Peter Handke zeichnet seit jeher begleitend zu seinem Schreiben – vor allem seine Notizbücher sind durchzogen von Zeichnungen, die sich oft so eng an das Geschriebene anschließen, als würde das Gezeichnete mit der Schrift verschlungen sein. Kürzlich ist eine Zusammenstellung dieser Bilder im Schirmer und Mosel Verlag erschienen, in denen allein einige Titel seiner Zeichnungen ganze Geschichten erzählen: »Erste heile, volle Haselnuss des Jahres, Frucht noch an der Nabelschnur« oder »Auf den Dachschieferplatten die ersten Tropfen des Sommerregens im DOMINO-Muster«.
Handke zeichnet ausschließlich mit Bleistift und Kugelschreiber und oft bestehen seine Zeichnungen aus vielen kleinen aneinandergereihten Kreisen unterschiedlicher Farben. Auf einer ist eine verwundete Waldmaus mit einem abgespreizten Fuß ist zu sehen, deren Schwanz in das mit grüner und roter Tinte Geschriebene hineinragt. Ein paar Seiten weiter versteckt Handke dann das dazugehörige Mauseloch; ein tiefschwarzer Fleck auf sprödem Waldboden, auf dem trotz Trockenheit Blumen in blau und gelb blühen.
Der italienische Philosoph Giorgio Agamben vergleicht im Vorwort Handkes Zeichnungen mit dem japanischen Farbholzschnitt Surimono, auf dem sich das Geschriebene und das Gemalte vereinen. Ebenso wie in den Surimonos sieht Agamben in Handkes Zeichnungen den hartnäckigen Versuch der Wörter, sich in die Bilder hineinzuschieben und »schreibend immer im Bild zu bleiben«.
Das passt zu Handkes Sicht auf die Welt, in der auch das allerkleinste Detail einer Berücksichtigung bedarf; es ist seine besondere Art des Schauens, ein fast kindlicher Blickwinkel, dem das Staunen über das noch so Kleine innewohnt – die Kastanienblätter im Juni, Regen am Zugfenster im Dezember, ein Muster im Waldpfad, eine Löwenzahnsporenkugel, ein Ameisenhügel, ein Abendhimmel. Aber auch Menschen schleichen sich hin und wieder in seine Bilder, die ihm in Zügen, Kirchen oder Bars begegnen.
Handke gelingt es in seinen Zeichnungen vor allem, das »nicht mehr« oder auch das »noch nicht« zu verbildlichen. Es geht ihm um die Darstellung von Begebenheiten, die sich gerade dadurch auszeichnen, dass sie sich in einem Zwischenzustand ereignen, der eine besondere Leere aufweist. Es scheint, als ob Handke diese »Nicht-Momente« zeichnet, um der Leere ein Gefühl zu verleihen und um sie damit von ihrer Mangelhaftigkeit zu entheben. Die Leere ist eine Voraussetzung für die Erfahrbarkeit von Stille. Handke verbildlicht Stille.