
Tariq Ramadan: Muhammad
‘O ihr, die den Glauben ablehnt, [deren Herzen verschleiert sind!] Ich verehre nicht, was ihr verehrt, noch verehrt ihr, was ich verehre! Ich bin kein Verehrer dessen was ihr verehrt, noch seid ihr Verehrer dessen, was ich verehre. Euch eure Religion, und mir meine Religion.’
Als ich das erste Mal davon hörte, dass Pier Paolo Pasolini einen Film über das Matthäusevangelium gemacht hatte, dachte ich, dass dieser Film wohl ein Riesenskandal gewesen sein muss. Schließlich war Pasolini Kommunist, Nonkonformist und vor allem: Atheist. Von seiner Homosexualität, die in vielen europäischen Ländern damals noch ganz offiziell als Verbrechen galt und noch heute von der katholischen Kirche verteufelt wird, ganz zu schweigen. Aber als ich dann zum ersten Mal den Film sah, war ich überrascht. Und verzaubert.
Der Film ist von 1964. Gedreht mit Laienschauspielern und in schwarz-weiß. Nichts wurde hier hinzugefügt; es ging tatsächlich um »Werktreue«. Suggestive Bildsprache und Musik erzeugten eine Stimmung, die einem plötzlich die Chance bot, all dies für wahr zu halten. So auch das naturgemäß schwer zu glaubende Ende. Der intellektuell-korrekte Ausweg einer nur metaphorisch zu verstehenden Auferstehung war plötzlich eine allzu banale Ausrede, der den Zauber dieses Films, dieser Situation, dieser Konstellation mutwillig zerstört hätte. Und so reduzierte Pasolini Jesus von Nazareth nicht auf die Rolle eines Sozialrevolutionärs (diese Sicht gab es freilich auch), sondern zeigte dessen Spiritualität als Gewissheit. Das brachte ihm einiges Unverständnis ein, weil sich viele von Pasolini eine »radikalere« Sichtweise wünschten. Aber radikaler konnte es gar nicht sein, es war nur nicht die »erwartete« Radikalität (sprich: Gegnerschaft). Die Gretchenfrage lautete: War Pasolini wirklich ein Atheist? Die ästhetische Antwort wäre: Was spielt das für eine Rolle?
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