Die PR-Ak­ti­vi­tä­ten der Ju­li­ja Ti­mo­schen­ko

Ei­ne wah­re PR-Schlacht sei da im Gan­ge, kom­men­tiert die ARD-Hör­funk­kor­re­spon­den­tin Chri­sti­na Na­gel – und da hat sie recht. Der »We­sten«, d. h. die­je­ni­gen, die sich als kon­se­quen­te Ver­tei­di­ger der Men­schen­rech­te ge­rie­ren (wenn es sich nicht ge­ra­de um Wirt­schafts­gi­gan­ten wie Chi­na han­delt), sind ge­ra­de­zu ent­zückt von die­ser Kon­stel­la­ti­on: Hier die Gu­te, die ar­me und kran­ke ehe­ma­li­ge Prä­si­den­tin Ju­li­ja Ti­mo­schen­ko – und dort der bö­se, dik­ta­to­ri­sche Rus­sen­freund Ja­nu­ko­witsch. Ti­mo­schen­ko ist we­gen Amtsmiss­brauchs in Haft (und mit ihr et­li­che Mit­glie­der der ehe­ma­li­gen Re­gie­rung). Ihr Pro­zess sei, so hört man über­all, »po­li­tisch mo­ti­viert«. Sug­ge­riert wird da­mit: Frau Ti­mo­schen­ko ist in Wirk­lich­keit un­schul­dig und wird nur auf­grund ih­rer kon­trä­ren po­li­ti­schen An­sich­ten ein­ge­sperrt.

In Ne­ben­sät­zen heißt es häu­fig: Ti­mo­schen­ko war kein En­gel. Soll hei­ßen: Sie hat durch Ego­zen­trik und Nar­ziss­mus jah­re­lang die Chan­cen der »Oran­ge­nen Re­vo­lu­ti­on« ver­spielt. Fast fünf Jah­re währ­te der po­li­ti­sche Streit mit dem an­de­ren Prot­ago­ni­sten die­ser Re­vo­lu­ti­on, Wik­tor Juscht­schen­ko. Prä­si­dent und Mi­ni­ster­prä­si­den­tin blockier­ten sich mit ih­ren kon­trä­ren Po­li­tik­ent­wür­fen zum Scha­den des Lan­des. Ti­mo­schen­ko ging 2009 so­gar ein Bünd­nis mit ih­ren Erz­ri­va­len Ja­nu­ko­witsch ein, um ih­re Macht zu fe­sti­gen bzw. zu er­hal­ten. Der Pakt hielt nicht lan­ge. 2010 ver­lor sie schließ­lich in der Prä­si­den­ten­stich­wahl knapp ge­gen Ja­nu­ko­witsch. Die Dis­kus­sio­nen über das Wahl­er­geb­nis sind schier end­los; am En­de gibt es acht Va­ri­an­ten. In al­len hat­te Ti­mo­schen­ko ver­lo­ren – die je­doch das Re­sul­tat nicht ak­zep­tie­ren woll­te. Schließ­lich galt sie selbst in den Ein­schät­zun­gen ihr lan­ge Jah­re wohl­wol­len­der US-Krei­se als »de­struk­tiv« und »macht­hung­ri­ge Po­pu­li­stin«. Sie wol­le, so die Ein­schät­zung von US-Di­plo­ma­ten in Kiew, lie­ber ein Op­fer sein, als ei­ne Ver­lie­re­rin« Und im Volk wur­de aus »Un­se­re Ju­li­ja« die »klei­ne­re von zwei Übeln«.

Was we­nig be­kannt ist: Ti­mo­schen­ko war ei­ne er­folg­rei­che Un­ter­neh­me­rin. Ihr Ver­mö­gen wur­de auf meh­re­re Hun­dert Mil­lio­nen US-Dol­lar ge­schätzt. Ti­mo­schen­ko hat­te sich zu­sam­men mit Ih­rem Mann aus klei­nen Ver­hält­nis­sen mit gu­ten Be­zie­hun­gen zur »ei­ge­nen Olig­ar­chin« hoch­ge­ar­bei­tet. Von 1995 bis 1997 war sie Che­fin des Energie­konzerns »UESU«. 1999 dann zwei Jah­re stell­ver­tre­ten­de Pre­mier­mi­ni­ste­rin un­ter Wik­tor Juscht­schen­ko und zu­stän­dig für den En­er­gie­sek­tor. Die po­li­ti­schen und öko­no­mi­schen Ver­flech­tun­gen wäh­rend ih­rer po­li­ti­schen Äm­ter mit dem Un­ter­neh­men, in dem ihr Mann an ver­ant­wort­li­cher Stel­le saß, sind schwer zu durch­schau­en. Ver­fil­zun­gen in die­ser Form sol­len ja nicht nur in der Ukrai­ne vor­kom­men (man den­ke an die nicht ganz klei­ne Zahl deut­scher Po­li­ti­ker, die vor und nach ih­ren po­li­ti­schen Äm­tern in die En­er­gie­wirt­schaft wech­sel­ten). Auch über den Ver­bleib von Ti­mo­schen­kos Ver­mö­gen gibt es kei­ne se­riö­sen In­for­ma­tio­nen. Im Ja­nu­ar 2012 bat Ti­mo­schen­kos Mann um po­li­ti­sches Asyl in Tsche­chi­en.

»TD In­ter­na­tio­nal«

Es ist schwer, die Ge­rüch­te für und ge­gen Ti­mo­schen­ko zu prü­fen. Viel Pro­pa­gan­da spielt da hin­ein. Na­tür­lich ist es in kei­nem Fall zu recht­fer­ti­gen, soll­te Ti­mo­schen­ko in der Haft ge­schla­gen oder ge­fol­tert wor­den sein. Aber viel­leicht sind die­se Mel­dun­gen auch Teil ei­ner PR-Stra­te­gie. Do­ku­men­te aus dem US-ame­ri­ka­ni­schen Ju­stiz­mi­ni­ste­ri­um zei­gen wie Ti­mo­schen­ko und ihr Par­tei (»Bloc of Yu­lia Ty­mos­hen­ko« – BYuT bzw. BJuT im deut­schen) jah­re­lang mit der ame­ri­ka­ni­schen PR-Agen­tur »TD In­ter­na­tio­nal« zu­sam­men­ge­ar­bei­tet hat. (Ei­ne PR-Fir­ma, die auch für Do­mi­ni­que Strass-Kahn tä­tig war: TDI-DSK.)

Ziel der Zu­sam­men­ar­beit zwi­schen TDI und BYuT war es

to in­ter­face wi­th U.S. Go­vern­ment of­fi­ci­als, mem­bers of the me­dia, busi­ness lea­ders and non-go­vern­men­tal or­ga­nizati­ons in or­der to ar­ti­cu­la­te, in a cleat and trans­pa­rent man­ner, the de­mo­cra­tic, mar­ket-ori­en­ted, an­ti-cor­rup­ti­on plat­form of BYuT to re­spec­ti­ve con­sti­tuen­ci­es in the United Sta­tes.

Zwi­schen 2007 und 2010 wur­den hier­für ins­ge­samt mehr als US$ 1,2 Mil­lio­nen in Rech­nung ge­stellt. Ne­ben »TD In­ter­na­tio­nal« wer­den auch die Fir­men »De­zen­hall Re­sour­ces« und »Glover Park Group« als Emp­fän­ger ge­nannt. Hier die Doku­mentation der Zu­sam­men­ar­beit zwi­schen »TDI« und »BYuT«: TDI-BYuT

US-ame­ri­ka­ni­sche PR-Fir­men müs­sen ge­mäß Ge­setz Auf­trä­ge von aus­län­di­schen Auf­trags­ge­bern mel­den. Die­se Da­ten wer­den dann ver­öf­fent­licht. Mit ein biss­chen Su­chen ist es kein Pro­blem, die­se Spu­ren auf­zu­neh­men. Da es sich nur um Vor­gän­ge aus den USA han­delt, kann man über die Ak­ti­vi­tä­ten eu­ro­päi­scher PR-Agen­tu­ren nur spe­ku­lie­ren. Es dürf­te je­doch kein Zu­fall sein, dass die An­ge­le­gen­heit jetzt, we­ni­ge Wo­chen vor der Fuß­ball-EM, the­ma­ti­siert wird und durch ih­re Ti­mo­schen­kos Toch­ter me­di­al be­glei­tet wird. Die Me­di­en sprin­gen be­reit­wil­lig auf die­sen Zug auf. Die »Zeit« for­der­te so­gar pla­ka­tiv »Ret­tet Ju­li­ja Ti­mo­schen­ko«. Über die Re­flex­haf­tig­keit bil­li­ger Boy­kott­auf­ru­fe em­pört sich so­gar Hans-Jür­gen Pa­pier, der Po­li­ti­kern vor­schlägt, in­sti­tu­tio­nell ge­gen das dik­ta­to­risch agie­ren­de Ja­nu­ko­witsch-Re­gime vor­zu­ge­hen. Ma­rie­lui­se Beck stellt klar, dass die Ukrai­ne nicht Chi­na ist; Op­po­si­ti­on ist in der Ukrai­ne mög­lich. Boy­kot­te las­sen die­se op­po­si­tio­nel­len Kräf­te am En­de voll­stän­dig al­lei­ne da­ste­hen.

PR-Ak­ti­vi­tä­ten dür­fen nicht per se ne­ga­tiv für den/die Auf­trag­ge­ber ge­wer­tet wer­den. Aber sie zei­gen an, mit wel­chen Mit­teln so­zu­sa­gen »hin­ter den Ku­lis­sen« agiert wird. Ju­li­ja Ti­mo­schen­ko ist ei­ne cha­ris­ma­ti­sche Per­sön­lich­keit, die es im­mer sehr ge­schickt ver­stan­den hat, sich zu in­sze­nie­ren. Na­tür­lich muss sie (wie auch al­le an­de­ren Op­po­si­tio­nel­len in der Ukrai­ne) mit der not­wen­di­gen Rechts­staat­lich­keit be­han­delt wer­den. Das soll aber den Me­di­en­kon­su­men­ten nicht zu vor­ei­li­gen Schlüs­sen ver­an­las­sen. Denn die Welt ist all­zu sel­ten nur schwarz oder weiß.

25 Kommentare Schreibe einen Kommentar

  1. Die Ti­mo­schen­ko­ar­ti­gen ha­ben sich nach der dra­ma­ti­schen Ver­än­de­rung ih­rer Ha­bi­ta­te wie­der über die ge­sam­te Re­gi­on ver­brei­tet. Un­ter­schei­den muss man zwi­schen de­nen, die schnell wie­der ei­ne öko­lo­gi­sche Ni­sche be­set­zen konn­ten, sie aber wei­ter­hin ge­gen star­ke Kon­kur­renz ver­tei­di­gen müs­sen und der an­de­re Grup­pe, die nicht di­rekt ei­nen neu­en Platz ge­fun­den hat. Die zwei­te Grup­pe ist in ei­ne Sym­bio­se ein­ge­tre­ten und er­nährt sich im we­sent­li­chen von Györ­gy Schwartz, muss­te sich aber auf Grund der neu­en Nah­rung stark an­pas­sen. Wäh­rend die er­ste Grup­pe im we­sent­li­chen lo­ka­le Balz­ge­sän­ge ver­wen­det, hat die zwei­te das weit ver­brei­te­te Busi­ness Eng­lish über­nom­men und kann dar­an gut er­kannt wer­den.

    Die Ti­mo­schen­ko­ar­ti­gen sind nur ei­ne Un­ter­gat­tung. Die Ex­em­pla­re der Gat­tung sind Ge­ne­ra­li­sten und man fin­det sie in al­len Re­gio­nen der Welt. Wer sie er­for­schen möch­te, folgt der Spur der Nah­rung, die fast aus­schließ­lich aus Macht und Geld be­steht. Ein be­son­de­res Merk­mal ist, dass das Ge­fie­der mor­gens (Son­ne im Osten) ei­ne an­de­re Fär­bung an­nimmt als am Abend (vice ver­sa). Am be­mer­kens­wer­te­sten je­doch ist die in der Fau­na sonst un­be­kann­te Ei­gen­schaft ka­ta­ly­tisch zu wir­ken, was das In­ter­es­se an­de­rer Ar­ten er­klärt.

  2. Ich ken­ne mich mit den po­li­ti­schen Ver­hält­nis­sen in der Ukrai­ne nicht aus, ah­ne aber, dass es dort hin­sicht­lich De­mo­kra­tie und Men­schen­rech­ten nach un­se­rem Ver­ständ­nis er­heb­li­che De­fi­zi­te gibt, so, wie in all die­sen Staa­ten der ehe­ma­li­gen UDSSR. Ich bin mir aber auch si­cher, dass sich kein Schwein bei uns für die­se Frau Ti­mo­schen­ko in­ter­es­sie­ren wür­de, wä­re sie so fo­to­gen wie z.B. un­se­re Bun­des­kanz­le­rin. Das ar­me Blond­chen mit der so herr­lich alt­mo­di­schen Zopf­fri­sur, lei­dend, ja, fast dem To­de nah, und ih­re schö­ne Toch­ter – tol­le Bil­der und ei­ne zu Trä­nen rüh­ren­de Sto­ry. Ei­ne Me­di­en­land­schaft, die mitt­ler­wei­le selbst ei­ne BILD-Kam­pa­gne für me­di­en­preis­wür­dig hält, lässt sich so ei­ne herz­zer­rei­ßen­de Ge­schich­te doch nicht ent­ge­hen. Wen in­ter­es­sie­ren da noch Fak­ten und Hin­ter­grün­de?

  3. @Peter
    Net­ter Kom­men­tar.

    @blackconti
    Die Fra­ge kann man fast wört­lich neh­men: Die Re­so­nanz auf die­sen Bei­trag ist aus­ge­spro­chen ge­ring. Ko­misch.

  4. Mich er­reicht die­ses Nach­rich­ten­stroh nur noch ober­fläch­lich. Ich neh­me zur Kennt­nis, dass ei­ne neue Sau durchs Dorf ge­trie­ben wird, le­se jetzt bei Ih­nen, dass the pit bull of pu­blic re­la­ti­ons(De­zen­hall Re­sour­ces) sei­ne Fin­ger im Spiel hat und wen­de mich an­ge­wi­dert ab. Ech­te Af­fek­te löst so et­was ne­ben Trüb­sal nicht mehr aus.

    Ich be­wun­de­re die Men­schen, die noch mit Ver­ve ver­su­chen die Ma­chen­schaf­ten aus ech­tem jou­na­li­sti­schem Drang auf­zu­decken. Aber wo­zu? Wenn ich Klas­sen­spre­cher Phil­ipp Lahm hö­re, der sich mit ge­wich­ti­gen Wor­ten von der Ver­schmut­zung des Schul­ho­fes durch schlim­mes Ge­sin­del di­stan­ziert hat (di­stan­zie­ren muss­te), schä­me ich mich nur noch für die gan­ze Mensch­heit, die gleich­zei­tig 100.000 Men­schen pro Tag ver­hun­gern lässt.

    Sie ha­ben bis­her nur ei­ni­ge In­for­ma­tio­nen in den Raum ge­stellt, sie aber nicht kom­men­tiert. Was glau­ben Sie denn, wer wel­che Agen­da hat und wer tat­säch­lich die Fä­den zieht?

  5. @Peter
    Ich glau­be, durch die Zur­ver­fü­gung­stel­lung des­sen, was ich ge­fun­den ha­be, ha­be ich schon im Rah­men der Mög­lich­kei­ten kom­men­tiert. Ich hal­te es nicht für ei­nen Zu­fall, dass Frau Ti­mo­schen­ko we­ni­ge Wo­chen vor der EM in den Me­di­en auf­taucht. Das In­for­ma­ti­ons­ma­te­ri­al, wel­ches die Jour­na­li­sten er­hal­ten, dürf­te maß­geb­lich von PR-Agen­tu­ren auf­be­rei­tet wor­den sein.

    Dies ah­nend (nicht wis­send) läßt mich an vie­len an­de­ren schein­ba­ren so selbst­ver­ständ­li­chen Ur­tei­len zwei­feln. Wo­bei ich al­ler­dings kei­nen zwei­fel ha­be, dass die po­li­ti­sche Ent­wick­lung dort re­stau­ra­tiv ist und dik­ta­to­ri­sche Zü­ge nimmt. Hier­zu hat aber Ti­mo­schen­ko min­de­stens in­di­rekt bei­getra­gen, in dem sie die Chan­cen in den Nach-Re­vo­lu­ti­ons­jah­ren nicht ge­nutzt hat, son­dern ih­ren Ego-Trip fuhr.

  6. Dan­ke, ich wer­de mir das aber noch ge­nau­er an­se­hen müs­sen.

    Den Skep­ti­zis­mus be­züg­lich der me­dia­len Ver­fasst­heit kann ich nicht ganz tei­len, mir ist das zu sehr aus ei­ner wis­sen­den Po­si­ti­on ge­se­hen, zu ein­fach und pla­ka­tiv.

    Es gibt im­mer noch weit mehr qua­li­ta­tiv gu­te Ar­ti­kel als ich le­sen kann und auch der er­ste An­stoß (oder Hin­weis), dass Frau Ti­mo­schen­ko hier mög­li­cher­wei­se sehr ge­schickt in­sze­niert, stammt aus ge­nau den Me­di­en, die das zu­erst ver­brei­tet hat­ten. — Man soll­te viel­leicht erst am En­de der De­bat­te ur­tei­len.

    Gut fin­de ich, dass das The­ma wie­der Auf­merk­sam­keit ge­fun­den hat, dass es Boy­kott­ge­dan­ken gibt, die viel­leicht, das wä­re zu hof­fen, nicht mor­gen schon wie­der ver­ges­sen sind, weil sie aus wirt­schaft­li­cher Sicht un­an­ge­nehm wer­den könn­ten. Und frei­lich, Ti­mo­schen­ko müss­te et­was aus dem Fo­kus ge­ra­ten und die all­ge­mei­ne Si­tua­ti­on the­ma­ti­siert wer­den.

  7. Ich wäh­le mit der El­fen­bein­kü­ste (Ouat­ta­ra gut, Gbag­bo bö­se) und Sim­bab­we (Ts­van­gi­rai gut, Mu­ga­be bö­se) mal will­kür­lich zwei Re­gio­nen aus, in de­nen ana­lo­ge Vor­gän­ge zu be­ob­ach­ten wa­ren. Die Ge­samt­zahl ist Le­gi­on.

    Nicht das ei­ner der Schur­ken falsch be­ur­teilt wird, aber der Geg­ner wur­de hier wie dort me­di­al zum Heils­brin­ger sti­li­siert, ob­wohl er of­fen­sicht­lich ge­nau­so kor­rupt war wie al­le an­de­ren auch. Die­se stra­te­gi­schen Di­cho­to­mien sind die Kon­stan­te. Man glaubt manch­mal noch den Stell­ver­tre­ter­krie­gen des Kal­ten Krie­ges bei­zu­woh­nen.

    P.S.: Im ame­ri­ka­ni­schen Wahl­kampf sind auf Grund von Ge­set­zes­än­de­run­gen die­se PR-Mon­ster wie Pil­ze aus dem Bo­den ge­schos­sen. Gibt es bei »TD In­ter­na­tio­nal« even­tu­ell das er­wei­ter­te Im­pres­sum?

  8. @metepsilonema
    Ich stel­le die The­se auf, dass uns oh­ne die Fuß­ball-EM die Ver­hält­nis­se in der Ukrai­ne kaum der­art in­ten­siv na­he­ge­bracht wür­den (ich re­de jetzt von deut­schen Me­di­en; die an­de­ren ver­mag ich nicht zu be­ur­tei­len). Und eben we­gen die­ser EM setzt Frau Ti­mo­schen­ko auch zu die­ser Of­fen­si­ve an. Das ist zu­nächst ein­mal op­por­tun, be­kommt dann aber eben durch die Vor­ge­schich­te skur­ri­le Zü­ge. Ich er­war­te von den Me­di­en, dass sie nicht nur die Fra­gen in Rich­tung des ak­tu­el­len Prä­si­den­ten der Ukrai­ne stel­len (der das Land wohl suk­zes­si­ve in ei­ne – viel­leicht »kom­mo­de« Dik­ta­tur? – über­führt), son­dern auch die Re­gent­schaft von Frau Ti­mo­schen­ko und ih­rem Clan un­ter­su­chen. Das ge­schieht je­doch nicht bzw. kaum. Statt­des­sen wer­den ih­re Stim­mungs­schwan­kun­gen (Klink­auf­ent­halt ja oder nein?) fast im Stun­den­takt ge­mel­det.

    Du­bi­os da­bei auch ih­re Macht­spie­le noch aus der Ge­fäng­nis­zel­le her­aus. Wo sind die an­de­ren Op­po­si­tio­nel­len in der Ukrai­ne? Was ist mit an­de­ren Ex-Mit­glie­dern der Re­gie­rung, von de­nen ei­ni­ge eben­falls ver­haf­tet und ver­ur­teilt wur­den?

    Vor­ge­stern gab es ei­nen Be­richt über Ti­mo­schen­kos Toch­ter auf dem Weg ins Ge­fäng­nis. Sie woll­te ih­re Mut­ter über­re­den den Hun­ger­streik zu be­en­den. Der Toch­ter wur­de vom deut­schen Re­por­ter ei­ne Fra­ge zu­ge­steckt (im Au­to auf ei­nem Pa­pier), die sie ih­rer Mut­ter stel­len soll. Bril­lant in­sze­niert – ein Kas­si­ber so­zu­sa­gen und der deut­sche TV-Zu­schau­er ist da­bei. Die Fra­ge, die der­art phy­sisch prä­sent ge­stellt wur­de lau­te­te sinn­ge­mäss: Wie be­ur­teilt Ju­li­ja Ti­mo­schen­ko die Re­ak­tio­nen des Aus­lands, die Boy­kot­te? – Die Ant­wort fiel na­tür­lich so aus, wie man es woll­te: Ih­re Mut­ter sag­te, so die Toch­ter, der We­sten ma­che al­les rich­tig. Da­bei wa­ren na­tür­lich mas­sig Ka­me­ras da­bei um die­se Seg­nung der Heils­brin­ge­rin per­sön­lich auf­zu­neh­men. So son­nen sich al­so die Men­schen­rechts­hyä­nen in ih­rer Selbst­ge­rech­tig­keit; auch ih­nen ist letzt­lich die Sa­che mehr oder we­ni­ger gleich­gül­tig.

    Ver­zeih, wenn ich nur Spott für die­ses in­sze­nier­te Schmie­ren­thea­ter üb­rig ha­be. Ich be­haup­te: Frau Ti­mo­schen­ko geht es nicht pri­mär um die ukrai­ni­sche De­mo­kra­tie und um ih­re Freun­de, die eben­falls im Ge­fäng­nis sit­zen. Es geht ihr nur um sich – und zwar nicht nur als Per­son, son­dern als Macht­fak­tor.

    Die­ses Boy­kott­ge­re­de ist die pu­re Heu­che­lei. Frau Mer­kel er­öff­net mit dem chi­ne­si­schen Pre­mier­mi­ni­ster Wen die Han­no­ver-Mes­se. Nie­mand lei­stet sich ernst­haf­te di­plo­ma­ti­sche Pro­ble­me mit Chi­na (sie­he die Af­fä­re mit dem blin­den Bür­ger­recht­ler). Die Ukrai­ne ist ein po­li­ti­sches und öko­no­mi­sches Leicht­ge­wicht. Da wirkt ein sol­ches En­ga­ge­ment – sprich: Boy­kott – wohl­feil und bil­lig.

    Zu­mal ein Boy­kott ei­gent­lich im­mer erst die Ul­ti­ma Ra­tio sein soll­te. Noch gibt es ei­ne halb­wegs freie Op­po­si­ti­on in der Ukrai­ne. Schot­tet man sich ab, so ver­stärkt man noch den Ef­fekt, den man ei­gent­lich ver­hin­dern möch­te (hö­re auch Mo­ritz Rin­ke, Ka­pi­tän der deut­schen Fuß­ball­na­tio­nal­mann­schaft der Schrift­stel­ler: hier auf SWR2; down­load, mp3).

    (In zwei Wo­chen gibt es die­sen un­se­li­gen Lie­der­wett­be­werb – in Aser­bei­dschan. Als hät­te man es nicht vor­her wis­sen kön­nen, ent­deckt man plötz­lich die fra­gi­le Si­tua­ti­on der Men­schen­rech­te in die­sem Land. Wenn schon Sport­in­sti­tu­tio­nen in­fol­ge ih­rer kor­rup­ten Struk­tu­ren re­gel­mä­ssig dar­an schei­tern, Mi­ni­mal­an­sprü­che an Aus­rich­ter zu stel­len, so soll­te die EBU als Ver­an­stal­ter die­ses Schau­spiels ein­fach Län­der mit De­mo­kra­tie­de­fi­zi­ten ban­nen. Dann hät­te es we­der ei­ne Ver­an­stal­tung in Bel­grad noch in Russ­land ge­ge­ben.)

    @Peter
    Ne­ben TDI gibt es noch di­ver­se an­de­re PR-Agen­tu­ren, die un­ter an­de­rem für Län­der und de­ren Pro­pa­gan­da in den USA agie­ren. Bspw. »Ru­der Finn« oder »Jef­fer­son Wa­ter­man In­ter­na­tio­nal« (hier ei­ni­ge Kun­den; und hier ein Hin­weis zu JWIs En­ga­ge­ment in der El­fen­bein­kü­ste). Die Ju­go­sla­wi­en­krie­ge in den 90er Jah­ren wur­den auch an die­ser »Front« ge­führt. Mit den be­kann­ten Kon­no­ta­tio­nen.

  9. Die ukrai­ni­sche Re­gie­rung wird von Bur­son-Mar­stel­ler un­ter­stützt, der PR-Agen­tur des Teu­fels, der zahl­lo­se Dik­ta­to­ren (z. B. Ceauces­cu, ar­gen­ti­ni­sche Mi­li­tär-Jun­ta) aber auch Phil­ipp Mor­ris (Ni­ko­tin ist nicht krebs­er­re­gend), BP (Öl­ka­ta­stro­phe im Me­xi­ka­ni­schen Golf), EXXON (Exxon Val­dez), Uni­on Car­bi­de (Bho­pal), Bab­cock & Wil­son (Nu­kle­ar­un­fall Th­ree Mi­le Is­land) etc. ver­trau­en oder er­traut ha­ben.
    Dass die Dis­kus­si­on um Ti­mo­schen­ko kaum Re­so­nanz in den US-ame­ri­ka­ni­schen Me­di­en hat, ist wahr­schein­lich de­ren Ver­dienst (und der ei­nes pro­fes­sio­nell ge­führ­ten Au­ßen­mi­ni­ste­ri­um, das sich nicht in ir­gend­wel­che Dia­do­chen-Kämp­fe hin­ein­zie­hen las­sen will).
    Die Ti­mo­schen­ko-Af­fä­re scheint ja vor al­lem ein deut­sches Me­di­en-Ding zu sein – und des Au­ßen­mi­ni­ste­ri­ums. Ver­rück­ter­wei­se hat ja kein ein­zi­ger deut­scher ÖF-Sen­der ei­nen Kor­re­spon­den­ten re­gel­mä­ßig vor Ort. Das heißt: Die sind für sol­che Num­mern ver­mut­lich kom­plett auf die PR-Li­ai­sons an­ge­wie­sen, weil sie kaum ei­ge­ne Kon­tak­te ha­ben, die sie ein­schät­zen kön­nen. Und ge­nau so sieht die Be­richt­erstat­tung auch aus.
    Ich bin im­mer wie­der er­staunt, wie we­nig of­fen­sicht­lich das Me­di­en-Sy­stem aus sol­chen Be­richt­erstat­tungs­de­sa­stern wie zu den Ju­go­sla­wi­en-Krie­gen, zu den Irak-Krie­gen, zu Af­gha­ni­stan lernt. Mitt­ler­wei­le den­ke ich, dass das wirk­lich sy­ste­misch ist: Die kön­nen nichts an­de­res mehr als Spek­ta­kel und Er­re­gungs­kur­ven zu pro­du­zie­ren, Auf­klä­rung wird (von den mei­sten jour­na­li­stisch be­tei­lig­ten be­stimmt ganz oh­ne bö­se Ab­sicht, son­dern aus pro­fes­sio­nel­le De­for­ma­ti­on) tat­säch­lich ef­fek­tiv hin­ter­trie­ben.
    Dass die rus­si­sche Re­gie­rung und AN­ti-ame­ri­ka­ni­sche Krei­se in Deutsch­land die mei­sten der so ge­nann­ten »Far­ben-« und »Blu­men-Re­vo­lu­tio­nen« in Ost­eu­ro­pa und den Kau­ka­sus-Staa­ten für PR-ge­trie­be­ne, CIA-fi­nan­zier­te Ope­ra­tio­nen hal­ten, ist nicht nur Pa­ra­noia.

  10. @Doktor D
    Vie­len Dank für den Hin­weis auf Bur­son-Mar­stel­ler.

    Die be­ste PR wird ver­mut­lich so vor­ge­bracht, dass sie als »In­for­ma­ti­on« her­aus­kommt. Aus­lands­kor­re­spon­den­ten kön­nen un­mög­lich an al­len Brenn­punk­ten sein (Sie er­wäh­nen das ja) und sind auf der­ar­ti­ge Brie­fings fast an­ge­wie­sen. Ein Au­gen­öff­ner ist da Jo­r­is Luy­en­di­jks Buch »Wie im ech­ten Le­ben«. Zu­dem passt die Ge­schich­te der blon­den, hilf­lo­sen Frau vor al­lem auch vi­su­ell per­fekt. Da das Land öko­no­misch prak­tisch un­in­ter­es­sant ist, kann man sich hier be­son­ders gut pro­fi­lie­ren. Schon mit Us­be­ki­stan und Ta­dschi­ki­stan ist man vor­sich­ti­ger (Af­gha­ni­stan-Ein­satz!); von Russ­land und Chi­na gar nicht erst zu re­den. Wenn es tat­säch­lich um Men­schen­rech­te gin­ge, müss­te man auch längst mit den USA an­ders »re­den«. Macht na­tür­lich nie­mand.

    Ich ha­be nichts ge­gen PR-ge­steu­er­te Re­vo­lu­tio­nen; ich glau­be ir­gend­wie ist das im­mer al­les auch ge­steu­ert wor­den. So ist der Gang der Din­ge. Ich fin­de nur, dass ge­ra­de die se­riö­sen Me­di­en zu schnell und zu oft die not­wen­di­ge Neu­tra­li­tät ver­las­sen und nur noch sehr ober­fläch­lich be­rich­ten. Das ist – Zeit­druck hin, Quo­ten­druck her – nicht zu ver­zei­hen.

  11. Dan­ke für den Buch-Tipp!
    Seit dem ich re­gel­mä­ßig er­le­ben darf (ich ma­che »was mit Me­di­en«), mit was für ei­nem Auf­wand an Mensch und Ma­te­ri­al die ÖRs völ­lig be­lang­lo­se Life­style- und Sport-Events be­glei­ten, se­he ich die re­gel­mä­ßi­gen Kür­zun­gen bei Zahl und Res­sour­cen der Kor­re­spon­den­ten ex­trem kri­tisch. Das macht auf mich schon den Ein­druck, als ha­be man im Grun­de den ÖR-Auf­trag auf­ge­ge­ben. Und viel­leicht ist das Fern­se­hen auch da­für wirk­lich das un­ge­eig­n­te­ste Me­di­um, den Ver­dacht he­gen ja Me­di­en-Theo­re­ti­ker im­mer mal wie­der.
    Zum Maul­hel­den­tum der Me­di­en: Er­in­nert sich noch je­mand an den Eklat, wäh­rend der Er­öff­nung der Auf­klä­rungs-Aus­stel­lung in Pe­king? Da ha­ben sich ei­ni­ge Ver­tre­ter der deut­schen In­du­strie nicht ent­blö­det, ei­nen Jour­na­li­sten, der we­gen der Aus­la­dung von Til­man Speng­ler nach­hak­te, aus­zu­bu­hen. Auf die Na­men der Un­ter­neh­men, die von die­sen Krea­tu­ren ver­tre­ten wer­den, war­ten wir noch heu­te. Da­bei dürf­te bei die­ser Pres­se­kon­fe­renz so ziem­lich je­des gro­ße deut­sche Me­di­um da­bei­ge­we­sen sein.

  12. @Doktor D
    Die Speng­ler-Sa­che hat­te ich auch schon längst wie­der ver­ges­sen. Die­ses Nach­ge­ben war ei­ne Ka­ta­stro­phe und ei­ne Bank­rott­erklä­rung für Mei­nungs- und Pres­se­frei­heit.

    Ich ver­mu­te auch, dass die ÖR längst ih­ren »Auf­trag« wenn nicht ver­ges­sen, so doch er­folg­reich ver­drängt ha­ben. Sie la­gern ja neu­er­dings so­ge­nann­te an­spruchs­vol­le Pro­gram­me in di­gi­ta­len Ka­nä­len aus; noch jen­seits von 3sat, ar­te und phoe­nix . Da ich sie nicht emp­fan­gen kann, ver­mag ich die­se Qua­li­tät nicht zu be­ur­tei­len, hal­te das je­doch für ei­nen Skan­dal. Es müss­te um­ge­kehrt sein: Sport­ver­an­stal­tun­gen und Events müss­ten aus­ge­la­gert wer­den. (Das sa­ge ich, ob­wohl mich Fuß­ball in­ter­es­siert – aber die Sport-Wo­chen­en­den ins­be­son­de­re im Win­ter sind schon ei­ne Ka­ta­stro­phe.) Pas­siert na­tür­lich nicht we­gen der Quo­te.

    (Ha­be Ih­ren Kom­men­tar kor­ri­giert und den Kor­rek­tur­kom­men­tar ge­löscht. Hof­fe, das war okay.)

  13. Die Ein­schrän­kung der Rech­te von NGOs in Russ­land vor ei­ni­gen Jah­ren hat­te si­cher­lich prak­ti­sche Grün­de, im Ge­gen­satz zu dem was uns weiß ge­macht wur­de. Das glei­che war ver­mut­lich die Ur­sa­che für die Über­grif­fe in Ägyp­ten. Die Bü­ros der Kon­rad-Ade­nau­er-Stif­tung zu durch­su­chen war me­di­al schlim­mer be­leu­mun­det als den Papst mit Da­menslips zu be­wer­fen. PR mit Ar­gu­men­ten wä­re zu ver­kraf­ten, aber PR mit Mil­lio­nen nicht.

  14. @Peter und Gre­gor
    Dass es De­fi­zi­te in der me­dia­len Be­richt­erstat­tung – Ab­schrei­ben von Agen­tur­mel­dun­gen, Re­duk­ti­on von Kor­re­spon­den­ten, schlech­te Re­cher­che, u.a. – gibt, ist un­be­nom­men, auch dass das Über­an­ge­bot (und an­de­re Ent­wick­lun­gen) teil­wei­se zu Er­re­gungs­de­bat­ten oder pla­ka­ti­ven Dar­stel­lun­gen füh­ren. Mir kommt die Me­di­en­schel­te manch­mal aber sehr re­flex­haft oder über­eilt vor. Auf­klä­rung ist ein Pro­zess, man soll­te al­so den Ver­lauf ei­ner me­dia­len Diskussion/Debatte/Berichterstattung von de­ren Re­sul­ta­ten un­ter­schei­den bzw. ab­war­ten, tat­säch­lich ist ja kei­ner von uns in der Lan­ge den »Fall Ti­mo­schen­ko« um­fas­send zu be­ur­tei­len.

    Falls es nichts ver­gleich­ba­res (wie et­wa Dei­nen Ar­ti­kel oben) in den deut­schen Me­di­en gibt, dann ist das tat­säch­lich ein Ar­muts­zeug­nis. Was aber nicht heißt, dass nichts mehr kommt. Al­ler­dings ist es na­tür­lich rich­tig, dass der brei­te Boy­kott­ge­dan­ke erst durch die we­ni­gen kri­ti­schen Stim­men mög­lich wur­de.

    Es wä­re in­ter­es­sant sich den Ver­lauf der me­dia­len Dis­kus­si­on z.B. an­hand der Bei­spie­le von Sim­bab­we und der El­fen­bein­kü­ste an­zu­se­hen und wie es letzt­lich doch zu ei­ner De­kon­struk­ti­on der an­fangs ver­mit­tel­ten gut-bö­se-Sche­ma­ta – un­ter Mit­hil­fe der zu­vor ver­sa­gen­den Me­di­en? – kam.

  15. Ich ver­mag an mei­nem Bei­trag nichts Re­flex­haf­tes zu er­ken­nen. Und das hier viel­leicht als ein­zi­ger Bei­trag die PR-The­ma­tik an­ge­spro­chen wird, zeich­net ihn we­der aus noch ver­dammt es ihn. Ich ge­be nur zu be­den­ken, dass BYuT und Ti­mo­schen­ko sel­ber für ih­re Zwecke PR-Agen­tu­ren in den USA be­auf­tragt hat­ten – und das mit ei­nem nicht ganz ge­rin­gen Bud­get. Man kann das wirk­lich in we­ni­gen Mi­nu­ten nach­schla­gen und könn­te dann bei­spiels­wei­se fra­gen, wo­her das Geld kommt. Und man könn­te fra­gen, war­um we­ni­ge Wo­chen vor ei­nem sol­chen me­dia­len »Su­per-Event« wie ei­ner Fuß­ball-EM die Ge­fan­gen­schaft die­ser ei­nen Per­son der­art of­fen­siv in den Fo­kus der Be­richt­erstat­tung kommt. Da­mit ist über die Cau­sa an sich zu­nächst nichts aus­ge­sagt.

    Dass auch Jour­na­li­sten längst mit der Be­ar­bei­tung der ih­nen zur Ver­fü­gung ste­hen­den Ma­te­ria­li­en über­for­dert sind, mag ei­ne Sa­che sein. Aber dann miß­fällt mir die vor­ei­li­ge Par­tei­nah­me noch um so mehr: Es wird ja stän­dig der An­schein pro­du­ziert, hier sei so et­was wie ob­jek­ti­ve Be­richt­erstat­tung am Werk. Da­bei ist vie­les in­sze­niert – was nicht schlimm wä­re, wenn es als sol­ches – als In­sze­nie­rung – aus­ge­wie­sen wür­de.

    »Ab­war­ten« bringt manch­mal auch nicht be­son­ders viel. In Er­in­ne­rung ist mir noch die so­ge­nann­te Brut­ka­sten­lü­ge – ein in sei­ner Per­fi­di­tät her­aus­ra­gen­des Pro­pa­gan­da-Lü­gen­stück, wel­ches als ei­ner der Tür­öff­ner für den »nor­ma­len« Me­di­en­kon­su­men­ten hin zur Kriegs­be­für­wor­tung galt. Die völ­ker­recht­wid­ri­ge Ok­ku­pa­ti­on des Irak un­ter Sad­dam Hus­sein wird mit Fest­stel­lung die­ser Lü­ge na­tür­lich nicht rein­ge­wa­schen, aber der emo­tio­na­le Un­ter­grund in der Be­völ­ke­rung wä­re ein an­de­rer ge­we­sen. So wird eben »nach­ge­hol­fen« – erst ein paar Jah­re spä­ter kommt man ei­nem sol­chen Trei­ben auf den Leim. Dann sind aber die be­ab­sich­tig­ten Ent­schei­dun­gen längst ge­trof­fen wor­den und nicht mehr um­zu­dre­hen. Von den plum­pen Lü­gen der Bush-/Powell-Re­gie­rung re­de ich jetzt mal nicht.

  16. Hät­te ei­ne ein­fa­che käuf­li­che PR-Ak­ti­on sol­chen Er­folg ge­habt? Ich glau­be nicht.

    Ne­ben den ver­stär­ken­den Fak­to­ren wie blon­de Zöp­fe muss­te die Kam­pa­gne auf frucht­ba­ren Bo­den fal­len. Un­se­re Ge­ne­ra­ti­on ist wie kei­ne zwei­te mit dem Ge­gen­satz zwi­schen gut und bö­se in der Po­li­tik auf­ge­wach­sen, so dass Ant­ago­ni­sten, von de­nen ein Ver­tre­ter zu un­ter­stüt­zen sei, in Fleisch und Blut über­ge­gan­gen ist. Wir ha­ben doch ge­lernt, dass die­se Un­ter­stüt­zung Staats­rä­son ist, Wi­der­spruch fast Lan­des­ver­rat. Kein Wun­der, dass sich kaum ei­ner traut in Grau zu ma­len, um sich nicht in ir­gend­ei­ner Ecke ste­hend wie­der­zu­fin­den.

    Das funk­tio­niert na­tür­lich nur in be­stimm­ten Tei­len der Welt. Ei­nen sol­chen Po­panz in Finn­land oder Ka­na­da auf­zu­bau­en wä­re fast un­mög­lich. Ei­ne Ein­heits­front aus Po­li­tik, Wirt­schaft und Pres­se gibt es aber na­tür­lich nur drü­ben, wo im­mer das heu­te auch ist.

  17. Ich ha­be auch nicht von Dei­nem Bei­trag ge­spro­chen und woll­te nur be­grün­den war­um ich mich dem in den Kom­men­ta­ren ge­äu­ßer­ten Te­nor nicht ganz an­schlie­ßen möch­te. Ja, Ti­mo­schen­ko be­dient sich ei­ner, sa­gen wir, üb­lich ge­wor­de­nen Stra­te­gie, die ich zwar nicht mag, die aber noch nichts über den Wahr­heits­ge­halt der An­ge­le­gen­heit mit­teilt.

    Doch, ich glau­be schon, dass es et­was über die me­dia­le Be­richt­erstat­tung sagt, soll­te ein Blog­ger der ein­zi­ge sein, der ei­nen we­sent­li­chen Aspekt ei­nes stark prä­sen­ten The­mas be­leuch­tet.

    Wür­de ein Jour­na­list ei­ne In­sze­nie­rung als sol­che aus­wei­sen, wür­de er ein ne­ga­ti­ves Ur­teil über sei­ne Ar­beit ab­ge­ben, es sei denn er sä­he sie we­sent­lich als In­sze­nie­rung, was wohl kaum ei­ner tut.

    Hin­sicht­lich der prak­ti­schen Kon­se­quen­zen bringt ab­war­ten we­nig, aber rück­blickend er­fährt man zu­min­dest manch­mal wie ge­spielt wur­de (ein schwa­cher Trost, ich weiß).

    Der gut-bö­se Ge­gen­satz in der Po­li­tik ist al­ler­dings zu ei­nem Gut­teil von de­ren Ak­teu­ren ver­schul­det und nicht bloß den Me­di­en an­zu­la­sten.

  18. Völ­lig klar: Der Wunsch zwi­schen Gut und Bö­se zu un­ter­schei­den bzw. un­ter­schei­den zu kön­nen ent­springt der Sehn­sucht nach der ein­fa­chen, mund­ge­rech­ten Er­klä­rung. Me­di­en er­fül­len die­se Sehn­süch­te des Pu­bli­kums zu­wei­len aber recht ger­ne, weil sie auch von der Kom­ple­xi­tät der Welt ent­la­sten. Sie kom­men sich dann vor wie ein Staats­an­walt, der nur noch bela­sten­des Ma­te­ri­al sucht – statt in bei­de Rich­tun­gen zu er­mit­teln. oder eben als An­walt für ir­gend­wen. Die Re­fle­xio­nen über das Tun pas­sie­ren dann – wenn über­haupt – Jah­re spä­ter.

    Das Pro­blem ist, dass Me­di­en per se nicht selbst­kri­ti­scher als bei­spiels­wei­se Po­li­ti­ker oder Ma­na­ger. Im Ge­gen­satz zu den bei­den letzt­ge­nann­ten Grup­pen, die von Me­di­en mit Lust und Ver­ve mit ih­ren Wi­der­sprü­chen kon­fron­tiert wer­den, be­trei­ben sie je­doch ganz sel­ten ei­ne kri­ti­sche Re­fle­xi­on ih­res Tuns. Falls dies doch ge­schieht, er­fol­gen zu oft ha­ne­bü­chen­de Ent­schul­di­gun­gen. Da­her ste­he ich dem Selbst­ver­ständ­nis ei­ner »Vier­ten Ge­walt« sehr kri­tisch ge­gen­über. Schon, weil je­de Über­prü­fung leicht als Be­ein­flus­sung oder gar »Zen­sur« in­ter­pre­tiert wird.

    Ich glau­be, das die Be­reit­schaft zu ei­ner kri­ti­schen Re­zep­ti­on bei den mei­sten Me­di­en­kon­su­men­ten ab­nimmt. Die mei­sten glau­ben fast al­les. oder man hat es mit ab­stru­se­sten Ver­schwö­rungs­theo­rien zu tun. An Aus­ein­an­der­set­zun­gen mit Fak­ten sind die we­nig­sten in­ter­es­siert bzw. es wird ih­nen auch ein­ge­re­det, dass es viel zu kom­pli­ziert sei. Schlimm ist, dass die­se kom­ple­xi­täts­re­du­zie­ren­den Af­fek­te in­zwi­schen auch längst in der Po­li­tik Ein­zug ge­hal­ten ha­ben.

  19. Ei­ne vier­te Ge­walt viel­leicht (noch) dem Ein­fluss nach. Und es stimmt, das Ar­gu­ment »Re­dak­ti­ons­ge­heim­nis« et­wa wird recht schnell und ger­ne ins Feld ge­führt.

    Mir scheint, dass sehr vie­le wis­sen oder zu wis­sen mei­nen, dass man »den Me­di­en« nicht (im­mer) trau­en kann. Ob das aber Ein­fluss auf die Re­zep­ti­on hat, ich zweif­le...

    Wenn ich mei­ne ei­ge­nen Ge­wohn­hei­ten über­se­he, dann gibt es be­stimm­te The­men, die mich ei­gent­lich im­mer in­ter­es­sie­ren, dar­über hin­aus aus­ge­wähl­te ak­tu­el­le De­bat­ten die ich ver­fol­ge und zu­letzt An­ge­le­gen­hei­ten die ich nur im Au­ge be­hal­te (da gibt es dann schon das Be­dürf­nis nach ver­knapp­ter In­for­ma­ti­on, ei­ner­seits weil es mir nicht so wich­tig er­scheint, an­de­rer­seits weil die Ent­wick­lung noch nicht an ei­nem be­stimm­ten Punkt an­ge­langt ist). — Und mehr schwan­kend als kon­stant ist das In­ter­es­se an den Me­di­en bei mir schon.

  20. Die Skep­sis ge­gen­über den Me­di­en ist ja nicht voll­stän­dig aus der Luft ge­grif­fen. Feh­ler­chen dort, In­dok­tri­na­tio­nen hier. Kom­ple­xi­täts­re­du­zie­rung, Ver­ein­nah­mung durch Pro­pa­gan­da (ge­wollt oder nicht), schlam­pi­ge Re­cher­che, Nach­plap­pern aus Se­kun­där- oder Ter­ti­är­li­te­ra­tur (häu­fig ist der so oft de­nun­zier­te Stamm­tisch au­then­ti­scher und ge­nau­er) – das sind al­les (lei­der) kei­ne Aus­nah­me­phä­no­me­ne mehr. Hier­aus spei­sen sich dann ganz schnell Ver­schwö­rungs­theo­rien oder Kom­plot­t­an­sa­gen auf der ei­nen, Ver­dros­sen­heit und Un­lust auf der an­de­ren Sei­te. Es gibt ja Sprich­wort, dass man dem, der ein­mal ge­lo­gen hat, nicht mehr wei­ter­glaubt.

    Das Netz hat die Mög­lich­kei­ten auch für Nicht-Jour­na­li­sten ge­schärft, sub­jek­ti­ve Feh­ler in Be­richt­erstat­tun­gen zu ent­decken. Lei­der ist das na­tür­lich ein zwei­schnei­di­ges Schwert, denn es fin­det sich ja zu al­len Fra­gen im­mer auch ei­ne de­zi­dier­te Ge­gen­mei­nung – und das bis hin zu hi­sto­ri­schen Fak­ten, die je nach po­li­ti­scher Op­por­tu­ni­tät an­ge­zwei­felt wer­den. In­so­fern bringt das In­ter­net zu­nächst ei­ne Be­rei­che­rung – um dann in Ver­un­si­che­rung um­zu­schla­gen: Was stimmt denn nun? Jour­na­li­sten füh­len sich nicht mehr an ob­jek­ti­ve Kri­te­ri­en ge­bun­den (sie sind na­tür­lich auch schwer um­zu­set­zen), son­dern be­trei­ben zu­meist Mei­nungs­jour­na­lis­mus. Der Re­zi­pi­ent muss sich durch die Fül­le der Mei­nungs­bild­ner durch­wüh­len, um ei­nen halb­wegs si­che­ren Über­blick zu er­hal­ten. Das kann man auf ein, zwei (Spezial-)Gebieten viel­leicht mehr oder we­ni­ger schaf­fen – aber selbst dies ist enorm auf­wen­dig. Wenn dann – un­be­ab­sich­tigt oder nicht, aus Dumm­heit oder Ver­dum­mung – Fak­ten ver­schwie­gen oder erst gar nicht zur Gel­tung kom­men tritt eben je­ne Hal­tung ein, zu­nächst ein­mal nichts mehr zu glau­ben.

    Dan­ke für den Stan­dard-Link – mal se­hen, ob sie den Link zu mei­nem Bei­trag, den ich ih­nen ge­schickt ha­be, »er­lau­ben«.

    Zum Ur­he­be­rechts­bei­trag spä­ter.

  21. Um noch­mal ih­re Ver­schwö­rung­theo­rie-Pho­bie zu sti­mu­lie­ren: Ei­ne Goog­le-News-Su­che nach »Schlö­mer Kis­sin­ger« fin­det mit http://www.telepolis.de ge­nau ein Me­di­um, dass über das ge­plan­te Tref­fen be­rich­tet. Wenn Kis­sin­ger den Vor­sit­zen­den ei­ner neu­en po­li­ti­schen Kraft in Deutsch­land »mal ken­nen­ler­nen« möch­te, ist das für mich ei­ne Nach­richt, die in je­de Zei­tung ge­hört. Ist das die Sche­re im Kopf oder ei­ne be­wusst un­ter­drück­te Nach­richt. Ich glau­be da nicht an den nor­ma­len Lauf der Din­ge.

  22. @Peter
    Bei mir ist die Welt der er­ste Tref­fer. Aber das Ar­gu­ment an sich ist pro­ble­ma­tisch, weil goog­le sei­ne Such­ergeb­nis­se auf den Be­nut­zer zu­schnei­det.

  23. Wie wä­re es denn mit der Su­che nach »Trit­tin Bil­der­berg«. Wie­der nur Te­le­po­lis. Auch bei Bing, auch bei Ya­hoo. Ich soll­te das sein las­sen. Schnipp, schnapp.

  24. Als klei­ne Er­gän­zung: Am 11. Ju­ni 2012 hat der Ehe­mann von Ju­lia Ti­mo­schen­ko (mit Adres­se in Dne­pro­pe­trowsk, ob­wohl es doch hiess, er ha­be po­li­ti­sches Asyl in Tsche­chi­en be­an­tragt) die Wa­shing­to­ner PR-Agen­tur Wi­ley Rein LLP be­auf­tragt, die ame­ri­ka­ni­sche Re­gie­rung im Sin­ne der deut­schen Kanz­le­rin An­ge­la Mer­kel da­zu zu be­we­gen, dass Ju­lia Ti­mo­schen­ko in ein Kran­ken­haus nach Ber­lin ver­bracht wer­den soll. Die ent­spre­chen­de Do­ku­men­ta­ti­on: Hier.