Der Fla­neur aus dem El­fen­bein­turm

Über den Dich­ter-Er­zäh­ler Xa­ver Bay­er

Treff­punkt: ei­ne Art Un­ort. Ein Ca­fé, ein­ge­rich­tet eher wie ein Wirts­haus, an ei­nem sams­tags un­ge­heu­er be­leb­ten Markt an der städ­ti­schen Pe­ri­phe­rie von Wien. Im halb­dunklen Raum des Ca­fés wäh­rend der zwei Stun­den kaum Gä­ste: an­de­re Welt, in der sich gut re­den – und schrei­ben läßt, denn Xa­ver Bay­ers Bü­cher ent­ste­hen hand­schrift­lich an Or­ten wie die­sem. Woh­nen tut er im Zen­trum, in ei­ner von der Groß­mutter übernommen­en Woh­nung mit ei­nem Miet­zins, der so nied­rig ist, daß ihn die Be­sit­zer has­sen, weil er im­mer noch nicht aus­ge­zo­gen ist. Mit die­sem Ge­dan­ken spielt er, weil er die hyper­kommerzialisierte In­nen­stadt zu­neh­mend un­er­träg­lich fin­det. Aber der Miet­zins ist heu­te auch an der Pe­ri­phe­rie zu hoch. Ei­ne lu­xu­riö­se und zu­gleich be­schei­de­ne Exi­stenz führt der Dich­ter, nicht as­ke­tisch, aber am Mi­ni­mum ent­lang. Das Wort »Lu­xus« ge­braucht Bay­er öf­ters, im­mer mit ent­schul­di­gen­der Ge­ste. Und als Dich­ter er­scheint er mir, seit ich ihn ken­ne, ob­wohl er in er­ster Li­nie ein Er­zäh­ler ist. Mor­gens nach dem Auf­ste­hen, er­zählt er, liest er ei­ne gan­ze Wei­le Ge­dich­te. So be­ginnt in der Re­gel sein Tag.

Xaver Bayer  ©  Leopold Federmair
Xa­ver Bay­er © Leo­pold Fe­der­mair
Schon als ich ihn das er­ste Mal traf, wirk­te er wie ei­ne Ge­stalt aus ei­ner an­de­ren Zeit. Ei­ner, der ein we­nig da­ne­ben­steht, räum­lich wie zeit­lich da­ne­ben, dies aber mit vol­lem Selbst­be­wußt­sein. Ei­ner, der durch die Zei­ten geht. Paul Jandl hat ihn vor mehr als ei­nem Jahr­zehnt, als Bay­er ein jun­ger New­co­mer war, der Ge­ne­ra­ti­on Golf zu­ge­ord­net und da­bei auch die Au­tos ge­meint, die in Bay­ers frü­hen Er­zäh­lun­gen, wo der Held mei­stens auf Ach­se ist wie in ei­nem Road-Mo­vie, fast em­ble­ma­tisch wir­ken. Ein ei­ge­nes Au­to, Flug­reisen, Com­pu­ter­spie­le – das sind für Bay­ers Hel­den Selbst­ver­ständ­lich­kei­ten (wie für je­den mitt­ler­wei­le), es sind Rea­lia und Uten­si­li­en ei­ner Zeit, aber Bay­ers Li­te­ra­tur zeich­net sich ge­ra­de da­durch aus, daß sie all das, was ak­tu­ell ist und von Jour­na­li­sten ver­ehrt und be­re­det wird, be­gut­ach­ten und von sei­ner Ak­tua­li­tät be­frei­en. Auf der Su­che nach dem Leuch­ten, das oft ge­nug das Zu­fäl­li­ge und Flüch­ti­ge, ja, das Ver­ächt­li­che birgt. In Ge­sprächen über Li­te­ra­tur, frem­de wie ei­ge­ne, zielt Bay­er oft­mals auf das, was »Be­stand hat«, und schenkt dem, was kei­nen hat (was sich frei­lich erst im Lauf der Zeit er­weist), ein mü­des Lä­cheln. Das ist auch der Grund, war­um er Auf­trags­ar­bei­ten ab­lehnt; sie wür­den ihn in Denk- und Schreib­rich­tun­gen zwin­gen, die nicht aus ihm selbst kä­men. Ich glau­be nicht, daß es heu­te vie­le Au­toren gibt, die mit sol­cher Rein­heit dem Sinn ih­rer Exi­stenz nach­kom­men – ih­rer Be­ru­fung, um es alt­mo­disch aus­zu­drücken. Ei­nem Sinn, der sei­ne ei­ge­ne Frag­lich­keit in sich trägt, dem der Schrei­ben­de in vie­len Mo­men­ten aber auch ver­trau­en kann. Im neu­en Buch, Ge­heim­nis­vol­les Kni­stern aus dem Zau­ber­reich, rührt Bay­er an bei­de Sei­ten, ei­ne Pen­del­be­we­gung be­schrei­bend, ein sanf­tes, zu­wei­len un­merkliches Hin und Her zwi­schen Va­ni­tas und der Hoff­nung, man kön­ne dem Le­ben, auch die­sem hier, in die­ser und die­ser Ge­ne­ra­ti­on, zu­stim­men.

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Russ­land, die Ukrai­ne und Zbi­gniew Brze­zin­ski

Ge­le­gent­lich hilft es ja, sich dem Me­di­en­stream aus­zu­set­zen. So wur­de ich auf ei­ne Dis­kus­si­on auf­merk­sam, in der es wie­der ein­mal um die Ukrai­ne, Russ­land und den We­sten ging. Der Zu­schnitt der Sen­dung war auf Kra­wall ge­bür­stet, der auch schon früh ein­trat. Der bis­her nicht durch po­li­ti­sche Ana­ly­sen be­son­ders her­vor­ge­tre­te­ne Börsen­händler Dirk Mül­ler wur­de als »Putin­ver­ste­her« an­ge­kün­digt und auch flugs von Eric Frey vom öster­rei­chi­schen »Stan­dard« als sol­cher de­kla­riert. Die­ses Eti­kett ist nicht neu; es dient al­len Denk­fau­len da­zu, lä­sti­ge An­sich­ten mit ei­nem Fe­der­strich zu dis­kre­di­tie­ren. Die Ge­schwin­dig­keit, mit der die­ses At­tri­but aus dem rhe­to­ri­schen Waf­fen­ar­se­nal ge­zo­gen wird, ist enorm. Es er­in­nert von Fer­ne an die Ein­wän­de der Rechts­kon­ser­va­ti­ven und Ver­trie­be­nen in den 1970er Jah­ren, die mit ähn­li­chen Pa­ro­len die Po­li­tik des Aus­gleichs der so­zi­al­li­be­ra­len Re­gie­rung mit den Län­dern Ost­eu­ro­pas dif­fa­mier­ten. »Vaterlands­verräter« war noch das mil­de­ste At­tri­but. Le­dig­lich auf die For­mu­lie­rung »Bre­sch­new-Ver­ste­her« ist da­mals nie­mals ge­kom­men, was ge­wis­se Rück­schlüs­se auf das heu­ti­ge Er­re­gungs­pre­ka­ri­at der so­zia­len Me­di­en zu­lässt.

In der o. e. Dis­kus­si­on spiel­te ein Buch ei­ne Rol­le, des­sen Kennt­nis of­fen­sicht­lich al­len Teil­neh­mern nicht glei­cher­ma­ßen ge­läu­fig war. Es heißt im deut­schen Ti­tel »Die ein­zi­ge Welt­macht – Ame­ri­kas Stra­te­gie der Vor­herr­schaft« und ist von Zbi­gniew Brze­zin­ski ver­fasst, dem Si­cher­heits­be­ra­ter ei­ni­ger (de­mo­kra­tisch do­mi­nier­ter) US-Re­gie­run­gen (ob of­fi­zi­ell oder in­of­fi­zi­ell). Das Buch ist von 1997 und gilt of­fen­bar als Ge­heim­tipp. Bei Ama­zon ist das gün­stig­ste An­ge­bot ak­tu­ell bei rund 190 Eu­ro; für ein Ta­schen­buch ein stol­zer Preis. Die Links auf die ko­sten­lo­se Zur­ver­fü­gung­stel­lung set­ze ich jetzt nicht um mich nicht straf­bar zu ma­chen – aber mit ein biss­chen Su­chen kann sich je­der ei­ne wenn auch schlecht for­ma­tier­te Ver­si­on als pdf her­un­ter­la­den (ein fin­di­ger Kopf ver­kauf­te für kur­ze Zeit den pdf-Aus­druck bei Ama­zon für 30 Eu­ro).

Um es vor­weg zu sa­gen: Die­se Lek­tü­re lohnt trotz des Zeit­ab­stands. Man muss Zbi­gniew Brze­zinskis The­sen in die­sem Buch nicht tei­len. Für Brze­zin­ski ist Po­li­tik ein Schach­spiel (der eng­li­sche Ti­tel ist ent­spre­chend: »The Grand Ch­ess­board«), in dem es vor al­lem dar­um geht, stra­te­gi­sche Vor­tei­le für die USA zu er­rin­gen um Macht­an­sprü­che zu er­hal­ten oder aus­zu­bau­en. Ins Zen­trum sei­ner Be­trach­tun­gen steht »Eu­ra­si­en« – der Raum von Lis­sa­bon bis Wla­di­wo­stok.

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Staat und Re­li­gi­on

Den Her­aus­for­de­run­gen die »der Is­lam« in Form un­ter­schied­li­cher Grup­pie­run­gen und Rich­tun­gen für die eu­ro­päi­schen Ge­sell­schaf­ten dar­stellt, wird u.a. mit spe­zi­el­len Ge­set­zen (Ver­schleie­rungs­ver­bo­te, No­vel­lie­rung des öster­rei­chi­schen Is­lam­ge­set­zes) zu be­geg­nen ver­sucht. Zeit­gleich tre­ten durch die Ter­ror­or­ga­ni­sa­ti­on, die sich is­la­mi­scher Staat nennt, ver­schüt­te­te oder un­zu­rei­chend be­ant­wor­te­te Fra­gen wie­der deut­lich her­vor: Je­ne nach der Tren­nung von Is­lam und Is­la­mis­mus, dem Ver­hält­nis zur und der Recht­fer­ti­gung von Ge­walt oder die Po­li­ti­sie­rung von Re­li­gi­on: Das Ver­hält­nis der mus­li­mi­schen Gemein­schaften zu den eu­ro­päi­schen Ge­sell­schaf­ten scheint un­ter Zeit­druck for­mu­liert wer­den zu müs­sen, ob­wohl die ent­spre­chen­den Dis­kus­sio­nen min­de­stens 15 Jah­re alt sind. Den bis­he­ri­gen Be­mü­hun­gen bei­der Sei­ten steht die Flucht zahl­rei­cher jun­ger Men­schen in die Ar­me die­ser Ter­ror­or­ga­ni­sa­ti­on, ge­gen­über: Die eu­ro­päi­schen Ge­sell­schaf­ten schei­nen über we­nig Bin­dungs­kraft zu ver­fü­gen und das Le­ben in Eu­ro­pa für ei­nen Teil der Mus­li­me we­nig er­fül­lend zu sein.

Die­ser Es­say ist auch ei­ne Re­plik auf zwei Tex­te von Ni­ko Alm1; er spürt dem Ver­hält­nis von Staat und Re­li­gi­on nach und ver­sucht ei­ne ar­gu­men­ta­tiv-prag­ma­ti­sche Ant­wort, oh­ne zu­erst ein be­stehen­des Kon­zept her­an­zu­zie­hen: So soll ver­sucht wer­den, der gegen­wärtigen Si­tua­ti­on, mit mög­lichst we­nig Vor­ein­ge­nom­men­heit, Rech­nung zu tra­gen. Dies soll in den Kon­text der bis­he­ri­gen Pra­xis in Öster­reich ge­stellt und das Is­lam­ge­setz, des­sen Be­gut­ach­tungs­frist so­eben en­de­te, in prin­zi­pi­el­ler Hin­sicht dis­ku­tiert wer­den. — Da­vor wird der Be­griff Re­li­gi­on, sein Ver­hält­nis zur Po­li­tik, den Men­schen im All­ge­mei­nen und den west­li­chen Ge­sell­schaf­ten im Be­son­de­ren um­ris­sen. — Wenn von »dem Is­lam« oder »dem Chri­sten­tum« (und an­de­ren Re­li­gio­nen) ge­spro­chen wird, dann ist da­mit kei­ne ho­mo­ge­ne Tra­di­ti­on ge­meint, son­dern zahl­rei­che, die die ei­ne oder an­de­re Cha­rak­te­ri­stik tei­len. — Die fol­gen­den Be­trach­tun­gen sind an et­li­chen Stel­len auf die gro­ßen mo­no­the­isti­schen Re­li­gio­nen hin ver­engt.

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  1. Die Texte: Das Islamgesetz, der Entwurf zum Islamgesetz und diese Diskussion auf Twitter.  

Sa­bi­ne M. Gru­ber: Chor­pro­be

Sabine M. Gruber. Chorprobe
Sa­bi­ne M. Gru­ber. Chor­pro­be
In ih­rem Ro­man »Be­zie­hungs­rei­se« aus dem Jahr 2012 er­zähl­te Sa­bi­ne M. Gru­ber von So­phia und dem Ver­hält­nis zu ih­rem Ge­lieb­ten Mar­cus. So­phia, glück­lich ver­hei­ra­tet, aber »mehr­liebig« ori­en­tiert, ar­ran­gier­te ihr Drei­ecks­ver­hält­nis akri­bisch und ver­such­te mit Mar­cus mit al­len nur er­denk­li­chen Mit­teln in­klu­si­ve sorg­sam ge­plan­ten Rei­sen (die sie auch noch fast im­mer al­lei­ne be­zahl­te) zu be­tö­ren. Aber nach der kur­zen Er­obe­rungs­pha­se zu Be­ginn straf­te Mar­cus So­phi­as In­itia­ti­ven im­mer mehr mit Nicht­be­ach­tung und Gleich­gül­tig­keit und mach­te da­bei noch ih­re Ver­su­che, sich als Schrift­stel­le­rin zu eta­blie­ren, nie­der, ob­wohl er sel­ber als Re­zen­sent (er blät­ter­te nur die Bü­cher durch) nicht zu re­üs­sie­ren ver­moch­te. Gru­ber ent­warf ge­konnt die­sen vir­tu­el­len De­mü­ti­gungs­raum, in dem sich So­phia trot­zig ein­ge­rich­tet hat­te. Trotz die­ser per­fi­den und hoch­mü­ti­gen Gleich­gül­tig­keit, mit der Mar­cus die­se Be­zie­hung be­trieb, glaub­te So­phia bis zum Schluß an die Mög­lich­keit des Glücks in die­ser of­fe­nen Me­na­ge-à-trois glück­lich le­ben zu kön­nen. Erst als es zur Grenz­über­schrei­tung kam und Mar­cus phy­si­schen Ge­walt an­wand­te, be­en­de­te sie das Ver­hält­nis.

Ei­ne Glücks­su­che wie So­phia ver­folgt auch Cin­dy in Gru­bers neu­em Ro­man »Chor­pro­be«, wenn auch auf ei­nem an­de­ren Feld – dem der Kunst.

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Cream-So­da, An­nas Zim­mer, Oran­gen­blü­ten­duft

TAGEBUCHEINTRAGUNGEN NOVEMBER 1988

9. No­vem­ber, Mitt­woch, New York Ci­ty – Um halb 2h bei Ro­nald1 im Bü­ro. Er führt uns durch die Räu­me (auf dem sel­ben Stock­werk: Estée Lau­der Cor­po­ra­ti­on) die voll sind mit mo­der­ner Kunst – Rai­ner, Brus, Beu­ys, Pen­ck, etc., un­glaub­li­che fin-de-siè­cle-Mö­bel, aber al­les in Ne­on­licht ge­taucht. Selt­sa­me Sze­ne da­nach: ein­ge­pfercht in sei­nen un­glaub­lich vol­len Ter­min­ka­len­der nimmt er uns ins in­ner­ste Bü­ro, ser­viert Pa­st­ra­mi-Sand­wich, da­zu Salz­gur­ke und Cream So­da – und hält uns bei­den ei­ne 10-Mi­nu­ten-An­spra­che über un­ser Le­ben, ganz rab­bi­nisch, un­glaub­lich herz­lich, wenn auch na­iv -. Wir sei­en jetzt viel stär­ker auf­ein­an­der an­ge­wie­sen, seit­dem wir be­schlos­sen hät­ten, zu­sam­men­zu­zie­hen, aber Pa­ris sei sei­ner Mei­nung nach nur ein »cop-out»2, nur ei­ne Zwi­schen­lö­sung, die ei­gent­li­che Stadt für uns sei na­tür­lich New York, hier soll­ten wir uns nie­der­las­sen. Sa­ge ihm, daß die­se Va­ri­an­te am tri­via­len Geld-Pro­blem schei­tern wür­de – sei­ne Über­le­gung, voll­kommen rich­tig, dass ich ei­gent­lich auf Eng­lisch schrei­ben soll­te. Daß mei­ne Auf­ga­be im Grun­de die wä­re, ei­ne Art Brücke zu bau­en zwi­schen den Ame­ri­ka­nern und den deutsch­spra­chi­gen Län­dern Eu­ro­pas. Daß mein Werk der Ver­söh­nung zwi­schen Ju­den und Deut­schen die­nen könn­te, die­nen soll­te. L.3 und ich et­was er­staunt, aber durch­aus po­si­tiv über­rascht ad die­sem vä­ter­lich-rab­bi­ni­schen Ton – füh­len uns in Freund­schaft ge­bor­gen. (...) Abends der gro­ße Lau­der-Event im 92.Street Y, ein jü­di­sches Au­di­to­ri­um, ge­packt voll, Leu­te vom Jü­di­schen Welt­kon­gress, und Si­mon Wie­sen­thal, Elie Wie­sel, Ar­thur Cohn, Bür­ger­mei­ster Ed­ward Koch, etc., al­le ver­sam­melt. Recht gu­te An­spra­chen – al­le drücken Ro­nald ih­re Hoch­ach­tung aus. Vor­füh­rung des Films4 ad Reichs­kri­stall­nacht, der heu­te gleich­zei­tig via PBS im gan­zen Land ge­zeigt wird.

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  1. Ronald Lauder, geboren 1944, Sohn der Kosmetik-Unternehmerin Estée Lauder (1906 – 2004); Unternehmer, Präsident des Museum of Modern Art, New York. Große Teile seiner Kunstsammlung sind seit 2001 in der von ihm gegründeten Neuen Galerie in New York untergebracht. Seit 2007 Präsident des Jüdischen Weltkongresses. Siehe hier 

  2. Ausweichmanöver, Verlegenheitslösung 

  3. Lillian Birnbaum, spätere Ehefrau des Autors. 

  4. Anlässlich des 50. Jahrestages der "Reichskristallnacht" produzierte Lauder den Dokumentarfilm "Kristallnacht, the Journey From 1938 to 1988" 

Zap­fen­streich

Ver­mut­lich ei­ne Schmie­ren­ko­mö­die

Rad­datz: Schar­la­tan!

Schmidt den Zi­ga­ret­ten­rauch aus­bla­send und nach der Tas­se Kaf­fee ta­stend

Rad­datz: Seht mei­ne vio­let­ten Socken. Pas­send zum Ein­steck­tuch.

Grass: Was?

Rad­datz tän­zelt leicht an Grass vor­bei

Grass: Soll ich uns ei­gent­lich was ko­chen?

En­zens­ber­ger: Nein, bit­te nicht.

Rad­datz: Ich su­che den Cham­pa­gner aus.

Grass: Dach­te an Nier­chen mit Kohl­ge­mü­se.

En­zens­ber­ger geht mit ei­nem Korb reih­um So, hier bit­te Eu­re Han­dys ab­ge­ben. Ich neh­me die Ak­kus sel­ber raus und ver­nich­te bei­des dann. Al­le wer­fen nach­ein­an­der ih­re Mo­bil­te­le­fo­ne in den Korb.

Grass: Wo ist die Kü­che?

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Pörk­sens Zir­kel­schluss

Ich hat­te mir ei­gent­lich vor­ge­nom­men über das so­ge­nann­te Jour­na­li­sten-Bas­hing nichts zu schrei­ben. Da gibt es klu­ge Ar­ti­kel wie den von Ste­fan Nig­ge­mei­er, der den Grün­den in­ner­halb der Zunft nach­spürt und ir­gend­et­was wie ei­nen drit­ten Weg zwi­schen Ver­schwörungstheorie und bran­chen­üb­li­chen Durch­hal­te­pa­ro­len nebst par­ti­el­ler Jubel­arien ver­sucht.

Aber dann gibt es den Ar­ti­kel von Bern­hard Pörk­sen auf ZEIT-On­line, der ei­ne Ehren­rettung des Jour­na­lis­mus ver­sucht. We­ni­ger die Tat­sa­che an sich ist bemerkens­wert, als die Art und Wei­se in der dies ge­schieht.

Zu Be­ginn räumt Pörk­sen Ver­feh­lun­gen des Jour­na­lis­mus ein. Den­noch hält er – so der Schluss aus sei­nen Aus­füh­run­gen – die Re­ak­tio­nen dar­auf für über­zo­gen. Wut und Skep­sis ha­be sich in Hass ver­wan­delt. Do­ku­men­te die­ser Me­di­en­ver­dros­sen­heit fin­det er in ei­ner Stu­die aus dem Jahr 2010. Im­mer­hin kon­sta­tiert er, dass es nicht den ei­nen Grund ge­be, son­dern ei­ne Viel­zahl von Aspek­ten, die zu die­ser ne­ga­ti­ven Sicht auf den Jour­na­lis­mus füh­re.

Pörk­sen zählt zwar die ein­zel­nen Aspek­te auf (Ein­fluss von Lob­by- und PR-Agen­tu­ren auf Jour­na­lis­mus; die über­bor­den­de Skan­da­li­sie­rungs­rhe­to­rik, usw.), un­ter­lässt es je­doch, auf sie et­was ge­nau­er ein­zu­ge­hen. Statt­des­sen wid­met er sich den Kri­ti­kern und fin­det ver­wirr­te Reichs­deut­sche […] wie Frie­dens­be­weg­te dar­un­ter. Zu­nächst soll da­mit die Spann­brei­te der Un­zu­frie­den­heit jen­seits po­li­ti­scher und welt­an­schau­li­cher Gren­zen do­ku­men­tiert wer­den. Auf den zwei­ten Blick dient die­se For­mu­lie­rung aber auch da­zu die am Jour­na­lis­mus un­se­rer Ta­ge Zwei­feln­den zu de­nun­zie­ren. Bei der Zu­wei­sung als »Reichs­deut­sche« leuch­tet das so­fort ein, aber auch »Frie­dens­be­weg­te« wird hier pe­jo­ra­tiv ein­ge­setzt. Zwi­schen den Zei­len wird erst­mals die mo­ra­li­sche Fra­ge an den Le­ser ge­stellt: ‘Willst Du in die­ser Rei­he ste­hen?’

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Die neue Bi­got­te­rie

So­ge­nann­te Po­stings, al­so meist pseud­onym for­mu­lier­te Kom­men­ta­re von Informations­konsumenten im In­ter­net, ha­ben kei­ne Be­deu­tung, auch wenn sich die so­ge­nann­ten Po­ster, wenn sie mit ih­ren Mei­nun­gen und Ge­füh­len in die Öf­fent­lich­keit ge­hen, wich­tig vor­kom­men mö­gen. Aus die­sem Grund ist es mir ziem­lich egal, wenn ei­nes mei­ner Po­stings zen­su­riert wird. Die Zen­sur, die man in der zwei­ten Hälf­te des 20. Jahr­hun­derts für über­holt hielt, ein hi­sto­ri­sches Phä­no­men, ist im 21. Jahr­hun­dert wie­der­ge­kehrt. In der Re­gel wird sie au­to­ma­tisch vor­ge­nom­men, al­so von Ma­schi­nen, die den In­halt der Tex­te nicht wirk­lich ver­ste­hen kön­nen, son­dern auf Reiz­wör­ter und de­ren Kom­bi­na­tio­nen re­agie­ren.

Mei­ne Kom­men­ta­re wer­den öf­ters am öf­fent­li­chen Er­schei­nen ge­hin­dert, und in der Re­gel ver­ges­se ich den Vor­fall gleich wie­der. Neu­lich aber setz­te sich die er­lit­te­ne Zen­sur in mei­nem Kopf fest, weil sie mir viel­sa­gend schien. Es ging im so­ge­nann­ten Fo­rum, das den alt­ehr­wür­di­gen rö­mi­schen, auf die grie­chi­sche De­mo­kra­tie zu­rück­ver­wei­sen­den Na­men nicht ver­dient, um Pä­do­phi­lie, ein The­ma, das im In­ter­net kaum je mit Ver­nunft­grün­den be­spro­chen wird. Den Wort­laut mei­nes Po­stings ha­be ich nicht in Er­in­ne­rung, aber ich er­wähn­te un­ter Klar­na­men – die Ano- und Pseud­ony­mi­tät leh­ne ich für mich per­sön­lich ab – mei­ne Er­fah­rung, daß sich mei­ne klei­ne Toch­ter für mei­nen Pe­nis in­ter­es­siert. Ich bin über­zeugt, daß ähn­li­che Er­fah­run­gen die mei­sten Vä­ter ma­chen, aus­ge­nom­men die be­son­ders ver­schäm­ten, die sich ih­ren Kin­dern nie­mals nackt zei­gen. Nur die­se ei­ne Tat­sa­che ha­be ich im Po­sting kurz, oh­ne Emo­tio­na­li­sie­rung und oh­ne »schmut­zi­ge Wör­ter«, er­wähnt. Nicht ge­schrie­ben ha­be ich, daß ich ge­ge­be­nen­falls Be­rüh­run­gen mei­nes Ge­schlechts­teils durch mei­ne Toch­ter zu­las­se und daß mei­ne Emp­fin­dung da­bei am­bi­va­lent ist: zu­nächst gar nicht un­an­ge­nehm, in ei­ner zwei­ten, ver­mut­lich moral­geleiteten Re­ak­ti­on dann aber doch. Mein Kör­per re­agiert da­bei nicht so, wie er bei der Be­rüh­rung durch mei­ne Frau re­agiert. Das er­leich­tert mich grund­sätz­lich und be­stä­tigt: Ich bin nicht pä­do­phil und ha­be kei­ne Nei­gung zum In­zest. Ich bin aber auch froh, daß ich das in Er­fah­rung brin­gen konn­te – em­pi­risch über­prü­fen, wür­de ein Wis­sen­schaft­ler sa­gen. Al­les, was mich um­gibt, macht mich neu­gie­rig; neu­gie­rig wie mei­ne Toch­ter, von der ich im­mer wie­der ei­ni­ges ler­nen kann.

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