
John Banvilles »Die See« ist bei aller Melancholie und gelegentlichem Sentiment kein Bericht eines selbstmitleidigen Helden, der in den »besten Jahren« die obligatorische Sinnkrise bekommt.
John Banvilles »Die See« ist bei aller Melancholie und gelegentlichem Sentiment kein Bericht eines selbstmitleidigen Helden, der in den »besten Jahren« die obligatorische Sinnkrise bekommt.
Beim Durchsehen alter Ausgaben der ZEIT bin ich auf einen interessanten Artikel von Susanne Gaschke gestossen (Stein des Anstosses vom 16. November 2006). Gaschke beschäftigt sich mit Enid Blyton und dem Phänomen der Tradition der englischen Kinder- und Jugendliteratur. Blyton war zu ihrer Zeit umstritten und galt als allzu trivial – was der Popularität keinen Abbruch tat. Gaschke berichtet, dass in den sechziger und siebziger Enid Blyton zusätzlich Sexismus und Rassismus vorgeworfen wurde auch deshalb, weil in ihren Büchern immerzu Mädchen die Hausarbeit machen und ihre Bösewichte stets zu sinistrem südländischem Aussehen neigen.
Zwar konstatiert Gaschke, dass diese Einwände durchaus nicht ganz von der Hand zu weisen seien – allerdings ist es Fakt, dass sie auch starke Mädchenfiguren geschaffen hat: Georgina, kurz: George, aus den »Fünf Freunden« etwa, die geradezu als Antityp zur traditionellen Mädchenrolle angelegt ist; oder Dina aus der »Abenteuer«-Serie, die permanent gegen die Bevormundung durch ihren Bruder aufbegehrt.
In der aktuellen ZEIT gibt es einen lesenswerten Vorabdruck aus Sabine Rückerts soeben erschienenem Buch »Unrecht im Namen des Volkes« mit dem Titel: »Inquisition-des-guten-Willens«.
In den 90er Jahren rückte bei uns – überschwappend aus angelsächsischen Ländern – das Verbrechen des sexuellen Missbrauchs an Kindern und Jugendlichen in den Fokus der Öffentlichkeit. Unglaubliche Abgründe taten sich auf. Es kam zu Prozessen mit Details, gelegentlich sensationslüstern ausgebreitet, die in ihrer Abscheulichkeit fast unerträglich waren.
Zum Vorschlag des Bundesinnenministers Schäuble, ein neues Luftsicherheitsgesetz auf den Weg zu bringen, welches durch die Feststellung eines »Quasi-Kriegszustand« den Abschuss beispielsweise eines Flugzeuges gestattet, das auf ein Gebäude ähnlich dem 11. Spetember 2001 zufliegt, wurde gestern der Bundestagsabgeordnete Volker Beck von Bündnis 90/Die Grünen zitiert: Der Gesetzgeber darf keine Lizenz zum Töten Unschuldiger in ...
Ich kenne diese öden, langweiligen Diskussionen, währenddessen friedliebende und sich einander respektierende Menschen in wenigen Augenblicken mutierten zu feindseligen, auf immer zerstritten mit denen, die sie noch vor wenigen Stunden Freunde genannt hatten: Es geht um das Pro und Contra dessen, was man (ungenau) Todesstrafe nennt und in den 70er und 80er Jahre das beliebteste Referendarsdiskussionsthema gewesen sein muss.
Konnte man doch in der sicheren Hülle einer demokratischen Gesellschaft seine politisch-korrekte Ächtung monstranzähnlich immer aufs Neue unter Beweis stellen und es all denjenigen zeigen, die sich der kategorischen Festlegung auf einer der scheinbar unverrückbaren Pole entziehen wollten (meistens versuchten sie dies anfangs argumentativ, um dann – nach kurzer Zeit – vom Wortschwall niedermoralisiert zu werden). Selektive Wahrnehmungen hatten auch damals schon Konjunktur.
In der vergangenen Woche lief auf Phoenix die Wiederholung der Dokumentation von Lutz Hachmeister und Gert Scobel »Ich, Reich-Ranicki«. So viel über diesen Film zu sagen und zu kritisieren wäre – eine Szene aus Reich-Ranickis Zeit als Literaturkritiker in Deutschland sticht heraus und beeindruckt nachhaltig. Er sitzt da irgendwann (vermutlich in den 80er Jahren) mit ...
Etwas auspacken und statt das Papier den Inhalt in den Abfall werfen Peter Handke »Die Geschichte des Bleistifts«
Ein reichlich ernüchternder Text (mit einem skurrilen Titel): »Sieg der Essiggurke« von Ivaylo Ditchev. Ditchevs Analyse der bereits vor der tatsächlichen Mitgliedschaft in der EU desillusionierten Bulgaren entspricht sicherlich den Tatsachen. Die »Halbwertzeit«, in der die Europäische Union noch Bürger zu begeistern vermag, hat in den letzten Jahren dramatisch abgenommen. Bereits bei der letzten EU-Erweiterung im Mai 2005 hielten sich in den Bevölkerungen vieler neuer Beitrittsländer (Polen; Tschechische Republik) EU-Gegner und EU-Befürworter die Waage. Inzwischen sind die Befürworter längst in der Minderheit.
Ditchevs Analyse, ein neuer Nationalismus stemme sich sozusagen einem legislativen Bürokratiemonster EU entgegen, während die Nationalregierungen bei der (nach wie vor fragilen) Demokratisierung der Gesellschaft versagen, mag für Länder wie Bulgarien zutreffen. Das beschriebene Phänomen ist aber in der gesamten EU virulent – auch bei Ländern, die der Gemeinschaft seit Jahrzehnten angehören.