Ul­rich Beck: Welt­ri­si­ko­ge­sell­schaft

Ulrich Beck: Weltrisikogesellschaft
Ul­rich Beck: Welt­ri­si­ko­ge­sell­schaft

Im Ge­gen­satz zu den klas­si­schen Mensch­heits­ka­ta­stro­phen der Ver­gan­gen­heit (Na­tur­ka­ta­stro­phen; Seu­chen) ste­hen heu­te als Re­sul­ta­te be­wuss­ter Ent­schei­dun­gen die Ri­si­ken, die von in­du­stri­el­len Gross­tech­ni­ken aus­ge­hen. Sie bre­chen nicht schick­sal­haft über uns her­ein, sie sind viel­mehr von uns selbst geschaffen…hervorgegangen aus der Ver­bin­dung von tech­ni­schem Nut­zen und öko­no­mi­schen Nut­zen­kal­kül. Die­se Ri­si­ken, die nicht an den Gren­zen von mensch­lich ge­schaf­fe­nen, al­so künst­li­chen Na­tio­nal­staa­ten Halt ma­chen, son­dern glo­ba­le Aus­wir­kun­gen ha­ben kön­nen, un­ter­sucht Ul­rich Beck in sei­nem Buch über die Welt­ri­si­ko­ge­sell­schaft.

Beck lässt kei­nen Zwei­fel: Die mo­der­ne Ge­sell­schaft krankt nicht an ih­ren Nie­der­la­gen, son­dern an ih­ren Sie­gen. Die Pro­ble­me der von ihm suk­zes­si­ve ent­wickel­ten Welt­ri­si­ko­ge­sell­schaft sind dem­zu­fol­ge nicht Pro­duk­te feh­ler­haf­ten Han­delns, son­dern im­ma­nent im Han­deln in mo­der­nen Ge­sell­schaf­ten an­ge­legt. Die Lö­sung der Pro­ble­me der Welt hat wie­der neue Pro­ble­me ge­schaf­fen. Die­se Pro­ble­me nennt er Ri­si­ko:

    Ri­si­ko ist nicht gleich­be­deu­tend mit Ka­ta­stro­phe. Ri­si­ko be­deu­tet die An­ti­zi­pa­ti­on der Ka­ta­stro­phe. Ri­si­ken han­deln von der Mög­lich­keit künf­ti­ger Er­eig­nis­se und Ent­wick­lun­gen, sie ver­ge­gen­wär­ti­gen ei­nen Welt­zu­stand, den es (noch) nicht gibt. Wäh­rend die Ka­ta­stro­phe räum­lich, zeit­lich und so­zi­al be­stimmt ist, kennt die An­ti­zi­pa­ti­on der Ka­ta­stro­phe kei­ne raum-zeit­li­che oder so­zia­le Kon­kre­ti­on. […] In dem Au­gen­blick, in dem Ri­si­ken Rea­li­tät wer­den – wenn ein Atom­kraft­werk ex­plo­diert, ein ter­ro­ri­sti­scher An­griff statt­fin­det – ver­wan­deln sie sich in Ka­ta­stro­phen. Ri­si­ken sind im­mer zu­künf­ti­ge Er­eig­nis­se, die uns mög­li­cher­wei­se be­vor­ste­hen, uns be­dro­hen. Aber da die­se stän­di­ge Be­dro­hung un­se­re Er­war­tun­gen be­stimmt, un­se­re Köp­fe be­setzt und un­ser Han­deln lei­tet, wird sie zu ei­ner po­li­ti­schen Kraft, die die Welt ver­än­dert.

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Al­les Kä­se

Seit ei­ni­gen Ta­gen wird der zu er­war­ten­de An­stieg bei Milch und Milch­pro­duk­ten un­ter an­de­rem auch ei­ne er­höh­te Nach­fra­ge für die­se Pro­duk­te aus Asi­en – spe­zi­ell aus Chi­na – an­ge­führt.

So­eben mel­de­te im­mer noch die ZDF-»heute«-Sendung da­von (»An­de­rer­seits steigt die Milch­nach­fra­ge in Schwel­len­län­dern wie Chi­na.«) – und auch die Ta­ges­schau schloss sich dem Te­nor der Mel­dung an. Von der »Bild«-Zeitung ist man ja nichts an­ders ge­wöhnt. Und die »FTD« er­klärt, dass Chi­ne­sen mit Kä­se kei­ne Pro­ble­me hät­ten. Das Ge­gen­teil ist der Fall.

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Die neue In­qui­si­ti­on

Die In­qui­si­to­ren der Ge­sin­nungs­ma­fia ma­chen, das zeigt die Dis­kus­si­on um den Schau­spie­ler Tom Crui­se und des­sen Stauf­fen­berg-Film, in­zwi­schen auch nicht vor den re­pro­du­zie­ren­den Künst­lern halt.

Das Tribunal ist bereit
Das Tri­bu­nal ist be­reit

So ab­strus und über­flüs­sig die Ein­zel­hei­ten des hoch emo­tio­nal be­han­del­ten The­mas auch sein mö­gen – es ist ein wei­te­res Mo­sa­ik­stein­chen für ei­ne zu­neh­mend ge­sin­nungs­äs­the­tisch ur­tei­len­de Mei­nungs­lob­by.

Die Pro­duk­ti­on ei­nes Kunst­wer­kes ge­nügt da­bei nicht mehr nur rein äs­the­ti­schen Kri­te­ri­en, die dann von der Kul­tur­kri­tik ent­spre­chend be­spro­chen wer­den. Statt­des­sen wird ein Ge­sin­nungs­kon­sens ein­ge­for­dert, des­sen im­ma­nen­te Kri­te­ri­en werk­fremd sind. Vom Künst­ler wird qua­si ei­ne Prä­am­bel ver­langt; ei­ne Art »Zu­las­sung« zum Kul­tur­be­trieb.

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Wie­der eine(r) we­ni­ger

Ich ha­be Ali­ce Schwar­zer nie be­son­ders »ge­mocht«. Sie war mir oft zu mi­li­tant, zu laut, zu po­le­misch. Aber viel­leicht muss­te man das sein, um ihr The­ma – die Eman­zi­pa­ti­on der Frau­en in un­se­rer Ge­sell­schaft – er­folg­reich an­zu­packen und dau­er­haft in den Köp­fen der brei­ten Mas­se zu ver­an­kern. Rück­wir­kend er­scheint es da­bei, dass Ali­ce Schwar­zer al­lei­ne ge­stan­den hät­te, was nach­weis­lich falsch ist (auch wenn es im­mer wie­der be­haup­tet wird – und neu­lich so­gar durch ei­nen ei­gent­lich re­nom­mier­ter Hi­sto­ri­ker wie Hans-Ul­rich Wehl­er). Es ist in­zwi­schen vie­les Le­gen­de ge­wor­den, was das Wir­ken von Ali­ce Schwar­zer an­geht. Den­noch sind ih­re Ver­dien­ste nicht zu leug­nen. Und die Ver­su­che, sie in di­ver­sen Kam­pa­gnen zu de­nun­zie­ren, ha­ben mich im­mer an­ge­wi­dert. Man kann sa­gen, ich ha­be Ali­ce Schwar­zer re­spek­tiert.

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Die Ab­schrei­ber

Am Sonn­tag wur­de in Kla­gen­furt im Rah­men der »31. Ta­ge der deutsch­spra­chi­gen Li­te­ra­tur« der In­ge­borg-Bach­mann-Preis ver­ge­ben. Die neun Ju­ro­ren be­nen­nen den­je­ni­gen, dem sie den In­ge­borg-Bach­mann-Preis ge­ben wol­len. Je­der lie­fert ei­ne kur­ze Be­grün­dung. Gibt es beim er­sten Mal kei­ne Mehr­heit, dann fin­den Stich­wah­len statt.

Im Ge­gen­satz zu den spä­te­ren Prei­sen (so­zu­sa­gen dem 2. bis 4. Preis) war die Kü­rung des Haupt­preis­trä­gers in die­sem Jahr schnell er­le­digt. Im er­sten Wahl­gang er­reich­te Lutz Sei­ler 6 von 9 Stim­men.

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Kla­ge über den ab­ge­holz­ten Wald

Klei­ne Weg­zeh­rung für Kla­gen­furt. Ein fast my­ste­riö­ser Ar­ti­kel des »Al­f­red-Kerr-Prei­s­trä­­gers« 2007, dem Li­te­ra­tur­kri­ti­ker Hu­bert Win­kels im »Ta­ges­spie­gel«: Der Kri­ti­ker als drit­ter Gott. In der Be­schwö­rung der gu­ten, al­ten (Kerr-)Zeit (die es – wie im­mer bei sol­chen Rück­blen­den – nie ge­ge­ben hat) und der Aus­lo­bung des grö­ssen­wahn­sin­ni­gen, apo­dik­ti­schen Kri­ti­kers mag ja ein ge­wis­ser Phan­tom­schmerz ei­nes 68er-Ver­­­fech­ters ...

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Al­ban Ni­ko­lai Herbst: Mee­re

Alban Nikolai Herbst: Meere (bei VOLLTEXT)
Al­ban Ni­ko­lai Herbst: Mee­re (bei VOLLTEXT)

Ju­li­an Kal­k­reuth und Fich­te sind ein und die­sel­be Per­son. Ir­gend­wann be­schloss Ju­li­an, Fich­te zu wer­den. Nein, nicht »be­schloss« – Ju­li­an ver­wan­del­te sich in Fich­te. Un­ter­schied­li­cher könn­ten bei­de nicht sein.

»Mee­re« ist auch Er­zäh­lung die­ses Fich­te-Le­bens. Als bil­den­der Künst­ler und als Mensch. Als Mann. Wir er­fah­ren in dia­lo­gi­schen Re­tro­spek­ti­ven zwi­schen Ju­li­an und Fich­te über das Le­ben des gna­den­los pro­duk­ti­ven Künst­lers und Lieb­ha­bers Fich­te und über Ju­li­ans Le­bens­krän­kun­gen (Vam­pi­re), die Fich­te doch nicht los­wird. Und wir le­sen die Ge­schich­te sei­ner gro­ssen Lieb­schaf­ten, der Lie­be zur ab­ge­klärt wir­ken­den, fast gleich­alt­ri­gen Lu, die sieb­zehn Jah­re hielt (ei­ne Art ehe­li­cher Kul­tur­kon­stan­te) und – vor al­lem – der Lie­be zu Ire­ne, der mehr als zwan­zig Jah­re jün­ge­ren per­si­schen Göt­tin mit den ägyp­ti­schen Lip­pen, dem lang­sam­sten Geschöpf…das ihm je be­geg­net ist (aus­ge­rech­net ihm, dem von Arg­wohn ge­pei­nig­ten, no­to­risch Un­ge­dul­di­gen, schnell Er­reg­ba­ren und in hei­li­gem Zorn fal­len­den). Ei­ne Ge­schich­te ei­ner Ob­ses­si­on, ei­ner Be­ses­sen­heit. Und die Ge­schich­te des Schei­terns, weil Fich­tes Ma­nie, die ihn in der Kunst zu Hö­hen­flü­gen treibt (»Höl­len­pa­lä­ste«), ei­ne Lie­be nicht ent­wickeln, nicht »aus­hal­ten“ kann, son­dern sie zer­stört. Die Hin­ga­be Ire­nes, die aus dem Stolz kommt, ver­geht; sie trennt sich un­ver­söhnt – er bleibt zu­rück, fas­sungs­los; un­ver­stän­dig.

Al­ban Ni­ko­lai Herbst ver­mei­det Lar­moy­anz und Sen­ti­men­ta­li­tät. Es wird nicht kon­ven­tio­nell li­ne­ar er­zählt, son­dern in as­so­zia­ti­ven Zeit­sprün­gen. Die be­son­ders im er­sten Drit­tel dra­sti­schen Se­xu­alsze­nen er­schie­nen mir trotz ih­rer teil­wei­se de­tail­lier­ten Schil­de­run­gen nie­mals ob­szön. Sie ge­hö­ren zur Er­zäh­lung. Oh­ne sie fehlt dem Le­ser die Mög­lich­keit der Ein­ord­nung der Di­men­si­on die­ser rausch­haf­ten Be­ses­sen­heit, die Fich­te tra­gi­scher­wei­se mit Lie­be ver­wech­selt. Oh­ne sie wür­de das Aus­mass des Schei­terns nicht ver­steh­bar und blie­be blo­sse Be­haup­tung. Das an­fangs halb scherz­haf­te halb dro­hen­de Du wirst mich nie wie­der los wird zum Fa­tum: Selbst als Ire­ne ihn »phy­sisch« ver­las­sen hat­te, wur­de er sie nicht mehr los.

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Der fa­ta­le Fehl­schluss

In je­der Dis­kus­si­on um Ver­bes­se­run­gen des Bil­dungs­sy­stems in Deutsch­land fällt nach we­ni­gen Sät­zen fast un­aus­weich­lich die Be­haup­tung: In kei­nem an­de­ren Land (der OECD) be­stim­men die Her­kunft und die fi­nan­zi­el­len Mit­tel die Bil­dungs­chan­cen der­art stark wie in Deutsch­land. Kin­der aus Ar­bei­ter­aus­hal­ten oder an­de­ren »pre­kä­ren« Mi­lieus ha­ben – so die The­se – sy­stem­be­dingt schlech­te­re Chan­cen auf hö­he­re Schul­ab­schlüs­se wie bei­spielsweise das Ab­itur oder gar ein Stu­di­um. Der Schluss hier­aus lau­tet, dass Haus­hal­te mit grö­sse­ren pe­ku­niä­ren Mit­teln per se ei­ne bes­se­re Bil­dung für ih­re Kin­der er­rei­chen. Dies be­deu­tet auch, so die gän­gi­ge Mei­nung, dass »är­me­re« Kin­der be­dingt durch ih­re »Ar­mut« schlech­te­re Bil­dungs­chan­cen hät­ten.

Ne­ben den gän­gi­gen OECD-Stu­di­en wird auch die PI­SA-Stu­die hier im­mer wie­der zi­tiert. Be­fragt wird die­se The­se und vor al­lem ih­re Er­he­bungs­me­tho­de gar nicht mehr; sie ist der­art ka­no­ni­siert, dass es of­fen­sicht­lich ein Fak­tum zu sein scheint.

Da­bei müss­ten die­se The­sen ei­gent­lich ver­wun­dern, denn in Deutsch­land exi­stie­ren we­der Schul­geld noch Zu­gangs­be­schrän­kun­gen, die an fi­nan­zi­el­le Zu­wen­dun­gen ge­bun­den wä­ren (lässt man jetzt ein­mal die we­ni­gen pri­va­ten In­ter­nats­schu­len bei­sei­te). Wie wird ei­gent­lich ge­nau die­se Aus­sa­ge be­legt? Und: Stimmt es tat­säch­lich in die­ser Ein­fach­heit, dass die öko­no­mi­sche Aus­rü­stung des El­tern­hau­ses den Grad der Bil­dung be­stimmt?

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