Bla­ming the vic­tim

Da­vid Har­nasch, ein Ju­ni­or­schrei­ber der Ach­se des Blö­den, nimmt sei­nen Schmäh­ar­ti­kel auf den an­geb­lich blog­gen­den Mu­rat Kur­naz nach der Ent­tar­nung die­ses Blogs als Fäl­schung nicht et­wa vom Netz, son­dern fügt la­pi­dar hin­zu, dass er zur Re­cher­che, ob denn das Blog tat­säch­lich von Kur­naz stam­me, kei­ne Zeit ge­habt ha­be.

Das ist na­tür­lich un­lo­gisch. Hät­te er, wie Ste­fan Nig­ge­mei­er emp­fiehlt, re­cher­chiert, hät­te er sich das an­schlie­ssen­de gei­fern­de Wort­ge­tüm­mel ganz spa­ren kön­nen. Aber ge­nau das woll­te Har­nasch of­fen­sicht­lich nicht. Es kam ihm gar nicht dar­auf an, die Au­then­ti­zi­tät des Blogs zu er­fra­gen (trotz sei­nes Sat­zes in Pa­ren­the­se). In wun­der­ba­rer Art und Wei­se bot ihm das ge­fälsch­te Blog An­lass, sei­nen la­ten­ten Hass auf Kur­naz ab­zu­las­sen. Psy­cho­lo­gen be­zeich­nen die­ses Phä­no­men als »bla­ming the vic­tim«.

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Ri­chard Ford: Die La­ge des Lan­des

Richard Ford: Die Lage des Landes
Ri­chard Ford:
Die La­ge des Lan­des

Frank Bas­com­be ist 55 Jah­re alt und wir be­fin­den uns im In­ter­re­gnum des Jah­res 2000, als Clin­ton fast nicht mehr, Go­re wohl doch nicht und Bush auch noch nicht ganz si­cher Prä­si­dent der Ver­ei­nig­ten Staa­ten von Ame­ri­ka ist. Wir fol­gen ihm drei Ta­ge im No­vem­ber bis Thanks­gi­ving (am En­de gibt es ei­ne klei­ne Aus­nah­me, als ein klei­ner Zeit­sprung er­folgt).
Bas­com­be hat als Im­mo­bi­li­en­mak­ler an der Ost­kü­ste von den fet­ten Jah­ren der Clin­ton-Wirt­schafts­po­li­tik enorm pro­fi­tiert. Ein biss­chen stört ihn die­ser Hype schon, der selbst für her­un­ter­ge­kom­me­ne Häu­ser sechs­stel­li­ge Dol­lar­sum­men er­zielt (Ame­ri­ka ist ein Land, das sich in ei­nem ei­ge­nen Treu­hand­kon­to ver­lo­ren hat.). Und ein biss­chen ver­schanzt sich Bas­com­be auch hin­ter ei­ner Mas­ke (Rein­las­sen, aber nicht ganz ein­las­sen).

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Bil­li­ge Er­re­gung

Merk­wür­dig. Da ver­lässt Ro­ger Scha­win­ski nach drei Jah­ren den Ge­­schäfts­­­füh­­rer-Po­­sten bei »Sat.1« und fast die ge­sam­te deut­sche Me­di­en­land­schaft stimmt – Mo­na­te da­nach – in ei­nen Trau­er­ge­sang ein. Der Öff­ner im fast de­vot ge­führ­ten Spie­­gel-On­­li­ne-In­­ter­­view vom 21.08.07 lau­tet: »…in Ih­ren drei Jah­ren als Chef von »Sat.1« wan­del­te sich der Sen­der vom Sor­gen­kind zum Vor­zei­ge­schü­ler.« Wor­an ma­chen ...

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Ro­bert Spae­mann / Rolf Schön­ber­ger: Der letz­te Got­tes­be­weis

Robert Spaemann / Rolf Schönberger: Der letzte Gottesbeweis
Ro­bert Spae­mann / Rolf Schön­ber­ger: Der letz­te Got­tes­be­weis

In Zei­ten fast blin­den Wis­sen­schafts­glau­bens scheint der neue Ver­such, ei­nen Be­weis für die Exi­stenz Got­tes zu füh­ren, fast schon rüh­rend. Dies in ei­ner Welt, in der Neu­ro­wis­sen­schaft­ler mit ih­ren Er­kennt­nis­sen gleich meh­re­re lä­sti­ge Flie­gen mit ei­ner Klap­pe schla­gen wol­len. Der gröss­te Brum­mer ist da­bei die Leug­nung des frei­en Wil­lens. Den ent­decken sie näm­lich (ge­nau wie die »See­le«) auf ih­ren Kin­der­bild­chen nicht mehr und glau­ben da­mit, et­was Neu­es oder An­de­res zu er­ken­nen. Die nur im Schafs­pelz ge­tarn­ten Wöl­fe über­bie­ten sich der­zeit mit den ab­stru­sen »Sen­sa­tio­nen«, die in Wirk­lich­keit nur ef­fekt­ha­sche­ri­sche Be­lang­lo­sig­kei­ten sind, die ih­re phi­lo­so­phi­sche Im­po­tenz nur ver­schlei­ern. Da ist von ei­ner »Ma­trix-Exi­stenz« die Re­de oder es wer­den Luft­bu­chun­gen wie »phä­no­me­na­le Selbst­mo­del­le« in die Welt ge­setzt – gro­sses Ge­tö­se in ei­nem hoh­len Kör­per. Der De­kon­struk­ti­ons­fu­ror hat, ist er erst ein­mal aus sei­nem Be­deu­tung si­mu­lie­ren­den Jar­gon her­aus­ge­löst, den Charme ei­nes ver­welk­ten Blu­men­strau­sses.

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Blut und Do­ping

Am 8. und 15. Au­gust 2007 brach­te die ARD um 22.45 Uhr ei­ne zwei­tei­li­ge Do­ku­men­ta­ti­on mit dem et­was mar­tia­li­schen Ti­tel »Blut und Spie­le«. Die drei Au­toren (ne­ben Fred­die Röcken­haus auch Pe­tra Hö­fer und Fran­ce­s­ca D’A­micis) führ­ten dort auf be­ein­drucken­de Wei­se vor, wie auch der Sport im »west­li­chen La­ger« mit Do­ping durch­drun­gen war (und ver­mut­lich noch ist).

Die Auf­rü­stung der USA

Im er­sten Teil be­schäf­tig­te sich der Film aus­führ­lich mit der US-ame­ri­ka­ni­schen Leicht­ath­le­tik, die seit Mit­te der 80er Jah­re mit dem staat­li­chen ost­eu­ro­päi­schen Do­ping auf­ge­schlos­sen hat­te. Es wer­den Do­ku­men­te ge­zeigt, die be­le­gen, dass meh­re­re Wo­chen vor den Olym­pi­schen Spie­len 1988 in Seo­ul zahl­rei­che US-Ath­le­ten bei den »Trails« po­si­tiv ge­dopt wa­ren. Die ei­ligst vor­ge­nom­me­ne Am­ne­stie (»Exuc­se«) hat­te auch zur Fol­ge, dass die­se Re­sul­ta­te ver­schwan­den. Die Ath­le­ten nah­men an den Olym­pi­schen Spie­len teil; zahl­rei­che Olym­pia­sie­ger und Me­dail­len­ge­win­ner un­ter ih­nen.

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Ul­rich Beck: Welt­ri­si­ko­ge­sell­schaft

Ulrich Beck: Weltrisikogesellschaft
Ul­rich Beck: Welt­ri­si­ko­ge­sell­schaft

Im Ge­gen­satz zu den klas­si­schen Mensch­heits­ka­ta­stro­phen der Ver­gan­gen­heit (Na­tur­ka­ta­stro­phen; Seu­chen) ste­hen heu­te als Re­sul­ta­te be­wuss­ter Ent­schei­dun­gen die Ri­si­ken, die von in­du­stri­el­len Gross­tech­ni­ken aus­ge­hen. Sie bre­chen nicht schick­sal­haft über uns her­ein, sie sind viel­mehr von uns selbst geschaffen…hervorgegangen aus der Ver­bin­dung von tech­ni­schem Nut­zen und öko­no­mi­schen Nut­zen­kal­kül. Die­se Ri­si­ken, die nicht an den Gren­zen von mensch­lich ge­schaf­fe­nen, al­so künst­li­chen Na­tio­nal­staa­ten Halt ma­chen, son­dern glo­ba­le Aus­wir­kun­gen ha­ben kön­nen, un­ter­sucht Ul­rich Beck in sei­nem Buch über die Welt­ri­si­ko­ge­sell­schaft.

Beck lässt kei­nen Zwei­fel: Die mo­der­ne Ge­sell­schaft krankt nicht an ih­ren Nie­der­la­gen, son­dern an ih­ren Sie­gen. Die Pro­ble­me der von ihm suk­zes­si­ve ent­wickel­ten Welt­ri­si­ko­ge­sell­schaft sind dem­zu­fol­ge nicht Pro­duk­te feh­ler­haf­ten Han­delns, son­dern im­ma­nent im Han­deln in mo­der­nen Ge­sell­schaf­ten an­ge­legt. Die Lö­sung der Pro­ble­me der Welt hat wie­der neue Pro­ble­me ge­schaf­fen. Die­se Pro­ble­me nennt er Ri­si­ko:

    Ri­si­ko ist nicht gleich­be­deu­tend mit Ka­ta­stro­phe. Ri­si­ko be­deu­tet die An­ti­zi­pa­ti­on der Ka­ta­stro­phe. Ri­si­ken han­deln von der Mög­lich­keit künf­ti­ger Er­eig­nis­se und Ent­wick­lun­gen, sie ver­ge­gen­wär­ti­gen ei­nen Welt­zu­stand, den es (noch) nicht gibt. Wäh­rend die Ka­ta­stro­phe räum­lich, zeit­lich und so­zi­al be­stimmt ist, kennt die An­ti­zi­pa­ti­on der Ka­ta­stro­phe kei­ne raum-zeit­li­che oder so­zia­le Kon­kre­ti­on. […] In dem Au­gen­blick, in dem Ri­si­ken Rea­li­tät wer­den – wenn ein Atom­kraft­werk ex­plo­diert, ein ter­ro­ri­sti­scher An­griff statt­fin­det – ver­wan­deln sie sich in Ka­ta­stro­phen. Ri­si­ken sind im­mer zu­künf­ti­ge Er­eig­nis­se, die uns mög­li­cher­wei­se be­vor­ste­hen, uns be­dro­hen. Aber da die­se stän­di­ge Be­dro­hung un­se­re Er­war­tun­gen be­stimmt, un­se­re Köp­fe be­setzt und un­ser Han­deln lei­tet, wird sie zu ei­ner po­li­ti­schen Kraft, die die Welt ver­än­dert.

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Al­les Kä­se

Seit ei­ni­gen Ta­gen wird der zu er­war­ten­de An­stieg bei Milch und Milch­pro­duk­ten un­ter an­de­rem auch ei­ne er­höh­te Nach­fra­ge für die­se Pro­duk­te aus Asi­en – spe­zi­ell aus Chi­na – an­ge­führt.

So­eben mel­de­te im­mer noch die ZDF-»heute«-Sendung da­von (»An­de­rer­seits steigt die Milch­nach­fra­ge in Schwel­len­län­dern wie Chi­na.«) – und auch die Ta­ges­schau schloss sich dem Te­nor der Mel­dung an. Von der »Bild«-Zeitung ist man ja nichts an­ders ge­wöhnt. Und die »FTD« er­klärt, dass Chi­ne­sen mit Kä­se kei­ne Pro­ble­me hät­ten. Das Ge­gen­teil ist der Fall.

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Die neue In­qui­si­ti­on

Die In­qui­si­to­ren der Ge­sin­nungs­ma­fia ma­chen, das zeigt die Dis­kus­si­on um den Schau­spie­ler Tom Crui­se und des­sen Stauf­fen­berg-Film, in­zwi­schen auch nicht vor den re­pro­du­zie­ren­den Künst­lern halt.

Das Tribunal ist bereit
Das Tri­bu­nal ist be­reit

So ab­strus und über­flüs­sig die Ein­zel­hei­ten des hoch emo­tio­nal be­han­del­ten The­mas auch sein mö­gen – es ist ein wei­te­res Mo­sa­ik­stein­chen für ei­ne zu­neh­mend ge­sin­nungs­äs­the­tisch ur­tei­len­de Mei­nungs­lob­by.

Die Pro­duk­ti­on ei­nes Kunst­wer­kes ge­nügt da­bei nicht mehr nur rein äs­the­ti­schen Kri­te­ri­en, die dann von der Kul­tur­kri­tik ent­spre­chend be­spro­chen wer­den. Statt­des­sen wird ein Ge­sin­nungs­kon­sens ein­ge­for­dert, des­sen im­ma­nen­te Kri­te­ri­en werk­fremd sind. Vom Künst­ler wird qua­si ei­ne Prä­am­bel ver­langt; ei­ne Art »Zu­las­sung« zum Kul­tur­be­trieb.

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