Winter 1972. Die Ich-Erzählerin aus Ulrike Edschmids Roman »Levys Testament« macht sich zusammen mit einigen anderen Studenten der Berliner Filmakademie auf nach London zu der Gruppe »Cinema Action«, die unter anderem mit Filmen über den Pariser Mai 1968 aufgefallen war. Sofort ist man in der Londoner Anarchistenszene, bei der »Angry Brigade«, die mit ihren Anschlägen (» ‘Wir greifen Besitz an, nicht Menschen‘«) für Furore sorgen. Acht Aktivisten sind seit 1971 im Gefängnis, man nennt sie die »Stoke Newington Eight«. Jetzt stehen sie vor Gericht. An Küchentischen werden Solidariätsadressen verfasst. »Trauer, Ohnmacht und Protest«. Der Prozess wird besucht. Und hier lernt die Erzählerin ihren »Engländer« kennen.
Sie bewundern die Verlorenheit der Angeklagten aber auch deren Eloquenz, die sich »nicht aus Ideologien« speist, sondern aus den Anliegen selber. Sie sind geständig, aber nicht reumütig, erklären ihre Motivation. Ihnen sei klar, dass sie mir ihren Anschlägen nicht die Welt verändern könnten. Weil damals in Großbritannien allerdings Gewalt gegen Sachen auf der gleichen (oder sogar einer höheren Stufe) stand wie Gewalt gegen Personen, haben vier von ihnen keine Chance. Sie erhalten zehn Jahre Gefängnis. Die anderen kommen frei.
Die Erzählerin und der Engländer werden ein Paar. Er ist der Sohn jüdischer Eltern. Die Mutter Norah, klagte zeit ihres Lebens um ihre verlorene Jugend, als sie als älteste Tochter für die Geschwister sorgen muss. Sie verkauft irgendwann Schuhe. Ihrem Sohn sagt sie raunend, dass er nie dazugehören wird. Auch die guten Schulnoten und später der Uni-Abschluss würden daran nichts ändern. Aber warum? Der Vater, »Ginger Joe«, handelte mit billigen Kleidern. Als er damit scheitert, fährt er Taxi. In den 1970ern leben sie in einer Sozialbauwohnung. Wenn irgendwie möglich, besuchen Vater und Sohn die Heimspiele des Fußballvereins Tottenham Hotspurs. Der Engländer wird diesen Verein für immer lieben. Hinzu kommen dann die Rolling Stones. Und ein bisschen Bob Dylan. Aber, und das sagt er ihm kurz vor seinem Tod, vor allem seinen Vater. Es ist die ergreifendste Stelle im Buch.