Tho­mas Bern­hard – Sieg­fried Un­seld: Der Brief­wech­sel (Hrsg.: Rai­mund Fellin­ger, Mar­tin Hu­ber und Ju­lia Ket­te­rer)

Am 22. Ok­to­ber 1961 wen­det sich Tho­mas Bern­hard in ei­nem höf­lich-di­stan­zier­ten Brief an Sieg­fried Un­seld, der wie folgt be­ginnt: Sehr ge­ehr­ter Herr Dr. Un­seld, vor ein paar Ta­gen ha­be ich an Ih­ren Ver­lag ein Pro­sa­ma­nu­skript ge­schickt. Da­mit woll­te ich mit dem Suhr­kamp-Ver­lag in Ver­bin­dung tre­ten. Auf den im Fak­si­mi­le im Buch abge­druckten, mit Schreib­ma­schi­ne ge­tipp­ten Brief kann man er­ken­nen, dass Bern­hard ein Schreib­feh­ler un­ter­lau­fen war. Es steht dort nicht »Suhr­kamp«, son­dern »Suhr­kampf«. Das »f« wur­de hand­schrift­lich durch­ge­stri­chen.

Nach mehr als 800 Sei­ten Kor­re­spon­denz des Brief­wech­sels zwi­schen Tho­mas Bern­hard und sei­nem unzuverlässige[m] Ver­le­ger, dem Frank­fur­ter Un­ge­heu­er und Schau­er­kerl Sieg­fried Un­seld (Dik­tat­zei­chen »dr. u.«), mag der Le­ser nicht mehr an ei­nen Zu­fall glau­ben; al­len­falls an ei­nen Freud­schen Ver­schrei­ber. Viel­leicht ist die­ses »f« un­be­wuss­te Vor­weg­nah­me die­ser un­bän­di­gen Lust an der Pro­vo­ka­ti­on, die Bern­hard in un­kal­ku­lier­ba­ren Schü­ben zu fast cho­le­ri­schen Erup­tionen treibt, die zu Be­ginn noch von sei­ner Lek­to­rin An­ne­lie­se Bol­and be­feu­ert wer­den: »Ein kur­zer Ohls­dor­fer Don­ner als Ant­wort auf den Blitz aus dem Frank­fur­ter Himm­el emp­fiehlt sich«. Sie si­gna­li­siert Bern­hard »ei­gent­lich kann das Match nur zu Ih­ren Gun­sten aus­ge­hen«) und die­ser ent­wickelt schnell ein Ge­spür wie weit er mit sei­nen For­de­run­gen, Kla­gen und Be­schimp­fun­gen ge­hen kann, oh­ne den Bo­gen zu über­span­nen.

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Frank Schirr­ma­cher: Payback

Frank Schirrmacher: Payback
Frank Schirr­ma­cher: Payback

In den 1980er Jah­ren ver­dich­te­te sich ins­be­son­de­re in links­in­tel­lek­tu­el­len Krei­sen die Furcht, ja Angst, vor ei­ner staat­lich kon­trol­lier­ten und re­gu­lier­ten Welt, ei­ner Art »Über­wa­chungs­staat« ge­mäß dem Schreckens­bild des En­de der 40er Jah­re ge­schrie­be­nen Bu­ches »1984« von Ge­or­ge Or­well. In der Bun­des­re­pu­blik be­ka­men die Vor­be­hal­te durch ei­ne ge­plan­te Volks­zäh­lung zu­sätz­li­che Nah­rung (wo­bei im Ver­gleich mit den heu­ti­gen tech­ni­schen Mög­lich­kei­ten die Äng­ste von da­mals ge­ra­de­zu put­zig er­schei­nen). Frank Schirr­ma­cher zi­tiert in sei­nem Buch »Payback« ei­ne Stel­le aus Neil Post­mans Buch »Wir amü­sie­ren uns zu To­de« aus dem Jahr 1985, in dem die­ser die Dif­fe­renz zwi­schen Or­wells »1984« und dem an­de­ren, vi­sio­när-schau­ri­gen Ro­man des 20. Jahr­hun­derts, Al­dous Hux­leys »Schö­ne neue Welt«, her­aus­ar­bei­tet:

»Or­well warnt da­vor, dass wir von ei­ner von au­ßen kom­men­den Macht un­ter­drückt wer­den. Aber in Hux­leys Vi­si­on braucht man kei­nen Gro­ßen Bru­der, um die Men­schen ih­rer Au­to­no­mie, Ver­nunft und Ge­schich­te zu be­rau­ben. Er glaub­te, dass die Men­schen ih­re Un­ter­drückung lie­ben und die Tech­no­lo­gien be­wun­dern wer­den, die ih­nen ih­re Denk­fä­hig­keit neh­men. Or­well hat­te Angst vor den­je­ni­gen, die Bü­cher ver­bie­ten wür­den. Hux­ley hat­te Angst da­vor, dass es gar kei­nen Grund mehr ge­ben könn­te, Bü­cher zu ver­bie­ten. In ‘1984’ wer­den Men­schen kon­trol­liert, in­dem man ih­nen Schmer­zen zu­fügt. In der ‘Schö­nen neu­en Welt’ wer­den Men­schen kon­trol­liert, in­dem man ih­nen Freu­de zu­fügt.«

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Kun­dus und Var­va­rin – Mit zwei­er­lei Maß

In der (me­dia­len) Öf­fent­lich­keit ist es Kon­sens: Die Hin­ter­blie­be­nen des An­griffs auf die bei­den Tank­zü­ge in der Nä­he von Kun­dus in der Nacht vom 3. auf den 4. Sep­tem­ber 2009 müs­sen ent­schä­digt wer­den. Die Ein­hel­lig­keit ver­blüfft. Aber das An­docken an die Scha­den­er­satz­for­de­run­gen re­ak­ti­viert die gu­te, al­te bun­des­re­pu­bli­ka­ni­sche Tu­gend wie­der: Man löst un­an­ge­neh­me Fra­gen am be­sten mit Geld. Der An­walt der Hin­ter­blie­be­nen, Ka­rim Po­pal, be­harrt dar­auf, di­rekt mit der Bun­des­re­gie­rung in Ver­hand­lun­gen zu tre­ten; er ver­traut der af­gha­ni­schen Re­gie­rung nicht und be­fürch­tet, das Geld ver­sickert in der Kor­rup­ti­on. Die­se Be­fürch­tung ist nach­voll­zieh­bar.

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Le­thar­go­kra­tie, Staats­ver­schul­dungs­be­schleu­ni­ger und Semiso­zia­lis­mus

Pe­ter Slo­ter­di­jk und die deut­sche Po­li­tik

Ei­ne ir­gend­wie öde Dis­kus­si­on, die da seit ei­ni­gen Mo­na­ten (ins­be­son­de­re von der ZEIT, aber auch in der FAZ) am Kö­cheln ge­hal­ten wird. Kern der Aus­ein­an­der­set­zung ist Pe­ter Slo­ter­di­jks Ar­ti­kel »Die Re­vo­lu­ti­on der ge­ben­den Hand« (al­ler­dings auch ei­ni­ge Ka­pi­tel aus des­sen Buch »Du musst dein Le­ben än­dern«). Axel Hon­neth glaub­te dar­auf­hin nun Slo­ter­di­jk an­grei­fen zu müs­sen, in dem er ihn – grob ver­kür­zend – in durch­aus alt­lin­ker Ma­nier als Neu-Rech­ten und/oder wirt­schaft­li­be­ra­len de­nun­ziert, der ir­gend­wie blind für die Be­dürf­nis­se von Hartz-IV-Emp­fän­gern ist. Es gab ei­ni­ges Feuil­le­ton-Ge­plän­kel und so­gar ei­ne bril­lan­te, aber schwer ver­ständ­li­che Ver­tei­di­gungs­re­de von Karl-Heinz Boh­rer in der FAZ.

Aber Slo­ter­di­jk wä­re nicht Slo­ter­di­jk wenn er nicht zu ei­ner Art Be­frei­ungs­schlag aus­ge­holt hät­te; ab­ge­druckt in »Ci­ce­ro« mit dem am­bi­tio­nier­ten wie pro­vo­ka­ti­ven Ti­tel »Auf­bruch der Lei­stungs­trä­ger«.

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Dex­ter Fil­kins: Der ewi­ge Krieg

Dexter Filkins: Der ewige Krieg
Dex­ter Fil­kins: Der ewi­ge Krieg

Dex­ter Fil­kins, 1961 ge­bo­ren, kam zum er­sten Mal als Kor­re­spon­dent der Los An­ge­les Times im April 1998 nach Af­gha­ni­stan und be­rich­te­te von dort re­gel­mä­ßig bis zum Som­mer 2000. Kurz nach den An­schlä­gen vom 11. Sep­tem­ber 2001, die er in New York er­leb­te, ging er nach Af­gha­ni­stan zu­rück und blieb dort bis En­de 2002. Von März 2003 bis Au­gust 2006 leb­te Fil­kins im Irak und be­rich­te­te von dort für die New York Times aus de­ren Bag­da­der Bü­ro. »Der ewi­ge Krieg«, ein in den USA viel­fach prä­mier­tes Buch, ver­spricht, so der Un­ter­ti­tel, »In­nen­an­sich­ten aus dem ‘Kampf ge­gen den Ter­ror’ «.

Wie­der ein­mal ein ir­re­füh­ren­der und ef­fekt­ha­sche­ri­scher Un­ter­ti­tel. Er ist in dop­pel­ter Hin­sicht ir­re­füh­rend. Zu­nächst exi­stiert er im US-ame­ri­ka­ni­schen Ori­gi­nal gar nicht – das Buch heißt dort ein­fach nur »The Fo­re­ver War«. Zum an­de­ren sug­ge­riert man durch den Ge­brauch der Vo­ka­bel »Kampf ge­gen den Ter­ror« (der zu­dem noch ei­ne fal­sche, ver­harm­lo­sen­de Über­tra­gung des »War on [against] terror[ism]« dar­stellt) ei­ne min­de­stens teil­wei­se in­tro­spek­ti­ve Ana­ly­se über ei­ne rei­ne Schil­de­rung des ei­gent­li­chen Krie­ges hin­aus.

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Die Es­senz der So­la­ris

So­la­ris ist im gleich­na­mi­gen Ro­man von Sta­nis­law Lem ein frem­der Pla­net, der von Ozea­nen be­deckt ist, und in des­sen Or­bit die Mensch­heit der Er­de ei­ne Raum­sta­ti­on er­rich­tet hat. Auf die­sem Pla­ne­ten wer­den al­le dem Men­schen be­kann­ten Na­tur­ge­set­ze au­ßer Kraft ge­setzt. Als der Prot­ago­nist des Ro­ma­nes, ein Psy­cho­lo­ge, auf die Sta­ti­on kommt, ent­deckt er, dass ei­ner von den drei dort sta­tio­nier­ten For­schern sich das Le­ben ge­nom­men hat, und die an­de­ren bei­den gei­stig ver­wirrt schei­nen und des­we­gen al­le Ge­rä­te ab­schal­te­ten. Kurz dar­auf ent­deckt er auf der Sta­ti­on sei­ne kürz­lich ver­stor­be­ne Frau, die Sui­zid be­ging. Er emp­fin­det Schuld­ge­füh­le für das Ge­sche­he­ne, weil er nicht er­kannt, was sei­ne Frau wirk­lich be­drück­te und ih­re Sor­gen nicht ver­stand und hält sich so­mit für ver­rückt und be­merkt, dass auch die an­de­ren bei­den noch le­ben­den For­scher je­weils ei­nes die­ser sur­rea­len Ab­bil­der, die aus den Er­in­ne­run­gen und Träu­men des je­wei­li­gen In­di­vi­du­ums ent­stan­den sind, ver­ber­gen. An­ders als die an­de­ren bei­den For­scher schafft es der Psy­cho­lo­ge, sei­ne Ge­stalt mit der Wahr­heit zu kon­fron­tie­ren. Das Ab­bild sei­ner Frau er­kennt dann ih­re schein­ba­re Exi­stenz als das, was es ist, doch er möch­te es nicht als sol­ches er­ken­nen und formt sich Träu­me von ei­nem un­mög­li­chen Zu­sam­men­le­ben auf der Er­de. Als die an­de­ren bei­den For­scher ei­ne Mög­lich­keit ent­wickeln, die­se Ge­stal­ten zu zer­stö­ren, ist der Psy­cho­lo­ge erst ein­mal da­ge­gen, die­se auch an­zu­wen­den, doch das Trug­bild selbst bit­tet dar­um und hilft bei der er­folg­rei­chen Aus­füh­rung. Nach dem al­le Ab­bil­der für im­mer zer­stört wor­den sind, er­kun­det je­ner noch die Ober­flä­che des Pla­ne­ten, viel­leicht um in den ge­heim­nis­vol­len Ozea­nen nach den Lö­sun­gen die­ser bi­zar­ren Rät­sel zu su­chen.

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Av­ra­ham Burg: Hit­ler be­sie­gen

Ein Buch wie ei­ne Hil­fe­schrei. Hier schreibt ei­ner, der ge­trie­ben ist von ei­ner bes­se­ren Welt. Ge­trie­ben von dem Auf­spren­gen ei­nes Teu­fels­rei­ses mit den Mit­teln der Ein­sicht, des Ar­gu­ments – und der Em­pa­thie. Der Au­tor ist Av­ra­ham Burg, 1955 ge­bo­ren, ehe­ma­li­ger Of­fi­zier in ei­ner Fall­schirm­jä­ger­ein­heit, ehe­ma­li­ger Vor­sit­zen­der der »Je­wish Agen­cy« und ehe­ma­li­ger Knes­set-Spre­cher (ein viel­fach »Ehe­ma­li­ger« al­so). Burg ist Sohn ei­nes »Jeckes«, ei­nes Dresd­ner Uni­ver­si­täts­pro­fes­sors, der in Deutsch­land blieb so lan­ge es eben ging, für ei­ne Un­ter­or­ga­ni­sa­ti­on des Mos­sad in Pa­ris il­le­ga­le Ein­wan­de­rer her­aus­schmug­gel­te und da­für so­gar mit NS-Of­fi­zie­ren ver­han­del­te und spä­ter Mi­ni­ster in meh­re­ren is­rae­li­scher Re­gie­run­gen wur­de und ei­ner ara­bi­schen Jü­din, die als Kind nur mit Glück und Hil­fe (ih­res ara­bi­schen Ver­mie­ters) dem He­bron-Mas­sa­ker 1929 ent­kam. Die­ses Buch will er auch ver­stan­den wis­sen als Ge­spräch mit sei­nem (ver­stor­be­nen) Va­ter und als Dia­log­grund­la­ge für sei­ne Kin­der (uns es gibt be­rüh­ren­de Mo­men­te der An­nä­he­rung und der Be­wun­de­rung sei­nen El­tern ge­gen­über).

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Avraham Burg: Hitler besiegen
Av­ra­ham Burg: Hit­ler be­sie­gen
Von Jo­han­nes Rau stammt der Satz: »Ein Pa­tri­ot ist je­mand, der sein Va­ter­land liebt. Ein Na­tio­na­list ist je­mand, der die Va­ter­län­der der an­de­ren ver­ach­tet.« Ge­nau um die­se Dif­fe­renz geht es in dem Buch »Hit­ler be­sie­gen«: Burg ist ein Pa­tri­ot, der sich ge­gen das na­tio­na­li­stisch wer­den­de, sich iso­la­tio­ni­stisch ge­bär­den­de und da­bei mehr und mehr in Pa­ra­noia ver­fal­len­de Is­ra­el po­si­tio­niert und statt­des­sen sei­ne, die Wer­te sei­ner Fa­mi­lie, die Wer­te der Grün­der­vä­ter, die Wer­te ei­nes mo­der­nen, neu­en Ju­den­tums, set­zen möch­te.

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Lutz Sei­ler: Die Zeit­waa­ge

Lutz Seiler: Die Zeitwaage
Lutz Sei­ler: Die Zeit­waa­ge

»Turk­sib« in ziem­li­cher Ein­mü­tig­keit den In­ge­borg-Bach­mann-Preis zu­ge­spro­chen be­kam. Auch wenn man viel­leicht ei­nen an­de­ren »Lieb­lings­text« im Wett­be­werb hat­te – die Qua­li­tät die­ser Pro­sa war ein­deu­tig und tat­säch­lich her­aus­ra­gend. Und noch heu­te er­in­nert man sich an die­sen schau­rig-zärt­li­che Lo­re­ley-Ge­sang des rus­si­schen (?) Hei­zers auf den rüt­teln­den Turk­sib-Gän­gen. Viel­leicht ist die­ser Fisch­ge­sang, der sich zwi­schen Er­zäh­ler und Hei­zer für ei­ne schwer durch­at­me­te Dau­er er­eig­ne­te, der Kri­stal­li­sa­ti­ons­punkt die­ser Er­zäh­lung, die an­son­sten fast nur aus der Be­wäl­ti­gung des Ich-Er­zäh­lers der Strecke vom Zu­gen­de zum Zug­an­fang (oder ist es um­ge­kehrt?) und der Be­schau ei­nes Gei­ger­zäh­lers (und vor al­lem dem Ge­räusch!) zu be­stehen scheint. Aber – und dies wird noch Ge­gen­stand der Er­ör­te­rung sein – es ist nicht im­mer ganz leicht, den Mo­vens der Er­zäh­lun­gen von Lutz Sei­ler »her­aus­zu­ar­bei­ten«, was al­ler­dings die Lek­tü­re zu­sätz­lich reiz­voll macht.

Der vor­lie­gen­de Band mit dem schö­nen, al­le­go­ri­schen Ti­tel »Die Zeit­waa­ge« (ei­ne Zeit­waa­ge ist ein In­stru­ment zur Fest­stel­lung der Gang­ge­nau­ig­keit ei­ner Uhr) um­fasst drei­zehn Er­zäh­lun­gen (die Ti­tel­ge­schich­te fin­det sich am En­de des Bu­ches). Sie wei­sen for­mal kein ein­heit­li­ches Sche­ma auf. Häu­fig gibt es ei­nen Ich-Er­zäh­ler, der bis­wei­len durch­aus (bio­gra­fi­sche) Par­al­le­len mit dem Au­tor sug­ge­riert (aber manch­mal wird die­ses über­eif­ri­ge Ger­ma­ni­sten­su­chen auch auf per­fi­de Art plötz­lich, in­ner­halb der Er­zäh­lung, ge­bro­chen) und so­gar, ein­mal (in der Er­zäh­lung »Gavro­che«), wer­den Er­zäh­ler und Er­zäh­lung sel­ber Ge­gen­stand der Er­zäh­lung. Und in ei­ni­gen Ge­schich­ten gibt es ab­wei­chend ei­nen aukt­oria­len Er­zäh­ler.

Bis auf die er­sten bei­den Ge­schich­ten (»Frank« und »Im Ge­räusch«), die durch die Prot­ago­ni­sten mit­ein­an­der ver­bun­den sind (sie sind auf Ur­laub in den USA), »Turk­sib« und die »Zeit­waa­ge« (Ber­lin) kann man als Ort Sei­lers Hei­mat Thü­rin­gen aus­ma­chen. Und ob­wohl die Ge­schich­ten in der ehe­ma­li­gen DDR min­de­stens ver­wur­zelt sind, die Prot­ago­ni­sten ih­re So­zia­li­sa­ti­on dort er­fah­ren ha­ben (zu al­ler­dings durch­aus un­ter­schied­li­chen Zei­ten) und es durch­aus An­spie­lun­gen auf Skur­ri­li­tä­ten und Ab­son­der­lich­kei­ten des Sy­stems gibt (die­se meist eher mit leich­ter Hand ge­zeich­net), ist die »Zeit­waa­ge« kein »DDR-Buch«, schon gar kein Be­wäl­ti­gungs­buch. Die Ver­stö­run­gen und Ver­let­zun­gen der Fi­gu­ren sind auf ei­ne fast be­tö­ren­de Art Zeug­nis ei­nes aus-der-Welt-ge­fal­len-Seins und be­sit­zen ei­nen merk­wür­dig ho­hen Grad an Uni­ver­sa­li­tät (die al­ler­dings in kei­nem Fall mit Be­lie­big­keit ver­wech­selt wer­den darf).

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