Angela Merkel kommt nach Düsseldorf! Eine OB-Wahl mit Bundeskanzler-Beteiligung. Die CDU möchte den durch den Tod von Joachim Erwin vakanten, strategisch wichtigen Posten des Oberbürgermeisters der Landeshauptstadt Düsseldorf unbedingt halten. Anders kann man sich dieses Engagement nicht erklären. Aber ein anderer Termin als 13 Uhr ging wahrscheinlich nicht. Und aus Anlass des 350. Geburtstages von Jan Wellem findet seit heute auf dem Marktplatz ein »historischer Markt« statt; eine Art Mittelaltermaschine mit Ständen mit Met, Lederbeuteln, Amuletten, seltsamen Essgerichten und auch gelegentlich ganz viel Rauch, der dann später in Richtung auf das Podium wehte.
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Handke, Rattentöten und Katholizismus
Josef Winkler, Büchnerpreisträger 2008, in Neuss
Nach der Lesung aus einem Buch »Roppongi« wurde Josef Winkler aus dem Publikum gefragt, ob er einen Grund nennen könne, warum so viele, eigentlich die meisten wortmächtigsten, zeitgenössischen Schriftsteller deutscher Sprache aus Österreich kommen würden (Handke, Jelinek, Thomas Bernhard und natürlich auch Winkler).
Winkler überlegte kaum, antwortete sehr schnell, anfangs mit einer Art Stottern oder, besser, Stammeln, als hätte er die Frage schon Wochen vorher gewusst. Naja, sagte er, es gäbe doch auch einige sehr gute Schriftsteller aus der Schweiz. Gelächter im Publikum. Dann hatte Winkler seine Gedanken sortiert. Handke, Jelinek, Bernhard – das seien europäische Ausnahmeerscheinungen. Insbesondere Handke.
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Die »Wie-es-uns-gefällt«-Aussenpolitik
In seiner Dissertation »Sprache und Außenpolitik – Der deutsche und US-amerikanische Diskurs zur Anerkennung Kroatiens« schreibt Ralf Piotrowski:
Anfang November 1991 wurde die diplomatische Anerkennung Sloweniens und Kroatiens erklärtes Ziel deutscher Außenpolitik. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte Deutschland seine Politik der Anerkennung als nationale Position angesehen, die im EG-Rahmen nicht ausreichende Unterstützung fand. Von nun an konzentrierten sich die diplomatischen Bemühungen darauf, die Partnerstaaten der Europäischen Gemeinschaft auf dem eingeschlagenen Weg zu halten. Falls sich dies als nicht möglich erweisen sollte, sollte die Anerkennung notfalls im Alleingang vollzogen werden. Am 8. November 1991, während des NATO-Gipfels in Rom, richtete US-Präsident Bush an Bundeskanzler Kohl eine Demarche. Washington beschuldigte Deutschland, die internationalen Bemühungen zu unterwandern, indem es die Republiken dazu ermutige, ihre Unabhängigkeit durchzusetzen. Die deutsche Regierung fuhr dessenungeachtet mit ihrer Anerkennungspolitik fort. Mitte November informierte Bundeskanzler Kohl Präsident Mitterand offiziell über die deutschen Pläne, Kroatien anerkennen zu wollen. Mitterand gegenüber rechtfertigte Kohl dieses Vorgehen mit Verweis auf innenpolitischen Druck aus verschiedenen Richtungen. Ende November waren Kohl und Genscher zu der Überzeugung gelangt, Deutschland könne die Anerkennung Sloweniens und Kroatiens notfalls ohne einen EG-Konsens vollziehen, ohne damit die Vereinbarungen mit den EG-Partnern zu verletzen. Bundeskanzler Kohl kündigte am 27. November während einer Haushaltsdebatte die diplomatische Anerkennung „noch vor dem Weihnachtsfest“ an.
»Du hast eine gute Stimme« oder: Versuch wider die Hochmütigen
Plädoyer für den Leserkritiker
1968 schreibt der damals 25jährige Schriftsteller Peter Handke über Marcel Reich-Ranicki (#1):
- Reich-Ranicki kann man mit Einwänden nicht kommen: er kennt die alte List, sich dumm zu stellen, weil er nicht argumentieren kann (und er ist nie fähig zu argumentieren, er äußert sich nur mit kräftigem rhetorischem Gestus). »Ich gestehe«, leitet er dann in der Regel seine Sätze ein. Nachdem er aber seine Verständnislosigkeit eingestanden hat, zieht er über das Nichtverstandene her.
Schliesslich bilanziert er:
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Hanns-Josef Ortheil / Klaus Siblewski: Wie Romane entstehen

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Notizen aus der Provinz
In Düsseldorf ist Wahlkampf. Nicht, dass das Interesse der Bevölkerung riesig wäre. Schliesslich sind noch Sommerferien und die Oberbürgermeisterwahl erst am 31. August. Nach und nach beginnt man sich vielleicht über die komischen Plakate zu wundern, die Leute zeigen, die man noch nie gesehen hat. Und den Brief mit der Wahlbenachrichtigung hat man erst seit ein paar Tagen.
Leider scheint die These, dass Alliterationen als eher komisch und karikierend betrachtet werden, bei den Wahlkämpfern von SPD und den Grünen nicht bekannt zu sein. Zumal, wenn die Werbeagentur, die für den Wahlkampf verantwortlich zeichnet, selber einen Namen wie »Kreativ Konzept« trägt. Was kann man da schon anders erwarten: »Kortmann kommt!« heisst es dort (SPD und Grüne haben eine gemeinsame Kandidatin; die Grünen plakatieren allerdings dezenter ohne das Portraitbild). Die Dame heisst auch noch Karin Kortmann – man hätte auch »Karin Kortmann kommt« plakatieren können. Aber: Wo kommt sie denn? Wo kommt sie her? Ist das eine Drohung oder eine Verheissung des Messias – in Form einer weiblichen Variante? Und: Hat sie überhaupt einen Parkplatz?
Auch der Kandidat der »Freien Wähler« Klaus Kirchner wirbt mit einem kernigen Spruch »Stark und Sozial« heisst es da, und: »Kirchner kann’s«. Auch hier scheinen sich die Ambivalenzen der Alliteration noch nicht herumgesprochen zu haben.
Mit all dem hat der Kandidat der CDU nichts zu tun. Nicht nur, dass Dirk Elbers nahezu umfassende Hilfe der »Rheinischen Post« erhält (der mit Abstand grössten Lokalzeitung in Düsseldorf), die alleine schon die Einweihung eines »Wahlkampfbüros« als gesellschaftliches Ereignis bejubelt. Unverblümte Wahlkampfhilfe für den »Hausmeister Dirk« kommt auch von Wolfgang Osinski, Kommunikationsberater und Betreiber des ominösen »Düsseldorf-blog« (mit einer stattlichen Kundenliste, die aber immerhin aufgelistet wird), einer »Zeitung im Internet«, die »in der Regel abseits vom Mainstream« agiert, und – wow! – »auch kritisch« berichtet (freilich sucht er sich aus, gegen wen diese Kritik gerichtet ist). Natürlich geht man – ganz abseits vom Mainstream – davon aus, dass es Elbers schafft (soviel zum Demokratieverständnis). Das »Düsseldorf-blog« hat übrigens eine interessante Linkliste, die unter anderem auch das rassistische Weblog »Politically Incorrect« aufführt. Bei dieser virtuellen Geistespartnerschaft braucht man auch keine Stabreime als Wahlkampfslogans mehr. Wobei mir dann die doch lieber sind.
Eine pointierte Sicht auf den Düsseldorfer Wahlkampf findet man übrigens in der »Rainer’schen Post«. Auch wenn man gelegentlich ob der Polemik ein bisschen erschrecken mag – das ist eindeutig mehr als nur unterhaltsam.
Ergänzung – 07. August: In der NRZ kann man jetzt Antworten der beiden Kandidaten Elbers und Kortmann auf stadtpolitische Fragen nachlesen. Mir fallen die teilweise sehr kurzen Sätze von Elbers auf. Und vermutlich nennt man das »politisches Talent«, wenn man so antwortet, dass man eigentlich nichts sagt.
Richard Sennett: Handwerk
Hephaistos, Schmied und griechischer Gott des Feuers, war nicht nur der Erfinder des Streitwagens, sondern auch Erbauer sämtlicher Häuser auf dem Olymp. Er war der einzige Handwerker unter den griechischen Göttern. Aber Hephaistos ist gezeichnet: Er hat einen Klumpfuss. Und in der antiken griechischen Kultur galten körperliche Missbildungen als Schande. Der Klumpfuss des Hephaistos – symbolisiert er bis heute den gesellschaftlichen Wert des Handwerkers? Zeigt Homers Kapitel über Hephaistos in der »Ilias«, dass die materielle häusliche Kultur den Wunsch nach Ruhm und Ehre niemals zu befriedigen vermag? Und hieraus speist sich – trotz der mittelalterlichen Hochphase der Zünfte (die ausführlich behandelt wird) – auch heute noch das Bild des Handwerkers? Und Pandora, jenes »reizende Mädchen«, die mit ihrer Büchse immer auch als Mahnung für den Zorn der Götter steht, als Gegenpol? Weiterlesen
Warum nicht Kurt Beck?
Der entscheidende Satz war wohl dieser:
Deshalb wäge und wähle genau, wer Verantwortung für das Land zu vergeben hat, wem er sie anvertrauen kann – und wem nicht.
Wenige Tage vor der Hessen-Wahl griff Wolfgang Clement in der »Welt« Andrea Ypsilantis Anti-Atompolitik an. Plötzlich gab es mediale Entlastung für Koch, der in einer desaströsen und unverantwortlichen Wahlkampagne alle Aufmerksamkeit auf sich – und gegen sich zog. Aber hat dieser Artikel von Clement wirklich Andrea Ypsilanti den »Sieg« gekostet?
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