Chri­stoph Si­mon: Die Din­ge da­heim

Christoph Simon: Die Dinge daheim

Chri­stoph Si­mon:
Die Din­ge da­heim

Weil ich im­mer noch Si­mons »Spa­zier­gän­ger Zbin­den« für ei­nes der men­schen­freund­lich­sten Bü­cher der letz­ten Jah­re hal­te, war ich na­tur­ge­mäß so­fort in­ter­es­siert, als ich von Si­mons neu­em Buch »Die Din­ge da­heim« hö­re. Es sind nur et­was mehr als 80 Sei­ten mit Zeich­nun­gen und ei­nem kur­zen Nach­wort. Aber es ist ein Buch zum Schwel­gen, zum Amü­sie­ren, zum La­chen.

» ‘Ich brauch Ta­pe­ten­wech­sel’ sprach die Bir­ke« – so be­ginnt ein be­rühm­tes Chan­son von Hil­de­gard Knef. Es ist ei­ne Art Lehr­fa­bel über den ewig un­zu­frie­de­nen Men­schen. Ab­seits von Fa­beln und Mär­chen steht die mo­der­ne Li­te­ra­tur An­thro­po­mor­phis­mus, al­so die Ver­mensch­li­chung von Din­gen, skep­tisch ge­gen­über. Da macht auch das in den letz­ten Jah­ren ver­stärkt auf­kom­men­den neue Gen­re des »Na­tu­re Wri­ting« kei­ne Aus­nah­me. Ge­ne­rell über­lässt man es dem Co­mic und ver­gnüg­te sich ma­xi­mal in Zei­chen­trick- oder Ani­ma­ti­ons­fil­men mit spre­chen­den Tie­ren oder gar Din­gen. Vor vie­len Jah­ren ließ Horst Stern ein­mal ei­nen Bä­ren er­zäh­len. 2008 gibt es ei­nen the­ra­peu­ti­schen, kur­zen Text von Se­lim Öz­do­gan, in der Ge­gen­stän­de plötz­lich spre­chen.

Jetzt re­den bei Chri­stoph Si­mon die Din­ge. Sie er­zäh­len, la­men­tie­ren, schimp­fen, ap­pel­lie­ren, mo­no­lo­gi­sie­ren oder tre­ten in den Dia­log mit an­de­ren Din­gen und manch­mal so­gar mit dem Men­schen (der je­doch schweigt). Sie be­haup­ten sich, sie ir­ren (oh­ne, dass es ih­nen je­mand sagt), sie ver­zwei­feln, sie sind ar­ro­gant oder be­mit­lei­dens­wert.

Da wird die Spül­ma­schi­ne zum So­zio­top, in dem die Trink­be­cher mit dem Whis­key­glas, dem »Dro­gen­ab­hän­gi­gen«, nichts zu tun ha­ben wol­len. Oder das Sil­ber­mes­ser möch­te nicht ne­ben den »fünf­zehn arm­se­li­gen Ko­pien« sei­ner selbst im Be­steck­ka­sten lie­gen. Der gro­ße Löf­fel fragt den klei­nen Löf­fel schel­misch, ob er noch wach­sen wol­le. Der Klei­der­bü­gel »hing blank im Schrank und ver­ach­te­te die An­zug­trä­ger.« Und der Kü­chen­tisch glaub­te, er sei »das Zen­trum der be­wohn­ten Welt«. Si­mon ver­nimmt auch die Kom­man­dos des Chefs des Druckers, der die Kom­po­nen­ten checkt und ein biss­chen ver­zwei­felt ist, als der Druck­auf­trag ge­löscht wur­de.

Die Not ist groß bei den Bü­ro­klam­mern im Spen­der, »in­ein­an­der­ge­zwängt, null Pri­vat­sphä­re.« Wo wer­den sie lan­den? Ähn­li­ches fra­gen sich auch die Wat­te­stäb­chen. Kalt­was­ser­hahn und Warm­was­ser­hahn be­schlie­ßen un­ter­des­sen, für ei­nen Tag den Job zu tau­schen. Das Ta­schen­tuch – mit Mo­no­gramm – ist em­pört, dass es nun als Ver­band die­nen soll. Und schließ­lich nimmt der Le­ser an der Ge­ne­ral­ver­samm­lung der Sam­mel­al­ben teil.

Si­mons et­was mehr als ins­ge­samt 120 Tex­te sind la­ko­nisch, bis­wei­len hu­mor­voll, oh­ne Ver­bis­sen­heit oder gar »Bot­schaft«. Es han­delt sich um im be­sten Sin­ne des Wor­tes Sprach­spie­le, manch­mal ka­lau­ernd; die be­sten manch­mal na­he­zu zau­ber­haft. Zu­gleich er­zeu­gen sie, wenn man sich ein we­nig Zeit nimmt mit der Lek­tü­re, Duld­sam­keit. Un­wei­ger­lich über­legt man (wie auch Chri­sti­an de Si­mo­ni im Nach­wort), wer wohl der Mensch ist, der all die­se Ge­gen­stän­de in sei­nem Haus­halt hat. Es sind nur All­tags­ge­gen­stän­de; nichts Lu­xu­riö­ses. Ein Mann? Aber es gibt ei­nen Bü­sten­hal­ter und ein Kon­dom. Ein Pär­chen? Wie alt sie wohl sein mö­gen. Kei­ne Ant­wort hier­auf. Gut so.

So un­schein­bar dies al­les er­zählt wird: Man be­ginnt – für ei­nen klei­nen Mo­ment – , die Ge­gen­stän­de im ei­ge­nen Haus­halt mit an­de­ren Au­gen zu se­hen. Plötz­lich ent­deckt man zum Bei­spiel ei­nen Löf­fel, der in­mit­ten der an­de­ren ein Uni­kat ist. Und man wird nie mehr ver­ges­sen, dass die Packungs­bei­la­ge sich zu­tiefst wünscht, »so zu­rück­ge­fal­tet zu wer­den, wie sie in der Packung vor­ge­fun­den wor­den war«. Von nun an wird man die­sem Wunsch ge­nü­gen. Was für ein Vor­satz.

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  1. Ex­trem Mer­ci für die­ses ver­ständ­nis­rei­che Be­gleit­schrei­ben! Füh­le mich er­mu­tigt – dan­ke!