Zum Vorschlag des Bundesinnenministers Schäuble, ein neues Luftsicherheitsgesetz auf den Weg zu bringen, welches durch die Feststellung eines »Quasi-Kriegszustand« den Abschuss beispielsweise eines Flugzeuges gestattet, das auf ein Gebäude ähnlich dem 11. Spetember 2001 zufliegt, wurde gestern der Bundestagsabgeordnete Volker Beck von Bündnis 90/Die Grünen zitiert: Der Gesetzgeber darf keine Lizenz zum Töten Unschuldiger in Gesetzesform gießen. Eine Gebrauchsanweisung für solche Situationen verbietet sich. Manche Situationen lassen sich einfach nicht vorausschauend vorwegnehmen, und ein ethisches Dilemma lässt sich auch nicht einfach durch Paragrafen auflösen.
In seiner Pressemitteilung warnt Beck den Gesetzgeber vor gesetzgeberischerer Hybris [der Schreibfehler ist dem Original entnommen].
Gegen Ende dann die interessante Äusserung: Der Gesetzgeber darf nur regeln, was im Falle eines nicht mit tatunbeteiligten Personen besetzten Flugzeuges, das gegen das Leben von Menschen eingesetzt werden soll, zu tun ist. Weiter kann und sollte er nicht gehen.
Also wenn im Flugzeug nur Täter sitzen, dann darf abgeschossen werden – und dann gilt die Menschenwürde nicht mehr? Wer stellt das fest? Und vor allem wie? Wer stellt fest, ob das Flugzeug mit tatunbeteiligten Personen besetzt ist? Was, wenn alle potentiellen tatunbeteiligten Personen tot sind oder ohnmächtig und vor einem eventuellen Aufprall auf ein Gebäude o. ä. nicht mehr erwachen? Und wie war das noch mit der Hybris des Gesetzgebers? Oder ist es nur eine Hybris eines opportunistischen Politikers?
Und merkwürdig dieser Gedächtnisverlust des Herrn Beck (und der gesamten grünen Partei), denn das Bundesverfassungsgericht hatte das noch von der rot-grünen Regierung verabschiedete (und von Herrn Köhler unterschriebene) Gesetz gestoppt.
Im Zweifelsfall zugunsten des Angeklagten
Vielleicht hat Herr Beck aus der Begründung der Ablehnung durch das BVG etwas gelernt. Ich habe mir gerade die damaligen Kommentare durchgelesen. Wie Schäuble jetzt auf den Gedanken kommen kann, mit seinem neuen Vorstoß durchzukommen, erscheint mir vollkommen unverständlich. Da nützt auch keine wie auch immer geartete Rechtskonstruktion etwas. Das alles scheitert schon an Artikel 1 des Grundgesetzes. Und den wird man ja nicht ändern wollen.
Artikel 1 des GG
kann nicht geändert werden. So steht es auch in der Wikipedia: Die in Artikel 1 (Menschenwürde) und Artikel 20 festgelegten Grundsätze, also der Kern staatlicher Grundordnung und der Grundrechte, dürfen in ihrem Wesensgehalt durch die verfassungsändernde Gewalt nicht geändert werden (Art. 79 Abs. 3; sog. »Ewigkeitsklausel«).
Warten wir’s mal ab. Möglich ist ja grundsätzlich alles.
Dein Gleichmut ist mir manchmal fast unheimlich.
Wie es der Zufall so wollte, war Herr Beck damals in Würzburg im selben Hotel wie ich untergebracht! Während ich schon frühstückte, die anderen Nenschen noch schliefen, gab Herr Beck ein paar Journalisten das erste Interview, es war ja gerade Wahlkampf. Mein flüchtiger Eindruck: Der Mann ist kein Dummkopf und kein Hinterbänkler im Bundestag. Natürlich ist er Politiker und kommt um ein bisschen Säbelrasseln je nach Position (Regierung – Opposition) nicht herum.
Zum Gleichmut habe ich einen schönen (sinngemäßen) buddhistischen (!) Spruch: »Wenn dir auf deiner Wanderung irgendwo ein Buddha begegnet, dann schlag ihn sofort tot – denn das kann nicht sein, dass dir ein Buddha begegnet.«
Artikel 1 GG kann nicht geändert werden: Das gilt nur, solange das Grundgesetz selbst erhalten bleibt. Da es eine Zeit vor dem GG gab und alles auf der Welt endlich ist, wird es auch eine Zeit nach dem GG geben. Es ist nicht die Frage »Ob?«, sondern nur die Frage »Wann?« und unter welchen Umständen.
Ich glaube auch nicht, dass Beck ein Dummkopf ist (mindestens nicht mehr als viele andere); darum geht es mir auch nicht.
Es geht mir um den in den letzten Monaten massiven Glaubwürdigkeitsverlust der (deutschen) Grünen. Das demonstriert sich u. a. auch in dieser Episode. Es gibt noch andere Punkte, wie beispielsweise die Einforderung des Nichtraucherschutzes durch Frau Künast, die jahrelang dies hätte möglich machen können, jedoch nichts getan hat und sich jetzt mit einer Packung Tabak fotografieren lässt oder das plötzliche bellizistische Auftreten von Trittin.