Ist Ich ei­ne An­de­re?

Fra­gen zu Mi­ri­am Meckels »Brief an mein Le­ben«

Ein »Burn­out« ist ei­ne Art Er­schöp­fung, ein phy­si­sches und psy­chi­sches Aus­ge­brannt­sein ei­nes Men­schen. Wo einst ei­ne Hy­per­ak­ti­vi­tät und fast pau­sen­lo­ses En­ga­ge­ment war, macht sich plötz­lich läh­men­de An­triebs­schwä­che bis hin zu De­pres­sio­nen breit. Der Be­griff ist durch­aus um­strit­ten; ei­ne ein­heit­li­che De­fi­ni­ti­on gibt es nicht. Zwei­fel­los hat Mi­ri­am Meckel mit ih­rem Buch »Brief an mein Le­ben« ei­nen enor­men Pu­bli­zi­täts­schub für die Pro­ble­ma­tik des »Burn­out« er­zeugt. Als be­kann­te Pro­fes­so­rin und Pu­bli­zi­stin be­kommt ihr Buch ei­nen Pro­mi­nen­ten-Bo­nus in den Me­di­en. Zu­dem passt es in ei­ner wah­ren Se­rie von Krank­heits­ge­schich­ten Pro­mi­nen­ter, wie et­wa Lei­ne­mann und Schlin­gen­sief, die ih­re Krebs­er­kran­kun­gen ge­schil­dert ha­ben (was Iris Ra­disch zur flap­si­gen Be­mer­kung ei­ner »Me­ta­phy­sik des Tu­mors« ver­an­lass­te) bis zum Buch des an De­pres­sio­nen er­krank­ten ehe­ma­li­gen Fuß­ball­spie­lers Se­ba­sti­an Deis­ler.

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Die Es­senz der So­la­ris

So­la­ris ist im gleich­na­mi­gen Ro­man von Sta­nis­law Lem ein frem­der Pla­net, der von Ozea­nen be­deckt ist, und in des­sen Or­bit die Mensch­heit der Er­de ei­ne Raum­sta­ti­on er­rich­tet hat. Auf die­sem Pla­ne­ten wer­den al­le dem Men­schen be­kann­ten Na­tur­ge­set­ze au­ßer Kraft ge­setzt. Als der Prot­ago­nist des Ro­ma­nes, ein Psy­cho­lo­ge, auf die Sta­ti­on kommt, ent­deckt er, dass ei­ner von den drei dort sta­tio­nier­ten For­schern sich das Le­ben ge­nom­men hat, und die an­de­ren bei­den gei­stig ver­wirrt schei­nen und des­we­gen al­le Ge­rä­te ab­schal­te­ten. Kurz dar­auf ent­deckt er auf der Sta­ti­on sei­ne kürz­lich ver­stor­be­ne Frau, die Sui­zid be­ging. Er emp­fin­det Schuld­ge­füh­le für das Ge­sche­he­ne, weil er nicht er­kannt, was sei­ne Frau wirk­lich be­drück­te und ih­re Sor­gen nicht ver­stand und hält sich so­mit für ver­rückt und be­merkt, dass auch die an­de­ren bei­den noch le­ben­den For­scher je­weils ei­nes die­ser sur­rea­len Ab­bil­der, die aus den Er­in­ne­run­gen und Träu­men des je­wei­li­gen In­di­vi­du­ums ent­stan­den sind, ver­ber­gen. An­ders als die an­de­ren bei­den For­scher schafft es der Psy­cho­lo­ge, sei­ne Ge­stalt mit der Wahr­heit zu kon­fron­tie­ren. Das Ab­bild sei­ner Frau er­kennt dann ih­re schein­ba­re Exi­stenz als das, was es ist, doch er möch­te es nicht als sol­ches er­ken­nen und formt sich Träu­me von ei­nem un­mög­li­chen Zu­sam­men­le­ben auf der Er­de. Als die an­de­ren bei­den For­scher ei­ne Mög­lich­keit ent­wickeln, die­se Ge­stal­ten zu zer­stö­ren, ist der Psy­cho­lo­ge erst ein­mal da­ge­gen, die­se auch an­zu­wen­den, doch das Trug­bild selbst bit­tet dar­um und hilft bei der er­folg­rei­chen Aus­füh­rung. Nach dem al­le Ab­bil­der für im­mer zer­stört wor­den sind, er­kun­det je­ner noch die Ober­flä­che des Pla­ne­ten, viel­leicht um in den ge­heim­nis­vol­len Ozea­nen nach den Lö­sun­gen die­ser bi­zar­ren Rät­sel zu su­chen.

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Die un­zäh­li­gen Pfa­de des Ster­bens

Wie kann man die Fra­ge über die Recht­fer­ti­gung von Ster­be­hil­fe be­ant­wor­ten? Wie kann man ak­zep­tie­ren, dass auch schon Kin­der manch­mal ster­ben müs­sen? Wie kann man ver­ste­hen, dass je­mand noch in der Blü­te­zeit des Le­bens den so­ge­nann­ten Schnit­ter trifft?

Kei­ner kann Ant­wor­ten dar­auf ge­ben. Man kann nur ver­mu­ten, denn die Wahr­heit liegt, falls es über­haupt ei­ne gibt, hin­ter vie­len Fas­sa­den und Trug­bil­dern ver­bor­gen, und der größ­te Schlei­er vor un­se­ren Au­gen ist der der Un­wis­sen­heit und des ewi­gen Schwei­gens. Je­de Spe­ku­la­ti­on in die­se Rich­tung, je­de noch so be­grün­de­te An­nah­me ist, wie, wenn man in ei­nem gro­ßen kreis­för­mi­gen Saal steht, und von die­sem in al­le Rich­tun­gen Gän­ge ab­ge­hen, und die­se mit Vor­hän­gen ver­deckt sind. Schiebt man ei­nen Vor­hang bei­sei­te, so sieht man nichts als Dun­kel­heit und setzt man auch nur ei­nen Fuß hin­ter die Schwel­le der Fin­ster­nis, so geht man da­mit be­reits das Ri­si­ko ein, in die Schluch­ten des Irr­tums zu fal­len. Man kann war­ten, bis sich die Vor­hän­ge von sel­ber öff­nen, man den rich­ti­gen Weg ge­weist be­kommt, doch dann ist es mei­stens be­reits zu spät, noch aus ei­ge­ner Kraft um­zu­keh­ren. Ein frei­wil­li­ges Ge­hen, in zwei­er­lei Hin­sicht, kann dann nicht mehr er­war­tet wer­den. Schwer­wie­gen­des Weh­kla­gen und Jam­mern sind dann der Preis für ei­ne ge­rin­ge Ri­si­ko­freu­dig­keit. Soll­ten wir dann nicht lie­ber selbst den Weg der Wahr­heit su­chen? Je eher wir wis­sen, wel­chen Pfad wir spä­ter ein­schla­gen müs­sen, de­sto bes­ser kön­nen wir uns auf die Rei­se vor­be­rei­ten. Wir ha­ben im­mer­hin das Licht un­se­rer Ver­nunft, wel­ches uns we­nig­stens ei­nen klei­nen Teil der Dun­kel­heit hin­ter den Vor­hän­gen of­fen­bart.

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Die to­ta­le Kon­ver­genz

Ich möch­te mich aus­drück­lich von ei­ner kla­ren po­li­ti­schen Po­si­ti­on di­stan­zie­ren, ich kri­ti­sie­re zu­meist eher die rechts­extre­me Sei­te, hier ist es ein­mal kurz um­ge­kehrt.

Die Leit­re­gel vom Kom­mu­nis­mus ist ja: Je­der Mensch ist gleich. Wenn ich die­sen Aper­cu le­se, so kann ich im­mer nur mü­de grin­sen be­sten­falls, wenn nicht so­gar mei­ne Mi­mik auf­grund über­schäu­men­der Ag­gres­sio­nen ge­gen­über der mensch­li­chen Ein­falt ver­bie­gen, so, wie wenn man ei­nen Ei­sen­stab vor lau­ter Zorn zu bie­gen ver­sucht. Da­bei er­in­nern so­wohl der Ge­sichts­aus­druck des Bie­gen­den als auch die Form des Ei­sen im über­tra­gen­den Sin­ne an mei­ne be­sag­te Mi­mik.

Denn ich kann das nicht ein­se­hen. Es ist nicht je­der Mensch gleich, viel mehr noch, es ist KEIN Mensch gleich. Und dies ist nicht nur auf Mar­xis­mus und Le­nis­mus be­zo­gen, son­dern auch auf al­le an­de­ren Staats­for­men und Ver­fas­sun­gen, in de­nen je­der Mensch als gleich gilt.

Ich möch­te mich hier­bei AUSDRÜCKLICH da­von di­stan­zie­ren, die­se Un­gleich­heit an ir­gend­wel­chen Äu­ßer­lich­kei­ten, et­wa der Haut­far­be oder ähn­li­ches, fest­zu­ma­chen.

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Die To­des­ou­ver­tü­re

Wie schön ist es, ver­gäng­lich zu sein, zu wis­sen, dass das Le­ben nicht un­be­grenzt vie­le Ta­ge hat? Es ist si­cher­lich bes­ser, als wenn wir ewig­lich exi­stier­ten. Was kann man schon mit un­end­lich viel Zeit an­fan­gen? Aber dass Ver­gäng­lich­keit so­gar schön sein kann, ist ei­ne Er­fah­rung, die ein Men­schen auch er­le­ben kann. Wenn uns der Tod et­wa von grau­sa­men Lei­den er­löst, oder be­stimm­te Krank­hei­ten, Pro­ble­me oder an­de­re schä­di­gen­de Sach­ver­hal­te nach ei­ner ge­wis­sen Zeit wie­der ver­schwin­den.

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»In der Zeit der Lin­den­blü­te« – Jo­sef Wink­lers Zorn auf Kla­gen­furt

Heu­te ha­ben die Le­sun­gen zum In­ge­borg-Bach­mann-Wett­be­werb 2009 be­gon­nen und 3sat ist live aus Kla­gen­furt da­bei. In der Pau­se dis­ku­tiert man über das Ur­he­ber­recht. Das hat zwar nichts mit dem Bach­mann­preis zu tun, aber er­regt die Ge­mü­ter.

Kein Wort über Jo­sef Wink­lers gest­ri­ge Re­de, die in­zwi­schen auch die Ge­mü­ter er­re­gen dürf­te. Auf der Web­sei­te von »Kul­tur­zeit« fin­det sich al­ler­dings hier­zu bis jetzt nichts.

Da­bei ist Wink­lers Fu­ror bei­ßend:

Die­se Stadt Kla­gen­furt, die sich seit über 30 Jah­ren, jähr­lich im Ju­ni, in der Zeit der Lin­den­blü­te, als deutsch­spra­chi­ge Li­te­ra­tur­haupt­stadt fei­ern lässt, ist wohl die ein­zi­ge Stadt Mit­tel­eu­ro­pas mit 100 000 Ein­woh­nern, in der es kei­ne ei­ge­ne Stadt­bi­blio­thek gibt, in ei­nem Land, in dem der da­ma­li­ge, in­zwi­schen ein­ge­äscher­te Lan­des­haupt­mann ge­mein­sam mit dem röm.-kath. Par­tei­vor­sit­zen­den der so­ge­nann­ten christ­lich-so­zia­len Volks­par­tei – der vor ei­nem Jahr ei­nen schwe­ren Ver­kehrs­un­fall über­lebt und nach sei­ner Ge­ne­sung im Freun­des­kreis de­muts­voll er­zählt hat, dass ihm, um sei­ne Wor­te zu ge­brau­chen, die »Lour­des-Mit­zi« beim Ver­kehrs­un­fall das Le­ben ge­ret­tet hat -, die­ser Kärnt­ner ÖVP-Vor­sit­zen­de und der ehe­ma­li­ge Kärnt­ner Lan­des­haupt­mann, der sich mit sei­ner Asche aus dem Staub ge­macht hat, ha­ben im ver­gan­ge­nen Jahr beim Ver­kauf der Kärnt­ner Hy­po-Bank ei­nem Vil­la­cher Steu­er­be­ra­ter für sei­ne zwei­mo­na­ti­ge münd­li­che Be­ra­tung ein Ho­no­rar in Hö­he von sechs Mil­lio­nen Eu­ro in räu­be­ri­scher Ma­nier aus Lan­des­ver­mö­gen zu­ge­schanzt. Und höchst ap­pe­tit­li­cher­wei­se ist die­ser Vil­la­cher Steu­er­be­ra­ter auch noch der per­sön­li­che Steu­er­be­ra­ter des Kärnt­ner ÖVP-Po­li­ti­kers, dem him­mel- und gott­sei­dank die Lour­des-Mit­zi bei ei­nem Ver­kehrs­un­fall das Le­ben ge­ret­tet hat. Ge­grüßt seiest du, Ma­ria, Kö­ni­gin der Gü­te, Öl­baum der Barm­her­zig­keit, durch wel­chen uns die Arz­nei des Le­bens zu­kommt!

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»Em­ana­tio­nen der Ich­be­ses­sen­heit« – Rolf Schnei­der wi­der das Re­gie­thea­ter

Zu­nächst ein­mal: Was für ein er­fri­schen­der Bei­trag! In der »Welt« schreibt der Schrift­stel­ler Rolf Schnei­der ei­nen Ap­pell, ja fast ei­ne Phil­ip­pi­ka, ge­gen das, was seit un­ge­fähr zwan­zig Jah­ren gro­sse Tei­le des deutsch­spra­chi­gen Thea­ters in Gei­sel­haft ge­nom­men hat: Das so­ge­nann­te »Re­gie­thea­ter«, al­so je­ne Form der In­sze­nie­rung, in der Re­gis­seu­re ih­re pri­va­ten Neu­ro­sen auf die Büh­ne stell­ten, un­ter be­vor­zug­ter Be­nut­zung von Tex­ten, die sich ei­ner sol­chen In­ter­pre­ta­ti­on wi­der­setz­ten, wes­we­gen man die­sel­ben zer­schla­gen muss.

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String­tan­ga vs. Un­ter­ho­se

Ali­ce Schwar­zer irrt, weil sie den letz­ten Satz nicht ge­le­sen hat: In dem Ar­ti­kel von Iris Ra­disch in der ZEIT über die neue­ste An­ti-Por­no­gra­phie-Kam­pa­gne der »Emma«-Herausgeberin dreht Ra­disch meh­re­re rhe­to­ri­sche Pi­rou­et­ten, lan­det dann in den Ar­men des »Bild«-Girls – aber (und hier irrt Frau Schwar­zer eben) sie stimmt ihr nicht zu: Die Käl­te, die ei­ne Durch­sexua­li­sie­rung der Ge­sell­schaft zur Fol­ge hat, lässt sich mit den al­ten Waf­fen des Ge­schlech­ter­kamp­fes nicht mehr be­sie­gen steht da. Heisst über­setzt: Frau Schwar­zer, das schaf­fen wir auch oh­ne ih­re an­ti­quier­ten Me­tho­den.

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