Zunächst einmal: Was für ein erfrischender Beitrag! In der »Welt« schreibt der Schriftsteller Rolf Schneider einen Appell, ja fast eine Philippika, gegen das, was seit ungefähr zwanzig Jahren grosse Teile des deutschsprachigen Theaters in Geiselhaft genommen hat: Das sogenannte »Regietheater«, also jene Form der Inszenierung, in der Regisseure ihre privaten Neurosen auf die Bühne stellten, unter bevorzugter Benutzung von Texten, die sich einer solchen Interpretation widersetzten, weswegen man dieselben zerschlagen muss.
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Otto Depenheuer: Selbstbehauptung des Rechtsstaates
Bekannt wurde Otto Depenheuers Buch Selbstbehauptung des Rechtstaates durch Wolfgang Schäubles Anmerkung, es wäre seine »Nachtlektüre«. Prompt griff Gunter Hofmann in der »ZEIT« dies auf und verfasste am 9. August 2007 einen nachdenklichen, fast ein bisschen ängstlichen Artikel, was denn unser derzeitiger Innenminister für ein Buch lese.
In der Tat. Depenheuers Buch fordert den Leser in mehrfacher Hinsicht heraus. Zunächst einmal, in dem es dezidiert Fragen stellt, die abseits von idyllisierenden Staats- und Verfassungsvorstellungen legitim und in Anbetracht aktueller Welt- und Bedrohungslagen durchaus berechtigt sind. Desweiteren, weil Depenheuers Antworten – die gelegentlich bis in die Polemik gehen (hierüber wird noch zu reden sein) – für den heutigen, im Grundgesetz der Bundesrepublik gut beschützt aufgewachsenen Wohlstandsbürger (der von ihm zu gegebener Zeit mit den Vokabeln saturiert und hedonistisch charakterisiert wird) arg provokativ anmuten. Weiterlesen
Christopher Hitchens: Der Herr ist kein Hirte
In dem Film »Modern Times« (»Moderne Zeiten«) von 1936 muss der Arbeiter Charlie (gespielt von Charlie Chaplin) mit zwei Schraubenschlüsseln laufend Schrauben anziehen. Charlie verinnerlicht diese immergleichen Fliessbandbewegungen so stark, dass er irgendwann diese auch an den Brustwarzen, Nasen oder Hinterteilen seiner Kollegen, an irgendwelchen Knöpfen, an Hydranten – und schliesslich auch an vorbeiflanierenden Frauen wie der Sekretärin des Chefs und einer korpulenten Dame auf der Strasse ausüben möchte. Charlie sieht überall nur noch Schrauben. Alles muss von ihm festgeschraubt werden. Er steht vor dem Wahnsinn; die Monotonie seiner Arbeit hat seine Sinne vorübergehend deformiert.
Arbeitsverhältnisse wie 1936 gibt es kaum noch. Dennoch kann es auch heute noch passieren, dass eine einseitige Ausrichtung einer Tätigkeit zu der Ausblendung dessen, was man vielleicht ‘vollständige Wahrnehmung’ nennen könnte, führen kann. Ich habe Grund zu der Annahme, dass dies bei dem Journalisten Christopher Hitchens der Fall ist. Hitchens’ selektive Wahrnehmung dokumentiert sein Buch Der Herr ist kein Hirte. Weiterlesen
Peter Handke: Gestern unterwegs
In »Gestern unterwegs« setzte sich die Entwicklung aus den Journalen von Peter Handke fort, die sich schon bei seinem vorletzten Journal »Am Felsfenster, morgens« abzeichnete. Während die tagebuchähnliche Journale davor durchaus auch aphoristisches enthielten, teilweise ein bisschen jungenhaft daherkamen, zeigen sich in der von Handke vorgenommenen Auswahl insbesondere bei »Gestern unterwegs« neben den Reise‑, nein, besser: Geh-Impressionen auch die Fingerübungen zu später entstehenden Büchern. Das ist bei einem Dichter sicherlich nicht ungewöhnlich, setzt jedoch beim Leser eine gewisse Auseinandersetzung mit dem Werk voraus, ohne die solche Verweise (auf zukünftige Literatur) sicherlich nur halb so interessant sein mögen.
So kann man sich überrascht zeigen, dass Handkes (bisher weitgehend unverstandenes Buch) »Der Bildverlust« (2002 erschienen) durchaus bereits in den »Aufzeichnungen November 1987 bis Juli 1990« (so der Untertitel des Buches) Form annahm und mehr als nur ein vages Projekt gewesen sein muss (freilich betont Handke im kurzen Vorwort [Lieber Leser!], dass einiges bereits in dem 1994 erschienenen Buch »Mein Jahr in der Niemandsbucht« aufgenommen wurde). Natürlich fallen in die Zeit Handkes »Versuche« (die sich an zahlreichen Stellen abzeichnen), der Erzähl- und Novellenband »Noch einmal für Thukydides« und sein Theaterstück »Das Spiel vom Fragen«. Weiterlesen
Intern
Um die in den letzten Tagen horrend ansteigenden Spam-Kommentare wenigstens teilweise zu unterbinden, ist es ab sofort (leider) erst einmal nur noch möglich, als angemeldeter User zu kommentieren.
Ich möchte an meine Kommentatoren (wie beispielsweise en-passant, Peter und Mirja) appellieren, sich anzumelden (tut auch nicht weh), um dann kommentieren zu können. Ich möchte aufgrund dieses Deppen nicht auf Eure Kommentare verzichten.
Der Bösmensch
Eigentlich macht man das nicht: Über ein Buch schreiben, was man nicht gelesen hat. Aber manchmal reicht es auch, nur einen Teil gelesen zu haben, um festzustellen, dass das Leben viel zu kurz ist, sich weiter mit dem Gelesenen zu beschäftigen.
So ging es mir mit Kai Diekmanns Äusserungen aus seinem Buch »Der große Selbstbetrug«, welches nun – in durchaus kurioser Form – vorgestellt wurde. Michael Naumann erbarmte sich, begab sich in die Höhle des Löwen (des Löwen?) und bürstete den gegelten Autor ein bisschen gegen den Strich. Das ist vermutlich ganz schön hanseatisch abgelaufen und vielleicht wird es Naumann gelingen, bis zu den Wahlen zur Hamburger Bürgerschaft noch ein, zwei Mal in der »Bild«-Zeitung erwähnt zu werden. Das ist doch was.
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Michael Ondaatje: Divisadero

Michael Ondaatje: Divisadero
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Die FAZ und ihre Kampagnen
Im Moment macht das neue Layout der FAZ mächtig Furore. Kommentare werden nun nicht mehr in Fraktur überschrieben und es gibt jetzt wohl täglich ein buntes Bild auf der Titelseite. Dies wiederum führt in anderen Zeitungen zu Kommentaren (und gelegentlich Häme) über den neuen Weg der FAZ. Und vielleicht entdeckt der geneigte Leser ja nach »Original und Fälschung«-Manier noch andere Kleinigkeiten.
Jens Jessen befand diese äusserlichen Änderungen vor einigen Wochen schon als »Normalisierung nach unten«. Er meinte dabei das Niveau und seine Befürchtungen klangen sogar echt. Und irgendwie glauben wir doch alle, dass eine Lockerung des äusseren Erscheinungsbilds auch immer mit einer Lockerung der Sitten zu tun hat; hier: der Qualität.
Es gibt nun einen sehr schönen Vortrag von Gunther Nickel mit dem Titel Kein Einzelfall, abgedruckt im »Titel-Magazin«, der akribisch anhand dreier von der FAZ massgeblich geführten Kampagnen belegt, dass es auch mit Fraktur und ohne bunte Bildchen schon Elemente des Boulevardjournalismus gab, die höchst zweifelhafte Urteile gebar. Leser wurden, so Nickels Urteil, tendenziös informiert und insbesondere die Journalisten Frank Schirrmacher und Hubert Spiegel kümmerten sich nicht um elementare journalistische Sorgfaltspflichten. Weiterlesen