Hand­streich in Düs­sel­dorf

So macht man das in Düs­sel­dorf: Un­lieb­sa­me und un­pas­sen­de An­schau­un­gen wer­den ein­fach je nach Be­darf ent­fernt. Wie­der ein­mal geht es um den Hein­rich-Hei­ne-Preis, den die Stadt Düs­sel­dorf al­le zwei Jah­re ver­gibt. Die un­wür­di­gen und lä­cher­li­chen Ver­su­che, mit der die Stadt­po­li­tik 2006 die Um­set­zung ei­ner au­to­no­me Ju­ry-Ent­schei­dung für Pe­ter Hand­ke ver­hin­dern woll­te, sind noch all­seits nach­zu­schla­gen (bei­spiels­wei­se hier, hier und hier). Hand­ke be­en­de­te das un­wür­di­ge Spiel, mit ei­nem lau­ni­gen Text, der den Ver­zicht sug­ge­rier­te.

Sechs Jah­re spä­ter geht es um die Be­set­zung der Ju­ry für den Hei­ne-Preis. Nach dem Fi­as­ko 2006 war die Ju­ry­be­set­zung in ei­ner Sat­zungs­än­de­rung der­art ver­än­dert wor­den, dass 15 von 17 Ju­ro­ren di­rekt oder in­di­rekt von der Po­li­tik be­stimmt sind bzw. po­li­ti­sche Funk­tio­nen aus­üben. Die Re­ge­lung, dass die Stim­men der Fach­ju­ro­ren ei­ne hö­he­re Wer­tig­keit ha­ben, wur­de eben­falls ab­ge­schafft. Zum ak­tu­el­len Preis setz­te die re­gie­ren­de CDU/FDP-Ko­ali­ti­on ei­ne Sat­zungs­än­de­rung durch, in der auch die »Frei­en Wäh­ler«, die mit nach dem Über­tritt ei­nes »Re­pu­bli­ka­ners« mit drei Mit­glie­dern im Rat der Stadt sit­zen, ein Recht auf ei­nen Ju­ry­platz be­an­spru­chen durf­ten. SPD, Grü­ne und Lin­ke stimm­ten da­ge­gen – sie be­fürch­te­ten of­fen­bar, mit dem »bür­ger­li­chen« Über­ge­wicht nicht ge­nü­gend Ein­fluss zu ha­ben.

Jetzt ging der Är­ger rich­tig los.

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Ur­he­ber­recht und gei­sti­ges Ei­gen­tum. Ver­such ei­ner knap­pen und grund­sätz­li­chen Nä­he­rung.*

Bei­de Be­grif­fe, Ur­he­ber­recht und gei­sti­ges Ei­gen­tum, sind nicht als zeit­los gül­ti­ge Fest­schreibungen zu klä­ren, son­dern in­ner­halb ei­ner kon­kre­ten Ge­sell­schaft, ih­rem »Welt­bild«, ih­rer Kul­tur, ih­ren Wert­vor­stel­lun­gen, ih­ren öko­no­mi­schen Prak­ti­ken, ih­ren tech­ni­schen Mög­lich­kei­ten und dem gel­ten Recht. Es ist nicht nur denk­bar, dass an­de­re Zei­ten oder Men­schen nach an­de­ren Lö­sun­gen ver­lan­gen oder sie na­he le­gen, das war ge­wiss so und wird wie­der der Fall sein. Das ist mei­ne er­ste An­nah­me.

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Die PR-Ak­ti­vi­tä­ten der Ju­li­ja Ti­mo­schen­ko

Ei­ne wah­re PR-Schlacht sei da im Gan­ge, kom­men­tiert die ARD-Hör­funk­kor­re­spon­den­tin Chri­sti­na Na­gel – und da hat sie recht. Der »We­sten«, d. h. die­je­ni­gen, die sich als kon­se­quen­te Ver­tei­di­ger der Men­schen­rech­te ge­rie­ren (wenn es sich nicht ge­ra­de um Wirt­schafts­gi­gan­ten wie Chi­na han­delt), sind ge­ra­de­zu ent­zückt von die­ser Kon­stel­la­ti­on: Hier die Gu­te, die ar­me und kran­ke ehe­ma­li­ge Prä­si­den­tin Ju­li­ja Ti­mo­schen­ko – und dort der bö­se, dik­ta­to­ri­sche Rus­sen­freund Ja­nu­ko­witsch. Ti­mo­schen­ko ist we­gen Amtsmiss­brauchs in Haft (und mit ihr et­li­che Mit­glie­der der ehe­ma­li­gen Re­gie­rung). Ihr Pro­zess sei, so hört man über­all, »po­li­tisch mo­ti­viert«. Sug­ge­riert wird da­mit: Frau Ti­mo­schen­ko ist in Wirk­lich­keit un­schul­dig und wird nur auf­grund ih­rer kon­trä­ren po­li­ti­schen An­sich­ten ein­ge­sperrt.

In Ne­ben­sät­zen heißt es häu­fig: Ti­mo­schen­ko war kein En­gel. Soll hei­ßen: Sie hat durch Ego­zen­trik und Nar­ziss­mus jah­re­lang die Chan­cen der »Oran­ge­nen Re­vo­lu­ti­on« ver­spielt. Fast fünf Jah­re währ­te der po­li­ti­sche Streit mit dem an­de­ren Prot­ago­ni­sten die­ser Re­vo­lu­ti­on, Wik­tor Juscht­schen­ko. Prä­si­dent und Mi­ni­ster­prä­si­den­tin blockier­ten sich mit ih­ren kon­trä­ren Po­li­tik­ent­wür­fen zum Scha­den des Lan­des. Ti­mo­schen­ko ging 2009 so­gar ein Bünd­nis mit ih­ren Erz­ri­va­len Ja­nu­ko­witsch ein, um ih­re Macht zu fe­sti­gen bzw. zu er­hal­ten. Der Pakt hielt nicht lan­ge. 2010 ver­lor sie schließ­lich in der Prä­si­den­ten­stich­wahl knapp ge­gen Ja­nu­ko­witsch. Die Dis­kus­sio­nen über das Wahl­er­geb­nis sind schier end­los; am En­de gibt es acht Va­ri­an­ten. In al­len hat­te Ti­mo­schen­ko ver­lo­ren – die je­doch das Re­sul­tat nicht ak­zep­tie­ren woll­te. Schließ­lich galt sie selbst in den Ein­schät­zun­gen ihr lan­ge Jah­re wohl­wol­len­der US-Krei­se als »de­struk­tiv« und »macht­hung­ri­ge Po­pu­li­stin«. Sie wol­le, so die Ein­schät­zung von US-Di­plo­ma­ten in Kiew, lie­ber ein Op­fer sein, als ei­ne Ver­lie­re­rin« Und im Volk wur­de aus »Un­se­re Ju­li­ja« die »klei­ne­re von zwei Übeln«.

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»Ins Hel­le, in den Tag«

Über den groß­ar­ti­gen Dich­ter Flor­jan Li­puš und sein fun­keln­des Sprach­kunst­werk »Bošt­jans Flug« [...] Nur ganz kurz, zu Be­ginn, wird da schein­bar ei­ne Mär­chen­welt er­zählt. Ein Na­tur­idyll evo­ziert. Man wird in den (fik­ti­ven) Ort Te­sen ver­setzt und be­glei­tet ei­nen Jun­gen mit dem Na­men Bošt­jan bei Ge­hen über die We­ge des Wal­des. An der Kreu­zung zum auch ...

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Der Er­fin­der des ana­lo­gen Dau­ers­hits­torms

Zu Axel Cä­sar Sprin­ger wur­de ei­ni­ges ge­schrie­ben, ge­sagt und ge­filmt. Schließ­lich fei­ert man sei­nen 100. Ge­burts­tag. Zwar wür­den ei­nem bei nä­he­rem Nach­den­ken meh­re­re Per­sön­lich­kei­ten ein­fal­len, de­ren Ge­burts­tag zu fei­ern at­trak­ti­ver wä­re (Wer­ner Fin­ck, Gott­fried Benn, No­va­lis) – aber der 2. Mai 2012 ist nun zum Axel-Sprin­ger-Ge­dächt­nis­tag aus­ge­ru­fen wor­den. Ich neh­me, dass der/die In­ter­es­sier­te al­les not­we­ni­ge aus dem Bio­gra­phie­dschun­gel Sprin­gers her­aus­ge­fischt hat. Die Wel­le wird in ei­nem klei­nen Nach-Tsu­na­mi En­de Ju­ni noch ein­mal zu­rück­kom­men: Dann wird der 60. Ge­burts­tag der BILD ge­fei­ert.

Sprin­ger war al­so 40, als er den ana­lo­gen Dau­er-Shits­torm BILD er­fand und in die deut­sche Me­di­en­land­schaft press­te. Da­bei gab es die so­ge­nann­ten Bou­le­vard-Zei­tun­gen in Eu­ro­pa schon Jahr­zehn­te vor­her. Sie wa­ren mit­nich­ten Sprin­gers Er­fin­dung. Wenn über­haupt, so woll­te Sprin­ger den me­dia­len Re­duk­tio­nis­mus auf das nicht ge­schrie­be­ne Wort be­för­dern. In der Wirt­schafts­wun­der­zeit hat­te man we­nig Mu­ße lan­ge Ar­ti­kel zu le­sen. Hier­in liegt ei­ne ge­wis­se Lei­stung: Man kon­zi­pier­te ein Blatt, an dem be­reits der Na­me Pro­gramm war. Das al­les ge­schah zu­nächst voll­kom­men un­po­li­tisch: Ei­ne pho­to­gra­phier­te, täg­lich er­schei­nen­de Gar­ten­lau­be mit Klatsch und Tratsch.

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Frank Fi­scher: Welt­mül­ler

Frank Fischer: Weltmüller
Frank Fi­scher: Welt­mül­ler
Jo­han­nes Welt­mül­ler ist ein öster­rei­chi­scher Schau­spieler und Trä­ger Iff­land-Rings. Er wur­de von der be­kann­ten Nach­wuchs­re­gis­seu­rin Hen­ri­ke Zöll­ner für ih­re neue In­sze­nie­rung von Becketts »War­ten auf Go­dot« en­ga­giert. / In der Leip­zi­ger In­nen­stadt ist ein neu­es Kunst­werk mit dem Na­men »Län­der-Le­xi­con« sei­ner Be­stim­mung über­ge­ben wor­den. 192 Län­der wer­den durch 192 Ka­cheln mit je 10 mar­kan­ten Aus­sa­gen zum je­wei­li­gen Land sym­bo­li­siert. / Und ei­ne schlech­te Ko­pie der Ro­sen­ma­don­na des Ma­nie­ri­sten Fran­ces­co Maz­zo­la ge­nannt Par­mi­gia­ni­no wird bei Christie’s für 4.465 Pfund von ei­nem deut­schen Mu­se­ums­ku­ra­tor er­stei­gert.

Drei Kul­tur­er­eig­nis­se aus den Jah­ren 2010, 2007 und 2003 über die in aus­führ­li­chen Ar­ti­keln be­rich­tet wird. Recht schnell merkt der Le­ser, dass die­se Be­ge­ben­hei­ten ih­re Ge­schich­te ha­ben. / Welt­müller flüch­tet aus dem Schau­spiel­haus in ei­nem Ta­xi und ver­ur­sacht ei­nen Un­fall. / Die Tex­te der Ka­cheln des Kunst­wer­kes sind nicht nur kryp­tisch, son­dern va­ri­ie­ren so­gar auf selt­sa­me Wei­se ir­gend­wann. Aus­ge­rech­net auf der Ka­chel für Deutsch­land gibt es nicht zehn son­dern nur neun Hin­wei­se. Zu­dem di­stan­ziert sich der Künst­ler nicht nur von sei­nem Kunst­werk son­dern be­strei­tet so­gar sei­ne Ur­he­ber­schaft. / Und das Ori­gi­nal der Ro­sen­ma­don­na, wel­ches in Dres­den hängt, ent­puppt sich als Ko­pie, wäh­rend ei­ne als Ko­pie de­kla­rier­te Ro­sen­ma­don­na in Ita­li­en das Ori­gi­nal zu sein scheint.

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Pe­ter Wald­mann: Ter­ro­ris­mus – Pro­vo­ka­ti­on der Macht

Peter Waldmann: Terrorismus - Provokation der Macht
Pe­ter Wald­mann: Ter­ro­ris­mus – Pro­vo­ka­ti­on der Macht
Die­je­ni­gen, die sich mit ei­ner ge­nau­en und in­ten­si­ven Be­schäf­ti­gung über Ter­ro­ris­mus fast zwangs­läu­fig jen­seits von Hy­ste­rie und Af­fekt be­ge­ben, lernt der Me­di­en­nut­zer fast aus­schließ­lich über das Me­di­um Buch ken­nen. Hier be­steht (noch) die Mög­lich­keit, sich dif­fe­ren­ziert mit ei­nem Phä­no­men aus­ein­an­der­zu­set­zen, das in Wirk­lichkeit (fast) so alt ist wie die Mensch­heit. Nach den An­schlägen vom 11. Sep­tem­ber 2001 hat­ten Bü­cher über Ter­ro­ris­mus ei­nen kaum für mög­lich ge­hal­te­nen Boom er­fah­ren. Bis hin­ein in die po­pu­lär­wis­sen­schaft­li­che Li­te­ra­tur gilt nun das als un­ter­su­chens­wert, was ge­mein­hin frü­her als das häss­li­che Werk­zeug ei­ni­ger we­ni­ger fa­na­ti­sier­ter Spin­ner ab­ge­tan wur­de. Um­so zahl­rei­cher presch(t)en in den gän­gi­gen Me­di­en die so­ge­nann­ten »Ter­ro­ris­mus-Ex­per­ten« nach vor­ne, die je­doch mit zu­meist aus all­ge­mein zu­gäng­li­chen Quel­len zu­sam­men­ge­ba­stel­ten The­sen nur sehr ober­fläch­li­che Ana­ly­sen an­bie­ten und all­zu ger­ne in fahr­läs­sig kon­stru­ier­te Be­dro­hungs­sze­na­ri­en ver­fal­len.

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»Ab­ge­dro­sche­nes Nach­rich­ten­stroh«

Die In­for­ma­ti­ons­ma­schi­ne läuft mit un­er­hör­ter Prä­zi­si­on, mit un­er­hör­ter Schnel­lig­keit. Sie läuft. Das ist aber auch al­les. Denn im Grun­de ge­nom­men ist es Leer­lauf. Das kann nie­mand mehr ver­dau­en, nie­mand be­grei­fen. Das flu­tet an, be­täubt, af­fi­ziert, nimmt ge­fan­gen, stiehlt Zeit und raubt Selb­ständigkeit. Je­der wird mit ei­ner künst­li­chen Welt be­lie­fert. Denn man glau­be ja nicht, dass die­se Wort­her­den, die da ge­schwät­zig und ge­normt um den Erd­ball ge­trie­ben wer­den (…) nur noch ei­ne Spur von Wirk­lich­keit mit sich füh­ren. Das ist al­les er­bärm­lich aus­ge­dro­sche­nes Nach­rich­ten­stroh, das nur noch laut, sehr laut, ra­scheln kann.

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