Kure. Warum nicht. Ich kannte die Stadt natürlich, hatte mich ihr aber nie von hinten genähert, immer nur von der Seite. Und einmal von vorne, bei der Rückkehr aus Matsuyama, auf der Hauptinsel Shikoku, mit dem Schiff. Der Königsweg um eine Stadt am Meer kennenzulernen, sagt man. Aber nicht jede dieser Städte trägt ein so offenes Gesicht wie Venedig, viele verschließen sich, sie erwarten keine wohlwollenden Besucher, sondern Gefahren, Taifune, Springfluten, Feuchtigkeit, feindliche Schiffe.
So war es auch, als ich Catania kennenlernte, die Stadt in Sizilien, am Fuß des Ätna hingestreckt. Die Flanke des Vulkans steigt langsam und stetig an – und umgekehrt, man geht den Weg hinunter, dem Meer zu, das man von weiter oben sehr schön sehen kann, aber weiter unten sind dann Gebäude davor, nur noch Himmel darüber. Als ich das erste Mal nach Catania kam, suchte ich nach dem Meer, aber je weiter ich in die Richtung marschierte, in der es liegen mußte, desto häßlicher und bedrohlicher wurde die Gegend. Mit weichen Knien kehrte ich um, nachdem mir ein dicker Mann auf einem stotternden Mofa entgegengekommen war, böse Grimasse schneidend, einhändig fahrend, mit der anderen Hand Schläge gegen mich austeilend, die mich nicht erreichten und dennoch trafen. Nein, die Gegenden zum Meer hin sind nicht immer herzerfrischend. Viele Städte wenden sich vom Meer ab und ziehen Schutzvorrichtungen gegen die erwähnten Gefahren hoch. Nur Urlauber aus Binnenländern denken immer, am Meer müsse es am schönsten sein. Sie kennen das Meer, seine Launen und seine Gewalt nicht. Marseille ist eine Ausnahme, gewiß. Auch Barcelona… Es gibt viele Ausnahmen, offene Städte – schon siehst du dich die Canebière hinunterschlendern, bis sie in den Alten Hafen mündet, am Kai setzt du dich auf die Terrasse eines Cafés, wartest auf die Meerjungfrau, von der du bei Yoko Tawada gelesen hast…