Pe­ter Slo­ter­di­jk: Falls Eu­ro­pa er­wacht

Peter Sloterdijk: Falls Europa erwacht
Pe­ter Slo­ter­di­jk: Falls Eu­ro­pa er­wacht

Der Es­say von Pe­ter Slo­ter­di­jk ist be­reits 1994 er­schie­nen und wur­de 2002 als Ta­schen­buch neu auf­ge­legt (al­ler­dings wohl nicht über­ar­bei­tet). Er­schreckend ist, dass er von sei­ner Ak­tua­li­tät – au­sser, dass Eu­ro­pa in­zwi­schen aus 25 Mit­glie­dern be­steht – nichts ein­ge­büsst hat.

In teil­wei­se aben­teu­er­lich-lu­zi­den hi­sto­ri­schen Al­le­go­rien er­zählt Slo­ter­di­jk von ei­nem Eu­ro­pa, wel­ches sich durch das Trau­ma von 1945 von der po­li­ti­schen Büh­ne im­pe­ria­ler Mäch­te erst ein­mal ver­ab­schie­den muss­te – ein­ge­zwängt zwi­schen den USA und der So­wjet­uni­on, sym­bo­li­siert durch die Be­sat­zung und Tei­lung Deutsch­lands. Aus dem ehe­ma­li­gen „Sub­jekt“ (ge­schei­ter­ter) wur­de für ein hal­bes Jahr­hun­dert ein halb­mün­di­ges Ob­jekt von Mos­kau­er und Wa­shing­to­ner Kal­kü­len. Slo­ter­di­jk prägt den Be­griff der Ab­sence da­für. In kur­zen Rück­blen­den be­legt er, dass Eu­ro­pa vom Rö­mer­reich über das „Hei­li­ge Rö­mi­sche Reich Deut­scher Na­ti­on“ über die be­gin­nen­de Welt­ko­lo­nia­li­se­rung ab spä­te­stens 1492 im­mer in Reichs- bzw. im­pe­ria­len Struk­tu­ren agier­te (frei­lich un­ter wech­seln­den Ägi­den) – gip­felnd in den Ka­ta­stro­phen der Na­tio­nal­staa­te­rei des 19. Jahr­hun­derts – lau­ter „klei­ne Rei­che“, die, als die Ko­lo­nien ver­teilt wa­ren, ge­gen­sei­tig über­ein­an­der her­fie­len, um ih­ren Vor­bil­dern nach­zu­ei­fern.

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Frei­heit

Da­ge­gen ver­ste­he ich un­ter Frei­heit, im kos­mo­lo­gi­schen Ver­stan­de, das Ver­mö­gen, ei­nen Zu­stand von selbst an­zu­fan­gen, de­ren Kau­sa­li­tät al­so nicht nach dem Na­tur­ge­set­ze wie­der­um un­ter ei­ner an­de­ren Ur­sa­che steht, wel­che sie der Zeit nach be­stimm­te. Die Frei­heit ist in die­ser Be­deu­tung ei­ne rei­ne tran­szen­den­ta­le Idee, die erst­lich nichts von der Er­fah­rung Ent­lehn­tes ent­hält, zwei­tens de­ren Ge­gen­stand ...

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Stil­le Un­ter­wan­de­rung – oder: Wie die Po­li­tik die Wer­be­wirt­schaft in die Schu­len lässt

Ei­gent­lich ei­ne gu­te Idee, Kin­dern so früh wie mög­lich die Fall­stricke der Wer­bung auf­zu­zei­gen, so dass sie die Ver­spre­chun­gen kri­tisch hin­ter­fra­gen. Aber wie­so dies aus­ge­rech­net in Schu­len statt­fin­den muss, wä­re mei­ne er­ste Fra­ge. Und wie­so bei 7–9jährigen dann schon mei­ne zwei­te. Die nor­d­rhein-we­st­­fä­­li­­sche Schul­mi­ni­ste­rin Bar­ba­ra Som­mer (CDU) sorgt da­für, dass die­se Art von Un­ter­richts­fach suk­zes­si­ve ...

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Rai­nald Goetz: Ab­fall für Al­le

Rainald Goetz: Abfall für Alle
Rai­nald Goetz: Ab­fall für Al­le

Ein Schrift­stel­ler, einst als Pro­vo­ka­teur auf­tre­tend und sich heu­te als Que­ru­lant se­hend (min­de­stens als Schrei­ber, nicht so sehr als All­tags­mensch), ent­deckt das Me­di­um In­ter­net und er­mög­licht es uns, je­den sei­ner Ta­ge schrift­lich dort zu ver­fol­gen. So Rai­nald Goetz 1998 mit ei­nem über ein Jahr an­ge­setz­ten Pro­jekt. So ganz neu ist das na­tür­lich nicht; Ta­ge­bü­cher gibt es seit eh und je, mei­stens sind sie auf­ge­bla­sen – dies meist dann, wenn es sich um mehr oder we­ni­ger er­zwun­ge­ne No­ta­te han­delt, die je­mand ge­macht hat, weil er eben glaub­te je­den Tag et­was schrei­ben zu müs­sen.

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Os­car Peer: Ak­kord

Oscar Peer: Akkord
Os­car Peer: Ak­kord

Nach drei Jah­ren Ge­fäng­nis kommt Si­mon, jetzt 65 Jah­re alt, in sein Dorf zu­rück – Schwei­zer En­ga­din; um 1935 (man muss die Zeit aus dem Er­zählten re­kon­stru­ie­ren). Ein Jagd­un­fall, fahr­läs­si­ge Tö­tung; vie­le Dörf­ler hal­ten es für Mord. Und das ein Jahr nach der Aus­ein­an­der­set­zung im Dorf um die Je­ni­schen, als sich Si­mon mit der Dorf­no­men­kla­tu­ra an­ge­legt hat­te, die sie lie­ber heu­te als mor­gen aus dem Dorf wie­der ver­trie­ben hät­ten. Sei­ne Frau ist wäh­rend des Ge­fäng­nis­auf­ent­halts ver­stor­ben – man hat es ihm nach der Be­er­di­gung mit­ge­teilt.

Si­mon fin­det Un­ter­kunft und Ta­ge­lohn­ar­beit; das Dorf ist hin­sicht­lich sei­ner Per­son ge­spal­ten. Sei­nen (un­aus­ge­spro­che­nen) Wunsch, man mö­ge die­sen Un­fall ver­ges­sen und sich an das er­in­nern, was er vor­her für das Dorf ge­lei­stet hat, wird nicht er­füllt. Trotz der teil­wei­se feind­li­chen Stim­mung möch­te er im Dorf – sei­ner Hei­mat – blei­ben; ei­ne (kur­ze) Be­schäf­ti­gung im Ho­tel der na­he­ge­le­ge­nen Stadt be­frie­digt ihn nicht. Er, Wald­ar­bei­ter Si­mon, der Ein­zel­gän­ger, sucht das Dorf, die Ge­mein­schaft – und lehnt sie gleich­zei­tig ab. Hin- und her­ge­ris­sen freun­det er sich mit Ve­ra an, die für sich und ih­ren Mann „sein“ Haus ge­kauft hat. Die dicke The­re­sa, die al­les vom Dorf weiss, stört ihn aber be­reits mit ih­ren Ge­wiss­hei­ten und Fak­ten.

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Jan Phil­ipp Reemts­ma: Im Kel­ler

Erst im letz­ten Drit­tel sei­nes Bu­ches »Im Kel­ler« er­zählt (be­rich­tet?) Jan Phil­ipp Reemts­ma re­fle­xiv über das ihm Zu­ge­sto­sse­ne wäh­rend sei­ner Ent­füh­rung 1996. Vor­her gibt es ei­ne kur­ze chro­no­lo­gi­sche Ab­fol­ge der Ent­füh­rung, wie sie sich wei­test­ge­hend von au­ssen be­rich­ten lässt, ge­folgt von ei­ner chro­no­lo­gi­schen Er­zäh­lung in der drit­ten Per­son über das Sich-Er­ei­g­­nen­­de. Die­se bei­den Tei­le ha­ben ...

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Har­ry G. Frank­furt: Bull­shit

Harry G. Frankfurt: Bullshit
Har­ry G. Frank­furt: Bull­shit

Auf­merk­sam ge­wor­den durch die­ses In­ter­view und ei­ne ent­spre­chen­de Wer­bung, die ver­sprach, dass die­ses Buch mein Le­ben ver­än­dern wird, griff ich zu.

Das Buch ist kurz; in vie­ler­lei Hin­sicht. Es hat 73 Sei­ten, das For­mat ist sehr hand­lich (10,5 cm x 15,5 cm); im­mer­hin har­ter Ein­band. Zwei­mal Stra­ssen­bahn ge­fah­ren – und man hat es durch.

Trotz­dem: Er­staun­lich, wie viel Red­un­danz in ei­nem so dün­nen Buch stecken kann. Da­bei gibt es noch nicht ein­mal ei­ne aus­ge­ar­bei­te­te Theo­rie über das Su­jet. Und der mit ei­ni­ger Won­ne im­mer wie­der zi­tier­te Be­griff des »Bull­shit« bleibt auch nach der Lek­tü­re ei­ne Phra­se – eben Bull­shit.

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T. C. Boyle: Amé­ri­ca

Ein viel­ge­rühm­ter Ro­man – aber war­um? An­geb­lich sei das al­le­go­ri­sche, bild­haf­te so stark, so mäch­tig: hie die ein­wan­dern­den Me­xi­ka­ner, die ihr Stück vom Wohl­stand mit­ha­ben wol­len – dort das li­be­ra­le Bür­ger­tum der USA, schliess­lich ka­pi­tu­lie­rend vor den Scharf­ma­chern und Emi­gran­ten­has­sern. Es ist in T. C. Boyl­es »Amé­ri­ca« dann tat­säch­lich so, wie sich Lies­chen Mül­ler im ...

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