Enthüllungsbücher haben meist einen schlechten Ruf. Man unterstellt den Autoren gerne persönliche Motive bis hin zur Rache für tatsächliche oder eingebildete Intrigen. Man liebt zwar den Verrat, aber weniger den Verräter, nicht zuletzt, weil der Leser dabei zuweilen brüsk mit seiner eigenen Desillusionierung lange gepflegter Ideale konfrontiert wird. Die Betroffenen reagieren enttäuscht bis beleidigt, manchmal, aus purer Verzweiflung, ziehen sie vor Gericht. Auch der NDR, so heißt es, prüfe derzeit gegen Alexander Teskes Buch inside Tagesschau juristische Schritte. Derweil verkauft sich das Buch gut und jeder möchte es noch haben, bevor vielleicht einige Stellen geschwärzt werden müssen.
Der Leser rätselt, welche Stellen das sein sollen. Alexander Teske ist ein Journalist, der sein Handwerk von der Pike auf gelernt hat. Er arbeitete sechs Jahre (von 2018 bis Ende 2023) in der Redaktion der Tagesschau in Hamburg als »Planungsredakteur«. Vorher war er vierzehn Jahren beim MDR, der ARD-Anstalt, die, wie man im Laufe des Buches erfährt, in Hamburg aus verschiedenen Gründen keinen guten Ruf genießt. Was ein Planungsredakteur macht, wird skizziert. Auch die Hierarchien innerhalb dieses Gebildes Tagesschau bzw. ARD-aktuell bekommt man erklärt. Verblüffend: Der bzw. die Chefredakteure (Marcus Bornheim, Helge Fuhst und Juliane Leopold) haben zwar formal das Sagen, aber die wahren Herrscher über die Nachrichten sind die »Chefs vom Dienst« (von mir hier »CvD« abgekürzt), ein nicht öffentlich agierender Kreis von rund zehn Redakteuren.
Wer einmal CvD ist, bleibt dort meist bis zur Pensionierung. Männer sind überrepräsentiert (2/3 von 10 sind, lieber Herr Teske, sechs oder sieben?). Alle CvD sind älter als 45. Sie erhalten 11.434 Euro monatlich. Die meisten von ihnen haben in ihrer Laufbahn eher selten einen Fernsehbeitrag selber verfasst und wenn, dann vor sehr langer Zeit. Außerhalb von ARD-aktuell kennt sie niemand. Man wird nie erfahren, wer bei welcher Sendung CvD war. Teske nennt keine Namen, verwendet Abkürzungen (die vermutlich noch einmal verfremdet sind). Einen allerdings nennt er, »empfiehlt« sogar dessen Webseite. (Er ist seit kurzem pensioniert. Vielleicht reicht es bald noch für ein juristisch einwandfreies Impressum.) Dass eine solche Person jahrelang bestimmt hat, welche Nachrichten gesendet werden und welche nicht, lässt fast tiefer blicken als alles andere, was Teske so erzählt.
Chefredakteur vs. Chef vom Dienst
Um die CvD schwirren insgesamt mehr als 300 »Mitarbeitende« (manchmal benutzt Teske diese Sprache). Laut KEF entfielen 2021 55,7 Millionen Euro Gebührengelder auf ARD-aktuell, dem Informationskomplex der ARD, davon 12 Millionen Euro auf den Spartenfernsehsender tagesschau24, einem Sender, dessen Marktanteil je nach Altersgruppe zwischen 0,4% und 0,5% liegt und inzwischen eine Art Hobby von Helge Fuhst zu sein scheint. Bemerkenswert, dass phoenix, der »gemeinsame Ereignis- und Dokumentationskanal von ARD und ZDF«, im Buch keine relevante Rolle spielt, außer, dass die Redakteure aus Hamburg die tagesschau24-Kollegen einmal als »Schnarchnasen« titulieren, weil sie bei einem Thema als letzter »aufgesprungen« sind. Dieses Ignorieren könnte darauf zurückzuführen sein, dass phoenix ARD-seitig vom WDR betreut wird – und damit nicht unter der Zuständigkeit von ARD-aktuell fällt. phoenix erhält nach eigenen Angaben 37 Millionen Euro pro Jahr und hat einen Marktanteil um die 0,8%.
Die Tagesschau-Redakteure recherchieren in der Regel nicht selber. Sie erhalten über die Außenstudios der ARD und ihr Korrespondentennetz »bestellte« Berichte. Was bestellt wird, zeigt sich während diverser Konferenzen, wobei oft genug zwischen Chefredaktion und CvD Machtkämpfe ausgetragen werden. Der Chefredakteursposten ist fast immer nur eine Durchgangsstation. Dabei geht es auch schon mal bis zu einer Intendanz, wie sich an Kai Gniffke zeigt, der 2019 SWR-Intendant wurde. Danach, so schreibt Teske, knallten in Hamburg die Sektkorken. Er war nicht besonders beliebt, um es freundlich auszudrücken. Die größten Ambitionen sagt Teske derzeit Helge Fuhst nach, der angeblich mit einer Position als Anchorman bei den tagesthemen liebäugelt.
Was man erfährt – und was nicht
Der Ton ist rau im Großraumbüro, die Konferenzdichte hoch; Ansagen streng nach Gesinnung. Die CvD sind »eher links der Mitte«. Entsprechend fallen auch die Gewichtungen in der Sendung aus. Teske führt zahlreiche Beispiele an, in denen relevante Entwicklungen und Ereignisse keine oder nur sehr geringe Sendezeit erhalten. Nebeneinkünfte und Plagiatsaffäre Baerbock – keine Meldung. Deutsche Nationalspieler sympathisieren mit Erdoğan – erst mal keine Meldung. Krieg in Berg-Karabach – nur kurze Meldung (Eröffnung Loriot-Museum ist wichtiger). Von der Visa-Affäre des Auswärtigen Amtes unter Annalena Baerbock hat wohl nicht einmal Teske etwas erfahren – der Tagesschau-Konsument erst recht nicht.
Der halbgare Correctiv-Bericht zu einem Treffen rechtsradikaler und ‑identitärer Protagonisten wurde allerdings sofort kritiklos aufgenommen. Dass der NDR nachträglich juristisch zu Änderungen in seinen Berichten gezwungen wurde, erfuhr der Tagesschau-Zuschauer nie. Wenn erste Berichterstattungen nicht in das ideologische Weltbild passen, werden andere Sichtweisen »bestellt«. Um die journalistische Neutralität nach außen zu demonstrieren, wählt man häufig »Experten«, die dann das »Richtige« als Expertise abgeben dürfen. Teske bietet einige Einblicke, warum immer dieselben Experten hinzugezogen werden (sie biedern sich teilweise mit 24-Stunden-Verfügbarkeit an; andere lehnen das Eindampfen komplexer Inhalte auf zwanzig Sekunden Statements schlicht ab). Den Ausflug ist das Expertengewese in der Sportberichterstattung hätte er besser weggelassen – hier ist es noch schlimmer, aber es keinen Einfluss auf politische Willensbildung, sondern kostet nur Geld.
Immer wenn Teske die Schwerpunktsetzungen ausführt, wenn er exemplarisch beschreibt, wie sich der Meinungskorridor unter fadenscheinigen Gründen (regionales Ereignis etwa – was dann aber für ein Busunglück in Indien nicht gilt), abgeblockt wird, vermag man die Hybris und den fortschreitenden Niedergang dieses einstigen Hochamts der Information (vielleicht war das immer falsch?) nachspüren. Im Fall der Boulevardisierung ist es noch unterhaltsam, aber wenn die politische Beeinflussung droht, wenn relevante Ereignisse nicht oder nur in tendenziösen Zusammenhängen gemeldet und kommentiert werden – dann wird es relevant und ärgerlich.
Teske macht aus seiner DDR-Sozialisation keinen Hehl und bemängelt zu recht die Schlagseite gen alter Bundesrepublik (nicht zuletzt durch das Personal von ARD-aktuell). Das zeigt sich an Kleinigkeiten wie etwa die Meldungen bzw. Nichtmeldungen zum 17. Juni oder wenn dem Unterschied zwischen den Nachrufen auf DDR- oder westdeutsche Prominente. Alle Medien, die man in der Redaktion abonniert habe, kamen aus dem Westen, so Teske. Er setzt schließlich durch, dass auch die Leipziger Volkszeitung ausliegt. Gelesen wird sie allerdings in der Hamburger Redaktion nicht. Er kritisiert, dass die Sorgen der DDR-Bürger um den Ukraine-Krieg, die er in den Leserbriefen der ostdeutschen Zeitungen deutlich wahrnimmt, zu wenig Berücksichtigung in den Nachrichten finden. In einem bestimmten Zeitraum sei das Verhältnis zwischen Ukrainekrieg und Inflation in den Talkshows bei 46 zu 5 gelegen, so zitiert er den Soziologieprofessor Michael Hartmann, der die Medien für abgehoben und zu wenig sozial divers hält. Etwas, was auch Teske umtreibt.
Faktenerfinder
Die Einblicke in den Alltagsgeschäft des Nachrichtenfängers, die Themenfindung, die Abstimmungen, wer den Meinungs-Kommentar zu welchem Thema in den Tagesthemen abgeben darf, wann der RBB aus Berlin berichtet und wann das Hauptstadtstudio zuständig ist, die internen Kritiken der gestrigen Sendungen (die meist zu Lobhudeleien werden, weil es sich niemand verscherzen möchte), der unsägliche Herdentrieb von Journalisten, der dazu führt, dass sich fast alle den gleichen Themen des Tages zuwenden (diese Webseite dient vielen als rasche Übersicht) – das alles ahnte man längst und wird mit einigen Beispielen ganz gut illustriert. Hinzu kommen die spezifischen Eigenheiten der Tagesschau-Redaktion. Es herrsche ein »Klima der Angst« – und er erinnert an den »Klimabericht NDR« (Link führt zu pdf).
An Beispielen wird die Verhöhnung gezeigt, die in Begriff und Funktion des sogenannten »Faktenfinders« stecken. Hier werden die zu überprüfenden Informationen derart selektiert, dass das bereits im Vorfeld als wünschenswert definierte Resultat erreicht wird. Störendes wird ausgeblendet. Zur Hochform läuft Teske auf, wenn er das Pendeln einzelner Redakteure zwischen Politik und Journalismus beschreibt wie jüngst im Fall von Michael Stempfle, der wenige Tage nach seinen Hymnen auf Boris Pistorius in dessen Ministerium wechselt. Dabei ist es nicht damit getan, dass Journalisten sich in politische Gefilde (bspw. Pressesprecher) begeben, sondern nach dieser Tätigkeit problemlos wieder im Journalismus, meist an besserer Position, zurückkehren können. Die Beispiele sind Legion: Ulrich Wilhelm, Ulrike Demmer, Ulla Fiebig, Christiane Wirtz, Anna Engelke. Das Zauberwort heißt »Rückkehrrecht« – im öffentlich-rechtlichen Rundfunk häufig vertraglich garantiert. Wie da noch halbwegs objektiver Journalismus herauskommen soll, bleibt ein Geheimnis. In jedem Fall nährt es die ohnehin schon virulente Skepsis den Medien gegenüber.
Schwächen bei grundsätzlichem
Teskes Buch schwächelt, wenn er versucht, grundsätzliche Fragen zu thematisieren. Etwa warum so wenige politisch relevante Informationen über Afrika oder Südamerika in den Nachrichten zu sehen sind. Aber ist es wirklich, wie er die (SPD-nahe) Otto-Brenner-Stiftung zitiert, »eine Gefahr für unsere Demokratie«, wenn man nicht über die Diktatur in Äquatorial-Guinea berichtet? Wenn er kritisiert, dass man Venezuela nur dann im Blick hat, wenn dort revolutionsähnliche Zustände nach vermutlich gefälschten Wahlen drohen – wie sähe die Alternative aus? Soll man täglich melden, dass Maduro noch immer an der Macht ist, entgegen all der Vorwürfe? Das dürfte eher ein Fall für die Auslandsberichterstattung sein, die jedoch auch immer mehr ins »menschelnde« und seichte abzudriften scheint, aber das wäre ein anderes Thema.
Ist es wirklich in einer Nachrichtensendung geboten, dass man beispielsweise FIFA oder IOC jeweils als »korrupt« oder zumindest »umstritten« apostrophiert? Dass man bei der Inthronisierung des englischen Königs Hinweise an die kolonialen Verbrechen Großbritanniens anbringen sollte? Sicherlich, die lächerlichen O‑Töne all’ der »Vox Pops« (Straßenbefragungen), mit denen der Zuschauer überschwemmt wird, sind eher abstoßend, aber wenn jede Meldung jetzt noch mit moralischen Kräutern garniert wird, dürfte das Gericht irgendwann ungenießbar sein. Zumal sich Teske beispielsweise in Bezug auf die AfD gegen standardisierte Attribute, die den Rezipienten lenken sollen, distanziert. Er argumentiert hier nicht stringent.
Unklar bleibt Teske auch darin, welcher Art nun die Nachrichten sein sollen. Zu recht beklagt er die dauerhaft negativen Meldungen von Kriegen, Naturkatastrophen oder Anschlägen. Beispiele gibt es en masse. Muss man, fragt er, jeden Waldbrand im Sommer oder jedes Hochwasser mit Korrespondenten und einem Brennpunkt flankieren, Pegelstände und Body-counting betreiben? Worin liegt der journalistische Wert solcher Nachrichten? Die Notwendigkeit für Sondersendungen beispielsweise beim Brand von Notre Dame sieht Teske auch nicht und verteidigt, dass man nicht »live« auf tagesschau24 das Inferno gezeigt hatte. Man wisse zu wenig und solle warten. Hätte man, so fragt man sich, etwa auch damals am 11. September 2001 warten und das Programm fortsetzen sollen? Vielleicht stattdessen eine Tierdoku auf phoenix?
Dann wiederum kritisiert er die seichten Nachrichten, listet akribisch die Omnipräsenz royaler Meldungen in der Tagesschau auf, die häufig an prominenter Stelle und in ziemlicher Ausführlichkeit stehen. Einsam an der Spitze das Königshaus in Großbritannien, 70. Thronjubiläum der Queen, Jahre später ihr Tod, über den in »Annette-Dittert-Festspielen« unendlich berichtet wird. Schließlich der neue König, die Krankheiten der Royals. Über die werde berichtet, Merkels Zittern damals wurde unterdrückt. Mal ist etwas Privatsache, mal nicht.
Kein »Staatsfunk«
Oder die Traditionsberichte, ohne besonderen Informations- und Neuigkeitswert. Jahr für Jahr wird da vom Karneval berichtet, minutenlang. Teske versteht nicht, warum man Zitate vom Stammtisch des »politischen Aschermittwoch« abspielt. Oder der Sport, der zumeist Fußball ist. In der Tat ist es nicht erklärlich, warum zum Beispiel samstags in der 20-Uhr-Sendung minutenlang Fußball gezeigt wird, der kurz zuvor schon in der Sportschau lief. Teske mokiert sich über die zunehmend »moderative Sprache«, die dem Verkündungsduktus sukzessive weicht und macht hier ein Teil der Boulevardisierung aus. Mir fiele noch die Betroffenheitsberichterstattung bestimmter Sachverhalte ein, etwa wenn man das Einzelschicksal einer Rentnerin, die eine exorbitante Miet- oder Nebenkostenerhöhung erhält pars pro toto nimmt, ohne die ökonomischen Gründe für die Erhöhungen anzuführen.
Wer jetzt von »Staatsfunk« spricht, erntet vehementen Widerspruch von Teske. Er verteidigt den öffentlich-rechtlichen Rundfunk wie ein Löwe, findet sogar wohlwollende Worte für die ehemalige RBB-Intendantin Schlesinger (die sei ja nicht verurteilt). Und tatsächlich diktiert keine staatliche Institution der Redaktion die Nachrichten. Aber, und das vergisst er ein wenig, hat die Berichterstattung rund um die Flüchtlingskrise 2015/2016 und vor allem die Corona-Berichterstattung gezeigt, dass man auch schon einmal Meldungen unterdrückt, die, wie es einmal ein Minister in einem anderen Zusammenhang formulierte, »die Bevölkerung verunsichern könnten.« Über die sexuellen Übergriffe in der sogenannten »Kölner Silvesternacht« berichtete man erst, als die anderen Medien es schon als Schlagzeile hatten. Sicherlich wähnt man sich da in einer diffusen Verantwortung und/oder der Furcht, es könnte »den Falschen« in die Hände spielen. Und häufiger fehlten auch schon mal während der Corona-Pandemie die Grafiken mit sinkenden Sieben-Tage-Inzidenzen oder man wollte zunächst nicht melden, dass ein Impfstoff doch nicht ganz so sicher war und daher in Großbritannien nicht mehr eingesetzt wurde – die beiden letzten Aspekte bringt Teske selber. Von der kritiklosen Übernahme von Pressemeldungen diverser NGOs, die bisweilen von Regierungen oder regierungsnahen Stiftungen unterstützt werden, ganz zu schweigen.
Gretchenfrage
Statt zu zählen, wie oft Unions‑, SPD- oder Grünenpolitiker im Bild sind und zitiert werden und warum bestimmte Parteien über- bzw. unterrepräsentiert sind, hätte Teske besser die Inhalte der Meldungen analysiert. Dass eine Regierung und deren Repräsentanten mehr im Fokus stehen als die Opposition, dürfte kaum verwundern. Am größten ist die Diskrepanz nach Teskes Beobachtungen bei der AfD. Die sei, gemessen an ihrem aktuellen Wählerpotential, in der Tagesschau unterrepräsentiert. Allein die Begründungen sind interessant. Es gebe, so Teske, grob gesagt drei Möglichkeiten, wie man mit der AfD umgehe. Zunächst die Variante, neutral zu berichten, ohne Attribute wie »rechtsextrem« und sie auch in Statements gemäß ihrem Repräsentationsgrad vorkommen zu lassen. Dies schloss man insbesondere beim WDR sofort aus. Die zweite Möglichkeit wäre, sie so weit wie möglich zu ignorieren. Sie würde nur herangezogen, wenn etwas skandalisierbares vorläge. Die dritte Variante ist für eine Nachrichtensendung interessant: Teske spricht von der Entzauberung der AfD. Die sieht er als gescheitert an.
Die Schussfolgerung stimmt, aber es kann doch nicht Aufgabe einer Nachrichtensendung sein, politische Parteien und deren Programmatik zu »entzaubern«. Dies ist nur durch eine dezidierte inhaltliche Auseinandersetzung und Konfrontation der politischen Entscheidungsträger der Partei mit Fakten und Tatsachenbehauptungen möglich. Hierfür hat man – unter anderem – das Format der Talkshow erfunden. Hier diskutieren jedoch fast immer die gleichen rund zwei Dutzend Protagonisten und reden über die AfD statt mit ihr. Tiefe Analysen sind weitgehend Fehlanzeige, die Moderatorinnen (es sind überwiegend Frauen in dieser Funktion) würgen sie rasch ob der Komplexität ab. Sollte sich einmal ein Repräsentant der AfD dort befinden, muss er sich mit mehreren Gegnern auf einmal auseinandersetzen. Zudem glaubt man immer noch, der AfD durch vorauseilende Empörungsrhetorik und ‑gesten bereits bei der Fragestellung beikommen zu können. Das Gegenteil wird damit erreicht. Wer allerdings neulich das Gespräch zwischen Elon Musk und Alice Weidel auf »X« verfolgt hat, wurde Zeuge einer unfreiwilligen Entzauberung gleich beider Protagonisten, die sich einen Wettbewerb der Banalitäten und leeren Phrasen lieferten. Zehn Minuten Interviewzeit für AfD-Politiker mit gelegentlichen, sachbezogenen Nachfragen (der Fragesteller sollte allerdings mehr als nur Grundkenntnisse von der Thematik besitzen) würde deren Programmatik mehr bloßstellen, als dieses mitunter krampfhafte Aufgeregtsein der Journalisten, nur um sich auch ganz sicher abzugrenzen.
Verschlimmbesserungen
Das Buch wartet mit einigen Interessanten Details auf. Man erfährt endlich, warum man von großen Sportereignissen wie Fußball-WM oder Olympischen Spielen in der Mediathek keine Bilder auf den ARD-aktuell-Seiten zu sehen bekommt. Oder es gibt einen Einblick in den gruseligen TikTok-Kanal der Tagesschau. Wie man derart junge Leute für seriöse Nachrichten gewinnen will, bleibt ein Geheimnis. Das Interessante: Teske ist derart Journalist, dass er à la longue fürchtet, die Deutungshoheit der Medien zu verlieren und dem entgegensteuern möchte. Immer noch hält er die Tagesschau für eine seriöse Nachrichtensendung. Sicher, es schauen zwischen neun und zehn Millionen Menschen jeden Tag die »Twenty« und ein Channelcrossing um 20 Uhr zeigt, dass man das unter anderem dadurch erreicht, dass man sie in dreizehn Sendern gleichzeitig überträgt.
Ich habe entgegen meinen sonstigen Gewohnheiten einige Tage wieder einmal die ARD-Nachrichtensendungen geschaut. Nach der Lektüre dieses Buches kann man sich ein bisschen vorstellen, wie und warum dieses oder jenes Thema derart behandelt wurde. So berichtet man am 25.1. ausführlich über Demonstrationen gegen Rechtsextremismus, u. a. in Berlin, mit Originaltönen von Journalisten und Gewerkschaftlern. Dass 700 Meter davon entfernt eine pro-Hamas-Demonstration mit der Parole »Tod den Juden« stattfand, wurde nicht gemeldet. Die Polizei war mit dem Hass personell überfordert, weil sie die moralbesoffenen Politiker, die bei der Demo gegen Rechts Selfies machten, beschützen mussten.
Nicht auszudenken, welchen Journalismus man mit diesem üppigen Budget machen könnte. Teskes Buch ist ein Mosaiksteinchen, wie sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk sukzessive selber abschafft. Ich werde ihn bis auf einige arte-Dokumentationen nicht vermissen, weil auch das Gros des Fernsehprogramms außerhalb der Informationssendungen inzwischen nur noch mit banalen Krimis, lächerlichen Quizsendungen und quälendem Magazinschwachsinn bestückt ist. Der selbstverschuldete Bedeutungsverlust des Journalismus schreitet voran. Man will ihn noch mit »Haltung«, der richtigen Gesinnung, aufhalten, weil man insgeheim den Rezipienten für unmündig hält. Das führt nur noch mehr zu Abstoßungstendenzen. Am Ende stößt Teske auch noch in dieses Horn, wenn er mit einem »konstruktiven Journalismus« liebäugelt, der »Lösungen aufzeigen« soll. Damit vertreibt man den Teufel mit dem Beelzebub.
Hatte einen ganz guten Eindruck von Teske, bei einem Interview auf Youtube, Apollo News. Er leistet einen breiten kritischen Beitrag, und hat nicht die geringste Neigung zur Polemik. Mit viel Geduld versucht er, die Subtilität der Machtprozesse aufzudecken, was allein schon vom Beobachter-Standpunkt eines »Insiders« aus schwierig ist. Das scheint mir gelungen. Er findet: freihändige Entscheidungen vom CvD, flotte Begründungen bei der Auswahl, gefallsüchtige Experten, und die vielen kleinen Codes in den Berichten... Wenn es sich um eine Wiederkehr des Bösen handelt, dann hat es sich hübsch klein gemacht, gut getarnt, und eine vielköpfige Zahl von Würmchen am Start... – - Ihre Kritik ist freilich hart: Ist dieses Produkt überhaupt noch zu retten?! Nach allem, was man weiß, ist das Ideal zu hoch gesteckt, als dass noch große Chancen bestünden. Teske bringt einen altbackenen Idealismus ein, den die urbanen spätmodernen Karrieristen wohl drollig finden würden. Idealismus aus dem Osten, fast schon sentimental! Das finde ich sehr sympathisch, weil ich nicht zuletzt an mir selbst feststelle, wie sehr ein (langes) Leben im Westen den Zynismus auftrainiert. Leider, leider!