­zu­frie­de­nen nicht Angst vor dem Nichts ha­ben, son­dern da­vor, daß sie ihr Ni­veau (mit Au­tos, Ur­laub etc.) nicht hal­ten kön­nen?
    Der Punkt bei For­re­ster ist, daß ein BGE-Mo­dell so­zio­öko­no­misch not­wen­dig wer­den könn­te. Tat­säch­lich ist ja auch die von Gre­gor be­schrie­be­ne Hartz IV-Rea­li­tät ei­ne Not­wen­dig­keit. Die (Nicht-)Bezahlbarkeit ei­nes ech­ten BGE wür­den Leu­te wie Pi­ket­ty mit der un­glei­chen Ver­tei­lung des Reich­tums in Ver­bin­dung brin­gen. Ei­ne weit stär­ke­re Be­steue­rung von gro­ßen Ver­mö­gen scheint al­ler­dings auch wie­der »un­rea­li­stisch«. Man stößt dau­ernd auf die (an­geb­li­chen) Gren­zen der Mach­bar­keit.
    Ein ent­schei­den­der Punkt ist si­cher, ob und wie der Kon­sum ge­si­chert wer­den könn­te. Im Prin­zip müß­te es aber doch so sein, daß, je mehr ra­tio­na­li­siert und au­to­ma­ti­siert wird, um­so grö­ße­re Ge­win­ne er­zielt wer­den kön­nen, die dann zu ei­nem hö­he­ren Steu­er­auf­kom­men bei­tra­gen könn­ten. Oder die Pro­duk­te könn­ten stark ver­bil­ligt wer­den. Tat­säch­lich ar­bei­tet die Preis­po­li­tik ja auch mit Fik­tio­nen. Vie­les ist jetzt schon na­he­zu ko­sten­los, an­de­res viel teu­rer als nö­tig.
    Mein per­sön­li­cher Ein­wand ge­gen das BGE und mei­ne Be­fürch­tung, daß sol­che Ex­pe­ri­men­te, in gro­ßem Stil durch­ge­führt, nicht klap­pen wür­den, rührt eben da­her, daß ich nicht an das Gu­te im Men­schen glau­be. Wenn sie nicht in ei­ne Ar­beits- oder Bil­dungs­struk­tur ein­ge­bun­den sind, ver­sump­fen die mei­sten Men­schen. Nicht Net­flix, son­dern Schlim­me­res, oder Doo­fe­res. Ich ha­be selbst ein­mal ein paar Mo­na­te lang Ar­beits­lo­sen­geld be­zo­gen, ei­nen ge­rin­gen Be­trag, weil ich nicht viel ver­dient hat­te. Da­mals konn­te ich stark ver­bil­lig­te Kar­ten für Ein­rich­tun­gen wie das Burg­thea­ter be­kom­men. Als ich das in An­spruch nahm (un­ter Vor­wei­sung ei­nes Aus­wei­ses), herrsch­te dort, im Burg­thea­ter, zu­erst ein­mal Stau­nen, daß es das über­haupt gibt, dann wur­de ich qua­si mit Hän­den ge­tra­gen, be­kam ei­nen sehr gu­ten Platz etc. Of­fen­bar gab es nicht vie­le Ar­beits­lo­se, die ins Burg­thea­ter woll­ten.
    Wenn man mal an­nimmt, es gibt ein ech­tes BGE (oh­ne Zwang, sich bei AMS bzw. BA zu mel­den und Ar­beit ev. an­zu­neh­men), müß­te das mit an­de­ren Zwän­gen ver­bun­den wer­den, z. B. Bil­dungs­an­ge­bo­te in An­spruch zu neh­men oder ei­ner so­zia­len Tä­tig­kei­te nach­zu­ge­hen (Nach­bar­schafts­ver­ei­ne usw.). Aber ich fürch­te, das wird we­gen der »Schlech­tig­keit« der Men­schen nicht klap­pen.

  4. Mein Punkt ist auch nicht, dass 80 Mil­lio­nen Deut­sche nicht ar­bei­ten wol­len. Aber es wür­den wohl eher die schlecht be­zahl­ten Jobs im Dienst­lei­stungs­be­reich sein, de­ren Ar­beit­neh­mer das BGE er­satz­los ak­zep­tie­ren wür­den. Die Fra­ge wä­re, ob die­se Po­si­tio­nen dann neu be­setzt wer­den, was nur über hö­he­re Ge­häl­ter mög­lich wä­re. Dies wie­der­um müss­ten die Kun­den be­zah­len, was wie­der­um bei ei­ner Eva­lu­ie­rung des BGE zu des­sen Er­hö­hung füh­ren müss­te, da­mit es nicht an Kauf­kraft ver­liert, usw.

    Ob For­re­ster ein BGE für not­wen­dig hält oder nicht ist nicht re­le­vant. Es geht dar­um, wie das Geld, wel­ches da­für be­nö­tigt wird, er­wirt­schaf­tet wird. Wie ge­sagt, man kann es auch drucken (auf an­de­rer Ebe­ne macht das die EZB ja schon seit Jah­ren), aber ir­gend­wann wird al­les plat­zen. Pi­ket­ty kann sich ja für die glo­ba­le Ent­eig­nung der Rei­chen ein­set­zen (bei ei­ni­gen Prot­ago­ni­sten im lin­ken po­li­ti­schen Spek­trum Deutsch­lands gilt man schon bei ei­nem Jah­res­ein­kom­men von € 60.000 brut­to als »reich«). Die Ver­tei­lung un­ter so­zia­li­sti­schen Ägi­den ha­ben al­ler­dings bis­her nicht be­son­ders gut funk­tio­niert.

    Es gab im­mer wie­der Ver­su­che, Hartz-IV-Emp­fän­ger über spe­zi­el­le Gut­schei­ne ver­bil­ligt oder ko­sten­los an kul­tu­rel­len Er­eig­nis­sen Teil­ha­be zu er­mög­li­chen. Meist wur­den sie früh we­gen Des­in­ter­es­se ein­ge­stellt. Die ent­spre­chen­den So­zi­al­ver­bän­de ver­such­ten das mit der »Dis­kri­mi­nie­rung« zu er­klä­ren, wenn man sich an der Kas­se als So­zi­al­hil­fe­emp­fän­ger »outen« muss. Ich hal­te das für Quatsch. Es be­steht ein­fach mehr­heit­lich in die­ser Kli­en­tel we­nig bis kein In­ter­es­se an Thea­ter, Kon­zer­ten oder Mu­se­en. Mit Zwän­gen wird man auch nicht wei­ter­kom­men – man kann Bil­dungs­an­ge­bo­te nicht vor­schrei­ben (ich ha­be ei­nen klei­nen Ein­blick er­hal­ten, wie die Deutsch­kur­se für Flücht­lin­ge seit 2015ff »funk­tio­nie­ren«: rund 20% der Teil­neh­mer hat kein In­ter­es­se, die deut­sche Spra­che zu er­ler­nen – selbst Gel­derkür­zun­gen än­dern da nichts).

  5. Ih­re Über­le­gun­gen (@Leopold) sind so... Mit­tel­schicht. Mehr Am­bi­va­lenz geht nicht. Das kann man wie in ei­nem Miets­haus ab­le­sen: über ih­nen re­si­diert das »Ver­mö­gen«, und un­ter ih­nen wohnt das ar­beits­scheue Ge­sin­del.
    Ei­nes ih­rer Ar­gu­men­te ist ziem­lich wich­tig, weil es im­mer wie­der kehrt, nicht nur in öko­no­mi­schen Fra­gen: im an­glo-ame­ri­ka­ni­schen Sprach­raum nennt man es kri­tisch Li­ne­ar-to-In­fi­ni­ty.
    Ihr Bei­spiel war der Zu­sam­men­hang von Pro­duk­ti­vi­tät und Ar­beit, ver­bun­den mit der Fra­ge, »in wel­chem Maß Ma­schi­nen (...) die bis­her von Men­schen be­wäl­tig­ten Ar­bei­ten über­neh­men, oh­ne daß im sel­ben Maß neue Ar­beits­plät­ze für Men­schen ent­ste­hen.«. Das ist ziem­lich schwer zu ana­ly­sie­ren, weil die Ma­schi­nen sich ja nicht selbst er­schaf­fen wie in MATRIX. Im Ge­gen­teil sind sie eher au­ti­sti­sche Ba­bys, die stän­dig der Pfle­ge und Ent­wick­lung be­dür­fen.
    Aber neh­men wir mal für ei­nen Mo­ment an, es ge­be da ei­nen ve­ri­ta­blen Nach­teil für die Be­schäf­tig­ten. Dann gibt es nach For­re­ster (so wört­lich) »ei­nen Punkt«, an dem man ein BGE not­ge­drun­gen ein­füh­ren müss­te.
    Ganz ge­nau! Die­ser Punkt liegt ma­the­ma­tisch ge­se­hen im Un­end­li­chen, ge­nau­er ge­sagt ist er gar nicht be­re­chen­bar. Es wird näm­lich die »im­mer stär­ker wach­sen­de An­zahl« der Ma­schi­nen, durch ei­ne im­mer klei­ne­re Zahl von Ar­bei­tern ge­teilt. Das Ver­hält­nis (Dif­fe­ren­zi­al) strebt ge­gen Un­end­lich, und da­mit strebt auch die Pro­duk­ti­vi­tät ge­gen Un­end­lich, und das mitt­le­re Ein­kom­men (bei 40 Mio Be­schäf­tig­ten) ge­gen Null
    For­re­ster über­setzt: im Un­end­li­chen gibt es ei­nen Punkt, an dem die Ein­füh­rung ei­nes BGE zwin­gend ge­wor­den ist.
    Da­zu sagt die Kri­tik: Stimmt! Aber bis da­hin ha­ben wir ganz ge­wöhn­li­che Um­ver­tei­lungs­pro­ble­me.
    Das sind üb­ri­gens kei­ne Zah­len­spie­le, um den Geg­ner zu ver­wir­ren, denn mit die­sen Sca­ling-up-to-in­fi­ni­ty-Ar­gu­men­ten wird nicht so sehr die Mög­lich­keit ei­ner Ka­ta­stro­phe ana­ly­siert, son­dern die ab­seh­ba­re Dys­funk­tio­na­li­tät schon auf ein Heu­te pro­ji­ziert und Alarm ge­schla­gen. Der Alar­mis­mus hat hier sei­ne in­tel­le­kuel­len Wur­zeln.
    Das ist zwar rich­tig, dass die ka­pi­ta­li­sti­sche Ge­sell­schaft nicht be­son­ders gut funk­tio­niert, wenn man als Ziel Sinn-und-Glück für al­le vor­gibt. Aber we­der die­se über­trie­be­ne For­de­rung, noch die Pro­gno­se von For­re­ster (Ka­ta­stro­phe-im-Un­end­li­chen) sind un­ab­weis­ba­re Grün­de für ei­nen Sy­stem­wech­sel.

  6. Ich glau­be, ich ha­be es ge­schrie­ben: Mei­ne größ­te Skep­sis ge­gen das BGE rührt da­her, daß er­fah­rungs­ge­mäß die mei­sten Leu­te ver­sump­fen, wenn sie nichts zu tun ha­ben, und auch nicht in der La­ge sind sich et­was Sinn­vol­les aus­zu­den­ken, das sie tun könn­ten. Sie sind blei­ben pas­siv, kon­su­mie­ren. Zum Bei­spiel TV, Games, Fuß­ball usw. Was Glück ist, müs­sen wir hier nicht dis­ku­tie­ren, aber zum Glück von Kul­tur und Bil­dung wird man nie­man­den zwin­gen kön­nen.

    Ma­schi­nen: In vie­len Be­rei­chen gibt es ei­ne fast to­ta­le Au­to­ma­ti­sie­rung. Ma­schi­nen stel­len oh­ne viel mensch­li­chen Zu­spruch Ma­schi­nen her. Und da die künst­li­che In­tel­li­genz, wenn man Ex­per­ten traut, ra­sen­de Fort­schrit­te macht, wer­den Ma­schi­nen auch im­mer mehr neue Ma­schi­nen ent­wickeln. Wer­den des­halb die mei­sten Ar­beits­plät­ze ver­schwin­den? Wer­den wir den un­end­li­chen Punkt bald in un­se­rer End­lich­keit er­rei­chen?
    Ich ha­be kei­ne Ah­nung, und die Ex­per­ten­mei­nun­gen ge­hen aus­ein­an­der. Bill Gates 2014 warn­te 2014, daß ein Groß­teil der Ar­beits­plät­ze bald ver­schwin­den wür­den. (https://www.thejournal.ie/bill-gates-software-automatic-jobs-loss-bots-1363435-Mar2014/) In Na­tu­re stand En­de 2018 zu le­sen, daß die Au­to­ma­ti­sie­rung vie­le Ar­beits­plät­ze schaf­fen wür­de. (https://www.nature.com/articles/d41586-018–07501‑y) Ich könn­te mir den­ken, daß vie­le neue Ar­beits­plät­ze in Be­rei­chen ent­ste­hen wer­den, die mit Au­to­ma­ti­sie­rung, KI etc. in di­rek­ter Wei­se gar nicht zu tun ha­ben. Z. B. Ge­sund­heits­be­ru­fe (auch wenn Gates meint, Kran­ken­pfle­ge kön­ne bald von Ro­bo­tern über­nom­men wer­den) oder Kin­der­be­treu­ung – wenn qua­li­fi­zier­te Ar­beits­kräf­te al­le paar Jah­re um­ler­nen und stän­dig neue Be­ru­fe ent­ste­hen, wäh­rend al­te ver­schwin­den.
    For­re­ster hat die­se Mög­lich­keit nicht ein­mal an­ge­dacht, daß Ar­beit Man­gel­wa­re wird, war für sie ei­ne un­hin­ter­frag­ba­re Vor­aus­set­zung.

  7. Bis­her galt (gilt?) das Junk­tim, dass die Men­ge der durch Au­to­ma­ti­on bzw. Di­gi­ta­li­sie­rung ver­schwin­den­den Ar­beits­plät­ze ge­rin­ger ist als die­je­ni­ge, die durch die neu­en Tech­no­lo­gien ent­ste­hen. So rich­tig ha­be ich das nie ge­glaubt. Si­cher­lich gibt es auf ei­nem Bau­ern­hof kei­ne fünf Knech­te mehr, aber wel­chen Be­ruf die nun aus­üben, ist mir nicht ganz klar. Ra­tio­na­li­sie­run­gen ge­sche­hen ja vor al­lem im Per­so­nal­ko­sten­seg­ment. Es soll ei­nen Au­to­mo­bil­her­stel­ler ge­ben, der frü­her in Ren­te ge­hen­den für zwei, drei Jah­re noch 90% des Net­to­ge­halts ga­ran­tiert, wenn sie nur so­fort ge­hen.

    Ge­sund­heits­be­ru­fe (bspw. Kran­ken- bzw. Al­ten­pfle­ger) wür­den nur dann boo­men, wenn die wo­mög­lich dau­er­haft not­wen­di­ge Pfle­ge von Men­schen be­zahlt wird. In Deutsch­land ko­stet ein durch­schnitt­li­cher Heim­platz € 2.600/Monat, das sind € 31.200/Jahr. Die Durch­schnitts­ren­te in D liegt der­zeit bei rd. € 1.400. Wenn ein sol­cher Rent­ner in ein Al­ten­heim kommt, wer­den erst ein­mal sei­ne Er­spar­nis­se auf­ge­braucht, be­vor dann der Staat die Dif­fe­renz be­zahlt. Im Bei­spiel € 1.200/Monat. Aus teil­wei­se ei­ge­ner An­schau­ung weiss ich, dass die mei­sten Heim­be­woh­ner eher un­ter­durch­schnitt­li­che Ren­ten ha­ben. Zu­dem er­höht sich bei ver­stärk­ter Pfle­ge­be­dürf­tig­keit der Bei­trag pro Mo­nat. Ein Heim muss mit die­ser Kal­ku­la­ti­on klar­kom­men. Wenn in ein paar Jah­ren die Ba­by­boo­mer ver­stärkt in die Hei­me kom­men, wer­den die Ko­sten stei­gen, was aber nicht be­deu­ten muss, dass die Ar­beits­stel­len für Pfle­ge­kräf­te eben­falls zu­neh­men. Schon jetzt baut man auf Pfle­ge zu Hau­se, die von meist selbst­stän­di­gen Klein­un­ter­neh­me­rin­nen (es sind über­wie­gend Frau­en) er­bracht wer­den. Die le­gen da­mit den Grund­stock für ih­re ei­ge­ne pre­kä­re Ren­ten­si­tua­ti­on.

    Ar­beit als sol­che ist kei­ne Man­gel­wa­re; sie wä­re im Über­maß zu er­brin­gen. Meist hakt es dar­an, dass die­se Ar­beit so be­zahlt wer­den muss, dass Men­schen da­von le­ben kön­nen. Das zeigt sich si­gni­fi­kant bei den so­ge­nann­ten »Auf­stockern«.

  8. Ich bin ja in den Sieb­zi­ger und Acht­zi­ger Jah­ren auf­ge­wach­sen. Da wa­ren Wachs­tum und Be­schäf­ti­gung die zen­tra­len po­li­ti­schen The­men. Dann ka­men die Neun­zi­ger (Wie­der­ver­ei­ni­gung), die Nuller Jah­re (Eu­ro­pa, Is­la­mis­mus), und das zwei­te Jahr­zehnt (Kli­ma­wan­del, Mi­gra­ti­on). Die po­li­ti­sche Klas­se hat ihr the­ma­ti­sches Zen­trum im­mer wie­der neu de­fi­niert. Im Au­gen­blick zeich­net sich das The­ma »Neue Öffentlichkeit/Identität« ab. Mal se­hen!
    Rich­tig: die exi­sten­zi­el­le Ka­te­go­rie der Ar­beit ist ver­schwun­den. Die Be­griffs­per­son da­hin­ter war der Ho­mo Fa­ber, und da­mit wa­ren Män­ner und Frau­en ge­meint. Je­den­falls hat der Fe­mi­nis­mus da­für ge­sorgt! Ich ha­be den Ein­druck, dass die­ser Dis­kurs aus­läuft. Das könn­te die Lücke sein, die @Leopold an­spricht, wenn er von ei­nem Des­in­ter­es­se der In­sti­tu­tio­nen spricht. Ei­gent­lich ist das ei­ne wich­ti­ge Com­mon-Sen­se-Fi­gur, über die sich Po­li­tik de­fi­niert und mit­teilt. Müs­sen wir nicht die Zu­kunft der Ar­beit (und die »Gräu­el der Ge­gen­wart«) auf zwei ver­schie­de­nen Ebe­nen dis­ku­tie­ren, wenn man so will, auf ei­ner rea­len und auf ei­ner ima­gi­nä­ren Ebe­ne?! Und ich mei­ne tat­säch­lich »ima­gi­när«, und nicht »vi­su­ell«, ob­schon auch die Dar­stel­lun­gen von Ar­beit sehr knapp ge­wor­den sind. Ich gucke oft Do­kus auf n‑tv, sei es Werf­ten, Flug­ha­fen, Fa­bri­ken (fast kei­ner da...), Lo­gi­stik, etc. Da tau­chen we­nig­stens noch Split­ter aus der ehe­ma­li­gen, ge­mein­sam kon­stru­ier­ten Wirk­lich­keit auf.

  9. Na­ja, man kann al­les auf zwei oder mehr Ebe­nen dis­ku­tie­ren. Aber, sa­lopp ge­spro­chen, am En­de geht es dar­um, wie Ein­kom­men ge­ne­riert wird, dass mehr als nur das Le­bens­not­wen­di­ge deckt. En­de der 1990er war der Slo­gan der Dienst­lei­stungs­ge­sell­schaft auch in Eu­ro­pa an­ge­kom­men. In GB und auch den USA war schon längst die De­indu­stria­li­sie­rung fort­ge­schrit­ten. Mit Asi­en und dann auch Ost­eu­ro­pa schie­nen neue und vor al­lem bil­li­ge Pro­duk­ti­ons­stand­or­te ge­fun­den. Man brauch­te nicht mehr die Hän­de schmut­zig ma­chen und stu­dier­te Me­di­en­wis­sen­schaf­ten oder Tou­ris­mus.

    Deutsch­land hat noch den klei­nen Vor­teil, dass es die­se De­indu­stria­li­sie­rung nicht mit­ge­macht hat. Aber das Pa­ra­dies ist längst ab­ge­sagt. An Klei­nig­kei­ten zeigt sich, was im ar­gen liegt: Es gibt kaum mehr Hand­wer­ker, in MINT-Fä­chern ist Deutsch­land na­he­zu ein Ent­wick­lungs­land, Aus­bil­dun­gen wer­den ver­kürzt und im­mer mehr nicht aus­ge­bil­de­te Kräf­te in Dienst­lei­stungs­be­ru­fen ein­ge­setzt. Die wer­den da­mit häu­fig zu Dum­ping-Exi­sten­zen, usw.

  10. Ja, die Ent­deckung der Schat­ten­sei­ten der Glo­ba­li­sie­rung be­ginnt En­de der 90er Jah­re. Die Fa­bri­ken der Welt ste­hen in der Pro­vinz Guang­dong (Chi­na), und die neu­en Dienst­lei­stungs­be­ru­fe sind nicht ganz so un­ver­zicht­bar wie die Kran­ken­schwe­ster, so­dass sich ein der »Mit­tel­klas­se be­nach­bar­tes Pre­ka­ri­at« bil­det. Die Ar­beits­mo­ral be­ginnt zu wackeln, zu­letzt weil ei­ne be­acht­li­che Kon­kur­renz aus Ost­eu­ro­pa auf den Plan tritt.
    Und wie wird re­giert?! Ganz ein­fach, in­dem man so wie da­mals von nichts ei­ne Ah­nung hat, aber steif und fest be­haup­tet, die Welt von mor­gen zu ken­nen. Green Deal!
    Ich glau­be, zwi­schen der bür­ger­li­chen Welt und ei­nem wahr­haf­ti­gen ge­sell­schaft­li­chen Op­ti­mis­mus liegt ein gan­zer Oze­an. Da wür­de ich Ih­nen zu­stim­men. Aber war es nicht im­mer schon schwer, die per­sön­li­chen Er­war­tun­gen an Ent­wick­lung und Pro­spe­ri­tät zu ver­all­ge­mei­nern?! Heu­te hat die Po­li­tik die Zu­kunft als Mög­lich­keit, Be­dro­hun­gen ab­zu­wen­den ent­deckt. So spart man sich die Ver­le­gen­heit der spä­ter dann fest­ge­stell­ten »fal­schen Ver­spre­chun­gen« kom­plett. Das ist doch sehr ele­gant! Wenn heut­zu­ta­ge ei­ne Be­dro­hung über­trie­ben wird und spä­ter der Scha­den ge­rin­ger aus­fällt als be­fürch­tet, sind al­le froh, dass sie »ent­täuscht wur­den«... Pes­si­mi­sti­sche Po­li­tik ist mo­dern, spät­mo­dern!

  11. @ Gre­gor (wei­ter oben)
    Vor kur­zem ha­be ich ein Buch von Co­lin Crouch be­kom­men, »Will the gig eco­no­my pr­e­vail?« Die Ant­wort ten­diert in Rich­tung Ja, so­weit ich es bis­her an­le­sen konn­te. Crouch ver­sucht, die di­ver­sen For­men von pre­kä­ren Ar­beits­ver­hält­nis­sen zu be­nen­nen und lie­fert da­zu ei­ne Men­ge sta­ti­sti­scher Da­ten. »Gigs« sind in die­sem Zu­sam­men­hang Lei­stun­gen für ei­ne oder zwei Fir­men, die ein Ar­bei­ter, der de fac­to aber »selb­stän­dig« ist, im­mer wie­der er­bringt. Das ist aber nur ei­ne Form von »pre­ca­ri­ty«. Dau­er­haf­te Ar­beits­ver­hält­nis­se gibt es im­mer we­ni­ger, vie­le kön­nen von ih­rer Tä­tig­keit kaum ih­re Fa­mi­li­en er­näh­ren. Aus­ge­nom­men You­tuber, In­fluen­cer, die­se Art von »neu­en Be­ru­fen«. Ken Loach schil­dert in sei­nem letz­ten Film die Si­tua­ti­on die­ser neu­en »Un­ter­neh­mer«.
    Zur Fra­ge, ob Au­to­ma­ti­sie­rung, Ro­bo­ter­i­sie­rung etc. mehr Ar­beits­plät­ze schaf­fen oder ver­nich­ten, ha­be ich sehr un­ter­schied­li­che Stel­lung­nah­men ge­le­sen. Im Pfle­ge­be­reich sol­len ja auch mehr und mehr Ro­bo­ter zum Ein­satz kom­men. Ob wir das al­ler­dings wol­len? Ob die Fa­mi­li­en das wol­len? Ob es sich auf­hal­ten läßt? Ob es Al­ter­na­ti­ven gibt? Lau­ter of­fe­ne Fra­gen, sie schnei­den al­le hin­ein in den brei­igen Teig, den ich mit »Gräu­el der Ge­gen­wart« mei­ne.
    Daß mehr ge­pflegt, the­ra­piert, be­han­delt, be­glei­tet wer­den muß, liegt auf der Hand. Auch Well­ness-Be­rei­che zäh­le ich da­zu. Vor­beu­ge ge­gen Burn­out. Psy­chi­sche Er­kran­kun­gen. Die Leu­te wer­den äl­ter, die Me­di­zin macht wei­ter ra­san­te Fort­schrit­te, Ärz­te wer­den in be­stimm­ten Be­rei­chen ja eben­falls über­flüs­sig (Y. N. Ha­ra­ri gibt in sei­nen dicken Bü­chern gern Bei­spie­le da­für). Ob sich das al­les wird be­zah­len las­sen? Of­fe­ne Fra­ge. Nach Ih­ren Rech­nun­gen, Gre­gor, nicht.