»Das Spiel ist aus.«

Ob die­se Dia­gno­se ver­früht ist oder nicht, wird sich zei­gen, le­sens­wert ist Shel­by Ste­e­les kur­zer Es­say auf je­den Fall; ei­ni­ge sei­ner Aus­sa­gen über die Wahl von Do­nald Trump und den ame­ri­ka­ni­schen Links­li­be­ra­lis­mus las­sen sich auch auf sei­ne eu­ro­päi­sche Spiel­art und den sich ge­gen ihn wen­den­den Rechts­po­pu­lis­mus über­tra­gen: Nicht rea­le Schuld­ge­füh­le, so Shel­by Steel, son­dern die ...

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FDR

»Das ame­ri­ka­ni­sche Au­ßen­mi­ni­ste­ri­um ver­kün­de­te, man be­fürch­te, dass eu­ro­päi­sche Im­mi­gran­ten dem Land ge­fähr­lich wer­den könn­ten. Es war der 17. Ju­ni 1941. Falls sie An­ge­hö­ri­ge zu­rück­ge­las­sen hät­ten, mut­maß­te das Sta­te De­part­ment, könn­ten die Na­zis sie zwin­gen, Ame­ri­ka aus­zu­spio­nie­ren, in­dem sie ih­ren Fa­mi­li­en Fol­ter an­droh­ten. Die Ver­einigten Staa­ten wür­den da­her kei­ne Vi­sa mehr an Flücht­lin­ge aus­ge­ben, die Familien­angehörige ...

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Russ­land, die Ukrai­ne und Zbi­gniew Brze­zin­ski

Ge­le­gent­lich hilft es ja, sich dem Me­di­en­stream aus­zu­set­zen. So wur­de ich auf ei­ne Dis­kus­si­on auf­merk­sam, in der es wie­der ein­mal um die Ukrai­ne, Russ­land und den We­sten ging. Der Zu­schnitt der Sen­dung war auf Kra­wall ge­bür­stet, der auch schon früh ein­trat. Der bis­her nicht durch po­li­ti­sche Ana­ly­sen be­son­ders her­vor­ge­tre­te­ne Börsen­händler Dirk Mül­ler wur­de als »Putin­ver­ste­her« an­ge­kün­digt und auch flugs von Eric Frey vom öster­rei­chi­schen »Stan­dard« als sol­cher de­kla­riert. Die­ses Eti­kett ist nicht neu; es dient al­len Denk­fau­len da­zu, lä­sti­ge An­sich­ten mit ei­nem Fe­der­strich zu dis­kre­di­tie­ren. Die Ge­schwin­dig­keit, mit der die­ses At­tri­but aus dem rhe­to­ri­schen Waf­fen­ar­se­nal ge­zo­gen wird, ist enorm. Es er­in­nert von Fer­ne an die Ein­wän­de der Rechts­kon­ser­va­ti­ven und Ver­trie­be­nen in den 1970er Jah­ren, die mit ähn­li­chen Pa­ro­len die Po­li­tik des Aus­gleichs der so­zi­al­li­be­ra­len Re­gie­rung mit den Län­dern Ost­eu­ro­pas dif­fa­mier­ten. »Vaterlands­verräter« war noch das mil­de­ste At­tri­but. Le­dig­lich auf die For­mu­lie­rung »Bre­sch­new-Ver­ste­her« ist da­mals nie­mals ge­kom­men, was ge­wis­se Rück­schlüs­se auf das heu­ti­ge Er­re­gungs­pre­ka­ri­at der so­zia­len Me­di­en zu­lässt.

In der o. e. Dis­kus­si­on spiel­te ein Buch ei­ne Rol­le, des­sen Kennt­nis of­fen­sicht­lich al­len Teil­neh­mern nicht glei­cher­ma­ßen ge­läu­fig war. Es heißt im deut­schen Ti­tel »Die ein­zi­ge Welt­macht – Ame­ri­kas Stra­te­gie der Vor­herr­schaft« und ist von Zbi­gniew Brze­zin­ski ver­fasst, dem Si­cher­heits­be­ra­ter ei­ni­ger (de­mo­kra­tisch do­mi­nier­ter) US-Re­gie­run­gen (ob of­fi­zi­ell oder in­of­fi­zi­ell). Das Buch ist von 1997 und gilt of­fen­bar als Ge­heim­tipp. Bei Ama­zon ist das gün­stig­ste An­ge­bot ak­tu­ell bei rund 190 Eu­ro; für ein Ta­schen­buch ein stol­zer Preis. Die Links auf die ko­sten­lo­se Zur­ver­fü­gung­stel­lung set­ze ich jetzt nicht um mich nicht straf­bar zu ma­chen – aber mit ein biss­chen Su­chen kann sich je­der ei­ne wenn auch schlecht for­ma­tier­te Ver­si­on als pdf her­un­ter­la­den (ein fin­di­ger Kopf ver­kauf­te für kur­ze Zeit den pdf-Aus­druck bei Ama­zon für 30 Eu­ro).

Um es vor­weg zu sa­gen: Die­se Lek­tü­re lohnt trotz des Zeit­ab­stands. Man muss Zbi­gniew Brze­zinskis The­sen in die­sem Buch nicht tei­len. Für Brze­zin­ski ist Po­li­tik ein Schach­spiel (der eng­li­sche Ti­tel ist ent­spre­chend: »The Grand Ch­ess­board«), in dem es vor al­lem dar­um geht, stra­te­gi­sche Vor­tei­le für die USA zu er­rin­gen um Macht­an­sprü­che zu er­hal­ten oder aus­zu­bau­en. Ins Zen­trum sei­ner Be­trach­tun­gen steht »Eu­ra­si­en« – der Raum von Lis­sa­bon bis Wla­di­wo­stok.

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Die Kri­se in der Ukrai­ne, die Rol­le der EU und das Po­si­ti­ons­pa­pier der Ne­os

Der Aus­gangs­punkt: Das Un­be­ha­gen mit Po­li­tik und Be­richt­erstat­tung

Es wä­re falsch zu be­haup­ten, dass die Me­di­en oder die Po­li­tik, die als ei­ne sol­che En­ti­tät gar nicht exi­stie­ren, in ih­rer Ge­samt­heit ein schwarz-wei­ßes Bild ge­zeich­net hät­ten und es noch im­mer tun, aber in der Brei­te der Be­richt­erstat­tung, in dem was man so hört, dem das auch der po­li­tisch we­nig In­ter­es­sier­te mit­be­kommt, tritt es deut­lich zu Ta­ge: Das Schwar­ze, das ist Russ­land oder per­so­na­li­siert: Pu­tin.

Die­ses Bild, das vie­le Bür­ger zu­min­dest ih­rem Ge­fühl nach für falsch hal­ten, be­darf der Kor­rek­tur, aber nicht im Sin­ne ei­ner Um­fär­bung, der Far­be Weiß, son­dern in der Wahl an­de­ren Dar­stel­lung, ei­ner in Grau­stu­fen: Aus­ge­wo­gen­heit statt zwei­er­lei Maß.

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Pe­ter Slo­ter­di­jk: Re­fle­xio­nen ei­nes nicht mehr Un­po­li­ti­schen

Peter Sloterdijk: Reflexonen eines nicht mehr Unpolitischen / Hans Ulrich Gumbrecht: Wachheit
Pe­ter Slo­ter­di­jk: Re­flexo­nen ei­nes nicht mehr Un­po­li­ti­schen / Hans Ul­rich Gum­brecht: Wach­heit
»Re­fle­xio­nen ei­nes nicht mehr Un­po­li­ti­schen« lau­tet der Ti­tel der Dank­re­de Pe­ter Slo­ter­di­jks an­läss­lich der Ver­lei­hung des Börn­e­prei­ses 2013. So­fort fühlt man sich er­in­nert an Tho­mas Manns »Be­trach­tun­gen ei­nes Un­politischen« von 1918 und fragt sich, wie die­se An­spielung zu ver­ste­hen ist. Mann hat­te da­mals mit ei­nem über 600 sei­ti­gen Kon­vo­lut zum ei­nen die Ver­derb­nis der Li­te­ra­tur durch die Be­schäf­ti­gung mit der Po­li­tik kon­sta­tiert (und sei­nen Bru­der Hein­rich mehr oder we­ni­ger of­fen als ab­schrecken­des Bei­spiel ei­nes »Zi­vi­li­sa­ti­ons­li­te­ra­ten« in­sze­niert) und gleich­zei­tig ex­akt dies mit sei­nem Be­kennt­nis zum rei­ni­gen­den Krieg – Kul­tur ver­sus Zi­vi­li­sa­ti­on – sel­ber be­trie­ben. Da­bei war Tho­mas Mann min­de­stens zu Be­ginn des Gro­ßen Krie­ges ei­gent­lich nur das, was man heu­te Main­stream nennt. Und, um es ein biss­chen sa­lop­per zu for­mu­lie­ren: Un­ab­hän­gig da­von, dass Tho­mas Mann in den 1930er Jah­ren (nach ei­ni­ger Zeit des Ab­war­tens) zum schar­fen Geg­ner der Na­tio­nal­so­zia­li­sten wur­de, war er po­li­tisch nicht un­be­dingt ein Vi­sio­när. Kann sich ein Den­ker wie Slo­ter­di­jk so­zu­sa­gen frei­wil­lig in die­se Tra­di­ti­on stel­len?

Ei­ne an­de­re Mög­lich­keit wä­re, dass es sich um ei­ne be­son­de­re Form der Ko­ket­te­rie han­delt. Ei­ne Art Spiel mit Eti­ket­ten. Schließ­lich ist Slo­ter­di­jks Re­de mit knapp 35 groß­zü­gig be­druck­ten Sei­ten gar nicht mit Manns vo­lu­mi­nö­sem Text ver­gleich­bar. Die er­sten et­was mehr als 20 Sei­ten die­sem »Son­der­druck edi­ti­on suhr­kamp« nimmt Hans Ul­rich Gum­b­rechts Lau­da­tio ein, in der er im­mer­hin am En­de die selbst­iro­ni­sche Vol­te plat­ziert, sich sel­ber zu sei­ner Wahl zu gra­tu­lie­ren, denn die Sta­tu­ten des Prei­ses se­hen vor, dass nur ei­ne Per­son den Preis­trä­ger be­stimmt, und dies war eben Gum­brecht.

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Wil­liam T. Voll­mann: Ho­bo Blues

William T. Vollmann: Hobo Blues
Wil­liam T. Voll­mann: Ho­bo Blues

Ein ame­ri­ka­ni­scher Au­tor er­zählt in ei­nem Buch von sei­nen (il­le­ga­len) Rei­sen auf Ei­sen­bahn-Gü­ter­wa­gen mit ei­nem (ima­gi­nä­ren) Ziel »Über­all« und nennt die­ses Buch »Ri­ding Towards Ever­y­whe­re«. Wie über­setzt man das kon­ge­ni­al? Viel­leicht mit »Rei­sen nach Über­all«? Oder »Fah­ren in Rich­tung Über­all«? Oder über­setzt man »Ri­ding« wört­lich als »Ritt«?

Der Ver­lag ent­schied sich für ei­ne merk­wür­dig bou­le­var­deske Ver­si­on, die den Cha­rak­ter des Bu­ches eher ver­birgt, nann­te Wil­liam T. Voll­manns Buch im Deut­schen »Ho­bo Blues« und ver­sah es mit dem ein biß­chen auf­ge­setzt wir­ken­den Un­ter­ti­tel »Ein ame­ri­ka­ni­sches Nacht­bild«. Das ist zu­nächst ein­mal är­ger­lich, ins­be­son­de­re wenn man die Lei­stung des Über­set­zers Tho­mas Mel­le im wei­te­ren Ver­lauf zu schät­zen be­ginnt (bei­spiels­wei­se dann, wenn er Zi­ta­te von He­ming­way, Ke­rouac oder Tho­mas Wol­fe stim­mig »mo­di­fi­ziert« wie es in den Fuß­no­ten selbst­be­wußt heißt).

Man soll­te bei der Lek­tü­re den deut­schen Ti­tel ein­fach ver­ges­sen und sich voll­ends den As­so­zia­tio­nen und re­por­ta­ge­haf­ten Be­schrei­bun­gen zu­wen­den. Das lohnt sich näm­lich.

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Made­lei­ne Al­b­right: Ame­ri­ka du kannst es bes­ser

Madeleine Albright: Amerika du kannst es besser
Made­lei­ne Al­b­right: Ame­ri­ka du kannst es bes­ser

Der Un­ter­ti­tel des Bu­ches lau­tet »Was ein gu­ter Prä­si­dent tun und was er las­sen soll­te« – und er ist wört­lich ge­meint! Made­lei­ne Al­b­right hat ei­ne Art Va­de­me­cum für den neu­en Prä­si­den­ten ver­fasst (zu­sam­men mit dem von an­de­ren Bü­chern be­reits be­kann­ten Bill Wood­ward, der in der deut­schen Aus­ga­be erst auf dem Schmutz­ti­tel er­scheint); ei­nen Rat­ge­ber, der sich ins­be­son­de­re den Ab­läu­fen im »Treib­haus« Wa­shing­ton und der Au­ssen­po­li­tik wid­met.

Das zeugt nicht nur von er­staun­li­chem Selbst­be­wusst­sein, son­dern of­fen­bart auch ei­ne ge­wis­se Pi­kan­te­rie. Zwar be­teu­ert Al­b­right zu Be­ginn, dass sie die mas­ku­li­ne Form für »Prä­si­dent« nur aus ak­tu­el­len Grün­den bei­be­hält (und die weib­li­che Form für den Au­ssen­mi­ni­ster [die Au­ssen­mi­ni­sterin] ver­wen­det), aber durch die Pro­gno­se, ei­nen Prä­si­den­ten aus ih­rer Par­tei (den De­mo­kra­ten) ab Ja­nu­ar 2009 im Wei­ssen Haus zu se­hen, kann sie ei­gent­lich nur Ba­rack Oba­ma beim Schrei­ben des Bu­ches im Au­ge ge­habt ha­ben.

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