Die to­ta­le Kon­ver­genz

Ich möch­te mich aus­drück­lich von ei­ner kla­ren po­li­ti­schen Po­si­ti­on di­stan­zie­ren, ich kri­ti­sie­re zu­meist eher die rechts­extre­me Sei­te, hier ist es ein­mal kurz um­ge­kehrt.

Die Leit­re­gel vom Kom­mu­nis­mus ist ja: Je­der Mensch ist gleich. Wenn ich die­sen Aper­cu le­se, so kann ich im­mer nur mü­de grin­sen be­sten­falls, wenn nicht so­gar mei­ne Mi­mik auf­grund über­schäu­men­der Ag­gres­sio­nen ge­gen­über der mensch­li­chen Ein­falt ver­bie­gen, so, wie wenn man ei­nen Ei­sen­stab vor lau­ter Zorn zu bie­gen ver­sucht. Da­bei er­in­nern so­wohl der Ge­sichts­aus­druck des Bie­gen­den als auch die Form des Ei­sen im über­tra­gen­den Sin­ne an mei­ne be­sag­te Mi­mik.

Denn ich kann das nicht ein­se­hen. Es ist nicht je­der Mensch gleich, viel mehr noch, es ist KEIN Mensch gleich. Und dies ist nicht nur auf Mar­xis­mus und Le­nis­mus be­zo­gen, son­dern auch auf al­le an­de­ren Staats­for­men und Ver­fas­sun­gen, in de­nen je­der Mensch als gleich gilt.

Ich möch­te mich hier­bei AUSDRÜCKLICH da­von di­stan­zie­ren, die­se Un­gleich­heit an ir­gend­wel­chen Äu­ßer­lich­kei­ten, et­wa der Haut­far­be oder ähn­li­ches, fest­zu­ma­chen. Es han­delt sich da­bei schlicht­weg um das We­sen des Men­schen, sei­ne Charakter­grundzüge, sei­ne Le­bens­ein­stel­lung, sei­ne In­stink­te. Man kann im Ver­lauf der Ar­gu­men­ta­ti­on da si­cher­lich noch auf Äu­ßer­lich­kei­ten schlie­ßen, aber da­bei han­delt es sich nur um An­pas­sungs­for­men an die na­tür­li­che Um­ge­bung, mehr nicht.

Ich kann es au­ßer­dem nicht ver­ste­hen, wenn ein Staat die­se Gleich­heit als Grund­prin­zip be­wahrt und dann sei­ne För­de­rung der In­di­vi­dua­li­tät so an­preist. Las­sen wir die­sen Wi­der­spruch aber ein­fach so im un­über­sicht­li­chen Ge­wirr der Po­li­tik ste­hen, man kann nicht auf je­de Fra­ge ei­ne Ant­wort fin­den.

Was un­ter­schei­det mich al­so von mei­nem Näch­sten? Al­so, fan­gen wir mit et­was mo­der­nen an: Der DNA. Je­der Mensch hat ei­ne ganz be­stimm­te, in­di­vi­du­el­le DNA, nach der man ihn iden­ti­fi­zie­ren kann. Und an­hand die­ses Gen­schlüs­sels wer­den dann die Phä­no­ty­pen, die Er­schei­nungs­for­men der Ge­ne, be­stimmt. Das gibt uns vie­le Un­ter­schie­de für das täg­li­che Le­ben, von der Haar­far­be bis hin zur Ge­sichts­form, al­les wird da­mit be­stimmt. Aber das sind ja nur Äu­ßer­lich­kei­ten.

Die Per­sön­lich­keit ei­nes Men­schen wird durch die So­zia­li­sa­ti­on be­stimmt. Al­les, was ein In­di­vi­du­um wäh­rend sei­nes Le­bens er­fah­ren hat, äu­ßert sich in be­stimm­ten We­sens­zü­gen. Da ja wohl KEIN Mensch ei­ne ge­nau glei­che Kind­heit wie je­mand an­de­res hat­te – das ist ein un­be­streit­ba­res Fak­tum – , wird es wohl kaum zwei Men­schen auf der Er­de mit ei­nem iden­ti­schen Cha­rak­ter ge­ben, das ist noch nicht ein­mal bei ein­ei­igen Zwil­lin­gen so.

Und auch wenn wir un­se­ren Na­tur­zu­sam­men­hang be­trach­ten, so se­hen wir ja, dass es ei­gent­lich nicht die ge­ring­ste Form von Gleich­heit ge­ben kann. Wir sind Säu­ge­tie­re, ge­hören zum Stamm der Wir­bel­tie­re, und da auch wir – was aber kei­ner so recht glau­ben will – der na­tür­li­chen Se­lek­ti­on aus­ge­setzt sind, heißt das, dass nicht je­der un­se­rer Art über­le­ben wird, vie­le wer­den da­bei auf das Ab­stell­gleis des Aus­ster­bens ge­stellt. Das im­pli­ziert aber na­tür­lich auch, dass die ein­zel­nen Men­schen­tie­re un­ter­schied­lich auf­ge­baut sein müs­sen, es muss »Stär­ke­re« ge­ben, so wie es auch »Schwä­che­re« gibt. Noch ein­mal möch­te ich ganz deut­lich er­wäh­nen: Das be­zieht sich auch kei­ner­lei Volk oder ir­gend­wel­che spe­zi­el­len Haut­far­ben, son­dern es gilt für EIN Kol­lek­tiv, sei es ei­ne Kul­tur oder die gan­ze Mensch­heit an sich.

Es gibt al­so Men­schen, die sich schlecht an die Um­welt­be­din­gun­gen an­pas­sen kön­nen, und wel­che die so et­was wirk­lich gut be­herr­schen. Und wie soll es dann mög­lich sein, dass je­der Mensch gleich ist? Wir Men­schen ver­ste­hen die­ses Fak­tum nur nicht! Wir mei­nen im­mer, wir müss­ten krank­haft Gleich­heit schaf­fen, je­den Schwa­chen mit­zie­hen, den In­tel­li­gen­ten auf ei­ne Stu­fe mit ei­nem De­bi­len stel­len. Ich möch­te hier nie­man­den dis­kri­mi­nie­ren, doch wir mei­nen im­mer, al­le, die aus der Men­ge, dem kol­lek­ti­ven Durch­schnitt, her­aus­ra­gen, auf un­se­re Grö­ße stut­zen zu müs­sen, aber gleich­zei­tig gibt es da noch wel­che nach UNTEN hin, über die so­vie­le lä­stern, die ein­fach über­all aus­ge­grenzt wer­den, bis es dann noch ein paar we­ni­ge Schwach­köp­fe gibt, die sich ih­rer an­neh­men müs­sen. Und da­durch, dass sie je­nen hel­fen, er­zeu­gen sie doch erst die­se Dis­pa­ri­tät, weil sie durch ihr Han­deln dann auf die Ge­hol­fe­nen her­ab­schau­en, zwar freund­lich, doch al­lei­ne die­se (gut ge­mein­te) Ge­ste grenzt den In­va­li­den doch aus. Man wür­de sie nicht durch sein Tun so un­be­wusst dif­fa­mie­ren, wenn man sie wie je­den an­de­ren Men­schen auch be­han­delt. Aber da es z.B. ei­gens Auf­zü­ge für Roll­stuhl­fah­rer gibt, wo dann im­mer noch ein Schild­chen zwar im­pli­zit, aber groß und breit, die Ge­sund­heit der an­de­ren an­preist. Der Roll­stuhl­fah­rer wird durch die­se, doch nur schein­bar freund­lich ge­mein­te, Ge­ste von dem Rest der Ge­sell­schaft aus­ge­glie­dert, er­hält sei­ne ei­ge­ne klei­ne Kam­mer, mit der er, im wahr­sten Sin­ne des Wor­tes, im Le­ben her­auf und her­un­ter fährt.

Al­so, ent­we­der, ALLE wer­den gleich be­han­delt oder NIEMAND! Aber das zeigt ein­mal wie­der ganz ru­di­men­tär, dass der Mensch nicht ein­se­hen kann, dass es noch et­was über ihm gibt. Für sol­che Ei­gen­schaf­ten hat man ir­gend­wann ein­mal ei­nen schö­nen Be­griff ent­wickelt: ARROGANZ. Aber das nur ne­ben­bei.

Es gibt sie al­so nun: Den Rei­chen, den Ar­men, den In­tel­lek­tu­el­len, den Idio­ten, den Ir­ren, den Wohl­tä­ter, den Übel­tä­ter, den Gro­ßen, den Klei­nen, den Gut­mü­ti­gen, den Mör­der, den Ge­sun­den, den Kran­ken; die Zeit des Som­mers des Le­bens trägt sehr vie­le bun­te Blü­ten. Doch da gibt es wie­der et­was, das uns al­le ver­eint, jed­we­den Un­ter­schied zu­nich­te macht, al­le Gren­zen nie­der­wirft. Es ist der TOD. Sei­ner Macht kann sich kei­ner ent­zie­hen. Vor sei­nem Ant­litz sind wir al­le gleich, nicht ein­mal ein klei­ner Un­ter­schied vom Zeit­raum des To­des än­dert das, denn er ist nich­tig im An­blick der Ewig­keit.

Wenn wir ster­ben, dann ver­liert al­les was wir er­reicht ha­ben, al­les was wir sind, die Be­deu­tung, was zählt ist nur noch un­ser nack­tes Le­ben, so­zu­sa­gen nur noch ein »Ja«, das da­bei dann zum »Nein« um­ge­kehrt wird. Nen­nen wir die­se Tat­sa­che der be­din­gungs­lo­sen Gleich­heit im Tod die to­ta­le Kon­ver­genz. In ihr lau­fen al­le Fä­den wie­der zu­sam­men und wer­den dann ab­ge­schnit­ten.

Jetzt kann man aber mei­nen, das Le­ben hat noch ei­nen ge­mein­sa­men di­rek­ten Ur­sprung, es fängt im­mer mit ei­ner Zel­le an. Aber die­ses Ar­gu­ment könn­te ei­nem je­der Bio­lo­ge um die Oh­ren schmet­tern wie et­was al­tes Zei­tungs­pa­pier. Man be­trach­te nur die DNA und man fin­det schon wie­der Un­ter­schie­de. Der Punkt, aus dem wirk­lich auch al­le un­se­re Fä­den ent­sprun­gen sind, ist der Punkt Null, der An­fang der Zeit. Von dort aus trie­ben sie wild aus­ein­an­der, in al­le Rich­tun­gen, in un­ter­schied­li­chen For­men und Far­ben, bis ir­gend­wann sie dann wie­der in ei­nem ein­zi­gen Punkt zu­sam­men­lau­fen: Dem Tod.

Bei die­sem Denk­mo­dell stellt sich doch die Fra­ge, ob es ir­gend­wo ei­nen Schei­tel­punkt gibt, und wenn ja, ob die­ser schon über­schrit­ten wor­den ist. Selbst wenn es ihn gä­be, er wür­de doch nur ei­nen theo­re­ti­schen Pa­ra­me­ter dar­stel­len, auf die Pra­xis hat das kaum Aus­wirkungen. Und es wirft ei­nem auf ganz kalt­her­zig die ei­ge­ne Ver­gäng­lich­keit vor dem Kopf. Wir al­le müs­sen ster­ben, ob wir es ak­zep­tie­ren oder nicht.

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  1. Bei al­lem Re­spekt, den ich sonst vor den Bei­trä­gen des Be­gleit­schrei­bens ha­be, aber heu­te är­ge­re ich mich doch sehr über die Un­be­darft­heit, mit dem hier en pas­sant Be­hin­der­te ab­ge­watscht wer­den, um (recht un­kri­ti­sche) Ideo­lo­gie­kri­tik zu be­trei­ben.

    Der ent­schei­den­de Pa­ra­me­ter der Gleich­heit, den als Leit­ma­xi­me der Kom­mu­nis­mus si­cher nicht ex­klu­siv hat ist der, im glei­chen Ma­ße Mensch zu sein. Da gibt es kein Mehr oder We­ni­ger. Schon gar nicht wird der Be­hin­der­te erst zum Be­hin­der­ten und folg­lich »We­ni­ger als Glei­chen«, wenn ihm ge­hol­fen und »da­durch auf ihn her­ab­ge­se­hen« wird. Mit Ver­laub, aus wel­cher dunk­len Ecke Ih­rer See­le kommt denn so ein ver­schwur­bel­ter Un­sinn?

    Die Idee, als Mensch gleich viel Mensch zu sein, ist ein Wert, der sich eben von der tech­no­kra­ti­schen Be­trach­tung bio­lo­gi­sti­scher oder uti­li­ta­ri­sti­scher Welt­bil­der ab­hebt. Es ist die­se Ent­schei­dung (und nicht ein Be­kennt­nis zu ei­nem a prio­ri exi­stie­ren­den Na­tur­zu­stand) zur Gleich­heit, die den Men­schen über­haupt als sol­chen de­fi­niert.

  2. Ich dif­fa­mie­re kei­nen Men­schen mit ei­nem na­tür­li­chen Han­di­cap, ich sa­ge nur, dass die Ge­sell­schaft sie oft so be­han­delt, als wä­ren sie kei­ne voll­wer­ti­gen Mit­glie­der der­sel­ben. Wir tun das un­be­wusst, und wir nen­nen das höf­lich. Den­ken Sie mal bit­te dar­über nach, wenn Sie das näch­ste Mal ei­nen Roll­stuhl­fah­rer se­hen, und ver­su­chen Sie sich dann mal in sei­ne La­ge hin­ein­zu­ver­set­zen. Ich wür­de mir da sehr ex­zen­trisch vor­kom­men.

    Und zum The­ma Gleich­heit kann ich nur sa­gen, dass ich nicht mag, dass der Mensch sich im­mer wie­der vom Na­tur­zu­sam­men­hang ab­he­ben muss. Er denkt, sol­che Ge­set­ze gel­ten für ihn nicht, weil er kein Tier sei. Wird hier viel­leicht nicht deut­lich, wür­den Sie mich per­sön­lich ken­nen, wüss­ten Sie, was ich mei­ne.
    Und Tie­re sind un­ter­ein­an­der nicht gleich, das ist ein Fak­tum.

    Sa­gen Sie: Sind Sie so ein Typ, der all­zu har­te Theo­rien lie­ber gleich ab­lehnt? Wür­de mich näm­lich nicht wun­dern.

  3. Ab­ge­watscht?
    Wie­viel po­li­ti­sche Kor­rekt­heit muß man denn noch a prio­ri be­haup­tet wer­den, um sich die­sem doch arg pla­ka­ti­ven Vor­wurf dann nicht doch noch aus­zu­set­zen?

    Na­tür­lich ist es Aus­bund der Kul­tur, dass »Gleich­heit« als »glei­che Rech­te« ge­se­hen wird. Dies wird im Bei­trag gar nicht an­ge­zwei­felt. Den­noch bleibt der Rest des »Un­glei­chen«, der ent­we­der durch ega­li­tä­re, po­li­ti­sche Maß­nah­men zwang­haft aus­ge­gli­chen wer­den soll oder als frucht­ba­re Dif­fe­renz an­ge­se­hen wird.

    Wie funk­tio­niert denn »un­kri­ti­sche Ideo­lo­gie­kri­tik«? Und was ist das über­haupt?

    Für mich ist je­de Kri­tik an ei­ner Ideo­lo­gie per se ein Mehr­wert. Kri­tik kann aber nie »un­kri­tisch« sein. Die Kri­tik, die hier ge­äu­ßert wird, ist die ei­nes ega­li­tä­ren Uni­ver­sa­lis­mus, der zur Not zwang­haft her­bei­ge­führt wer­den soll. Da­bei fun­giert dann der Tod als der gro­ße Gleich­ma­cher. DAS kann man kri­ti­sie­ren – mit Grün­den, mit Quel­len, mit Ar­gu­men­ten.

  4. Ich möch­te Sie, wer­ter Count, gar nicht dif­fa­mie­ren. An­ders als Herr Keu­sch­nig je­doch hal­te ich ih­re Kri­tik für (ob­wohl an­schei­nend nicht vor­sätz­lich po­le­misch) so we­nig dif­fe­ren­ziert, dass ich ihr eben doch die Grund­la­ge von Grün­den und Ar­gu­men­ten ab­spre­che. Nach­dem Sie bei­de dem Dis­kurs so auf­ge­schlos­sen sind möch­te ich auch gar nicht wei­ter so hart »ab­wat­schen«, er­lau­be mir aber fol­gen­de Be­mer­kun­gen, um mei­nen Stand­punkt zu ver­deut­li­chen:

    Tat­sa­chen­be­haup­tun­gen sind eben nur das und kei­ne Fak­ten. Wenn ich be­haup­te, al­le Scha­fe sind weiß, ist das noch lan­ge kein Fakt, son­dern ein Fehl­ur­teil (und als sol­ches dem mensch­li­chen Hang zu in­duk­ti­vem Schlie­ßen ge­schul­det). Ge­nau­so­we­nig be­han­deln al­le Men­schen Be­hin­der­te au­to­ma­tisch als Men­schen mit we­ni­ger Wert.

    Aus den Feh­lern sei­ner Mit­men­schen all­ge­mein­gül­ti­ge Wert­ur­tei­le ab­zu­lei­ten hal­te ich dann doch für zu ge­wagt, um als ernst­zu­neh­men­de Ideo­lo­gie­kri­tik zu gel­ten. Ge­nau­so­gut könn­te ich al­len Harz4-»Minderleistern« das Wahl­recht li­mi­tie­ren wol­len (mo­ment, das hat tat­säch­lich ge­ra­de der RCDS ge­for­dert?) oder schlicht al­len Men­schen – De­mo­kra­tie ist nichts für euch. Sind ja al­les Idio­ten au­ßer mir. »Ent­we­der Al­le oder Nie­mand« je­den­falls als Schluss­fol­ge­rung ist schon har­ter To­bak und zeugt mir nicht von ar­gu­men­ta­ti­ver Trenn­schär­fe.

    Man mag ger­ne kri­ti­sie­ren, dass man es nicht mag, wenn der Mensch sich im­mer wie­der vom Na­tur­zu­sam­men­hang ab­he­ben müs­se. Das wird aus dem Text al­ler­dings nicht er­sicht­lich – und Miss­mut hin oder her, für nicht we­ni­ge Ethi­ken ist es die Ul­ti­ma Ra­tio, dass der Mensch sich vom Tier un­ter­schei­de. Man kann na­tür­lich uni­ver­sa­li­stisch Men­schen­rech­te für Tie­re for­dern. Als bin­den­des Ele­ment der Ver­stän­di­gung auf »mensch­li­che« Han­dels­ma­xi­men al­ler­dings ist die Aus­nah­me­stel­lung des Men­schen zu­min­dest nütz­lich, wenn nicht not­wen­dig.

    Die Fra­ge nach dem Rest des Un­glei­chen bei An­nah­me glei­cher Rech­te ist tat­säch­lich span­nend. Wer sie je­doch auf na­tu­ra­li­sti­sche Grund­la­gen (dumm/schlau, behindert/nichtbehindert) zu­rück­führt, be­fin­det sich in der ar­gu­men­ta­ti­ven Sack­gas­se, die mensch­li­che Son­der­stel­lung zu Na­tur nicht zu ak­zep­tie­ren, die als Prä­mis­se für »Gleich­heit sind glei­che Rech­te« dient. Un­ter der ist »an­ders« nicht gleich »weniger/mehr«.

  5. Tut mir Leid, wenn das aus mei­nem Text nicht so her­aus­kam, ich schrei­be noch nicht sehr lan­ge, und zu­meist set­ze ich das vor­aus, was man nur wis­sen kann, so­lan­ge man mich per­sön­lich kennt. Ein durch­aus be­rech­tig­ter Kri­tik­punkt.

    Ich ge­he jetzt nicht so sehr auf Ih­ren Stand­punkt ein (was auch nicht not­wen­dig wä­re), ich will bloß noch et­was hin­zu­fü­gen, da­mit Sie mei­nen Ge­dan­ken­gang bes­ser nach­voll­zie­hen kön­nen:

    Manch­mal se­he ich Men­schen mit Han­di­cap. Man macht ei­nem Roll­stuhl­fah­rer et­wa au­to­ma­tisch Platz. Ich ha­be dann im­mer Mit­ge­fühl mit ihm und glau­be zu er­ah­nen, dass er sich ins­ge­heim doch wünscht, ein ganz nor­ma­ler Mensch, wie je­der an­de­re auch, zu sein.

    Im Grun­de war Ihr »Ab­wat­schen« des­we­gen be­rech­tigt, je­doch lie­be ich die Pro­vo­ka­ti­on.

    [EDIT: 2009-09-23 14:27]

  6. Ihr Wil­le zum Dia­log zu­min­dest nö­tigt Re­spekt ab. Die Ver­mu­tung al­ler­dings, die Sie an­stel­len, ein be­hin­der­ter Mensch möch­te ger­ne »Nor­mal« sein, ist schlecht in­for­miert und Mit­leid fehl am Platz. Be­hin­der­te Men­schen sind nor­mal. Sie ster­ben ge­nau so wie Sie und Ich – aber es be­darf nicht erst des gro­ßen Gleich­ma­chers, um Gleich­heit her­zu­stel­len. Viel­mehr be­darf es mehr auf­ge­klär­ter Men­schen, die Be­hin­der­ten Nor­ma­li­tät zu­ge­ste­hen, denn Be­hin­dert ist man nicht, be­hin­dert wird man (man be­ach­te die Groß und Klein­schrei­bung).

    Un­ab­hän­gig da­von, ob Sie in Zu­kunft Kon­takt zu Be­hin­der­ten su­chen, um sich über de­ren Le­bens­wirk­lich­keit zu in­for­mie­ren, ge­reicht der klei­ne Ex­kurs dem Ar­gu­ment vom gro­ßen Gleich­ma­cher nicht zum Vor­teil. Wie ge­sagt bin ich der Mei­nung, dass Gleich­heit des Men­schen ei­ne selbst­be­stimm­te Ei­gen­schaft ist und ei­nen Pa­ra­me­ter für »mensch­lich« dar­stellt, der sich über Bio­lo­gie er­hebt und ein a prio­ri Ele­ment der mei­sten prak­ti­ka­blen Ethi­ken dar­stellt. Wenn man die­se Prä­mis­se ab­lehnt, kann man nicht die dar­auf ba­sie­ren­den Wer­te­sy­ste­me in­ner­halb ih­rer dar­auf be­ru­hen­den Kon­struk­te ab­leh­nen. Man kann nur die Prä­mis­se ab­leh­nen und sich dann gar nicht mehr in­halt­lich mit den dar­aus ab­ge­lei­te­ten Sy­ste­men be­schäf­ti­gen.

    [EDIT: 2009-09-26 12:56]

  7. @erz
    Tat­säch­lich ist es ein Ele­ment un­se­res Wer­te­ka­nons, al­len Men­schen glei­che Rech­te zu­zu­ge­ste­hen. Dar­aus je­doch ab­zu­lei­ten, dass es so et­was wie Be­hin­de­rung nicht gibt, ist m. E. ein Be­trug der Le­bens­rea­li­tät ge­gen­über. Das wird auch nicht bes­ser, dass man dann ir­gend­wann je­dem »sei­ne« Be­hin­de­rung at­te­stiert. Wenn ich er­blin­den soll­te oder ein Bein ver­lö­re, wä­re ich – auch von mei­nem ei­ge­nen Emp­fin­den her – ein­ge­schränkt, was mein bis­he­ri­ges Le­ben an­geht (ich kann se­hen und ha­be der­zeit zwei Bei­ne). Das fröh­li­che »ich bin doch gar nicht be­hin­dert« ist si­cher­lich für das wei­te­re Le­ben der Per­son es­sen­ti­ell und muß als Ziel an­ge­se­hen wer­den. Aber – und hier sprä­che ich für mich – mit den bei­den oben ge­nann­ten Ver­än­de­run­gen (oder nur ei­ner von ihr) – wür­de ich mich sehr wohl nach dem ehe­ma­li­gen Zu­stand seh­nen.

    Was mei­nen Sie, wenn Sie schrei­ben, die Gleich­heit des Men­schen sei als »selbst­be­stimm­te Ei­gen­schaft« zu se­hen? Dass sich je­der per se mit an­de­ren für gleich emp­fin­det? In wel­cher Hin­sicht? Glei­chen Rech­ten? Viel­leicht auch glei­chen Pflich­ten?

    Ich glau­be, dass bei al­lem Wil­len al­le Men­schen »gleich« zu ma­chen ein biss­chen Angst vor der Dif­fe­renz ent­steht. Ein durch­aus post­mo­der­nes Mo­tiv: Je­der be­tont sei­nen In­di­vi­dua­lis­mus, um­gibt sich je­doch gleich­zei­tig mit uni­for­mie­ren­den Ge­gen­stän­den (Klei­dung) und/oder At­ti­tü­den.

    [EDIT: 2009-09-26 13:43]

  8. Ich wür­de Herrn Keu­sch­nig auch ganz und gar bei­pflich­ten, wenn es um den Aspekt des Rea­li­täts­be­tru­ges geht.

    Ich ha­be mir ein­mal die rech­te Hand ge­bro­chen (als Rechts­hän­der ei­ne ziem­lich un­an­ge­neh­me Sa­che) und wünsch­te mir, ich könn­te wie­der nor­mal le­ben, ob­wohl ich da­bei das Mit­leid und die be­son­de­re Für­sor­ge der an­de­ren ge­nos­sen ha­be.
    Wie­so soll­te die­se dis­ku­tier­te The­se dann falsch sein?

    Ver­mut­lich han­delt es sich bei mei­ner ge­nann­ten Gleich­heit und der von Ih­nen ge­mein­ten Gleich­heit um zwei ver­schie­de­ne Din­ge. Ich be­zie­he die De­fi­ni­ti­on »mei­nes« Be­grif­fes viel mehr auf die Bio­lo­gie, wäh­rend Sie sich von die­ser Wis­sen­schaft ab­he­ben und die ethi­sche Gleich­heit zu Wort brin­gen, wenn­gleich Sie sie der Ethik als a prio­ri vor­raus­set­zen.
    Zu letz­te­rem wür­de ich sa­gen, und ich weiß, dass Sie, und die mei­sten an­de­ren Men­schen auch, mir da nur mit auf­ge­brach­tem Pro­test ent­geg­nen wür­den, dass sie schlicht­weg ei­ne Il­lu­si­on ist.
    »Il­lu­si­on« soll nicht »falsch« hei­ßen, aber ich den­ke, dass die­se An­nah­me doch de fac­to nur ei­ne Idee ist, die zwar Grund­la­ge der Ge­sell­schaft sein SOLL, aber nicht IST.

    [EDIT: 2009-09-26 17:23]

  9. Oje
    Gleich­heit und Un­gleich­heit bil­den ein dia­lek­ti­sches Pär­chen, d.h.: Wenn man sagt, zwei En­ti­tä­ten sind (un)gleich, dann muss man sa­gen: Sie sind (un)gleich in Be­zug auf die Aus­prä­gung ei­ner ganz be­stimm­ten Ei­gen­schaft. Ob die­se (Un)Gleichheit dann po­si­tiv oder ne­ga­tiv kon­no­tiert wird, hängt von der Be­wer­tung der Ei­gen­schaft ab und nicht von ei­ner a prio­ri (Un)Gleichheit.

    Wenn der Kom­mu­nis­mus po­stu­liert, al­le Men­schen sei­en gleich oder sol­len gleich sein, dann sagt er z.B. nicht, al­le hät­ten oder müss­ten die­sel­be Haar­far­be oder Kör­per­grö­ße ha­ben, son­dern er möch­te glei­che Rech­te und Pflich­ten auf be­stimm­ten Ge­bie­ten durch­set­zen. Wenn man das gut oder schlecht fin­det, dann hängt das nicht an dem Pär­chen Gleich­heit-Un­gleich­heit, son­dern dar­an, ob man ei­ne (Un)Gleichheit für die­se kon­kre­te For­de­rung für (nicht) sinn­voll hält. (Un)Gleichheit oh­ne die­se Prä­zi­sie­rung sind nur zwei Wör­ter oh­ne ei­ge­ne Se­man­tik.

  10. Na­ja, aber der Grund­ge­dan­ke geht (nicht nur beim Kom­mu­nis­mus) zum Ega­li­ta­ris­mus (um das Wort »Gleich­heit« zu ver­hin­dern). Das er­in­nert mich an ei­ni­ge Dis­kus­si­on, bei­spiels­wei­se an die­se. Der Trend, Un­ter­schie­de zu ni­vel­lie­ren statt frucht­bar wer­den zu las­sen, ist ja durch­aus auch in plu­ra­li­sti­schen Ge­sell­schaf­ten zu be­ob­ach­ten. Das ge­sam­te Schul­sy­stem seit den 70er Jah­ren dußt dar­auf. Als man er­kann­te, dass nicht je­der zum Ab­itur taugt, mach­te man das Ab­itur ein­fach leich­ter, da­mit es mehr schaf­fen.

    In die­sem Text die­nen die Be­grif­fe Gleichheit/Ungleichheit aber nur als Büh­ne, vor der das Phä­no­men »Tod« ge­scho­ben wird, wel­ches dann als gro­sser Gleich­ma­cher gilt. Sich an ein­zel­nen For­mu­lie­run­gen, die ver­meint­lich nicht »po­li­tisch kor­rekt« sind auf­zu­hän­gen, ist da m. E. un­pro­duk­tiv (das sa­ge ich jetzt nicht in Dei­ne Rich­tung).

  11. Wor­um es mir ging, ist viel­leicht im­mer noch nicht deut­lich ge­wor­den. Des­halb an dei­nem Bei­spiel der Bil­dung: Glei­che Bil­dungss­chan­cen wer­den vie­le von uns für gut hal­ten, glei­che Ab­itur­no­ten für schlecht. Die Gleich­heit im er­sten Fall ist die Vor­aus­set­zung da­für, dass die Un­gleich­heit im zwei­ten Fall als ge­recht emp­fun­den wer­den kann. Das be­deu­tet, dass Gleich­heit per se we­der gut noch schlecht ist.

    Und dann ist mei­ner Mei­nung nach der Tod eben nicht der gro­ße Gleich­ma­cher. Auch das kann man recht leicht an ei­nem Bei­spiel zei­gen: Ein Rei­cher und ein Ar­mer sind un­gleich in ih­rem Ver­mö­gen. Wenn bei­de ge­stor­ben sind, ist die­se Un­gleich­heit da­von nicht be­trof­fen, im Ge­gen­teil, sie ist für im­mer fi­xiert. Der ei­ne war in sei­nem Le­ben reich, der an­de­re arm. Da bei­de nach ih­rem Tod nicht mehr exi­stie­ren, kön­nen sie die­se ver­meint­li­che Gleich­ma­chung durch den Tod nicht mehr er­le­ben.

    Auch hier ist bei ei­ner An­nah­me des To­des­als »Gleich­ma­cher« wie­der der lo­gisch sinn­lo­se Ver­such fest­zu­stel­len, dem Tod ei­nen Sinn zu ge­ben. Aber dem ist nicht so. Für den Ge­stor­be­nen hat er kei­ne Be­deu­tung, denn er kann in sei­nem Tot­sein we­der Gleich­heit noch Un­gleich­heit noch über­haupt ir­gend et­was emp­fin­den.

    Die Un­gleich­heit zwi­schen ei­nem Ar­men und Rei­chen ver­min­dert man nicht da­durch, in­dem man bei­de tö­tet, son­dern in­dem man Geld zwi­schen zwei Le­ben­den ver­schiebt.

  12. Tod als Gleich­ma­cher
    In ei­nem an­de­ren Kom­men­tar wird ja die »Trost­funk­ti­on« von Re­li­gio­nen in Be­zug auf das Ster­ben an­ge­spro­chen (na­tür­lich al­les im Rah­men ei­ner sol­chen Dis­kus­si­on und nicht wis­sen­schaft­lich aus­ge­deu­tet). Die sä­ku­la­re Ge­sell­schaft hat nun – ih­rer me­ta­phy­si­schen Trö­stung be­raubt – kei­ne an­de­re Mög­lich­keit mehr, als das En­de (Tod) ent­we­der zu ver­drän­gen oder zu ver­sach­li­chen.

    Die Ver­sach­li­chung be­steht nun un­ter an­de­rem im volks­tüm­li­chen »der kann auch nichts mit­neh­men«. Na­tür­lich kann der »Ge­stor­be­ne« oder – ge­nau­er – der »Ster­ben­de« (was ja je­der Mensch per se ist) im Tod nichts emp­fin­den (Witt­gen­stein glaub­te ja so­gar, dass man den Tod nicht er­lebt). Den­noch »er­det« der Tod. Nie­mand ver­mag sich ob sei­ner Bil­dung, sei­nes Ver­mö­gens oder sei­ner Re­pu­ta­ti­on dem Er­eig­nis des To­des zu ent­zie­hen. Er ist auf ei­ne ge­ra­de­zu be­ru­hi­gen­de Wei­se nicht kor­rum­pier­bar.

    Das die­se neue Trö­stung auch nur ei­ne Schi­mä­re ist, steht dann auf ei­nem an­de­ren Blatt. In je­dem Fall ist auch der Drang in der sä­ku­la­ren Ge­sell­schaft sehr gross, dem Tod ei­nen Sinn zu ge­ben. Auch sub-re­li­giö­se Sy­ste­me wie der Kom­mu­nis­mus ar­bei­ten mit die­sen Mit­teln.

  13. ...und ein paar ket­ze­ri­sche Be­mer­kun­gen zur »Gleich­heit«
    Glei­che Bil­dungs­chan­cen wer­den vie­le von uns für gut hal­ten, glei­che Ab­itur­no­ten für schlecht. Die Gleich­heit im er­sten Fall ist die Vor­aus­set­zung da­für, dass die Un­gleich­heit im zwei­ten Fall als ge­recht emp­fun­den wer­den kann. Das be­deu­tet, dass Gleich­heit per se we­der gut noch schlecht ist.
    Das be­deu­tet aber viel­leicht, dass der Be­griff der »Gleich­heit« am­bi­va­lent ist. Die Aus­sa­ge, man müs­se für »glei­che Bil­dungs­chan­cen« sor­gen ist ja an Be­din­gun­gen ge­knüpft, dich sich dem­je­ni­gen, der die­se For­de­rung er­hebt (Po­li­ti­ker, So­zio­lo­ge, Päd­ago­ge), streng ge­nom­men ent­zie­hen. Ein Kind, wel­ches in ei­nem El­tern­haus auf­wächst und kei­ner­lei Wert­schät­zung für »Bil­dung« mit­be­kom­men hat, hat zwar theo­re­tisch im­mer noch die »glei­chen Chan­cen«, wird aber von die­ser Chan­ce (eben auf­grund sei­ner Prä­gung) gar nichts »er­fah­ren«. Da­her die Kol­lek­ti­vie­rung und Mas­sen­steue­rung in ega­li­tä­ren Sy­ste­men: So wer­den ei­ner­seits an­näh­rend glei­che Vor­aus­set­zun­gen si­cher­ge­stellt, al­ler­dings an­de­rer­seits In­dok­tri­na­tio­nen vor­ge­nom­men, die noch weit schlim­mer sind. Na­tür­lich blei­ben Un­ter­schie­de trotz­dem (be­dingt durch In­tel­li­genz, Ta­lent, usw).

    Das »Gleich­ma­cher­tum« wird ja auch in un­se­rer plu­ra­li­sti­schen Ge­sell­schaft längst als Fort­schritt pro­kla­miert. Wir fin­den es toll, dass bei Wah­len al­le »gleich« sind, d. h. je­der ei­ne Stim­me hat (ob er sich vor­her über Pro­gram­ma­ti­ken in­for­miert hat oder nicht spielt kei­ne Rol­le). Es stellt ge­ra­de­zu ei­ne es­sen­ti­el­le Be­din­gung des­sen dar, was wir De­mo­kra­tie nen­nen. Ver­si­che­run­gen wer­den ver­pflich­tet, äl­te­ren Men­schen Ver­si­che­run­gen zu glei­chen Kon­di­tio­nen an­zu­bie­ten, ob­wohl das Ri­si­ko des Ver­si­che­rungs­ein­tritts un­ter Um­stän­den hö­her ist (was zur Fol­ge hat, dass die Prä­mi­en bei al­len stei­gen). Über das so­ge­nann­te An­ti­dis­kri­mi­nie­rungs­ge­set­zes erst gar nicht zu re­den.

    Das wit­zig­ste, was ich in die­ser Hin­sicht in den letz­ten Wo­chen ge­se­hen ha­be, ist das Pla­kat der Lin­ken mit dem schö­nen Ti­tel »Reich­tum für al­le«. Je­der, der sich ein biss­chen in der deut­schen Nach­kriegs­ge­schich­te aus­kennt, er­kennt dar­in das Er­hard-Po­stu­lat »Wohl­stand für al­le« aus den 1960er Jah­ren wie­der und wei­ter­ge­trie­ben. Es gibt al­ler­dings noch ein an­de­res Pla­kat der Lin­ken mit dem Ti­tel »Reich­tum be­steu­ern«. Das er­in­nert mich dann an ei­ne Ro­bin-Hood-Per­si­fla­ge, in der ein kämp­fe­ri­scher Ro­bin Hood den Rei­chen das Geld stiehlt und es den Ar­men gibt. Die freu­en sich na­tür­lich und ei­ner sagt dann, er sei jetzt reich. Ro­bin über­legt und ver­fällt na­tür­lich in sein Mu­ster. Wenn der jetzt reich ist, muss ich ihm das Geld wie­der ab­neh­men. Und so rennt er dann stän­dig hin und her…

  14. Ich mer­ke schon, dass ich die­sem Blog an­schei­nend ei­ne ganz neue The­men­sei­te bei­gefügt ha­be.
    Ich möch­te Ih­rem Dis­kurs nur kurz an­mer­kend hin­zu­fü­gen, dass ich nicht un­be­dingt ei­ne po­li­ti­sche Kon­no­ta­ti­on be­ab­sich­ti­ge, denn Po­li­tik ist ja nur EIN Teil des Le­bens, und manch­mal ha­be ich das Ge­fühl, er sei für die­ses nicht wirk­lich be­deut­sam (ich ge­he des­we­gen aber trotz­dem nicht wäh­len).
    Aber mich hat das Le­ben ge­lehrt, dass ei­ne Ver­bin­dung von Ge­gen­säch­lich­kei­ten häu­fig ih­ren ganz ei­ge­nen Reiz be­sitzt:
    Wei­ter so!

  15. @Gregor
    Witt­gen­stein hat zwei­fel­los recht, man er­lebt nicht den Tod, son­dern das Ster­ben. Das ist die be­reits von Epi­kur be­kann­te Er­kennt­nis: »Wir müs­sen kei­ne Angst vor dem Tod ha­ben, weil: Wenn wir le­ben, sind wir nicht tot. Wenn wir tot sind, emp­fin­den wir nichts.«

    Gleich­heit in der Bil­dung be­deu­tet, dass der Staat nicht zu­sätz­li­che und ver­meid­ba­re Un­ter­schie­de schafft, wie z.B. in dem er in Kin­der­ta­ges­stät­ten und an Uni­ver­si­tä­ten Ge­büh­ren ver­langt. Viel mehr kann er ver­mut­lich nicht lei­sten.

    Über die Sinn­haf­tig­keit von Wahl­pla­ka­ten muss man ei­gent­lich nicht dis­ku­tie­ren, aber et­was an­de­res ist in­ter­es­sant: Ei­ner mei­ner Kol­le­gen hat heu­te bei der Be­nut­zung des Wahloma­ten des Spie­gels ent­setzt fest­ge­stellt, dass bei ihm Lin­ke, Pi­ra­ten und die NPD in et­wa auf die­sel­be Punkt­zahl ka­men. Wäh­len wird er – na­tür­lich und wie die mei­sten mei­ner Kol­le­gen, Freun­de und Be­kann­ten – die Lin­ke.

    Aber die­se merk­wür­di­ge Punkt­zahl kam bei ihm zu­stan­de, weil er je­de Fra­ge sorg­fäl­tig für sich be­ant­wor­tet hat, bei man­chen auch den Neu­tral-Knopf ge­wählt hat und weil er die Par­tei­pro­gram­me nicht mal im Gro­ben und den da­hin­ter­ste­hen­den Ge­samt­kon­zep­ten kennt. Die NPD ist zum Bei­spiel für ei­nen Min­dest­lohn, ko­sten­lo­se Bil­dung, die Er­hö­hung der So­zi­al­hil­fe­sät­ze, ge­gen Af­gha­ni­stan und den Ein­satz der Bun­des­wehr im In­ne­ren.

    Wir hat­ten da­nach ei­ne sehr in­ter­es­san­te Dis­kus­si­on dar­über, ob ein gu­tes Ziel da­durch schlecht wird, dass es von »den Fal­schen« un­ter­stützt wird. Das gab es ja auch schon im Bun­des­tag: Die SPD war für ei­ne be­stimm­te Sa­che, stimm­te aber da­ge­gen, weil der Ge­setz­ent­wurf von der Lin­ken kam.

  16. @Köppnick
    Völ­lig rich­tig: Zwi­schen der Lin­ken und der NPD gibt es auf­fal­lend vie­le pro­gram­ma­ti­sche Über­schnei­dun­gen. Et­was über­spitzt könn­te man sa­gen: Wer ei­ne die­ser bei­den Par­tei­en wählt, der vo­tiert für den blan­ken Po­pu­lis­mus, der im ei­nen Fall mit ro­ter, im an­de­ren mit brau­ner Sau­ce gar­niert ist.
    Na­tür­lich wird ein Vor­schlag nicht al­lein da­durch ent­wer­tet, dass er von der NPD un­ter­stützt wird. Al­ler­dings kann nie­mand, der die Lin­ke wählt, dies ernst­lich als ei­nen Schlag ge­gen die NPD be­trach­ten. Im Ge­gen­teil: Es ist so­gar an­zu­neh­men, dass vie­le po­ten­zi­el­le Wäh­ler ei­ner Rechts­au­ßen­par­tei die­ses Mal für die Lin­ke vo­tie­ren, weil mo­men­tan die Ma­na­ger (und nicht so sehr die Aus­län­der) am Pran­ger ste­hen.
    Was mir das al­les zeigt (man ent­schul­di­ge den ar­ro­gan­ten Un­ter­ton): Die Lin­ke und die NPD at­men den­sel­ben ple­be­ji­schen Mief. Die ge­schlichtsklit­tern­den Apo­lo­gien je­weils ei­nes der bei­den deut­schen Un­rechts­re­gime tun ein Üb­ri­ges, um die­se Par­tei­en für mich un­wähl­bar zu ma­chen.
    Man ver­zei­he mir die Ent­fer­nung vom Aus­gangs­the­ma.

  17. @Köppnick
    Witt­gen­stein hat zwei­fel­los recht, man er­lebt nicht den Tod, son­dern das Ster­ben. Das ist die be­reits von Epi­kur be­kann­te Er­kennt­nis: »Wir müs­sen kei­ne Angst vor dem Tod ha­ben, weil: Wenn wir le­ben, sind wir nicht tot. Wenn wir tot sind, emp­fin­den wir nichts.«

    Die Tra­gik des mo­der­nen Men­schen lässt sich da­mit aber nicht aus­he­beln: Der Tod stellt ihm die Fra­ge wie er sein Le­ben, für das er und nur er ver­ant­wort­lich ist, ge­stal­tet hat. Und die Ant­wort wird le­dig je­des me­ta­phy­si­schen Trosts sein.

  18. @Zehner
    Ich hof­fe, jetzt wird auch mein viel­leicht et­was ar­ro­gan­ter Ton ent­schul­digt: Wer die Pro­gram­ma­tik von NPD und Lin­ke für ähn­lich hält, hat sich mei­ner Mei­nung nach und für ei­ne Dis­kus­si­on mit mir zu we­nig mit dem The­ma be­schäf­tigt. Ich ha­be die­sel­ben Fra­gen des Wahloma­ten wie mein Kol­le­ge be­ant­wor­tet, und bei mir liegt der ma­xi­ma­le Punk­te­ab­stand zwi­schen der Lin­ken und der NPD, al­le an­de­ren Par­tei­en rei­hen sich da­zwi­schen ein. Es ist al­so durch­aus mög­lich, fun­da­men­ta­le Un­ter­schie­de zwi­schen bei­den auch in den we­ni­gen ge­stell­ten Fra­gen zu er­ken­nen – wenn man ge­nü­gend über die Zie­le der Par­tei­en weiß.

    Bei mir kom­men NPD und FDP fast auf die­sel­be Punkt­zahl. Des­halb wür­de ich aber nie be­haup­ten, dass ih­re Zie­le gleich sind. Sie ver­tre­ten bei­de für mich aus un­ter­schied­li­chen Grün­den in­ak­zep­ta­ble Zie­le. Ich wür­de auch nie von brau­ner oder gel­ber Sau­ce spre­chen, wenn von der NPD oder der FDP die Re­de ist, das liegt un­ter mei­nem Ni­veau.

  19. @Metepsilonema
    Das stimmt, ich se­he dar­in aber auch ei­ne gro­ße Chan­ce. Kant, der ja wohl re­li­gi­ös war, hat ge­gen En­de sei­nes Le­bens sinn­ge­mäß ge­sagt, er hof­fe nicht, dass es ein Le­ben nach dem To­de gibt. Wenn es ei­nem nicht ge­fällt, könn­te man ihm nicht mehr ent­flie­hen.

    Da in un­se­rer Ge­ne­ra­ti­on und ver­mut­lich noch in ei­ni­gen wei­te­ren kei­ner sei­nem Tod ent­ge­hen kann, muss sich je­der so oder so mit die­ser Tat­sa­che ar­ran­gie­ren. Die ei­nen blei­ben bei der Re­li­gi­on, die an­de­ren sind ver­zwei­felt, wie­der an­de­re ver­su­chen, dem Tod ei­nen Sinn zu ge­ben. Am be­sten scheint mir, dem Le­ben die­sen Sinn zu ge­ben und vom Tot­sein ein­fach nichts wei­ter zu er­war­ten als ei­nen tie­fen traum­lo­sen Schlaf, der nicht mehr en­det. Man muss ein­fach die Din­ge, die ei­nem wich­tig sind, bei­zei­ten tun.

  20. @Köppnick
    Ich wür­de auch nie von brau­ner oder gel­ber Sau­ce spre­chen, wenn von der NPD oder der FDP die Re­de ist, das liegt un­ter mei­nem Ni­veau.
    Gut ge­brüllt, Köpp­nick. Und es gibt ja noch je­man­den, der von ei­ner Sau­ce spricht (die Koch­sen­dun­gen im Fern­se­hen in­spi­rie­ren wohl): Herr Gy­si ne­giert ja die »Kon­sens­so­ße«. Das zeigt drei­er­lei: (1.) Gy­si hat kei­ne Ah­nung von De­mo­kra­tie. (2.) Er lehnt den Kon­sens ab (ein Grund da­für, dass er aus der Rot-Ro­ten Re­gie­rung nach kur­zer Zeit flüch­te­te). (3.) Er hat auch kein Ni­veau.

  21. Ge­flüch­tet? Gut ge­brüllt, Gre­gor. Bis jetzt hat­te ich ge­dacht, er wä­re we­gen der Bo­nus­mei­len­af­fä­re zu­rück­ge­tre­ten. Und hät­te da­mit als ei­ner von we­ni­gen Po­li­ti­kern per­sön­li­che Kon­se­quen­zen aus ei­nem fal­schen Ver­hal­ten ge­zo­gen. – So un­ter­schied­lich kann al­so die ei­ge­ne Wahr­neh­mung sein, wenn man ei­ne an­de­re po­li­ti­sche Mei­nung hat.

  22. @Köppnick – Wahr­neh­mung
    Wä­re es dar­um ge­gan­gen, hät­te er sich dau­er­haft aus der Po­li­tik zu­rück­zie­hen müs­sen. Das gilt üb­ri­gens auch für Öz­d­emir von den Grü­nen. Mei­stens er­wisch­te es die Po­li­ti­ker ge­gen En­de ih­rer Kar­rie­re, um über sol­che Klei­nig­kei­ten dann in die gut ge­pol­ster­te Pen­si­on zu ge­hen. An­de­re (wie Schlauch – auch von den Grü­nen) gin­gen gleich in die Wirt­schaft. Dass die Leu­te jetzt wie­der da­bei sind, zeigt, dass die Cau­sa an sich lä­cher­lich war und nur zur Be­frie­di­gung ei­ner Jour­na­li­sten­meu­te dien­te, die sich mal wie­der als Mo­ral­apo­stel auf­spiel­ten.

  23. NPD und Die Lin­ke
    Ich möch­te mich auch ein­mal zu der The­se des Po­pu­lis­mus der po­li­ti­schen Ex­tre­ma äu­ßern:
    Ich hal­te die­se The­se für gar nicht mal so ab­we­gig. Pro­test­wäh­ler sind wirk­lich ein Stich­wort, wel­ches nicht pas­sen­der hät­te sein kön­nen. Vie­le Wäh­ler schen­ken der Lin­ken ihr Kreuz, weil sie von der Po­li­tik der SPD ent­täuscht sind, al­so ein Mo­tiv des Pro­te­stes, wie oben schon an­ge­klun­gen, ver­fol­gen. Die Wäh­ler der rechts­extre­men Par­tei­en hin­ge­gen sind wahr­schein­lich eher des all­ge­mei­nen Sy­ste­mes über­drüs­sig. Ich möch­te hier­bei ei­ni­gen Rechts-Wäh­lern je­doch des »Trend-Wäh­lens« de­nun­zie­ren, d.h. ich ver­mu­te, dass sie nicht un­be­dingt mit al­len Punk­ten des NPD-Wahl­pro­gramms (bit­te kei­ne Dis­kus­si­on über die Sinn­haf­tig­keit die­ses Be­grif­fes füh­ren!) kon­form sind, eher nur auf­grund ih­rer so­zia­len Um­stän­de oder aus Pro­test wie­der­um je­nes po­li­ti­sche La­ger un­ter­stüt­zen.

    Und mo­men­tan sind links­po­li­ti­sche For­de­run­gen auf­grund der Wirt­schafts­kri­se ja qua­si »en vogue«, was den Zu­lauf bei der Lin­ken er­klärt.

    Und »Er­folg« auf­grund von Pro­test­wäh­lern er­fährt m.E. auch die Pi­ra­ten-Par­tei.

  24. Ich be­fin­de mich al­so ...
    ... in gu­ter Ge­sell­schaft, da of­fen­bar auch der all­seits ge­schätz­te Dr. Gy­si das ver­fem­te S‑Wort be­nutzt und so­mit zu den Ni­veau-Min­der­lei­stern ge­hört.
    @ Köpp­nick: Es ist nichts an­de­res als ein we­nig ori­gi­nel­ler eri­sti­scher Ta­schen­spie­ler­trick, ei­ne ent­ge­gen­ge­setz­te Mei­nung zu dis­kre­di­tie­ren, in­dem man ihr ei­ne un­ge­nü­gen­de An­schau­ungs­hö­he vor­wirft. In­halt­lich ha­ben Sie ja nicht wirk­lich et­was er­wi­dert: Der Hin­weis auf Ihr per­sön­li­ches Wahlomat-Er­geb­nis ist als Ar­gu­ment noch nicht ein­mal lä­cher­lich. Die Par­al­le­len zwi­schen den Pro­gram­men der NPD und der Lin­ken las­sen sich aus den Pro­gram­men selbst und nicht aus ei­ner BPB-Klick­strecke de­du­zie­ren.
    Aber Ih­nen kommt es ja of­fen­sicht­lich we­ni­ger auf das Pro­gramm (die Mit­tel), son­dern auf die Zie­le (den Zweck) an: Wer im­mer noch glaubt, dass die Lin­ke (ich mei­ne jetzt nicht nur die Par­tei) hu­ma­ni­sti­sche und welt­be­glücken­de Zie­le ver­folgt, er­weist sich als ein hart­näcki­ger Fall von hi­sto­ri­scher Un­be­lehr­bar­keit.

  25. Hui, die hei­ße Wahl­kampf­pha­se hat be­gon­nen. Dann möch­te ich doch auch mal im Kel­ler spie­len:

    Wer im­mer noch glaubt, dass die Lin­ke (ich mei­ne jetzt nicht nur die Par­tei) hu­ma­ni­sti­sche und welt­be­glücken­de Zie­le ver­folgt, er­weist sich als ein hart­näcki­ger Fall von hi­sto­ri­scher Un­be­lehr­bar­keit.

    Da­zu fal­len mir nur zwei Din­ge ein. Was ich denk und tu, trau ich an­d’­ren zu, sag­te mei­ne Oma im­mer. Und die Deu­tungs­ho­heit über die Lin­ken ist in fe­ster Hand. Sie ha­ben sich ja nicht mal die Mü­he ge­macht und nur ei­nen Bei­trag von Köpp­nik zu En­de ge­le­sen, sonst wüss­ten Sie über sei­ne In­te­gri­tät Be­scheid. Ein pein­li­cher Bei­trag.

  26. @Peter42
    Was ich an Blogs so lie­be, ist das selbst­lo­se Auf­tre­ten der Se­kun­dan­ten der Mehr­heits­mei­nung. Wer hat Köpp­nicks In­te­gri­tät in Zwei­fel ge­zo­gen? Dar­um ging es in mei­nem pein­li­chen Bei­trag doch mit­nich­ten – denn Un­be­lehr­bar­keit setzt mei­nes Er­ach­tens nicht zwangs­läu­fig ei­ne bö­se Ab­sicht vor­aus. Aber viel­leicht trifft ja auch auf Sie das in­ter­es­san­te Dik­tum Ih­rer Frau Groß­mutter zu.
    Doch nur ru­hig Blut: Ich zie­he mein Schäu­fel­chen hier­mit aus die­sem Sand­ka­sten zu­rück und har­re des näch­sten Ein­trags von Herrn Keu­sch­nig.

  27. Jetzt wird es ja ganz aben­teu­er­lich.

    • Erst mit Scho­pen­hau­er we­deln, im­mer­hin ei­ne schö­ne Selbst­re­fe­ren­zia­li­tät und dann selbst in die Vol­len grei­fen.
    • Und was be­sagt der von mir zi­tier­te Satz an­de­res, als den In­te­gri­täts­ver­lust der Wäh­ler der Lin­ken?
    • Die Lin­ken Mehr­heits­mei­nung? Und dann auch noch hier? Si­cher nicht. Ich wäh­le die Lin­ke üb­ri­gens nicht.

    Hah­ne­bü­chen.

  28. @Zehner
    Ok, al­so noch­mal et­was sach­li­cher: Es ist mit dem Wahlomat mög­lich, auf­grund der Kennt­nis der Zie­le von Lin­ken und NPD ei­nen Punk­te­un­ter­schied zwi­schen bei­den zu er­zie­len, der grö­ßer ist als zwi­schen an­de­ren Par­tei­en­kom­bi­na­tio­nen. Das zeigt mei­ner Mei­nung nach zwei­er­lei: 1. Es gibt gro­ße Un­ter­schie­de in den Zie­len und Aus­sa­gen. 2. Die­se spie­geln sich in den Ant­wort­mög­lich­kei­ten des Wahloma­ten wie­der.

    Rein ma­the­ma­tisch kann man schluss­fol­gern, dass die Par­tei­en nicht auf ei­ner li­nea­ren Ska­la an­zu­ord­nen sind, denn Sie ha­ben ja si­cher­lich ein Er­geb­nis er­zielt, bei de­nen ein gro­ßer Ab­stand zwi­schen FDP und Lin­ken und ein klei­ne­rer zwi­schen Lin­ken und NPD be­rech­net wur­de.

    Mein Vor­wurf an Sie be­steht dar­in, dass Sie in die­ser Fra­ge un­zu­läs­sig ver­ein­fa­chen. Wäh­rend ich trotz ab­wei­chen­der Mei­nung im­mer noch in der La­ge bin, so­wohl Un­ter­schie­de in den Pro­gram­men von Lin­ker und NPD als auch von NPD und FDP zu er­ken­nen, ge­lingt Ih­nen das bei Lin­ker und NPD nicht. Das ist der Un­ter­schied zwi­schen uns.

  29. Ich ha­be die gan­ze Kom­men­tar­dis­kus­si­on ge­le­sen – nur als Hin­weis, daß ich weiss, wor­über schon ge­re­det wur­de, was bei ei­ner so re­gen Dis­kus­si­on ja nicht un­be­dingt vor­aus­ge­setzt wer­den kann ;).

    Auch wenn das We­sent­li­che schon ge­sagt wur­de, hier doch noch ei­ne An­mer­kung:

    Auch wenn das selt­sa­mer­wei­se im­mer so ge­sagt wird, sind na­tür­lich NICHT al­le Men­schen GLEICH.

    Daß es da je­de Men­ge bio­lo­gi­sche, so­zia­le und son­sti­ge Un­ter­schie­de gibt, ist ja buch­stäb­lich of­fen­sicht­lich ;) und wur­de hier ja auch aus­führ­lich the­ma­ti­siert.

    Mich hat das dar­um frü­her auch im­mer ir­ri­tiert, wenn da­von ge­re­det wur­de al­le Men­schen sei­en gleich... wo sie es doch of­fen­sicht­lich ge­ra­de nicht sind...

    ... so lan­ge, bis ich er­fah­ren ha­be, daß dies le­dig­lich ei­ne schlich­te sinn­ver­fäl­schen­de Ver­kür­zung ist, eben­so wie die Be­haup­tung der Mensch wür­de vom Af­fen ab­stam­men... als wä­re die Schim­pan­sen, Go­ril­las, Orang Utans usw. un­se­re Vor­fah­ren... was sie na­tür­lich mit­nich­ten sind.
    Statt­des­sen ha­ben wir le­dig­lich ge­mein­sa­me Ah­nen...

    Tat­säch­lich steht im deut­schen Grund­ge­setz näm­lich kei­nes­wegs »al­le Men­schen sind gleich«, son­dern:

    „Al­le Men­schen sind vor dem Ge­setz gleich.“
    (Ar­ti­kel 3 Ab­satz 1 Grund­ge­setz)

    Das ist ein klei­ner, aber ent­schei­den­der Un­ter­schied...

    Und wo ich schon da­bei bin möch­te ich an der Stel­le auch noch die bei­den wei­te­ren Ab­sät­ze von Ar­ti­kel 3 des Grund­ge­set­zes zi­tie­ren:

    „Män­ner und Frau­en sind gleich­be­rech­tigt. Der Staat för­dert die tat­säch­li­che Durch­set­zung der Gleich­be­rech­ti­gung von Frau­en und Män­nern und wirkt auf die Be­sei­ti­gung be­stehen­der Nach­tei­le hin.“
    (Ab­satz 2)

    „Nie­mand darf we­gen sei­nes Ge­schlech­tes, sei­ner Ab­stam­mung, sei­ner Ras­se, sei­ner Spra­che, sei­ner Hei­mat und Her­kunft, sei­nes Glau­bens, sei­ner re­li­giö­sen oder po­li­ti­schen An­schau­un­gen be­nach­tei­ligt oder be­vor­zugt wer­den. Nie­mand darf we­gen sei­ner Be­hin­de­rung be­nach­tei­ligt wer­den.“
    (Ab­satz 3).

    Je­der Mensch ist an­ders, aber je­der Mensch ist vor dem Ge­setz gleich »gleich an Rech­ten«, wie hier ja schon ge­schrie­ben wur­de und das ist auch gut so.

    Ne­ben­bei be­merkt be­ruht auch das höch­ste Gut des Grund­ge­set­zes die Men­schen­wür­de dar­auf, daß JEDER Mensch »gleich an Rech­ten« sprich gleich viel Wert ist und es wä­re höchst fa­tal dar­an rüt­teln zu wol­len... auch wenn es lei­der sol­che Ten­den­zen gibt...

    Man er­in­ne­re sich nur dar­an, was in die­sem Lan­de einst mit Men­schen pas­siert ist, die als »we­ni­ger Wert« be­trach­tet wur­den...

    (Und nur da­mit hier kei­ne Miss­ver­ständ­nis­se auf­kom­men:
    Ich un­ter­stel­le das NIEMAND der Dis­ku­tan­ten hier!)

    Bleibt – um auf die ur­sprüng­li­che Fra­ge, die mei­nes Er­ach­tens in der Dis­kus­si­on et­was un­ter­ge­gan­gen ist zu­rück­zu­kom­men – die Fra­ge zu be­ant­wor­ten WIE man denn jetzt mit Men­schen um­ge­hen soll, die zwar »gleich an Rech­ten« / »vor dem Ge­setz gleich« / »gleich viel Wert« sind aber doch an­ders als die Mehr­heit und durch die­ses An­ders­sein auf ir­gend­ei­ne Art ge­han­di­capt... so wie ich bei­spiels­wei­se...

    Im Bei­trag wird die »Gleich­ma­che­rei« ja kri­ti­siert...

    Was aber nicht er­klärt wird ist, wie man mit Men­schen die ein Han­dy­cap, wel­cher Art auch im­mer ha­ben, denn nun ei­gent­lich um­ge­hen soll...

    Die Antwort(en) auf die­se Fra­ge wür­de mich schon in­ter­es­sie­ren, zu­mal ich hier da­zu bis­her nichts ge­le­sen ha­be...

    Vie­le Grü­ße
    Klau­dia

  30. Kurz­fas­sung:
    Was aber nicht er­klärt wird ist, wie man mit Men­schen die ein Han­dy­cap, wel­cher Art auch im­mer ha­ben, denn nun ei­gent­lich um­ge­hen soll...
    Mit Re­spekt und mit Ach­tung.

  31. Da ist auf je­den Fall ei­ne gu­te Ba­sis :).

    Aber das Al­lein reicht halt oft nicht...

    Wenn es bei­spiels­wei­se kei­ne Fahr­stüh­le auf den Bahn­stei­gen gibt, dann sind Be­hin­der­te die im Roll­stuhl sit­zen vom öf­fent­li­chen Ver­kehr aus­ge­schlos­sen... da hel­fen dann auch Re­spekt und Ach­tung nicht...

    Es muss al­so mei­ner Mei­nung nach schon auch ganz kon­kret et­was für Men­schen mit ei­nem Han­dy­cap ge­tan wer­den, weil sie sonst teil­wei­se wirk­lich ganz mas­si­ve Nach­tei­le im all­täg­li­chen Le­ben ha­ben...

    Dar­in se­he ich auch kei­ne Gleich­ma­che­rei...

  32. Um­gang mit in­va­li­den Men­schen
    »Was aber nicht er­klärt wird ist, wie man mit Men­schen die ein Han­dy­cap, wel­cher Art auch im­mer ha­ben, denn nun ei­gent­lich um­ge­hen soll...«:

    Dann möch­te ich mich ein­mal da­zu äu­ßern. Ich den­ke, wenn wir in­va­li­de Men­schen so be­han­deln, dass sie auf­grund ih­rer Ein­schrän­kung ein aus­glei­chen­des Pri­vi­leg, das sie den­noch zu ei­nem Son­der­fall der Ge­sell­schaft macht, er­hal­ten, so gren­zen wir sie doch da­mit gleich­zei­tig aus, ob­wohl wir ih­nen im sel­ben Zug die Hand rei­chen.
    Den­noch ist das die Art und Wei­se, mit der man sie am be­sten be­han­deln soll­te, man muss sich nur im Kla­ren dar­über sein, dass man da­mit das Ge­gen­teil von Gleich­heit schafft.
    »Re­spekt« und »Ach­tung«, wie es Herr Keu­sch­nig sagt, wer­den da­durch m.E. sug­ge­riert.

  33. #33
    Die mei­sten Men­schen den­ken bei dem Wort Be­hin­de­rung so­fort an Kör­per­be­hin­de­rung. In­ter­es­sant wird es, wenn man ver­sucht die An­sprü­che an Gleich­heit und auch die von Re­spekt und Ach­tung ge­gen­über gei­stig Be­hin­der­ten an­zu­wen­den.

    Da fällt mir im Kon­text z.B. ein, dass vie­le gei­stig Be­hin­der­te durch­aus das Wahl­recht ha­ben, was ih­nen aber in den sel­ten­sten Fäl­len er­mög­licht wird. Zu Recht? Seit der Re­vi­si­on der Ent­mün­di­gung in dem ak­tu­el­len Be­treu­ungs­recht, ha­ben ge­stig Be­hin­dert sehr vie­le Rech­te, von de­nen aber in der Pra­xis ei­ni­ge (aus gu­tem Grund?) nicht kom­mu­ni­ziert wer­den. Lan­ge Zeit wur­den Hei­me als Ver­wahr­an­stal­ten miss­braucht, die Öf­fent­lich­keit ge­scheut, wäh­rend uns an­de­re Län­der wie z.B. die Nie­der­lan­de vor­ge­macht ha­ben, was To­le­ranz heißt.

    Oder wer von euch kann in sol­chen Si­tua­tio­nen mit der nö­ti­gen Ge­las­sen­heit auf­tre­ten? Ich zu­min­dest ha­be ei­ne Wo­che ge­braucht, um ei­ne Hal­tung zu ent­wickeln. Die­se Nor­ma­li­tät muss ge­lernt wer­den.

  34. @Peter42
    Ja, ei­ne sehr wich­ti­ge Pro­ble­ma­tik, zu der ich auch kei­ne Pa­ten­t­ant­wort ha­be. Na­tür­lich müs­sen gei­stig be­hin­der­te Men­schen (oh Gott, jetzt dro­hen die Scharf­rich­ter der po­li­ti­schen Kor­rekt­heit schon wie­der am Ho­ri­zont) die glei­chen Rech­te ha­ben, wo­zu na­tür­lich auch das Wahl­recht ge­hört. Und wenn sie in der La­ge sind und es möch­ten, sollen/können sie na­tür­lich wäh­len.

    Die Dis­kus­si­on um die Par­ti­zi­pa­ti­ons­rech­te an de­mo­kra­ti­schen Ver­fah­ren soll­te man al­ler­dings m. E. nicht an sol­chen Ex­trem­bei­spie­len »auf­hän­gen«.

    [EDIT: 2009-10-01 08:16]

  35. #29 – @ Köpp­nick
    Da Sie of­fen­bar an ei­nem Ge­dan­ken­aus­tausch jen­seits al­ler Po­le­mik in­ter­es­siert sind, möch­te ich auf Ih­ren letz­ten Bei­trag doch noch ant­wor­ten:
    Ich könn­te Ih­nen vor­wer­fen, dass Sie die evi­den­ten Ge­mein­sam­kei­ten zwi­schen den Pro­gram­men der Lin­ken und der NPD ne­gie­ren bzw. her­un­ter­spie­len.
    Aber fan­gen wir mal von vorn an: Der Wahlomat wur­de vor al­lem we­gen der man­geln­den the­ma­ti­schen Viel­falt der Fra­gen kri­ti­siert. Was mei­nes Er­ach­tens schwe­rer wiegt: Auf die häu­fig sehr la­ko­nisch bzw. platt for­mu­lier­ten Aus­sa­gen kann man nur mit Ja, Nein oder Ent­hal­tung ant­wor­ten. Es liegt des­halb na­he, ei­ne dif­fe­ren­zier­te­re Po­si­ti­on (Ja, aber ...; Grund­sätz­lich nein, al­ler­dings ...) durch Aus­wahl der Neu­tral-Op­ti­on zum Aus­druck zu brin­gen. Doch je öf­ter man (nicht aus In­dif­fe­renz, son­dern auf­grund ei­ner et­was kom­ple­xe­ren Mei­nung) für die Un­ent­schlos­sen­heit vo­tiert, um­so we­ni­ger aus­sa­ge­kräf­tig wird das Ge­samt­re­sul­tat.
    An­de­rer­seits ist es na­tür­lich auch mög­lich, durch Neu­tra­li­sie­rung der ent­spre­chen­den Fra­gen die Ge­mein­sam­kei­ten bzw. Un­ter­schie­de in den Pro­gram­men zwei­er Par­tei­en aus­zu­blen­den und so zu ei­nem Er­geb­nis zu ge­lan­gen, das der ei­ge­nen Be­weis­ab­sicht dient.
    Zwei­tens: Ich se­he Un­ter­schie­de in den Grund­satz­pro­gram­men bzw. im Selbst­ver­ständ­nis der Lin­ken und der NPD, eben­so wie ich kei­nen Zwei­fel dar­an ha­be, dass die FDP in ge­wis­sen (z.B. fa­mi­li­en­po­li­ti­schen) Be­rei­chen der Lin­ken nä­her ist als bei­spiels­wei­se dem Wunsch­part­ner Uni­on. Al­ler­dings sprin­gen mir auch die außen‑, wirt­schafts- und ar­beits­markt­po­li­ti­schen Kon­gru­en­zen zwi­schen den Par­tei­en vom lin­ken und vom rech­ten Rand ins Au­ge.
    Es ist doch be­mer­kens­wert, dass die Lin­ke in ih­rer Wahl­kampf­pro­pa­gan­da, zu­min­dest so­lan­ge die­se sich an ein Mas­sen­pu­bli­kum rich­te­te, fast aus­schließ­lich die­je­ni­gen Punk­te be­ton­te, die auch die Un­ter­stüt­zung po­ten­zi­el­ler NPD-Wäh­ler fin­den konn­ten. Et­wa Mul­ti­kul­ti oder ei­ne wei­te­re ge­setz­li­che Auf­wer­tung gleich­ge­schlecht­li­cher Le­bens­ge­mein­schaf­ten wur­den aus dem Dis­kurs weit­ge­hend aus­ge­klam­mert, ob­wohl man bei den be­trof­fe­nen Grup­pen mit ei­ner stär­ke­ren bzw. über­haupt er­fol­gen­den Ein­be­zie­hung die­ser Fra­ge­stel­lun­gen den ei­nen oder an­de­ren Blu­men­topf hät­te ge­win­nen kön­nen.
    Doch die Ab­sicht der Lin­ken bei die­ser Kam­pa­gne war es, sich als Sam­mel­becken für so­zi­al fru­strier­te Bür­ger zu pro­fi­lie­ren; den völ­ki­schen oder wert­kon­ser­va­ti­ven Pro­test­wäh­ler woll­te man durch Aus­län­der- oder Schwu­len­freund­lich­keit nicht ver­schrecken. Das Bran­den­bur­ger Land­tags­wahl­er­geb­nis spricht in die­sem Zu­sam­men­hang Bän­de.
    Pe­tra Pau hat ge­stern in ei­ner der Wahl­sen­dun­gen ge­sagt, dass es er­freu­lich sei, dass die rechts­ra­di­ka­len Par­tei­en mit ih­ren men­schen­ver­ach­ten­den Zie­len nicht in die Par­la­men­te ein­zie­hen.
    Mir hat die­se Äu­ße­rung ein zwei­fa­ches Schmun­zeln ent­lockt: Zum ei­nen, weil sich die Lin­ke und die rechts­extre­men Par­tei­en in vie­len Be­rei­chen (Außen‑, Wirt­schafts- und Ar­beits­markt­po­li­tik) pro­gram­ma­tisch nicht un­ter­schei­den. Es ist nicht ein­zu­se­hen, war­um iden­ti­sche Mit­tel nicht zu glei­chen Zie­len füh­ren soll­ten. Mit an­de­ren Wor­ten: Ent­we­der ist ein Teil der NPD-Zie­le nicht men­schen­ver­ach­tend oder ein Teil der ei­ge­nen Zie­le ist es eben schon.
    Zwei­tens: Ich spre­che Mit­glie­dern ei­ner Par­tei, die es auch im Jahr 2009 noch nicht schafft, ein von ih­rer Vor­gän­ger-Or­ga­ni­sa­ti­on ge­tra­ge­nes men­schen­ver­ach­ten­des Un­rechts­re­gime als sol­ches zu be­nen­nen und zu ver­ur­tei­len, das Recht zu mo­ra­li­schen Ver­ur­tei­lun­gen ab.

  36. @Zehner
    Ich spre­che Mit­glie­dern ei­ner Par­tei, die es auch im Jahr 2009 noch nicht schafft, ein von ih­rer Vor­gän­ger-Or­ga­ni­sa­ti­on ge­tra­ge­nes men­schen­ver­ach­ten­des Un­rechts­re­gime als sol­ches zu be­nen­nen und zu ver­ur­tei­len, das Recht zu mo­ra­li­schen Ver­ur­tei­lun­gen ab.

    Das kön­nen Sie gern ma­chen, ge­nau­so wie ich Ih­nen ein Ur­teils­recht über die Lin­ke ab­spre­che. Ich le­be im Osten, in ei­nem Wahl­kreis, den bei der Land­tags­wahl ei­ne Lin­ke ge­won­nen hat, die zu­gleich Bür­ger­mei­ste­rin des Nach­bar­or­tes ist, al­so po­li­ti­sche Ver­ant­wor­tung trägt. Die Men­schen, die hier die Lin­ken be­vor­zu­gen, ken­nen die DDR noch von frü­her, denn sie ha­ben hier schon im­mer ge­lebt – an­ders vie­le, die das »Un­rechts­re­gime« nur aus dem Fern­se­hen oder aus Bü­chern ken­nen, aber im­mer be­stens Be­scheid wis­sen und uns über De­mo­kra­tie auf­klä­ren wol­len.

    Und zum Schluss viel­leicht noch das:

    Ei­ni­gung auf ge­mein­sa­me Er­klä­rung ge­gen Rechts
    Die Frak­ti­ons­spit­zen im neu­en Land­tag [Thü­rin­gen] ha­ben sich auf ei­ne ge­mein­sa­me Er­klä­rung »für ein de­mo­kra­ti­sches, welt­of­fe­nes und to­le­ran­tes Thü­rin­gen« ge­ei­nigt. Nach In­for­ma­tio­nen von MDR 1 RADIO THÜRINGEN gab es am Abend den Durch­bruch bei den Ver­hand­lun­gen über den Text. Er wird mor­gen früh noch den Mit­glie­dern der Frak­ti­on vor­ge­legt. Soll­te der Land­tag die­ser Er­klä­rung zu­stim­men, wür­de sich Thü­rin­gen auch erst­mals ak­tiv für ein NPD-Ver­bots­ver­fah­ren ein­set­zen. Laut dem Pa­pier wird ei­ne künf­ti­ge Lan­des­re­gie­rung un­ter an­de­rem auf­ge­for­dert, al­les für ein sol­ches Ver­bots­ver­fah­ren zu tun. Da­zu ge­hört auch, dass die V‑Leute des Thü­rin­ger Ver­fas­sungs­schut­zes aus der Rech­ten Sze­ne ab­ge­zo­gen wer­den sol­len.

    Sind in Ih­rem Bun­des­land die Po­li­ti­ker der CDU und der FDP auch in der La­ge, ge­mein­sam mit den Lin­ken Stel­lung ge­gen Rechts zu be­zie­hen oder wird da viel­leicht noch die Lin­ke vom Ver­fas­sungs­schutz be­ob­ach­tet? Da sie Pe­tra Pau er­wähnt ha­ben: Die stand noch un­ter Be­ob­ach­tung des VS, als sie schon zur stell­ver­tre­ten­den Bun­des­tags­vor­sit­zen­den ge­wählt wor­den war. Ab­sur­der geht’s ja wohl nicht mehr.

  37. @Zehner / Köpp­nick
    Un­mit­tel­bar vor der Wahl gab es ei­nen Bei­trag im ZDF »heu­te-jour­nal« in dem die an­ti­ka­pi­ta­li­sti­sche Rhe­to­rik spe­zi­ell der NPD und die da­mit ver­bun­de­nen – von der NPD ge­woll­ten – Par­al­le­len zur Lin­ken (nicht un­be­dingt zur Links­par­tei) ar­ti­ku­liert wur­de. Auch die NPD or­ga­ni­siert in­zwi­schen ge­gen »Hartz IV« und die »Macht der Ban­ken«. Letz­te­res ist un­ge­wöhn­lich, weil rech­te Par­tei­en (über­all) fast im­mer ka­pi­ta­li­sti­sche Par­tei­en sind (bzw. wa­ren).

    Ihr bei­de ver­all­ge­mei­nert die Links­par­tei lei­der. Sie zer­fällt min­de­stens in vier Tei­le: in der ehe­ma­li­gen DDR be­steht sie zum Teil aus An­hän­gern des Sta­li­nis­mus (bspw. Wa­gen­knecht et. al.) zum Teil je­doch aus prag­ma­ti­schen »Vor-Ort«-Polikern, die als lin­ke (nicht kom­mu­ni­sti­sche) Ge­sin­nungs­ge­nos­sen nach der Wen­de kei­ne an­de­re Mög­lich­keit hat­ten, sich po­li­tisch in der PDS zu re-or­ga­ni­sie­ren (die SPD sperr­te sich da; der größ­te Feh­ler der Par­tei in den letz­ten 20 Jah­ren). Im We­sten sind die Lin­ken zum Teil ent­täusch­te SPD­ler und Ge­werk­schaft­ler, die sich 2005/06 in der WASG sam­mel­ten. Hin­zu ka­men nach der von La­fon­taine ge­ni­al stra­te­gisch ein­ge­fä­del­ten Aus­deh­nung der ehe­ma­li­gen PDS auf das ge­sam­te Bun­des­ge­biet ei­ni­ge ver­kapp­te Kom­mu­ni­sten, die ih­re Chan­ce wit­ter­ten. Die Lin­ke ist al­so nicht ho­mo­gen.

    Das die DDR ein Un­rechts­re­gime war kann man auch be­ur­tei­len, oh­ne in ihr ge­lebt zu ha­ben. Wer das ne­giert oder re­la­ti­viert, hat – mit Ver­laub – sei­nen po­li­ti­schen Kom­paß an der Gar­de­ro­be ab­ge­ge­ben. De­mo­kra­tie be­deu­tet al­ler­dings, dass die Ent­schei­dun­gen der Leu­te in frei­en, ge­hei­men und glei­chen (!) Wah­len zu ak­zep­tie­ren sind – ob ei­nem das ge­fällt oder nicht. Das ex­akt zwan­zig Jah­re nach dem Mau­er­fall die Lin­ke zur po­li­tisch do­mi­nie­ren­den Kraft in der ehe­ma­li­gen DDR ge­wor­den ist, zeugt von ei­ner ge­wis­sen Ge­schichts­ver­ges­sen­heit. Aber auch Mit­te der 60er Jah­re rü­ste­ten sich in der Bun­des­re­pu­blik wie­der deutsch-na­tio­na­le Kräf­te; die NPD er­reich­te bei der Bun­des­tags­wahl 1969 nur knapp un­ter 5% (was rech­ne­risch die Mög­lich­keit bot, dass die so­zi­al-li­be­ra­le Ko­ali­ti­on über­haupt an die Macht kam).

    Mei­nes Er­ach­tens hat die Lin­ke den Pro­zeß, den die Grü­nen mit­ge­macht ha­ben (Tren­nun­gen zwi­schen »Rea­los« und »Fun­dis«) noch vor sich. Da sie je­doch der­zeit mit ih­ren po­pu­li­sti­schen Ma­xi­mal­for­de­run­gen re­üs­siert, wird die­ser Pro­zess na­tür­lich nicht ge­ra­de ge­för­dert.

    Die be­sten Ak­tio­nen ge­gen Rechts sind m. E. nicht wohl­fei­le Kund­ge­bun­gen oder ir­gend­wel­che Un­ter­schrif­ten­ak­tio­nen, son­dern die Zer­pflückung der hoh­len Pro­gram­ma­tik. Dass dann im­mer noch ein ge­wis­ser Pro­zent­satz so wählt – auch das muss ei­ne De­mo­kra­tie aus­hal­ten.

  38. Dem kann ich zu­stim­men. Aus mei­ner Sicht möch­te ich nur zwei­er­lei an­mer­ken:

    1. Es gibt auch in­ner­halb der Lin­ke im­mer wie­der Streit dar­über, wie mit den »Sek­tie­rern« (ala Wa­gen­knecht) um­ge­gan­gen wer­den soll. Ich hal­te den Kurs, sie nicht raus­zu­wer­fen für rich­tig, auch wenn ich vie­le der da ver­tre­te­nen Po­si­tio­nen nicht tei­le. Was für die ge­sam­te Ge­sell­schaft gilt, muss auch für Tei­le da­von gel­ten: Man muss Wi­der­sprü­che aus­hal­ten und dar­über strei­ten.

    2. Ich hat­te gro­ße Vor­be­hal­te ge­gen­über La­fon­taine. Aber ge­nau­so, wie of­fen­bar vie­le im We­sten nicht so rich­tig ver­ste­hen, wie man im Osten »tickt«, so geht es mir of­fen­sicht­lich mit dem We­sten. Ich hät­te es nie für mög­lich ge­hal­ten, wel­che Mas­sen er da mo­bi­li­siert. Aber im Nach­hin­ein sieht es ja tat­säch­lich so aus, als ob er selbst mit sei­nem SPD-Aus­tritt recht be­hal­ten hat.

  39. @ Gre­gor Keu­sch­nig:

    Ich stim­me Ih­nen in fast al­len Aus­sa­gen zu.

    Zwar kri­ti­sie­re ich die Me­tho­den, die Rhe­to­rik und die Ge­schichts­klit­te­rungs­ten­den­zen der Lin­ken (ganz ab­ge­se­hen da­von, dass ich auch ei­ni­ge ih­rer Po­si­tio­nen nicht tei­le), ver­wei­ge­re dem Wahl­er­geb­nis je­doch nicht die Ak­zep­tanz.

    In ei­nem Punkt muss ich al­ler­dings wi­der­spre­chen: Ge­ra­de in Deutsch­land hat die hi­sto­risch fol­gen­reich­ste Form des Rechts­extre­mis­mus ei­ne de­zi­diert an­ti­ka­pi­ta­li­sti­sche Tra­di­ti­on. Dies lässt sich bei­spiels­wei­se an dem auf den 24.02.1920 da­tier­ten Pro­gramm der DAP zwei­fels­frei be­le­gen.
    Hit­ler ist auch spä­ter, als er sich zwecks Macht­er­grei­fung den be­sit­zen­den Klas­sen an­die­nen muss­te, nicht ganz von der an­ti­ka­pi­ta­li­sti­schen Rhe­to­rik ab­ge­rückt, sie­he die Un­ter­schei­dung von »schaf­fen­dem« und »raf­fen­dem« Ka­pi­tal.
    Im NS-Re­gime wur­de die Ta­rif­au­to­no­mie aus­ge­he­belt, die Löh­ne wur­den von sog. Treu­hän­dern der Ar­beit fest­ge­setzt. Zu­min­dest in ei­ni­gen Bran­chen ver­bes­ser­te sich da­durch das Ein­kom­mens­ni­veau. Die Land­wirt­schaft wur­de streng plan­wirt­schaft­lich re­gu­liert, um Agrar­pro­duk­te der »ka­pi­ta­li­sti­schen Spe­ku­la­ti­on« zu ent­zie­hen. Über die Or­ga­ni­sa­ti­on »Kraft durch Freu­de« war es mög­lich, auf ein ei­ge­nes Au­to zu spa­ren – wo­durch ein Pri­vi­leg des wohl­ha­ben­den Man­nes so­zu­sa­gen als Reich­tum für al­le so­zia­li­siert wor­den wä­re (Kon­junk­tiv II, da es nie zur Aus­lie­fe­rung die­ser Fahr­zeu­ge kam; sie wur­den al­le von der Wehr­macht re­qui­riert).
    Ich den­ke, die­se Bei­spie­le ge­nü­gen, um zu se­hen, dass der An­ti­ka­pi­ta­lis­mus im deut­schen Rechts­extre­mis­mus kei­ne Mo­de­er­schei­nung ist, son­dern zu des­sen er­erb­ten Be­stand­tei­len ge­hört.

  40. @ Köpp­nick
    Die Höf­lich­keit ge­beut, dass ich Ih­nen noch ein­mal ant­wor­te, ob­wohl ei­ne Dis­kus­si­on mit Ih­nen ans Horn­ber­ger Schie­ßen er­in­nert. An ei­nem Aus­tausch von Ar­gu­men­ten schei­nen Sie nicht in­ter­es­siert, da­für spre­chen Sie mir Ni­veau und Ur­teils­recht ab, weil ich ganz of­fen­sicht­lich Ih­re hei­li­gen Kü­he ent­weiht ha­be.

    Schön, dass Sie wis­sen, wie man im Osten tickt. Trotz meh­re­rer Jahr­zehn­te BRD-Er­fah­rung und Ge­burt im al­ten Bun­des­ge­biet wa­ge ich bis heu­te noch nicht zu pro­kla­mie­ren, wie man im We­sten tickt. Und of­fen­sicht­lich ticke ich oh­ne­hin ganz an­ders, denn La­fon­taine mo­bi­li­siert in mir ma­xi­mal ein mü­des Lä­cheln und die Er­in­ne­rung an ver­ba­le Ent­glei­sun­gen, die bei je­dem an­de­ren Po­li­ti­ker zu Rück­tritts­for­de­run­gen sei­tens der Lin­ken ge­führt hät­ten.

    Was Sie mit Ih­rem Hin­weis auf die Er­klä­rung des Thü­rin­ger Land­tags be­zwecken wol­len, ist mir nicht klar. Sich NACH der Wahl ge­gen Rechts zu po­si­tio­nie­ren, ist die ei­ne Sa­che. VOR der Wahl un­miss­ver­ständ­lich klar­zu­stel­len, dass man für ras­si­sti­sche und ho­mo­pho­be Pro­test­wäh­ler die fal­sche Adres­se ist, die an­de­re.

    Und was die Wahl zur Bun­des­tags-Vi­ze mit der Be­ob­ach­tung durch den Ver­fas­sungs­schutz zu tun hat, ver­ste­he ich auch nicht. Wer­den durch die Über­nah­me ei­ner staat­li­chen Funk­ti­on even­tu­ell vor­han­de­ne ver­fas­sungs­feind­li­che Ten­den­zen neu­tra­li­siert?

  41. Als Er­gän­zung zu dem was Zeh­ner schon schrieb: Die völ­ki­sche Rech­te muss den Ka­pi­ta­lis­mus ab­leh­nen, weil er ent­wur­zelnd wirkt, und da­mit ge­nau je­ne Ban­de zer­stört, die für die Kon­struk­ti­on »der Volks­ge­mein­schaft« ent­schei­dend ist.

    [EDIT: 2009-09-30 16:21]

  42. Le­crin: Was mei­nen Sie, wenn Sie schrei­ben, die Gleich­heit des Men­schen sei als »selbst­be­stimm­te Ei­gen­schaft« zu se­hen? Dass sich je­der per se mit an­de­ren für gleich emp­fin­det? In wel­cher Hin­sicht? Glei­chen Rech­ten? Viel­leicht auch glei­chen Pflich­ten?

    Ich möch­te nicht dem Ge­sell­schafts­ver­trag das Wort re­den, aber ei­nen ver­gleich­ba­ren Me­cha­nis­mus gibt es als Be­din­gung für die mei­sten Ethi­ken schon: Be­vor wir über Wer­te re­den ei­ni­gen wir uns dar­auf, dass wir ei­nen Fix­punkt ha­ben, auf den wir uns mit un­se­rem Wer­te­ka­non be­zie­hen. Neh­men wir an, je­der, den wir als Mensch be­zeich­nen, sei in glei­chem Ma­ße Mensch.

    Dar­aus glei­che GRUND­rech­te ab­zu­lei­ten liegt na­he und hal­te ich auch für le­gi­tim. De­ren In­halt ist al­ler­dings ver­han­del­bar, wich­tig ist nur, dass sie für al­le Men­schen gel­ten. Der Mensch de­fi­niert al­so sei­ne Mensch­lich­keit – das ist die Ei­gen­schaft, von der ich sprach – selbst (und in der Ab­gren­zung da­von die Nicht­mensch­lich­keit von Tie­ren, die eben nicht die glei­chen Rech­te ab­lei­ten kön­nen)

    Gleich­zei­tig er­laubt die­se Grund­an­nah­me sehr wohl Ver­schie­den­heit und In­di­vi­dua­li­tät. Nur die Mensch­lich­keit selbst ist un­an­tast­bar, die­se kann ich kei­nem Men­schen ab­spre­chen. Mehr Geld als an­de­re kann er trotz­dem ver­die­nen. Er kann auch blind und ge­hör­los sein und trotz­dem Au­to­fah­ren dür­fen – wel­che Rech­te und Pflich­ten die Ge­sell­schaft als Pri­vi­le­gi­en de­fi­niert ist ihr völ­lig frei ge­stellt. Der Kom­mu­nis­mus for­dert al­so an ei­ner ganz be­stimm­ten Stel­le des ge­sell­schaft­lich zu er­ar­bei­ten­den Wer­te­ka­nons Gleich­heit und möch­te in er­ster Li­nie be­stimm­te Pri­vi­le­gi­en ab­schaf­fen. Die­se Über­zeu­gung kann man tei­len oder ab­leh­nen. Die »Gleich­heit des Men­schen« bleibt da­von un­be­rührt, denn sie ist für prak­ti­ka­ble al­ter­na­ti­ve Ethi­ken (mei­net­we­gen ein uti­li­ta­ri­stisch mo­ti­vier­ter Neo­kon­ser­va­ti­vis­mus) ge­nau so not­wen­dig.

    Al­le Ethi­ken, die ex­pli­zit oh­ne ei­ne De­fi­ni­ti­on von »Mensch­lich­keit« aus­kom­men möch­ten, ha­ben das Pro­blem, dass sie nicht be­zeich­nen kön­nen, für wen ih­re Re­geln Gül­tig­keit ha­ben sol­len.

    Um den Bo­gen zur Dis­kus­si­on zu füh­ren, wie man Men­schen be­geg­nen sol­le, die ein Han­di­cap ha­ben: Hier greift die ge­sell­schaft­li­che Selbst­re­gu­la­ti­on. Für die Bun­des­re­pu­blik ha­ben wir ei­ne sehr weit­rei­chen­de De­fi­ni­ti­on der recht­li­chen Gleich­heit. Die Men­schen­wür­de ist ein teu­res Gut. Teu­er im dop­pel­ten Sinn: Es ent­ste­hen ho­he Ko­sten, die Men­schen­wür­de durch­zu­set­zen, weil mit ihr wert­vol­le Pri­vi­le­gi­en ein­her­ge­hen. Tat­säch­lich müss­te Bar­rie­re­frei­heit viel kon­se­quen­ter um­ge­setzt wer­den, um die Gleich­heit der Men­schen­wür­de her­zu­stel­len.

    Vor die­sem Hin­ter­grund wird viel­leicht auch die von mir zi­tier­te Aus­sa­ge von Be­hin­der­ten­ver­bän­den kla­rer: Be­hin­dert ist man nicht, be­hin­dert wird man. Wenn ein mo­bi­ler Mensch Zu­gang zum öf­fent­li­chen Per­so­nen­ver­kehr hat, darf ihn das dank der deut­schen Men­schen­wür­de nicht vom we­ni­ger mo­bi­len Mensch un­ter­schei­den. So ge­se­hen wird al­so dem Be­hin­der­ten ein Recht auf glei­che Mo­bi­li­tät ge­nom­men: Ei­ne Trep­pe ist ei­ne Bar­rie­re für ihn.

    Als mo­ra­li­schen Rat möch­te ich ab­schlie­ßend sa­gen: Im Um­gang mit Be­hin­der­ten kön­nen und müs­sen wir ler­nen, Nor­ma­li­tät im An­ders­sein zu er­ken­nen. Mit­leid ist fehl am Platz. Nor­ma­li­tät zu er­wer­ben braucht al­ler­dings Kon­takt – wer mit Be­hin­de­rung so­zia­li­siert wur­de hat na­tür­lich we­ni­ger Hem­mun­gen und Vor­ur­tei­le, die an­de­re erst ab­bau­en müs­sen. Auch ge­gen­über gei­stig be­hin­der­ten. Men­schen.

    Im üb­ri­gen möch­te ich so forsch sein und ih­nen ei­nen Ar­ti­kel ans Herz le­gen, der be­le­gen könn­te, dass ich sehr wohl ein Freund ex­tre­mer Po­si­tio­nen bin – und der gleich­zei­tig weit we­ni­ger po­le­misch ist, als es dem ge­schätz­ten Herrn Keu­sch­nig bei ei­ner ver­gan­ge­nen Aus­ein­an­der­set­zung miss­fiel. Es ist der neu­ste Ar­ti­kel, der beim Klick auf mei­nen Na­men zu se­hen ist: »Wahl­ent­schei­dun­gen und Vi­sio­nen«. Wenn ich schon end­lich wie­der ans Schrei­ben kom­me...

  43. Mein­ten SIE nicht, ver­ehr­ter Erz, die Gleich­heit des Men­schen sei »selbst­be­stimmt«? Ich emp­fin­de je­ne Gleich­heit eher als fremd­be­stimmt, da der Ver­such des In­di­vi­du­ums, Gleich­heit zu schaf­fen, ihm gleich­zei­tig sei­nes größ­ten Pri­vi­le­gi­ums be­raubt: der In­di­vi­dua­li­tät.
    Man muss sich na­tür­lich dar­über im Kla­ren sein, wenn man sich dar­auf ein­lässt. Da­mit Sie mich ver­ste­hen, möch­te ich nur ein Wort nen­nen: Mo­de­trends. Pas­sen Sie sich an, sind Sie gleich mit dem »Main­stream« des Kol­lek­tivs, wenn nicht, gren­zen Sie sich aus, und wah­ren In­di­vi­dua­li­tät, al­ler­dings in et­was ex­tre­me­rer Form.
    Des­we­gen ver­ach­te ich Mo­de­trends schon lan­ge.

    Ihr State­ment zum Um­gang mit in­va­li­den Men­schen fin­de ich durch­aus (mo­ra­lisch) gut und nach­voll­zieh­bar, teil­wei­se ha­be ich mich auch so ähn­lich in dem­glei­chen aus mei­ner Hand ge­äu­ßert, bzw. äu­ßern wol­len.

    Ih­ren ge­nann­ten Ar­ti­kel wer­de ich si­cher­lich auch bald le­sen, mo­men­tan schwir­ren mir zu vie­le Din­ge um den Kopf her­um, da fin­de ich we­der die nö­ti­ge Zeit noch die Kon­zen­tra­ti­on da­zu.

  44. Vor die­sem Hin­ter­grund wird viel­leicht auch die von mir zi­tier­te Aus­sa­ge von Be­hin­der­ten­ver­bän­den kla­rer: Be­hin­dert ist man nicht, be­hin­dert wird man. Wenn ein mo­bi­ler Mensch Zu­gang zum öf­fent­li­chen Per­so­nen­ver­kehr hat, darf ihn das dank der deut­schen Men­schen­wür­de nicht vom we­ni­ger mo­bi­len Mensch un­ter­schei­den. So ge­se­hen wird al­so dem Be­hin­der­ten ein Recht auf glei­che Mo­bi­li­tät ge­nom­men: Ei­ne Trep­pe ist ei­ne Bar­rie­re für ihn.

    Als Zu­spit­zung ist das Be­hin­dert ist man nicht, be­hin­dert wird man. völ­lig in Ord­nung. Folgt man aber der Ar­gu­men­ta­ti­on, kann man sehr leicht ab­stru­se Bei­spie­le kon­stru­ie­ren (Wird ein be­hin­der­ter Mensch erst zu dem was er ist, weil er kei­ne Bü­cher le­sen kann oder be­stimm­te Sport­ar­ten nicht aus­üben kann? Und wie soll­te man das än­dern?), was die Aus­sa­ge dann wie­der re­la­ti­viert.

    Al­le Ethi­ken, die ex­pli­zit oh­ne ei­ne De­fi­ni­ti­on von »Mensch­lich­keit« aus­kom­men möch­ten, ha­ben das Pro­blem, dass sie nicht be­zeich­nen kön­nen, für wen ih­re Re­geln Gül­tig­keit ha­ben sol­len.

    Ei­ne Ethik lässt sich z.B. auch auf al­le (po­ten­zi­ell) lei­dens­fä­hi­gen We­sen (z.B. Säu­ge­tie­re) be­zie­hen, da­mit ist auch klar wer ge­meint ist.

    [EDIT: 2009-09-30 23:30]

  45. @erz
    Um mich aus­nahms­wei­se ein­mal zu wie­der­ho­len: In sei­nem pau­scha­len Ge­brauch ha­be ich Pro­ble­me mit dem Be­griff der »Mensch­lich­keit«, der mei­nes Er­ach­tens stets der De­fi­ni­ti­on be­darf. Um es poin­tiert (und auch po­le­misch) zu for­mu­lie­ren: Mit ei­nem Ge­sell­schafts­sy­stem, wel­ches sei­ne »Mensch­lich­keit« auf die – auch po­le­misch – Un­gleich­heit in­ner­halb der Welt be­zieht und sich über Trep­pen als »men­schen­un­wür­di­ge« Bar­rie­ren ent­rü­stet und da­bei gleich­zei­tig bil­li­gend den täg­li­chen Hun­ger­tod von tau­sen­den an­de­rer Men­schen ver­drängt, ist es nicht un­be­dingt sehr gut be­stellt.

    [EDIT: 2009-10-01 08:08]

  46. Wer vom Men­schen spricht und vom Tier fa­selt
    Der Dis­qua­li­fi­ziert sich von selbst in je­der Dis­kus­si­on und ist längst dem ver­ding­li­chen auf­ge­ses­sen, das uns die herr­schen­de Mei­nung ein­imp­fen möch­te.

    Der Mensch ist Mensch, nicht Tier. Wer die Un­ter­schie­de nicht sieht, der kann nicht mehr un­ter­schei­den, daß die Gleich­heit des Men­schen in ethisch mo­ra­li­scher Sicht bei dem ei­nen ge­meint ist, und die Un­gleich­heit in kom­mer­zi­ell und lei­stungs­ori­en­tier­ter Sicht bei den an­de­ren den Ton an­gibt.

    Wer Lei­stungs­trä­ger ist, der bringt geld­wer­ten Vor­teil, für sich und an­de­re Lei­stungs­trä­ger. Wer nur Ar­beits­kraft bringt, der ko­stet, wer so­gar noch le­bens­er­hal­ten­de Maß­nah­men ein­for­dert oh­ne das dar­an an so­ge­nann­ter Lei­stungs­trä­ger sich ge­sund sto­ßen kann, der ist ein for­dern­der Que­ru­lant, ein Pa­ra­sit, der sich in der Mit­te der Ge­sell­schaft ein­ni­stet um sich er­näh­ren zu las­sen.

    Wer den Men­schen al­so zum TIer de­gra­diert, wer schon so er­nied­ri­gend vom Men­schen denkt, wer die Un­gleich­heit zwi­schen Tier und Mensch nicht mehr ka­piert, der hö­re bit­te auf über die Un­gleich­heit der Men­schen in Ge­sell­schafts­sy­ste­men zu schwa­dro­nie­ren.

    My­then und Na­tur­re­li­gi­on, Ding­li­che Ab­gren­zung statt rea­ler Er­kennt­niss. Leu­te, macht ein­fach end­lich die Au­gen auf und hängt nicht an den Lip­pen der Weiß­kit­tel als Er­satz für die Sto­la­trä­ger.

    Lie­ben Gruß

  47. Zu­nächst ein­mal fa­selt hier nie­mand. Und – um ei­nen an­de­ren Satz in den Kom­men­ta­ren hier zu pa­ra­phra­sie­ren – zum Men­schen wird man. Die De­fi­ni­ti­on »Mensch« mag bio­lo­gisch de­fi­nier­bar sein und die Un­ter­schie­de zum Tier auch, aber die blo­ße Be­zeich­nung »Mensch« ist in ethi­schen Dis­kur­sen für sich ge­nom­men we­nig aus­sa­ge­fä­hig.

    Da­her ha­be ich auch Pro­ble­me mit dem pau­scha­len Be­griff der »Mensch­lich­keit«, der mei­nes Er­ach­tens stets der De­fi­ni­ti­on be­darf. Um es poin­tiert (und auch po­le­misch) zu for­mu­lie­ren: Ein Ge­sell­schafts­sy­stem, wel­ches sei­ne »Mensch­lich­keit« auf die – auch po­le­misch – Un­gleich­heit in­ner­halb der Welt be­zieht und sich über Trep­pen als »men­schen­un­wür­di­ge« Bar­rie­ren ent­rü­stet und da­bei gleich­zei­tig bil­li­gend den täg­li­chen Hun­ger­tod von tau­sen­den an­de­rer Men­schen ver­drängt, soll­te, um es sa­lopp zu sa­gen, »den Ball flach hal­ten«.

  48. An­thro­po­lo­gie von oben und un­ten
    Ih­rem Ein­wurf, Hein­zi, möch­te ich doch im Te­nor, so je­den­falls, wie ich ihn ver­ste­he, bei­pflich­ten. Die­ser klei­ne Text für sich ge­nom­men hat mich in Tei­len doch sehr ir­ri­tiert oder gar ver­är­gert.

    Sie, Lou Cre­tin, po­le­mi­sie­ren ge­gen die Gleich­ma­che­rei vor der Fo­lie des Kom­mu­nis­mus, Gleich ge­macht wer­den soll die wirt­schaft­li­che La­ge, be­rührt das aber das Mensch­sein? Ist das Pro­blem des Men­schen­bil­des des Kom­mu­nis­mus nicht eher, dass er den Men­schen auch nur auf das Wirt­schaft­li­che re­du­ziert und glaubt al­le Pro­ble­me der Mensch­heit wä­ren ge­löst, er­reich­te man wirt­schaft­li­che Ho­mo­ge­ni­tät? (Viel­leicht ist das auch zu pri­mi­tiv ge­dacht..) – Gleich oder un­ter­schied­lich wor­in? – Wenn Sie schrei­ben: »Ich kann es au­ßer­dem nicht ver­ste­hen, wenn ein Staat die­se Gleich­heit als Grund­prin­zip be­wahrt und dann sei­ne För­de­rung der In­di­vi­dua­li­tät so an­preist.« So klingt das bei­na­he als sei­en Sie ge­gen die Gleich­heit vor dem Ge­setz, da­ge­gen dass al­le Stim­men in der De­mo­kra­tie das glei­che Ge­wicht ha­ben. Und wenn sie dann noch von den Schwä­che­ren und Stär­ke­ren re­den, so klan­gen da schon die Mis­sa­tö­ne ei­nes schnö­den So­zi­al­dar­wi­nis­mus an. – Dass das so wohl doch nicht ge­meint war und bei mir wohl ein ähn­li­cher Ent­rü­stungs­re­flex ein­setz­te, wie bei­spiels­wei­se von den Alarm­schlä­gern in der Slo­ter­di­jk-De­bat­te, ha­be ich dann spä­ter bei Ih­ren wei­te­ren Kom­men­ta­ren ge­merkt. Sie um­krei­sen So­zia­li­sa­ti­on (wä­re In­di­vi­dua­ti­on nicht an­ge­brach­ter ge­we­sen) und strei­fen am pri­mi­ti­ven Bio­lo­gis­mus ent­lang, wenn Sie auf den DNA zu­rück­grei­fen. Dies al­les ist An­tropho­lo­gie von un­ten (Heinz-Ul­rich Nen­nen, Phi­lo­so­phie in Echt­zeit, Die Slo­ter­di­jk-De­bat­te: Chro­nik ei­ner In­sze­nie­rung), wenn man den Men­schen re­duk­tio­ni­stisch aus Bio­lo­gie, Hi­sto­rie, So­zi­al­um­feld ab­zu­lei­ten ver­sucht. In ei­ner An­tropho­lo­gie von oben wird hin­ge­gen da­von aus­ge­gan­gen, dass man das We­sen des Men­schen nicht hoch ge­nug an­set­zen kann (noch feh­len mir da recht die Wor­te.. in obem ge­nann­ten Buch je­den­falls um­kreist der Au­tor die Not­wen­dig­keit die­ser An­tropho­lo­gie von oben). – Das Selbst­be­wusst­sein dass bei die­sen Be­trach­tun­gen auch auf­taucht z.B. scheint mir ein wich­ti­ger An­satz­punkt, um über das Mensch­sein nach­zu­den­ken... Mir er­scheint es zu kurz ge­grif­fen, wenn Sie das Mensch­sein dar­aus ab­lei­ten, dass es ir­gend­wann nicht mehr da ist (Tod). Was ist es denn, das dann nicht mehr da ist?

    Schluss­end­lich: War­um kann es mir so er­schei­nen, dass wir in dem In­di­vi­dua­lis­mus, in dem wir le­ben, im­mer ho­mo­ge­ner wer­den: Wir müs­sen uns durch Mar­ken, Mei­nun­gen, die wir so rum­tra­gen, von der Mas­se ab­he­ben wer­den von die­ser aber im­mer un­un­ter­scheid­ba­rer?

  49. ...und sich über Trep­pen als »men­schen­un­wür­di­ge« Bar­rie­ren ent­rü­stet und da­bei gleich­zei­tig bil­li­gend den täg­li­chen Hun­ger­tod von tau­sen­den an­de­rer Men­schen ver­drängt...

    Ich neh­me an es ist ei­ne Fra­ge der Phan­ta­sie. Der ei­ne läuft halt mit ei­ner Bür­de durchs Le­ben, wäh­rend an­de­ren erst durch star­ke Rei­ze ein Af­fekt ent­lockt wer­den kann. Die­ser Un­ter­schied wird ver­mut­lich die Welt­an­schau­ung maß­geb­lich be­stim­men.

  50. Mensch ist man
    von Ge­burt an.

    Man kann zwar sei­ne Men­schen­wür­de ein­bü­ßen, aber ei­ne Un­ter­schei­dung zwi­schen Mensch und Mensch gibt es nicht. Die ein­zi­ge gül­ti­ge Un­ter­schei­dung wä­re ei­ne mo­ra­li­sche Ver­ur­tei­lung in ei­nen bö­sen Men­schen, weil ein Mensch an­de­ren Men­schen scha­det oder ei­ne Ver­ur­tei­lung kraft der Ge­set­ze ei­nes Lan­des.

    Al­so Mensch wird man nicht erst, wenn man be­stimm­ten An­for­de­run­gen ent­spricht. Denn das ist Quatsch und die Grund­la­ge von Un­gleich­heit wie es z.B. eli­tä­res Den­ken po­stu­liert oder Na­tio­na­lis­mus.

    Men­schen sind im­mer Men­schen.

  51. @ Hein­zi
    Ich möch­te Ih­re Mei­nung nicht ab­wer­ten, aber ich kann es auf den Tod nicht aus­ste­hen, dass der Mensch im­mer meint, er sei et­was bes­se­res als das Tier. Bio­lo­gisch ge­se­hen ist er doch ein Tier, und je­der der die­sem das Ar­gu­ment der Ver­nunft, wel­che Tie­re nicht be­sit­zen sol­len, ent­ge­gen­wirft, dif­fa­miert m.E. je­des an­de­re er­denk­li­che Le­be­we­sen.
    Wenn ich mir den mo­der­nen Men­schen be­trach­te und sei­nem Ver­hal­ten ir­gend­wie wohl­wol­lend Ver­nunft zu Grun­de le­gen will, ganz gleich, ob ich da­bei die äl­te­re Be­deu­tung (=Ver­stand) oder die neue­re (=mo­ra­li­sche Kor­rekt­heit) neh­me, so kann ich nur la­chen. Der mo­der­ne Mensch be­nimmt sich doch nur wie ein Tier, mit dem ein­zi­gen Un­ter­schied, dass er al­les nicht so di­rekt macht wie ein Tier. Fra­gen Sie nicht nach, was ich da­mit mei­ne, über­le­gen Sie sich, wel­che Be­deu­tung ei­ne je­de Tat des All­tags für Sie hat.

    Da­bei ist noch zu nen­nen, dass das Tier we­nig­stens sein Öko­sy­stem, in dem es ei­nen fe­sten Platz ein­nimmt, nicht zum Ne­ga­ti­ven hin ver­än­dert.

    Ich nen­ne es nur pu­re Über­heb­lich­keit, dass man der Mensch­heit so­viel ab­ver­traut. Was ist sie schon? Ei­ne Art Le­be­we­sen, wel­che vor­herrscht. Aber kann man wirk­lich zu sei­nem Haus­tier sa­gen: »Du bist dumm, ich bin klug.«? Mir wä­re das sehr pein­lich, wenn das Tier mir dann ant­wor­ten könn­te...

  52. @ Phor­k­yas
    Sie ha­ben schon vie­le Bü­cher der An­thro­po­lo­gie stu­diert, das merkt man. Ich nicht. Ich ver­las­se mich auf das, was ich se­he und hö­re. Und das, was ich se­he und hö­re, ist nichts an­de­res, als ei­ne schein­bar zi­vi­li­sier­te und in­tel­li­gen­te Le­bens­form, die in Wahr­heit ih­ren Fort­schritt da­zu ein­setzt, ih­re phy­si­schen Be­dürf­nis­se zu be­frie­di­gen. Das ist m.E. ein­fach nur wi­der­wär­tig.

    Sa­gen Sie mir bit­te nicht, ich sol­le die Mensch­heit jetzt von ei­ner an­de­ren War­te aus be­trach­ten, näm­lich vom Stand­punkt der phi­lo­so­phi­schen An­thro­po­lo­gie, wo der Mensch ja die Kro­ne der Schöp­fung zu­ge­schrie­ben wird, äh Ver­zei­hung, wo er sie sich selbst an­maßt. Und DAS ist das al­ler­schlimm­ste: Wir be­ur­tei­len an­de­re Le­be­we­sen und sie sind selbst­ver­ständ­lich dumm und pri­mi­tiv. Und selbst se­hen wir uns als das »ver­nunft­be­gab­te« We­sen schlecht­hin an. Ver­zei­hen Sie mir, dass ich so hart mit die­sem Stand­punkt um­sprin­ge, aber so et­was wie »Ver­nunft« kann ich in der heu­ti­gen Ge­sell­schaft nicht mehr ent­decken, höch­stens noch in Rand­grup­pen.

    Des­we­gen ha­be ich mir so ein Men­schen­bild ent­wickelt, und ich bin viel zu stur, als dass ich je­mals der Mei­nung ei­nes »phil­an­thro­pi­schen An­thro­po­lo­gen« (ge­meint sind all je­ne, des­sen Stand­punkt Sie be­schrie­ben ha­ben) bei­pflich­ten könn­te.

  53. @Count Le­crin
    ...aber ich kann es auf den Tod nicht aus­ste­hen, dass der Mensch im­mer meint, er sei et­was bes­se­res als das Tier. Bio­lo­gisch ge­se­hen ist er doch ein Tier, und je­der der die­sem das Ar­gu­ment der Ver­nunft, wel­che Tie­re nicht be­sit­zen sol­len, ent­ge­gen­wirft, dif­fa­miert m.E. je­des an­de­re er­denk­li­che Le­be­we­sen.
    ...
    Da­bei ist noch zu nen­nen, dass das Tier we­nig­stens sein Öko­sy­stem, in dem es ei­nen fe­sten Platz ein­nimmt, nicht zum Ne­ga­ti­ven hin ver­än­dert.
    ...

    Die­se Ar­gu­men­ta­ti­on ist doch in sich wi­der­sprüch­lich? Zu­nächst mal ist der Mensch tat­säch­lich et­was qua­li­ta­tiv an­de­res als die an­de­ren Tie­re, das hat be­reits Ari­sto­te­les er­kannt und dem ist bis heu­te nichts ent­ge­gen zu set­zen. Der Mensch ist ein po­li­ti­sches We­sen (man kann hier er­satz­wei­se auch ge­sell­schaft­lich ver­wen­den). Der Un­ter­schied be­steht in al­len Ei­gen­schaf­ten, die sich aus sei­ner Be­wusst­heit er­ge­ben und die im Tier­reich nach heu­ti­gen Er­kennt­nis­sen be­sten­falls in er­sten pri­mi­ti­ven An­sät­zen zu er­ken­nen sind. Am ein­fach­sten kann man das an ei­ni­gen Din­gen zei­gen, de­ren Be­deu­tung voll­kom­men von ih­rer Ge­gen­ständ­lich­keit ab­weicht, z.B. Geld. Es gibt nichts im Tier­reich, was der mensch­li­chen Spra­che und al­len da­mit ver­bun­de­nen Kon­zep­ten (Geld ist ein sol­ches Kon­zept, sei­ne Ver­ding­li­chung ist be­lang­los) ver­gleich­bar ist. – Ob man das al­ler­dings als »bes­ser« be­zeich­net, ist ei­ne Fra­ge des Stand­punkts, ich be­trach­te es aber tat­säch­lich als »bes­ser« im Sin­ne von ei­ner neu­en Qua­li­tät.

    Ih­re zwei­te Aus­sa­ge be­haup­tet dann das Ge­gen­teil der er­sten, denn wenn der Mensch das ein­zi­ge We­sen wä­re, das sein Öko­sy­stem zu­er­stö­ren könn­te, dann wür­de er sich ja qua­li­ta­tiv in min­de­stens ei­ner Ei­gen­schaft von den an­de­ren Tie­ren un­ter­schei­den. Tat­säch­lich stimmt das aber ge­ra­de hier nicht, denn auch Tie­re sind in der La­ge ihr ei­ge­nes Öko­sy­stem zu zer­stö­ren. Bei­spie­le sind He­fe­zel­len im Wein­bal­lon und Vi­ren und Bak­te­ri­en in ih­rem Wirts­or­ga­nis­mus.

    Der wirk­li­che Un­ter­schied zu al­len an­de­ren Le­be­we­sen be­steht beim Men­schen auch hier wie­der­um in der Be­wusst­heit, dass er sein Öko­sy­stem zer­stört – und auch hier das mit den Mit­teln der Spra­che vor­ab kom­mu­ni­zie­ren kann. Der Mensch ist ab­so­lut ein­zig­ar­tig und un­ver­gleich­lich im Tier­reich.

  54. @Count Le­crin
    Die Ver­nunft ist nicht da­durch in­exi­stent, dass ge­mäss Ih­rer Wahr­neh­mung die mei­sten sie ent­we­der nicht mehr wahr­ha­ben wol­len oder sie igno­rie­ren. Sie ist als Mög­lich­keit im­mer vor­han­den. Hier­in liegt tat­säch­lich der Un­ter­schied zum Tier. Wo­bei die Mög­lich­keit der Ver­nunft auch die der Un­ver­nunft (lai­en­haft aus­ge­drückt) im­pli­ziert. Die Mög­lich­keit un­ver­nünf­tig zu Han­deln be­inhal­tet das Ge­gen­teil. Ein Tier hin­ge­gen kann nicht un­ver­nünf­tig han­deln. Se­hen wir das ge­le­gent­lich an­ders, so ist dies ei­ne In­ter­pre­ta­ti­on un­se­rer­seits; ei­ne Täu­schung.

    Mir ist die­ses Hoch­le­ben des Men­schen oder die Tau­to­lo­gien (»Men­schen sind im­mer Men­schen«) auch ein biss­chen arg pa­the­tisch (man sie­he hier­zu mei­nen Kom­men­tar da­vor). Den­noch ist die Ent­wick­lung des Men­schen (eben aus der Evo­lu­ti­on her­aus) nicht zu leug­nen.

  55. @ Köpp­nick
    Ob der Mensch ge­sell­schaft­lich ist, was un­be­streit­bar ei­ne kor­rek­te Aus­sa­ge ist, trägt m.E. nicht da­zu bei, sich von den Tie­ren ab­zu­he­ben, auch die­se kön­nen ja Staa­ten bil­den, in de­nen es ei­ne fe­ste Rang­fol­ge, ein »So­zi­al­sy­stem« (nicht po­li­tisch, son­dern de­mo­gra­phisch) gibt (et­wa Amei­sen, Bie­nen oder Ter­mi­ten).
    Dass wir die­ses Spiel dann bis in die Ge­wäs­ser des Gel­des trie­ben, spielt m.E. kei­ne Rol­le, da das un­se­rem Le­ben ja nicht mehr »Wert« ver­leiht, als das der Tie­re.
    Ich be­zog mich viel­mehr auch auf den Wert der Exi­stenz, den wir Men­schen bei uns sel­ber ja im­mer sehr hoch an­set­zen. Ich glau­be, Sie könn­ten mich da miss­ver­stan­den ha­ben.

    Und be­züg­lich des Öko­sy­stems ist zu sa­gen, dass ich mit dem Poe­sses­siv­pro­no­men »sein« be­to­nen woll­te, dass der Mensch sel­ber da­bei auch »ka­putt« geht, was sei­ner Hand­lung noch mehr Wi­der­sprüch­lich­keit ver­leiht, aber na­tür­lich im­pli­zier­te das auch, und das ha­ben Sie si­cher nicht ge­wusst, tut mir Leid des­we­gen, dass sein Öko­sy­stem noch weit mehr Le­be­we­sen um­fasst als nur sich selbst.
    He­fe­bak­te­ri­en ver­nich­ten sich ja nur selbst, wäh­rend wir Men­schen auch mal eben »nur so zum Spaß« ei­nen gan­zen Amei­sen­staat aus­rot­ten.
    Mich hat das sehr zum Den­ken ge­bracht, als ich in mei­nen Gar­ten ei­ne Amei­sen­fal­le auf­stell­te und auf der Ver­packung las: »Ver­nich­tet nach­hal­tig den gan­zen Staat ein­schließ­lich Kö­ni­gin« (sinn­ge­mäß).

  56. @ Gre­gor Keu­sch­nig
    Wahr­lich, die Ent­wick­lung des Men­schen, der prä­hi­sto­ri­sche Ver­lauf ei­ner ge­wal­ti­gen Evo­lu­ti­on, ist nicht zu leug­nen. Neue Fun­de be­le­gen ja auch im­mer wie­der, dass die­ses Ka­pi­tel, so­zu­sa­gen ein Pro­log im Buch der Mensch­heit, im­mer noch in­ter­es­san­te Über­ra­schun­gen auf­weist.

    Aber kön­nen wir des­we­gen uns selbst als et­was Bes­se­res an­se­hen? Ist die­se Ent­wick­lung denn UNSER Ver­dienst? Ich sa­ge nein, und mei­ne da­mit, dass wir Tie­re eben­so ach­ten sol­len, wie wir es mit un­se­res­glei­chen tun, denn was auch im­mer an­de­re er­reicht ha­ben, be­rech­tigt doch noch längst nicht, dass wir jetzt den Thron der Schöp­fung be­an­spru­chen.

    Und DAS mein­te ich...

    Mein Kom­men­tar da­vor (»@ Köpp­nick«) be­inhal­tet ein Bei­spiel über die Ver­nich­tung ei­nes Amei­sen­vol­kes. Ist das wirk­lich ein er­stre­bens­wer­tes Gut des Fort­schritts? Ver­nich­tung? Na ja...
    Ich den­ke, die Leit­ma­xi­me, »Pro­gres­si­on statt Extink­ti­on« neh­me ich mir fort­an zum Vor­bild. Sie be­inhal­tet sehr vie­le Aspek­te, von je­nem Bei­spiel bis hin zum Kli­ma­wan­del und Eis­bä­ren etc..

  57. Ob der Mensch ge­sell­schaft­lich ist, was un­be­streit­bar ei­ne kor­rek­te Aus­sa­ge ist, trägt m.E. nicht da­zu bei, sich von den Tie­ren ab­zu­he­ben, auch die­se kön­nen ja Staa­ten bil­den, in de­nen es ei­ne fe­ste Rang­fol­ge, ein »So­zi­al­sy­stem« (nicht po­li­tisch, son­dern de­mo­gra­phisch) gibt (et­wa Amei­sen, Bie­nen oder Ter­mi­ten).
    Dass wir die­ses Spiel dann bis in die Ge­wäs­ser des Gel­des trie­ben, spielt m.E. kei­ne Rol­le, da das un­se­rem Le­ben ja nicht mehr »Wert« ver­leiht, als das der Tie­re.
    Ich be­zog mich viel­mehr auch auf den Wert der Exi­stenz, den wir Men­schen bei uns sel­ber ja im­mer sehr hoch an­set­zen. Ich glau­be, Sie könn­ten mich da miss­ver­stan­den ha­ben.

    Ich glau­be nicht, dass ich Sie miss­ver­stan­den ha­be, son­dern ich se­he es of­fen­bar tat­säch­lich grund­sätz­lich an­ders. Die Staa­ten der Tie­re ha­ben au­ßer dem Na­men nichts mit un­se­ren Staa­ten ge­mein. Dass man das ver­wech­selt, ist ein Feh­ler un­se­rer Spra­che, weil wir die­ser Or­ga­ni­sa­ti­ons­form der Tie­re den­sel­ben Na­men ge­ge­ben ha­ben. Wir kön­nen uns aber auch an­ders or­ga­ni­sie­ren, z.B. in locke­ren Grup­pen, die durch die Sa­van­ne zie­hen, in grö­ße­ren Stam­mes­ge­mein­schaf­ten. ... Die­se Mög­lich­kei­ten rei­chen bis zur Welt­ge­mein­schaft al­ler Men­schen. Die staa­ten­bil­den­den Tie­re kön­nen im­mer nur in der ei­nen Form exi­stie­ren, zu der sie die Evo­lu­ti­on ge­trie­ben hat, sie wis­sen dar­über selbst nichts. Wir aber ha­ben ei­ne Wahl und wir ha­ben uns un­se­re Or­ga­ni­sa­ti­on selbst aus­ge­dacht.

    Und auch der Wert un­se­rer Exi­stenz ist (un­end­lich) hö­her als der der Tie­re an­zu­set­zen. Der Un­ter­schied be­steht hier dar­in, dass wir uns un­se­rer Exi­stenz be­wusst sind. Wir ha­ben ein Kon­zept der Zu­kunft, wir kön­nen un­se­re Ver­gan­gen­heit er­for­schen und wir an­ti­zi­pie­ren un­se­ren ei­ge­nen Tod. Aus die­ser Per­spek­ti­ve ist es für mich zum Bei­spiel ethisch ver­tret­bar, Tie­re zu tö­ten, wenn wir dar­aus ei­nen Nut­zen zie­hen. Wir müs­sen es nur schnell und schmerz­arm tun, denn was wir mit Tie­ren ge­mein­sam ha­ben, ist die Lei­dens­fä­hig­keit. Wir dür­fen sie al­so – da­zu ver­pflich­tet uns un­ser Be­wusst­sein – nicht grund­los und über­mä­ßig lei­den las­sen, weil wir wis­sen, was Lei­den ist, be­vor wir lei­den. Tie­re er­fah­ren Lei­den im­mer erst dann, wenn sie lei­den.

    Über die­sen Stand­punkt hin­aus ge­hen­de Ethi­ken sind schwer be­gründ­bar. Ich er­in­ne­re nur an die Kon­tro­ver­sen, die die The­sen von Pe­ter Sin­ger un­ter Ethi­kern aus­ge­löst ha­ben.

  58. Kön­nen wir uns als et­was Be­son­de­res an­se­hen?
    Die Fra­ge ist ein­fach zu be­ant­wor­ten, wenn wir uns dar­auf ei­ni­gen kön­nen, dass be­stimm­te Ei­gen­schaf­ten, die ein bio­lo­gi­sches Sy­stem mit kei­nem an­de­ren teilt, es vor die­sen an­de­ren aus­zeich­net.

    Die Kon­se­quen­zen, die man dar­aus ab­lei­tet, oder ab­lei­ten kann, ste­hen wie­der auf ei­nem an­de­ren Blatt. Die Be­wer­tung (In­ter­pre­ta­ti­on) ei­ner Fest­stel­lung (dass be­stimm­te Ei­gen­schaf­ten ein Sy­stem vor an­de­ren aus­zeich­net), er­gibt sich nicht aus ih­rer Exi­stenz.

    Kurz­um: Kein Sol­len aus dem Sein.

  59. Köpp­nicks Satz, dass wir die Wahl ha­ben, trifft m. E. ins Schwar­ze. Vie­les, was wir Tie­ren zu­schrei­ben (bspw. Staa­ten­bil­dung) be­ruht letzt­lich nur auf Pro­jek­tio­nen un­se­res Ver­hal­tens auf die be­ob­ach­te­ten Ver­hal­tens­for­men der Tie­re. Ei­ne Ar­bei­teramei­se hat (da­von ge­he ich ein­fach aus) kei­ne Kennt­nis ih­res Sta­tus als »Ar­bei­te­rin«. Ge­nau­so we­nig weiss sie, was sie tut bzw. ent­wickelt Al­ter­na­ti­ven. Das braucht sie im bio­lo­gi­schen Sinn auch gar nicht. Ihr »im­plan­tier­tes« Ver­hal­ten ist streng be­grenzt.

    Ob der »Wert un­se­rer Exi­stenz« (auch Köpp­nick) »un­end­lich hö­her« an­zu­set­zen ist als der der Tie­re, ist für mich da­mit nicht be­ant­wor­tet. Ich hal­te die­sen Satz für kühn, wenn auch voll­stän­dig ver­ständ­lich, wenn man ra­tio­nal (d. h. hier dann bio­lo­gi­stisch) denkt. Letzt­lich ver­hält sich der Vo­gel zum Re­gen­wurm ähn­lich: er ver­speist ihn. Er (der Vo­gel) hat aber kein Wer­te­sy­stem in sich, in dem er den »Wert« des Wurms fest­setzt. Er ver­speist ihn, weil er (fast ein biss­chen ka­lau­ernd zum Be­ginn des Kom­men­tars) kei­ne an­de­re Wahl hat.

    Ge­ra­de wenn man den Men­schen als her­aus­ge­ho­be­nes Tier de­fi­niert und im die­se her­vor­ra­gen­den Mög­lich­kei­ten at­te­stiert, soll­te man mit ihm durch­aus kri­tisch um­ge­hen.

  60. Wir kom­men viel­leicht auf ei­nen ge­mein­sa­men Nen­ner, wenn wir au­ßer un­se­rem (x) hö­he­ren Wert, weil uns die Zu­sam­men­hän­ge be­wusst sind, zu­gleich ak­zep­tie­ren, dass wir ei­ne (x) hö­he­re Ver­ant­wor­tung tra­gen, eben­falls, weil uns die Zu­sam­men­hän­ge be­wusst sind.

    Je­der kann für x in bei­den Fäl­len den­sel­ben für ihn wün­schens­wer­ten Wert ein­tra­gen. Für mich eben »un­end­lich«, weil wir mit un­se­rer Be­wusst­heit und dem Grad un­se­res Wir­kens auf die Öko­sphä­re prak­tisch die voll­stän­di­ge Ver­ant­wor­tung für das Le­ben auf der Er­de über­nom­men ha­ben. Aber zu die­ser Ver­ant­wor­tung ge­hört auch die für den Tod, denn die­ser ist Be­stand­teil jed­we­den Le­bens.

  61. @ Köppnick/Keuschnig
    Köpp­nicks Mo­dell ei­ner Ver­ant­wor­tungs-Wert-Funk­ti­on mit der Va­ria­ble x ist mei­ner An­sicht nach, ei­ne gu­te Me­tho­de, um mit der Exi­stenz ei­nes Le­be­we­sens um­zu­ge­hen.
    Da­bei ist aber zu be­ach­ten, dass Ver­ant­wor­tung nicht au­to­ma­tisch gleich Pflicht­er­fül­lung ist. Aus die­sem Grund soll­te man m.E. im­mer vor­sich­tig sein, wenn man über den Men­schen schwärmt. »kri­tisch um­ge­hen«, und ich se­he dar­in, KONTROVERS zu be­trach­ten, ist des­we­gen die be­ste Me­tho­den, um ei­nen ge­mein­sa­men Nen­ner zu er­rei­chen.

  62. Men­schen­bil­der
    @Count Le­crin: Von An­thro­po­lo­gie (von oben und un­ten) ha­be ich zu­er­sten mal in die­sem Buch ge­le­sen (hof­fent­lich klan­gen mei­ne Ge­dan­ken nicht zu ab­ge­ho­ben und dun­kel – es war der Ver­such mir über­haupt klar zu wer­den, wor­um es hier geht.. – die Trüm­mer mei­nes Welt­bil­des hab ich mir noch nicht wie­der zu­sam­men­ge­flickt; zu den lie­ben, lin­ken So­zi­al­ro­man­ti­kern wer­de ich wohl nicht zu­rück­keh­ren kön­nen, die ge­dank­li­chen Er­güs­se eli­tä­rer Be­sitz­stands­wah­rer a lá FAZ oder auch ZEIT er­wecken je­doch so­viel Ab­nei­gung, dass ich dort schlech­ter­dings mei­ne gei­sti­ge Hei­mat fin­den könn­te.. – bah, viel­leicht soll­te ich auch mal wie­der et­was nor­ma­ler schrei­ben..)
    @Keuschnig: Wenn man woll­te könn­te man bei der So­zia­li­sa­ti­on und den Staa­ten auch den Spieß um­dre­hen. Die Wer­te, die die je­wei­li­ge Ge­sell­schaft ge­wis­ser­ma­ßen in un­se­rer Hirn im­plan­tiert, in­wie­weit er­lan­gen wir über­haupt Be­wusst­sein dar­über? In­wie­weit ist es uns über­haupt mög­lich im Selbst-Be­wusst­sein die Um­stän­de der ei­ge­nen Wertbildung/Bewusstseinswerdung zu re­flek­tie­ren? Wenn wir dies nur un­ge­nü­gend kön­nen (und wie schnell Ideo­lo­gien, Ideen von un­se­rem Be­wusst­sein er­grei­fen, so dass der Ur­sprung un­se­rer Mei­nung uns ver­bor­gen bleibt), sind wir dann nicht eben­so Amei­se, de­ren Be­wusst­sein nur ein paar Tan­nen­na­deln hin- und her­be­wegt, wie un­se­re Ge­sell­schaft uns be­foh­len?
    @Köppnick: dem (x)-Variablenwert kann ich nicht so ganz fol­gen. Ging es nicht vor­her dar­um, dass Mensch und Tier ei­ne qua­li­ta­ti­ve Dif­fe­renz trennt. Das klingt für mich so ein biss­chen nach fuz­zy lo­gic – statt »Ja« oder »Nein«, ha­ben wir jetzt ei­nen kon­ti­nu­ier­li­chen Wert, der zwi­schen Tier und Mensch in­ter­po­liert.. Aber viel­leicht ist es ja auch so. Es gibt ja auch Tie­re, die ihr Spie­gel­bild er­ken­nen, oder an­de­re Ex­pe­ri­men­te, die so et­was wie ein schwa­ches Ich-Be­wusst­sein ver­mu­ten las­sen (lei­der ha­be ich das Rich­ti­ge jetzt nicht pa­rat, hof­fe je­mand kann das be­stä­ti­gen oder ver­wer­fen). Nur per­sön­lich se­he ich eben ei­ne Dif­fe­renz, wenn ich dann un­wi­der­bring­lich »da« bin (- Der Mensch west im Da).

  63. Spie­gel­test, Theo­ry of Mind und Emo­tio­nen beim Tier
    @ Phor­k­yas; Ih­ren Aus­füh­run­gen kann ich sehr gut fol­gen und schlie­ße mich vie­len der Ih­ri­gen Aus­sa­gen an. Zum Spie­gel­test fü­ge ich fol­gen­den Link ein http://de.wikipedia.org/wiki/Spiegeltest ( in dem wis­sen­schaft­li­chem Bei­trag der TU-Dres­den wird am Schluß dar­auf ein­ge­gan­gen) und zum The­ma Ge­fühls­welt beim Tier kam mir so­fort der Ele­fant in den Sinn, auch hier ein sehr in­ter­es­san­ter Ar­ti­kel zum The­ma Trau­er in der Wild­nis.
    Ne­ben dem Ar­ti­kel vom Ver­hal­tens­bio­lo­gen Nor­bert Sach­ser ver­dient auch das In­ter­view von Vol­ker Som­mer Be­ach­tung

    Sehr vie­len Tier­ar­ten ( Wa­le, Krähen/Rabenvögel, Pa­pa­gei­en, Hun­de, Kat­zen, usw.) kann man die Grund­la­ge des so­zia­len Ver­hal­tens zu­spre­chen und für mich ist da die Theo­ry of Mind – Sicht­wei­se sehr in­ter­es­sant (die bis­lang si­cher nur beim Men­schen be­kannt sein dürf­te). Die TU-Dres­den hat ei­nen sehr in­ter­es­san­ten wis­sen­schaft­li­chen Bei­trag ins Netz ge­stellt.

    Aus: Ani­mal Co­gni­ti­on – Tie­re, die den­ken, TU-Dres­den SS 2008
    Letzt­end­lich ist es stets ei­ne Fra­ge der De­fi­ni­ti­on in­wie­weit wir Tie­ren Den­ken zu­schrei­ben. Es ist je­doch fest­zu­hal­ten, dass es zwei­fels­oh­ne mentale/kognitive Pro­zes­se im Tier­reich gibt, die den
    Mensch­li­chen sehr ähn­lich sind und wir da­von aus­ge­hen kön­nen, dass nicht al­lein In­stink­te de­ren
    Le­ben be­stim­men

    Ich mer­ke beim Schrei­ben und Le­sen wie­der ein­mal, wie wich­tig sich der Mensch nimmt.
    Und wenn ich Ih­nen, Count Le­crin, ha­be rich­tig fol­gen kön­nen, dann wün­schen Sie sich ein be­wuss­te­res Um­welt­den­ken und den an­ge­mes­se­nen Re­spekt da­zu.
    Ich wün­sche mir das auch sehr!
    ( Ha­be üb­ri­gens ei­nen Kar­di­nal­feh­ler beim Er­stel­len mei­nes er­sten Bei­tra­ges ge­macht: Ihn nicht gleich ge­spei­chert. So­mit ist mei­ne er­ste Sei­te per­du! Aber noch­mals aus­führ­li­cher über die mo­der­ne Ver­hal­tens­for­schung, de­ren päd­ago­gi­schen Kon­se­quen­zen, Emo­tio­nen bei Säu­gern und Vö­gel und Ja­ne Goo­dall zu schrei­ben – ich pas­se).

  64. Die Grund­la­ge
    zu so­zia­lem Ver­hal­ten spre­che ich Tie­ren nicht ab. Ich glau­be aber nicht, dass Tie­re – wie Köpp­nick dies so schön aus­ge­drückt hat – die Wahl ha­ben.

    Das spricht al­les nicht ge­gen ei­ne ganz­heit­li­che Sicht auf die Na­tur und ei­ne de­mü­ti­ge­re Stel­lung des Men­schen dar­in. Das der Mensch sich »wich­tig« nimmt ist rich­tig. Und es wird nicht im­mer durch sein Ver­hal­ten ein­ge­löst. Ich hal­te aber im Rah­men der The­ma­tik hier ei­ne Dis­kus­si­on über Tier-/Men­schen­rech­te für eher kon­tra­pro­duk­tiv, auch wenn sie für sich ge­nom­men viel­leicht in­ter­es­sant ist.

    Ich glau­be näm­lich, dass das »Wich­tig­neh­men« des Men­schen un­ab­ding­ba­re Vor­aus­set­zung für so­zia­les mensch­li­ches Ver­hal­ten ist. Wird der Mensch »ent­mensch­licht«, gibt es die gröss­ten Ka­ta­stro­phen. (Wird er zum Göt­zen er­ho­ben, al­ler­dings ver­mut­lich auch.) Da­her hal­te ich den Bud­dhis­mus mit sei­ner Re­inkar­na­ti­ons­leh­re für ei­nen klu­ge Tak­tik: Da Wie­der­ge­bur­ten in al­le We­sen grund­sätz­lich mög­lich sind, be­geg­net man die­sen an­ders.

    (Ja, es ist un­be­dingt er­for­der­lich, län­ge­re Tex­te zwi­schen zu­spei­chern oder vor­zu­schrei­ben. Two­day schiebt den Schwar­zen Pe­ter auf den IE. Das ist al­ler­dings m. E. nur ein Teil der Wahr­heit.)

  65. #63 – Phor­k­yas
    Al­le Schrei­ber der FAZ und ZEIT sind Be­sitz­stands­wah­rer? Ent­schul­di­gen Sie die Po­le­mik, aber wel­ches Men­schen­bild ist das denn?

    (Ich hof­fe, ich ha­be da­mit aus­ge­drückt, wie ich das mei­ne: Pau­scha­li­sie­run­gen brin­gen in der ei­nen und an­de­ren Sa­che rein gar nichts.)

    Den Schluß, wir sei­en eben­so sehr Amei­se, kann ich nicht nach­voll­zie­hen, es sei denn, sie wal­zen so­fort al­le Dif­fe­ren­zen platt (dann stimmt es wie­der). Und da Sie sel­ber am En­de Heid­eg­ger zi­tie­ren (oder pa­ra­phra­sie­ren) ist Ih­nen ja durch­aus die Dif­fe­renz zwi­schen Da­sein und Sein ge­läu­fig.

  66. Pau­scha­li­sie­run­gen
    (@Keuschnig: Ja, die­se Bra­chi­al­pau­scha­li­sie­run­gen soll­te ich mir in der Tat spa­ren, wenn ich mich nicht ganz dis­qua­li­fi­zie­ren moech­te. – Mei­ne Fra­gen wa­ren viel­leicht auch noch sehr un­aus­ge­go­ren, selbst wenn ich ver­su­che zwi­schen­zu­spei­chern und all­zu gro­ben Un­sinn wie­der zu ent­fer­nen –
    Lei­der ist Ih­re Skep­sis ge­gen­ueber dem so hoch an­ge­setz­ten Men­schen­we­sen viel­leicht doch an­ge­bracht. Es koenn­te zur De­mut mah­nen, so et­was un­er­reich­bar Ho­hes zu­min­dest teil­wei­se selbst zu sein, aber das klappt ja schein­bar nicht ein­mal, wenn man statt­des­sen Gott auf die­sem hoech­sten al­ler Thro­ne setzt und an­be­ten laesst. Wir schla­gen uns ja im­mer noch die Koep­fe ein und miss­brau­chen die Bil­der und Ido­le..-
    Un­se­re Denk­ar­beit mit der Amei­se zu ver­glei­chen, war nicht so fruch­brin­gend. Ist un­ser Den­ken, wenn wir »Da« sind, doch klar und hell. Es ist nur die Fra­ge, ob es in un­se­rem Ge­sichts­feld des Be­wusst­sein nicht blin­de Flecken gibt (oder ob die­se Fra­ge zu dun­kel ist, als dass sie ueber­haupt sinn­voll sei). – Bleibt fuer das Be­wusst­sein nur die Tau­to­lo­gie, dass wir eben auf ein­mal »Da« sind, waeh­rend wir es vor­her nicht wa­ren? [»Der Mensch ist Mensch«])

  67. Sehr in­ter­es­san­ter Dis­kus­si­ons­strang
    Köpp­nicks Äu­ße­run­gen über den Wert und die dar­aus re­sul­tie­ren­de Ver­ant­wor­tung des Men­schen so­wie die Un­ter­schie­de zum Tier kann ich oh­ne Ein­wän­de un­ter­stüt­zen.
    Der Mensch hat sich, um es ein­mal in un­ge­nieß­ba­rer Ge­lehr­ten­pro­sa zu for­mu­lie­ren, von der dem Tier we­sen­haf­ten bio­lo­gi­schen De­ter­mi­niert­heit eman­zi­piert. Das Recht des Stär­ke­ren gilt bei uns eben nicht mehr (bzw. nicht im­mer), und wir ha­ben die Mög­lich­keit, uns über un­se­re ge­ne­tisch be­ding­ten Im­pul­se hin­weg­zu­set­zen.
    Darf ich ei­nen Er­klä­rungs­ver­such wa­gen (und mich da­bei in wei­ten Tei­len Freud an­schlie­ßen, wo­durch mei­ne Ar­gu­men­ta­ti­on zwei­fel­los ei­ne rie­sen­haf­te An­griffs­flä­che bie­tet)?
    Der Mensch wird, was die kör­per­li­che Lei­stungs­fä­hig­keit an­geht, in al­len Be­rei­chen von ir­gend­ei­nem Tier über­flü­gelt. Es war für un­se­re Vor­fah­ren im Über­le­bens­kampf des­halb not­wen­dig, sich »Pro­the­sen« (O‑Ton Freud) zu schaf­fen. Ge­le­gent­li­cher Werk­zeug­ge­brauch ist ins­be­son­de­re bei Af­fen nichts Un­ge­wöhn­li­ches. Die Lei­stung des Men­schen war es nun, den Werk­zeug­ge­brauch in ei­ner Wei­se zu in­sti­tu­tio­na­li­sie­ren, dass er da­mit das Recht des rein phy­sisch Stär­ke­ren dau­er­haft bre­chen konn­te. Auch die Do­me­sti­zie­rung von gro­ßen, kör­per­lich haus­hoch über­le­ge­nen Säu­ge­tie­ren (Rin­der, Pfer­de, Ele­fan­ten etc.) bzw. sol­chen, die dem Men­schen ge­fähr­lich wer­den kön­nen (z.B. Wöl­fe, Schwei­ne), ist letzt­lich ei­ne Über­win­dung des Rechts des Stär­ke­ren.
    Bei sei­nem Kampf ge­gen die feind­li­che Um­welt (wil­de Tie­re, Krank­hei­ten, Na­tur­ka­ta­stro­phen) wur­de es für den Men­schen im­mer wich­ti­ger, grup­pen­in­ter­ne Strei­tig­kei­ten bzw. ent­spre­chen­des Kon­flikt­po­ten­zi­al so weit wie mög­lich zu ban­nen bzw. auf mög­lichst scho­nen­de und vor­her­seh­ba­re Wei­se zu re­geln. Das Recht des Stär­ke­ren war in die­sem Zu­sam­men­hang na­tür­lich ein äu­ßerst kon­tra­pro­duk­ti­ves Da­mo­kles­schwert. Die Er­fin­dung ei­ner (in­ter­sub­jek­ti­ven) Mo­ral als ob­jek­tiv Gu­tes bzw. ei­nes für al­le ver­bind­li­chen Ge­set­zes (das sich nicht mit den ei­ge­nen In­ter­es­sen decken muss­te), war in die­ser Hin­sicht ein ge­nia­ler Schach­zug.
    Auch das In­zest­ta­bu – das an und für sich un­prak­ti­sche Ver­bot ge­schlecht­li­cher Be­zie­hun­gen in der ei­ge­nen Grup­pe (Fa­mi­lie, Clan) – ge­hört hier­her: Es sorg­te nicht nur da­für, dass frem­de Grup­pen mit­ein­an­der in freund­schaft­li­chen, fried­li­chen Kon­takt tre­ten muss­ten (sie­he auch Lé­vi-Strauss’ The­sen hier­zu) und da­durch ge­mein­sam ge­gen den äu­ße­ren Feind vor­ge­hen konn­ten, son­dern es ent­schärf­te auch ein po­ten­zi­el­les Kon­flikt­feld (Ri­va­len­kämp­fe um Se­xu­al­part­ne­rIn­nen bzw. das Recht zur Wei­ter­ga­be der ei­ge­nen Ge­ne) in­ner­halb der ei­ge­nen Grup­pe.
    Fa­zit: Der Auf­stieg des Men­schen wä­re oh­ne die Au­ßer­kraft­set­zung sei­ner bio­lo­gi­schen De­ter­mi­niert­heit nicht mög­lich ge­we­sen, zu­min­dest nicht in der hi­sto­ri­schen Form. Dies al­lein schon ist ein ge­wich­ti­ges Ar­gu­ment ge­gen so­zi­al­dar­wi­ni­sti­sche Theo­re­me.

  68. #68
    Der Auf­stieg des Men­schen wä­re oh­ne die Au­ßer­kraft­set­zung sei­ner bio­lo­gi­schen De­ter­mi­niert­heit nicht mög­lich ge­we­sen...
    Na­ja, so ganz ist die bio­lo­gi­sche De­ter­mi­niert­heit ja nicht aufzuheben...womit wir dann wie­der am An­fang wä­ren.

  69. #64 – lou sa­lo­me
    Ja, Sie ha­ben mir rich­tig fol­gen kön­nen! An sich bin ich aber gar nicht so ein prag­ma­ti­scher (oder ent­ar­tet gar ra­di­kal) Um­welt­freund, ich ha­be kei­ne Ein­wän­de da­ge­gen, dass et­wa Wa­le ge­fan­gen oder, wie be­reits von mir an­ge­spro­chen, gan­ze Amei­sen­ko­lo­nien aus­ge­löscht wer­den, man muss sich des­sen nur BEWUSST sein und sich da­von sein EIGENES Bild ma­chen, und nicht schlicht ei­ne kol­lek­ti­ve Mei­nung an­neh­men.

  70. »Klu­ge Tak­tik«
    @ Count Le­crin: lt. G.K.: „Da­her hal­te ich den Bud­dhis­mus mit sei­ner Re­inkar­na­ti­ons­leh­re für ei­ne klu­ge Tak­tik“, ge­nau das ist es in mei­nen Au­gen: ei­ne klu­ge Tak­tik. Ob ich jetzt ei­ne Re­li­gi­on für die­se Ein­sicht brau­che oder nicht, muss je­der für sich selbst fin­den. Denn, wie K.G. im obe­ren Bei­trag aus­drückt, die Be­geg­nung mit an­de­ren Exi­sten­zen lässt ei­nen an­de­ren Blick­win­kel zu, man be­geg­net ih­nen an­ders, be­wuss­ter. LG