»Ich bin al­les an­de­re als ein Feig­ling« – An­dré Mül­ler im Ge­spräch mit Ar­no Bre­ker 1979

Nicht nur, aber auch in die­sem Bei­trag wur­de die kürz­lich er­öff­ne­te Aus­stel­lung in Schwe­rin von Ar­no Bre­ker the­ma­ti­siert. Man kann viel da­für und viel da­ge­gen sa­gen – bil­den­de Kunst ge­hört nicht zu mei­nen Spe­zi­al­the­men. Viel­leicht bringt das In­ter­view mit Ar­no Bre­ker von 1979, ge­führt von An­dré Mül­ler ein biss­chen Licht ins Dun­kel.

Wie fast al­le Mül­ler-In­ter­views ist auch die­ses sehr in­ten­siv; nicht sel­ten bre­chen die In­ter­view­ten das Ge­spräch ir­gend­wann ab, da Mül­ler an Gren­zen geht; sie ge­le­gent­lich über­schrei­tet. Le­gen­där sei­ne Ge­sprä­che mit El­frie­de Je­li­nek oder Wolf­gang Koep­pen.

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»Schön – wie so vie­les« – Mi­cha­el Rol­off zu Pe­ter Hand­ke (I)

Mi­cha­el Rol­off, 1937 ge­bo­ren, ehe­ma­li­ger Hand­ke-Über­set­zer, jet­zi­ger Hand­ke-Le­ser, lebt heu­te in Se­at­tle. Sei­ne Stel­lung­nah­men zu Hand­ke, sei­nem Werk, den An­sich­ten zu Hand­kes Ju­go­sla­wi­en-En­ga­ge­ment – ge­le­gent­lich sper­rig, sehr poin­tiert, und oft lehr­reich.

Be­gleit­schrei­ben: In Pe­ter Hand­kes Stück »Zu­rü­stun­gen für die Un­sterb­lich­keit« lässt er den neu­en Kö­nig Pa­blo sa­gen:

»Für mich und mei­ne Leu­te hier Ge­set­ze schaf­fen, wie es sie noch nie ge­ge­ben hat, wie sie oh­ne Zwang so­fort ein­leuch­ten, und wie sie auch für über­all und al­le gel­ten kön­nen – auch für mich sel­ber! Die En­kla­ven­welt­ver­las­sen­heit darf nicht mehr un­ser Stamm­platz sein. War­um nicht an die Macht kom­men? Lust ha­ben auf die Macht, ent­spre­chend der Lust, die der Vor­früh­ling macht. Ei­ne ganz neu­ar­ti­ge, in der Ge­schich­te bis­her un­be­kann­te, und dann selbst­ver­ständ­li­che Macht aus­üben – et­was wie ein Freund­schafts­spiel, wel­ches zu­gleich doch zählt. Die Macht lie­ben auf ei­ne Wei­se, wie in der Ge­schich­te noch kei­ner je sei­ne Macht ge­liebt hat, so dass die­ses Wort welt­weit ei­ne an­de­re Be­deu­tung be­kä­me...«

Die­se Wor­te, von Gert Voss sei­ner­zeit im Burg­thea­ter ge­hört, ent­wickeln No­vas Mo­no­log in »Über die Dör­fer« wei­ter. Ist Hand­ke ein po­li­ti­scher Uto­pist (im durch­aus po­si­ti­ven Sinn)?

Michael Roloff
Mi­cha­el Rol­off

Mi­cha­el Rol­off: Ein biss­chen schon, sonst nicht all die­ses Pa­thos. Und das schon zur Zeit des »Lang­sa­me Heimkehr«-Zyklus (»Lang­sa­me Heim­kehr« – »Kin­der­ge­schich­te« – »Die Leh­re der St. Vic­toire« – »Über die Dör­fer«), spe­zi­ell in No­vas höl­der­lin­ähn­li­cher Hym­ne bei der man, als Über­set­zer, am En­de dann nach Luft schnapp­te! In­tra­psy­chisch ge­se­hen ist das ein Wis­sen um die Un­mög­lich­keit der Er­reich­bar­keit des Ide­als.

Auch viel Ex­pres­sio­ni­sti­sches dort, und spä­ter »der neue Mensch ja was ist aus ihm ge­wor­den, man hört nicht mehr viel da­von« in der »Nie­mands­bucht«. Des­we­gen auch wohl das Fest­hal­ten an der Idee vom ver­ei­nig­ten Stam­mes­volk der Süd­sla­wen, die ei­ne Ge­schich­te und ei­ne Spra­che ge­mein­sam ha­ben; die Idee, dass dar­aus noch et­was hät­te wer­den kön­nen. Denn in Fu­ku­ya­mas neo­kon­ser­va­ti­ver Welt bei­spiels­wei­se ist al­les Uto­pi­sche ab­ge­schafft.

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Lob­by­is­mus und Heu­che­lei

Die Auf­re­gung um den CDU-Ab­ge­ord­ne­ten Nor­bert Rött­gen und sei­ne ge­plan­te Über­nah­me des Po­stens des Haupt­ge­schäfts­füh­rers des Bun­des­ver­ban­des der deut­schen In­du­strie (BDI) zeig­te manch­mal reich­lich skur­ri­le Zü­ge. Da wur­de Rött­gen zum Ver­zicht auf sein Bun­des­tags­man­dat auf­ge­for­dert, da er in In­ter­es­sen­kol­li­sio­nen ge­ra­ten könn­te – hier die In­ter­es­sen ei­nes frei ge­wähl­ten, sei­nen Wäh­lern ver­pflich­ten­den Ab­ge­ord­ne­ten und da die pu­re »Lob­by­po­li­tik« der In­du­strie.

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Ein Stück­chen Stoff

Zum Zeit­punkt des In­ter­views von Frank Schirr­ma­cher mit Ali­ce Schwar­zer war das »Kopf­tuch­ur­teil« des Stutt­gar­ter Ver­wal­tungs­ge­rich­tes noch nicht ge­spro­chen. Dort war am 7. Ju­li ei­ner Leh­re­rin Recht ge­ge­ben wor­den, ihr Kopf­tuch auch wei­ter­hin wäh­rend des Un­ter­richts zu tra­gen. Die Rich­ter er­klär­ten das von An­net­te Scha­van vor ei­ni­gen Jah­ren ei­lig ge­flick­schu­ster­te Schul­ge­setz, wel­ches das Kopf­tuch für ...

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Ab­pfiff

Die Fuss­ball-Welt­mei­ster­schaft ist zu En­de – Ita­li­en ist Welt­mei­ster; Sie­ger ei­nes ku­rio­sen Fi­na­les. Es war – wie man al­lent­hal­ben hört – ein tol­les Fest; das Wort der »WM-Par­ty« mach­te die Run­de. Hun­dert­tau­sen­de stan­den vor Gross­bild­schir­men. Be­richt­erstat­tung hier­über war Pflicht. Ge­le­gent­lich konn­te man glau­ben, das Drum­her­um sei wich­ti­ger als die Spie­le.

Die Eu­pho­rie, die spä­te­stens nach dem fu­ri­os ge­won­ne­nen Er­öff­nungs­spiel der deut­schen Mann­schaft ein­setz­te, kann­te kaum noch Gren­zen. Vor­ei­li­ge Ur­tei­le, ein neu­er, gar ge­fähr­li­cher Pa­trio­tis­mus kön­ne sich ent­zün­den, müs­sen al­ler­dings wohl be­gra­ben wer­den. Die Fah­nen sind schon weit­ge­hend wie­der ver­schwun­den. Ver­mut­lich wird die Pro­gno­se von Ha­rald Schmidt ein­tref­fen: Spä­te­stens zum Ad­vent ist wie­der die al­te Stim­mung im Land!

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Yel­low Fi­scher

Es war ein lau­er Som­mer­abend 1998. Die Pla­ka­te hat­te ich schon vor­her ge­se­hen. Wir schlen­der­ten am Rhein ent­lang und plötz­lich kam uns die Idee, die Rhein­ter­ras­sen zu be­su­chen. Josch­ka Fi­scher hielt dort ei­ne Wahl­kampf­re­de. Es be­gann mit dem Ka­ba­ret­tist Vol­ker Pis­pers, der ei­ni­ge Witz­chen über Kohl und des­sen (ma­ro­der) Re­gie­rung mach­te. Wir sehn­ten die Zeit her­bei, dass sol­che Wit­ze nicht mehr ge­macht wer­den konn­ten.

Dann kam er. Ha­ger, mön­chisch, fast ein biss­chen kränk­lich sah er aus. Er soll so­gar, flü­ster­te man sich zu, vor­her noch am Rhein ge­joggt ha­ben. 9/11 war noch sehr weit weg und au­sser­halb un­se­rer Vor­stel­lun­gen. Die Stim­me halb­wegs fest; der Wahl­kampf, »Ihr ver­steht«. We­ni­ge Wo­chen da­nach er­ken­nen wir Fi­scher beim An­tritts­be­such in Wa­shing­ton im Fern­se­hen kaum wie­der – in ed­lem Zwirn, die Kör­per­spra­che fast un­ter­wür­fig, gar ängst­lich; wie ein Gym­na­si­ast, der gu­ten Ein­druck bei dem rei­chen On­kel ma­chen möch­te. Hun­dert Jah­re spä­ter oder: Wie schnell geht das?

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Nach­le­se 30. In­ge­borg-Bach­mann-Preis: Exo­tis­mus und Au­then­ti­zi­tät

18 Au­toren le­sen ih­re li­te­ra­ri­schen Tex­te vor und an­schlie­ssend dis­ku­tie­ren neun Ju­ro­ren hier­über. Die­ses Set­ting ist die Aus­gangs­po­si­ti­on für den so­ge­nann­ten »In­­­ge­­borg-Bach­­mann-Preis«, volks­tüm­lich auch »Wett­le­sen« ge­nannt (als wä­re je­ner der Sie­ger, der zu­erst fer­tig sei). Ana­chro­ni­sti­scher kann Fern­se­hen nicht sein, als dies zu über­tra­gen. Aber es kann auch – wenn die Bei­trä­ge und Dis­kus­sio­nen »stim­men«– ...

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Deutsch­lands Fa­mi­li­en­po­li­tik im Blind­flug

Kaum ein The­ma hat in den letz­ten Mo­na­ten die In­nen­po­li­tik so be­stimmt wie die de­mo­gra­fi­sche Ent­wick­lung Deutsch­lands und das »Aus­blei­ben« von Kin­dern. Das ging bis zur An­pran­ge­rung gan­zer Be­rufs- und Ge­sell­schafts­grup­pen. Die kon­ser­va­ti­ve Re­gres­si­on zur Fa­mi­lie und dem gän­gi­gen Fa­mi­li­en­bild der 50er Jah­re (mit­in­iti­iert bei­spiels­wei­se von Udo di Fa­bi­os »Kul­tur der Frei­heit« oder auch – klü­ger – von Schirr­ma­chers »Mi­ni­mum«) ging ein­her mit ei­nem (teil­wei­se na­tio­nal da­her­kom­men­den) Alar­mis­mus – als wä­re die Kri­sen­haf­tig­keit der So­zi­al­sy­ste­me mo­no­kau­sal er­klär­bar und lie­sse sich mit der blo­ssen Zu­füh­rung neu­er »Bei­trags­zah­ler« lö­sen. (Wo­her dann die Ar­beits­plät­ze kom­men sol­len, blieb in die­ser Dis­kus­si­on üb­ri­gens im­mer merk­wür­dig un­ter­be­lich­tet.)

In sei­nem lo­bens­wer­ten Ar­ti­kel »Po­ker­spie­le an der Wie­ge« de­cou­vriert Björn Schwent­ker nun die sta­ti­sti­schen (Fehl-)Methoden, die für die Po­li­tik die Grund­la­ge zu ih­rer neu­en Hin­wen­dung zur Fa­mi­lie füh­ren. Deutsch­lands Fa­mi­li­en­po­li­tik be­fin­det sich im Blind­flug – die Er­he­bung der Ge­bur­ten­zif­fern ist lücken­haft und geht teil­wei­se von fal­schen Vor­aus­set­zun­gen aus.

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