
»Future War«, das Buch dreier Militärstrategen, erstmals 2021 publiziert und jetzt in deutscher Übersetzung vorliegend, bekommt durch die russische Invasion in die Ukraine zusätzliche Relevanz. Die Lektüre ist beunruhigend, ernüchternd und anstrengend, aber auch lohnend.
Zwei Tage vor der Invasion russischer Truppen in die Ukraine erschien das Buch »Future War – Bedrohung und Verteidigung Europas« in deutscher Sprache. Geschrieben wurde es von den beiden ehemaligen US-Generälen John R. Allen und Frederick Ben Hodges sowie dem britischen Militärhistoriker Julian Lindley-French. Die deutsche Übersetzung stammt von Bettina Vestring (der man aus vielen Gründen ein großes Lob zollen muss). Der Verlag weist zu Recht auf die traurige Aktualität des Buches hin, welches, so Klaus Naumann, ehemaliger General und Generalinspekteur der Bundeswehr, in glücklicheren Zeiten geschrieben worden sei. Tatsächlich erschien »Future War« 2021 in der »Oxford University Press«. Die Lektüre zerstreut den Eindruck rasch, damals seien wesentlich glücklichere Zeiten gewesen.
Die Kernthesen des Buches sind schnell umrissen: Erstens erfordert die Verteidigung Europas im zukünftigen Krieg ein neues, umfassendes Sicherheitskonzept, in dem individuelle Sicherheit und nationale Verteidigung miteinander harmonieren. Beide sind unverzichtbar für eine neue Art von Abschreckung, die sich im komplexen Mosaik der Hybrid‑, Cyber- und Hyper-Kriegsführung bewähren muss. Zweitens haben die neuen Technologien zur Folge, dass sich die Führung moderner Kriege – und folglich auch die europäische Verteidigung – von Grund auf verändert.
Leider sind, so die immer wiederholte Prämisse, diese Entwicklungen durch die Covid-19-Pandemie insbesondere in Europa, aber auch in den USA, aus dem Fokus geraten. Die Staaten hätten, wie es leicht vorwurfsvoll – vor allem in Richtung Deutschland – heißt, in der Pandemie lieber in individuelle menschliche Sicherheit als in nationale Verteidigung investiert. Dabei ist die Pandemie nur ein Beschleuniger einer europäischen Bräsigkeit hinsichtlich der Verteidigungsbereitschaft zu verstehen. Die Autoren sprechen von einem schwindelerregenden Niedergang Europas seit 2010. Es werden vier globale Megatrends genannt, die Europas Niedergang noch beschleunigen könnten: Der Klimawandel (und die hieraus entstehende Massen-Migration), der demografische Wandel (aussterbende Gesellschaften), Wasser- und Ressourcenknappheit (bzw. strategische Abhängigkeiten zu Staaten wie Russland und China) und die Verschiebung wirtschaftlicher und militärischer Macht in Richtung Asien.
Überbeanspruchung der USA
Während die USA sich vor allem von Chinas zunehmenden Aggressionen im südpazifischen Meer (insbesondere um Taiwan herum) zu konzentrieren hat und den Blick auf die Krisensituationen im Mittleren Osten legt, glauben die Europäer immer noch, sich im Zweifel auf den, wie es bisweilen polemisch heißt, amerikanischen Steuerzahler verlassen zu können. Dabei dürfte bei einer Gleichzeitigkeit mehrerer Konflikte den USA rasch die Ressourcen ausgehen und ihre Prioritäten nicht mehr in Europa zu finden sein.