Gestern Heribert Prantl im Interview in »Kulturzeit«. Er beklagt, dass der Staat den Bürger überall bevormundet und die »Freiheit« durch überzogene »Präventionsmassnahmen« einschränkt. Prantl versuchte eine Differenzierung – die Schäuble-Gesetzesentwürfe (die tatsächlich eine grundlegende Neudefinition des Rechtsverständnisses dieses Staates bedeuten würden) nicht in einen Topf zu schmeissen mit Rauchverbot und Diätdiskussion. Dass die Süddeutsche Zeitung wesentlichen Anteil an der alarmistischen »Deutschland-ist-zu-dick«-Diskussion durch Zitierung einer dubiosen Studie hat, wurde übrigens nicht thematisiert.
Politik
»Juristischer Pups«
Es ist schwierig, in der allgemeinen Skandalisierung um die Frankfurter Richterin, die dann flugs zum Beleg für die »Koranhörigkeit« der deutschen Justiz aufgeblasen wird, eine besonnene, ruhige Stimme zu finden, die sich dem allgemeinen Gegeifer nicht anschliesst. Selbst so liberale und normalerweise verantwortungsvolle Politiker wie Dieter Wiefelspütz von der SPD waren nicht vor vorschnellen Verurteilungen gefeit; da wollte wohl niemand zurückstehen.
Heribert Prantl stellt in der heutigen Ausgabe der »Süddeutschen Zeitung« klar, dass die »Affäre«, die (von den üblichen Verdächtigen liebend gerne) als »Kulturkampf« hochstilisiert wird, nur ein juristischer Pups ist.
Dabei lässt Prantl – natürlich! – keinen Zweifel daran, dass die Begründung der Richterin grober Unfug ist. Natürlich darf man sich nicht auf den Koran beziehen, der (je nach Auslegung) häusliche Gewalt rechtfertigen könnte. Aber Prantl stellt auch klar:
Egon Bahr wird 85

»Independent Jewish Voices« für eine differenzierte Betrachtung im Nahostkonflikt
Vor einigen Tagen meldete sich eine Gruppe britischer Juden (hierunter auch viele prominente Intellektuelle und Künstler wie beispielsweise der Historiker Eric Hobsbawm, der Filmemacher Mike Leigh, Schauspieler Stephen Fry, Literaturnobelpreisträger Harold Pinter und der Soziologe Richard Sennett) unter dem programmatischen Titel »Independent Jewish Voices« zu Wort. Ihre Erklärung wurde erstmalig im liberalen »Guardian« publiziert.
Bei den »Independant Jewish Voices« handelt es sich um einen (losen) Zusammenschluss. Ihre »Declaration« liest sich wie ein Befreiungsschlag gegen ein Establishment, von dem sie sich nicht mehr repräsentiert fühlen (Die Übersetzung erfolgte durch mich; sie ist weder autorisiert noch beansprucht sie alleinige Gültigkeit. Der gesetzte Link ermöglicht es jedem, den Wortlaut im Original zu lesen und selbst zu übersetzen.):
Ausraster
Wolfgang Schäubles Ausraster ereignen sich in Zyklen. Nicht nur Sabine Leutheusser-Schnarrenberger neulich fest, dass der Bundesinnenminister offensichtlich besessen ist von der Idee, die Bundeswehr im Inneren einzusetzen und hierfür notfalls sogar das Grundgesetz zu ändern. Ein entsprechender (erneuter) Vorstoss wurde jedoch nach fast einhelliger Ablehnung über die Parteigrenzen hinweg schnell wieder ad acta gelegt. Wiedervorlage bei Schäuble vermutlich in 3–4 Jahren.
Heisse Luft
Zum Vorschlag des Bundesinnenministers Schäuble, ein neues Luftsicherheitsgesetz auf den Weg zu bringen, welches durch die Feststellung eines »Quasi-Kriegszustand« den Abschuss beispielsweise eines Flugzeuges gestattet, das auf ein Gebäude ähnlich dem 11. Spetember 2001 zufliegt, wurde gestern der Bundestagsabgeordnete Volker Beck von Bündnis 90/Die Grünen zitiert: Der Gesetzgeber darf keine Lizenz zum Töten Unschuldiger in ...
Willkommen im Club
Ein reichlich ernüchternder Text (mit einem skurrilen Titel): »Sieg der Essiggurke« von Ivaylo Ditchev. Ditchevs Analyse der bereits vor der tatsächlichen Mitgliedschaft in der EU desillusionierten Bulgaren entspricht sicherlich den Tatsachen. Die »Halbwertzeit«, in der die Europäische Union noch Bürger zu begeistern vermag, hat in den letzten Jahren dramatisch abgenommen. Bereits bei der letzten EU-Erweiterung im Mai 2005 hielten sich in den Bevölkerungen vieler neuer Beitrittsländer (Polen; Tschechische Republik) EU-Gegner und EU-Befürworter die Waage. Inzwischen sind die Befürworter längst in der Minderheit.
Ditchevs Analyse, ein neuer Nationalismus stemme sich sozusagen einem legislativen Bürokratiemonster EU entgegen, während die Nationalregierungen bei der (nach wie vor fragilen) Demokratisierung der Gesellschaft versagen, mag für Länder wie Bulgarien zutreffen. Das beschriebene Phänomen ist aber in der gesamten EU virulent – auch bei Ländern, die der Gemeinschaft seit Jahrzehnten angehören.
Gespräch mit Mosche Zuckermann
Auf Telepolis gibt es ein bemerkenswertes Gespräch mit Mosche Zuckermann.
Mehrere Aspekte sind besonders interessant. Zum einen glaubt Zuckermann eher an einen Affekt der israelischen politischen Klasse, was den Libanon-Krieg angeht und widerspricht damit der These Hershs von einem lange vorbereiteten Schlag. »Time will tell«.
Desweiteren ist Zuckermanns Widerspruch hinsichtlich der Rubrizierung des (sogenannten) Islamismus als »faschistisch« (oder gar »nationalsozialistisch«) interessant: