Als ich dem einen oder der anderen auf Nachfrage erzählte, was ich gerade lese, kamen fragende Blicke zurück. Wolfgang Menge? Das Coverbild – der markante und gutgekleidete Mann mit Glatze und Pfeife – half nicht immer. Die Rettung nahte bei der Erwähnung, dass Menge der Schöpfer von »Ekel Alfred«, der Hauptfigur aus Ein Herz und eine Seele, war. Den kannten sie, weil mindestens eine Folge – die vom Silvesterpunsch – in jährlicher Regelmässigkeit wiederholt wird. Bei Smog und Millionenspiel wussten die meisten auch nicht mehr weiter.
Nun also eine Biographie von Wolfgang Menge, fast ein bisschen verspätet zum 100. Geburtstag. Vielleicht liegt es am Verfasser Gundolf S. Freyermuth, Journalist, Autor und Professor u. a. an der Internationalen Filmschule Köln, der von Menge einmal als unpünktlicher Zeitgenosse charakterisiert worden sein soll, was der Freundschaft der beiden nicht im Wege stand. Die beiden lernten sich erst 1987 kennen. Menge war da 63, Freyermuth 32. Irgendwie finden sie einen Draht. Der junge Autor, der u. a. für den Stern schreibt und lange in den USA gelebt hat, kann Menge überzeugen, sein Computerequipment auf Macintosh umzustellen. Das war, wie sich später herausstellte, bemerkenswert, denn Menge war normalerweise schwer zu überzeugen.
Der Titel ist mit Wer war WM? interessant gewählt. Freyermuth schreibt in den fast 500 Seiten, die gelegentlich von Bildern aufgelockert werden, immer dann von »WM«, wenn es um allgemein biographische und/oder werkgenetische Dinge geht und wechselt zum »Wolfgang«, wenn es persönlich wird. Diese Methode erweist sich als Glücksgriff, weil der Leser sofort weiß, wer da gerade schreibt – der Freund oder der Biograph (wobei das eine nicht das andere ausschließen muss).
Enthüllungsbücher haben meist einen schlechten Ruf. Man unterstellt den Autoren gerne persönliche Motive bis hin zur Rache für tatsächliche oder eingebildete Intrigen. Man liebt zwar den Verrat, aber weniger den Verräter, nicht zuletzt, weil der Leser dabei zuweilen brüsk mit seiner eigenen Desillusionierung lange gepflegter Ideale konfrontiert wird. Die Betroffenen reagieren enttäuscht bis beleidigt, manchmal, aus purer Verzweiflung, ziehen sie vor Gericht. Auch der NDR, so heißt es, prüfe derzeit gegen Alexander Teskes Buch inside Tagesschau juristische Schritte. Derweil verkauft sich das Buch gut und jeder möchte es noch haben, bevor vielleicht einige Stellen geschwärzt werden müssen.
Der Leser rätselt, welche Stellen das sein sollen. Alexander Teske ist ein Journalist, der sein Handwerk von der Pike auf gelernt hat. Er arbeitete sechs Jahre (von 2018 bis Ende 2023) in der Redaktion der Tagesschau in Hamburg als »Planungsredakteur«. Vorher war er vierzehn Jahren beim MDR, der ARD-Anstalt, die, wie man im Laufe des Buches erfährt, in Hamburg aus verschiedenen Gründen keinen guten Ruf genießt. Was ein Planungsredakteur macht, wird skizziert. Auch die Hierarchien innerhalb dieses Gebildes Tagesschau bzw. ARD-aktuell bekommt man erklärt. Verblüffend: Der bzw. die Chefredakteure (Marcus Bornheim, Helge Fuhst und Juliane Leopold) haben zwar formal das Sagen, aber die wahren Herrscher über die Nachrichten sind die »Chefs vom Dienst« (von mir hier »CvD« abgekürzt), ein nicht öffentlich agierender Kreis von rund zehn Redakteuren.
Wer einmal CvD ist, bleibt dort meist bis zur Pensionierung. Männer sind überrepräsentiert (2/3 von 10 sind, lieber Herr Teske, sechs oder sieben?). Alle CvD sind älter als 45. Sie erhalten 11.434 Euro monatlich. Die meisten von ihnen haben in ihrer Laufbahn eher selten einen Fernsehbeitrag selber verfasst und wenn, dann vor sehr langer Zeit. Außerhalb von ARD-aktuell kennt sie niemand. Man wird nie erfahren, wer bei welcher Sendung CvD war. Teske nennt keine Namen, verwendet Abkürzungen (die vermutlich noch einmal verfremdet sind). Einen allerdings nennt er, »empfiehlt« sogar dessen Webseite. (Er ist seit kurzem pensioniert. Vielleicht reicht es bald noch für ein juristisch einwandfreies Impressum.) Dass eine solche Person jahrelang bestimmt hat, welche Nachrichten gesendet werden und welche nicht, lässt fast tiefer blicken als alles andere, was Teske so erzählt.
Chefredakteur vs. Chef vom Dienst
Um die CvD schwirren insgesamt mehr als 300 »Mitarbeitende« (manchmal benutzt Teske diese Sprache). Laut KEF entfielen 2021 55,7 Millionen Euro Gebührengelder auf ARD-aktuell, dem Informationskomplex der ARD, davon 12 Millionen Euro auf den Spartenfernsehsender tagesschau24, einem Sender, dessen Marktanteil je nach Altersgruppe zwischen 0,4% und 0,5% liegt und inzwischen eine Art Hobby von Helge Fuhst zu sein scheint. Bemerkenswert, dass phoenix, der »gemeinsame Ereignis- und Dokumentationskanal von ARD und ZDF«, im Buch keine relevante Rolle spielt, außer, dass die Redakteure aus Hamburg die tagesschau24-Kollegen einmal als »Schnarchnasen« titulieren, weil sie bei einem Thema als letzter »aufgesprungen« sind. Dieses Ignorieren könnte darauf zurückzuführen sein, dass phoenix ARD-seitig vom WDR betreut wird – und damit nicht unter der Zuständigkeit von ARD-aktuell fällt. phoenix erhält nach eigenen Angaben 37 Millionen Euro pro Jahr und hat einen Marktanteil um die 0,8%.
Brigitte Baetz vom Deutschlandfunk hat den »lieben Kollegen« von FAZ und FAS einen Brief geschrieben. Sie verwehrt in diesem Brief gegen das ewige Lamento der Frankfurter den öffentlich-rechtlichen Rundfunk als »Staatsrundfunk« und von »Zwangsgebühren« finanziert zu kritisieren. Das kann man machen. Aber wie so oft macht der Ton die Musik. Und dieser Ton, den Frau ...
Am 13. März 2016 sind drei Landtagswahlen in Deutschland: Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und Sachsen-Anhalt. Während in Sachsen-Anhalt die CDU/SPD-Koalition (die man zu anderen Zeiten noch als »Große Koalition« bezeichnet hätte) auch weiter regieren dürfte, wird werden die Wahlen im Süden Deutschlands spannender. Vermutlich werden beide Ministerpräsidenten ihre Position verlieren. Im Rheinland-Pfalz regiert Malu Dreyer (SPD), die ...
Kritik an Medien und am Journalismus kommt zur Zeit mehrheitlich, wenn auch nicht ausschließlich von außen, den Sehern, den Lesern, den Rezipienten. Um so schwerwiegender ist es, wenn ein Journalist dem Betrieb eine geradezu vernichtende Kritik ausstellt und damit die Kritiker von außerhalb bestätigt und bestärkt: Der freie Autor und Medienkritiker Walter van Rossum ist manchmal etwas grob, was wohl seinem Ärger geschuldet ist, er klagt, ist gleichzeitig aber desillusioniert, bisweilen schimpft er fast; umso erstaunlicher ist sein Fazit: »Aber ich glaube alles in allem nicht, dass das System der alten Öffentlichkeit rehabilitierbar ist, ich halte es nicht einmal für wünschenswert. Irgendwie durchlebt die Gesellschaft gerade einen medienkritischen Crashkurs – was nach Jahren der medienkritischen Öde auch dringend nötig war. Dabei haben wir schon eines gelernt, was ich für großartig halte, nämlich das mediale Improvisieren. Wir basteln uns gerade – jeder auf seine Art – die Informationen zusammen, die wir brauchen. Und darin steckt in meinen Augen schon so etwas wie eine Skizze der medialen Zukunft. Ich finde die Chancen aufregender als die Klage über die Verluste.«