Die In­ter­ven­tio­ni­sten und ih­re hu­ma­ni­tä­ren Ak­tio­nen

Es ist schon er­staun­lich, wie sich Ge­schich­te wie­der­holt. 1991, 1999, 2001, 2003 und jetzt 2011. Es sind Jah­res­zah­len der mar­kan­te­sten mi­li­tä­ri­schen In­ter­ven­tio­nen des »We­stens«. Man kann auch Krieg sa­gen, aber das klingt nicht so gut.

So un­ter­schied­lich die Fäl­le sind und so dif­fe­ren­ziert man die Ein­grif­fe be­wer­ten muss – die me­dia­len Mu­ster, wie sich die­se Kon­flik­te dar­stel­len, sind ab­so­lut iden­tisch: Zu­nächst gibt es ei­nen seit Jah­ren agie­ren­den Au­to­kra­ten (oder Dik­ta­tor) in ei­nem Land. Die­ser tut ir­gend­wann et­was, was sicht­bar ge­gen un­se­re Vor­stel­lun­gen von Mo­ral ver­stößt. Wohl ge­merkt: Er muss es sicht­bar tun. Es reicht nicht, wenn er jahr­zehn­te­lang Ab­trün­ni­ge in Ge­fäng­nis­sen fol­tern und um­brin­gen lässt. Es reicht nicht, wenn er ei­nen Ge­heim­dienst­ap­pa­rat un­ter­hält, der re­pres­siv ge­gen die ei­ge­ne Be­völ­ke­rung vor­geht. Es reicht auch nicht, wenn in we­ni­gen Wo­chen bis zu ei­ner Mil­li­on Men­schen um­ge­bracht wer­den, und es ist kei­ne Ka­me­ra da­bei. Es muss et­was ge­sche­hen, was in die gän­gi­ge Bil­der­welt un­se­rer Me­di­en ein­fließt und als schreck­lich, grau­sam, bru­tal oder men­schen­ver­ach­tend be­zeich­net wer­den kann. So­gleich wird die­se Fi­gur zur per­so­na non gra­ta. So­ge­nann­te In­tel­lek­tu­el­le stel­len dann Ver­glei­che an. Der grif­fig­ste Ver­gleich ist im­mer noch der mit Hit­ler. Oder er ist ein­fach ein »Ir­rer«. In je­dem Fall ein »Schläch­ter«. Oder al­les gleich­zei­tig.

Schnell fin­den sich wil­li­ge In­ter­ven­tio­ni­sten. Die Neo­kon­ser­va­ti­ven der USA der 1970–2000er Jah­re und die Grü­nen Eu­ro­pas sind in ih­rem In­ter­ven­tio­nis­mus sehr ähn­lich. Bei­de ver­tre­ten die Ideo­lo­gie, dass am west­li­chen We­sen die Welt ge­ne­sen muss. Schnell po­ten­zie­ren sich die Er­eig­nis­se durch wil­li­ge Hel­fer in den Me­di­en zum schein­bar al­ter­na­tiv­lo­sen Han­deln. Ge­gen­ar­gu­men­te wer­den mit der Bil­li­gung der Ta­ten des Des­po­ten ein­fach gleich­ge­setzt. Der ab­trün­ni­ge Stand­punkt wird de­nun­ziert – dar­in sind sie den­je­ni­gen, die sie be­kämp­fen wol­len, durch­aus eben­bür­tig. Es gibt nur noch schwarz oder weiß – wer nicht für sie ist, ist ge­gen sie. Wei­ter­le­sen

Ein Glas Bier im Flug­zeug

Die Re­ak­to­ren­ka­ta­stro­phe in Ja­pan hält zur Zeit die Welt in Atem. Al­les über­trie­ben, tönt es da aus ei­ner Rich­tung. Die Jour­na­li­sten sind al­le in­dok­tri­niert, schü­ren nur Pa­nik. Wie ein Ket­ten­brief kur­siert seit ge­stern in deutsch­spra­chi­gen Face­book-Ac­counts der Auf­satz ei­nes ge­wis­sen Jo­sef Oeh­men, der zu­nächst als Wis­sen­schaft­ler des MIT vor­ge­stellt wur­de, was man dann spä­ter kor­ri­gier­te: Oeh­men ist das, was man ge­mein­hin ei­nen Ri­si­ko­ma­na­ger nennt.
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Pierre Chi­quet: Der Sprin­ger

Pierre Chiquet: Der Springer

Pierre Chi­quet: Der Sprin­ger

Zu­nächst denkt man, dass das Buch »25« heißt. Die­se Zahl prangt weiß auf schwar­zem Un­ter­grund auf dem Co­ver. Erst auf dem zwei­ten Blick er­kennt man den rich­ti­gen Ti­tel, senk­recht in gol­de­nen Buch­sta­ben: »Der Sprin­ger«. Auf der näch­sten Sei­te, um­riss­ar­tig die »26«. Auf der vor­letz­ten Sei­te »27«. Da­zwi­schen: das Buch. Was ha­ben die Zah­len zu be­deu­ten? Nach ei­nem Drit­tel ahnt der Le­ser: Es sind Zim­mer­num­mern. In Zim­mer 27 trifft sich ein Paar. Und in Zim­mer 26 ist der Ehe­mann der Frau. Viel spä­ter er­fährt man, dass das Zim­mer 25 auch noch ei­ne Rol­le spielt. Es ist ver­wir­rend.

Da­bei be­ginnt al­les so ein­fach: Ei­ne to­te Frau, ein Kom­mis­sar, der im som­mer­li­chen Ge­wit­ter­re­gen den Tat­ort zu Fuß auf­sucht und ein zu­meist schwei­gen­der Tat­ver­däch­ti­ger, der ge­steht und da­nach nur noch ei­nen Satz in ei­nem lan­gen Ver­hör sagt. Am Grab der Ge­tö­te­ten, we­ni­ge Ta­ge spä­ter, er­scheint dem Kom­mis­sar epi­pha­nisch die Ge­stalt der Frau und auch gleich die Ge­schich­te da­zu. Es ist die Ge­schich­te von Paul­zen, des­sen ehe­ma­li­gen Stu­di­en­kol­le­gen Stock­mann und von Made­lei­ne, die dann Stock­manns Ehe­frau wur­de. Plötz­lich sucht Stock­mann Paul­zen auf und »bie­tet« ihm oh­ne Um­stän­de sei­ne Frau an. Sie »ent­glei­te« ihm und er kom­me mit ihr nicht mehr zu­recht. Er kön­ne sie ha­ben.
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Fra­gen an Frau Pohl

Ines Pohl, Chef­re­dak­teu­rin der taz, be­tont in ei­nem In­ter­view um die An­zei­ge der »Bild«-Zeitung in der taz, dass die­se – »wie in je­dem or­dent­li­chen Zei­tungs­haus« – Re­dak­ti­on und An­zei­gen­ge­schäft ge­trennt ha­be. Pohl wei­ter: »Die Re­dak­ti­on ver­fügt gar nicht über die Ho­heit, zu ent­schei­den, ob ei­ne An­zei­ge er­scheint oder nicht, wenn die An­zei­ge – das ist im Re­dak­ti­ons­sta­tut der taz fest­ge­schrie­ben – nicht ras­si­stisch, se­xi­stisch oder kriegs­ver­herr­li­chend ist.«
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Un­vor­stell­bar

A.d.L.e.R: Aus dem Le­ben ei­ner Rik­scha­fah­re­rin – Nr. 10

Es ist un­vor­stell­bar, wie an­stren­gend es ist! Al­lein das Ge­wicht, und das ist noch lan­ge nicht al­les: die Rik­scha (je nach Mo­dell: 60 bis 140 Ki­lo), Werk­zeug, Stand­luft­pum­pe, Pro­vi­ant (durch­schnitt­li­che Ta­ges­ra­ti­on: zwei Ki­lo Nu­deln mit So­ße, ein Ki­lo Nüs­se, ein hal­bes Ki­lo Scho­ko­la­de, fünf Li­ter Was­ser oder an­de­re Ge­trän­ke), Decken, Kund­schaft (sta­ti­stisch: zwei Er­wach­se­ne = 160 Ki­lo), Tü­ten und Kar­tons (vom Ein­kau­fen), Kin­der zwi­schen 0 und 18 Jah­ren (aufm Schoß), klei­ne­re, mitt­le­re, gro­ße prall­voll­ge­pack­te Rei­se­kof­fer, Hun­de, Kin­der­wa­gen, Roll­stüh­le, Lap­tops, Ak­ten­ta­schen, Sta­ti­ve, Film­ka­me­ras. Da ist man schnell bei drei bis vier­hun­dert Ki­lo, wo man nicht auf ei­ne hal­be Ton­ne kommt. Da­zu der schlech­te Zu­stand der Ber­li­ner Stra­ßen. Wei­ter­le­sen

Die Fin­ster­mann­rie­ge

Horst See­ho­fer hat es nun aus­ge­spro­chen. Da ist sie: die Gut­ten­berg-Dolch­stoß-Le­gen­de. Herr Lam­mert und Frau Scha­van sol­len, so der rüh­ri­ge CSU-Vor­sit­zen­de See­ho­fer, dem Frei­her­ren in den Rücken ge­fal­len sein. Da ist es wie­der: Die­ses Zau­ber­wort der Po­li­tik – die Ge­schlos­sen­heit. »Die Rei­hen fest ge­schlos­sen« – nicht nur ei­ne deut­sche Tu­gend, aber hier im­mer be­son­ders ger­ne her­vor­ge­kramt, wenn die Kraft des Ar­gu­ments auf dem Al­tar des Op­por­tu­nis­mus ge­op­fert wer­den soll. Pi­kant ist, dass aus­ge­rech­net See­ho­fer, der mit sei­nen un­dif­fe­ren­zier­ten und pla­ka­ti­ven Ein­wür­fen die schwarz-gel­be Ko­ali­ti­on im­mer wie­der un­ge­fragt pe­ne­triert, Mi­ni­ster und Ab­ge­ord­ne­te zu Ab­nickern de­gra­die­ren möch­te.
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Bri­git­te Schwens-Har­rant: Li­te­ra­tur­kri­tik – Ei­ne Su­che

Brigitte Schwens-Harrant: Literaturkritik - Eine Suche

Bri­git­te Schwens-Har­rant: Li­te­ra­tur­kri­tik – Ei­ne Su­che

»Li­te­ra­tur­kri­tik – Ei­ne Su­che« ist mehr als nur ei­ne Mo­ment­auf­nah­me aus dem »Be­trieb«, der sich zu­meist in Jam­me­rei und mehr oder min­der of­fe­ner Pu­bli­kums­be­schimp­fung übt, wenn es um ihr Me­tier geht. Bri­git­te Schwens-Har­rant, selbst Li­te­ra­tur­kri­ti­ke­rin, lie­fert nicht nur ei­ne pro­fun­de, wun­der­bar un­auf­ge­reg­te Be­schrei­bung des Ist-Zu­stan­des, son­dern ent­wickelt im wei­te­ren Ver­lauf nichts Ge­rin­ge­res als ei­ne Zu­kunfts­per­spek­ti­ve für ih­re Zunft. Dies al­les in la­ko­ni­scher und prä­zi­ser Spra­che, oh­ne in das ab­schrecken­de, letzt­lich nur selbst­be­weih­räu­chern­de Ger­ma­ni­sten­sprech zu ver­fal­len, wel­ches sie be­rech­tig­ter­wei­se bei an­de­ren mo­niert.

Es gibt schö­ne Ge­las­sen­heits­mo­men­te der Au­torin, et­wa wenn sie die all­ge­mei­ne Ver­un­si­che­rung in der Bran­che mit dem Satz Ach­sel­zucken macht mun­ter kom­men­tiert. Schwens-Har­rant zeigt zwar Ver­ständ­nis für die schwie­ri­ge Si­tua­ti­on der Kri­ti­ker (nied­ri­ge Ho­no­ra­re, Spar­zwän­ge in den Zei­tun­gen, »Ge­set­ze« des Be­triebs) sieht aber kei­nen Grund, den Kopf in den Sand zu stecken. Im Ge­gen­teil: Wäh­rend die Mit­glie­der des Li­te­ra­tur­be­trie­bes da­mit be­schäf­tigt sind, zu strei­ten, zu jam­mern oder ein­an­der an die Be­deu­tung oder Be­deu­tungs­lo­sig­keit ih­res Tuns zu er­in­nern, sind die Le­ser da­bei, sich via In­ter­net Öf­fent­lich­keit zu schaf­fen und auf ei­ge­ne Faust Li­te­ra­tur­ver­mitt­lung zu be­trei­ben. Die Fra­ge, was der Li­te­ra­tur ei­gent­lich bes­se­res pas­sie­ren kann, als auf die­se Wei­se Auf­merk­sam­keit zu be­kom­men, ist eben nicht iro­nisch ge­meint. Wei­ter­le­sen

Ein schänd­li­ches Ver­sa­gen

Zwei Aus­sa­gen des Ver­tei­di­gungs­mi­ni­sters zu Gut­ten­berg am Mon­tag auf der in­zwi­schen fast be­rühm­ten Wahl­kampf­ver­an­stal­tung der CDU zum Kom­mu­nal­wahl­kampf (!) in Hes­sen sind be­mer­kens­wert: Zum ei­nen er­klärt er sei­nen dau­er­haf­ten Ver­zicht, den Dok­tor­ti­tel zu füh­ren. Und zum an­de­ren »ge­stand« er ei­nen »Blöd­sinn« ge­schrie­ben zu ha­ben.

Der »Blöd­sinn« wur­de von der Uni­ver­si­tät in Bay­reuth mit »sum­ma cum lau­de« be­wer­tet. Da­mit gibt er der Uni­ver­si­tät und sei­nem Dok­tor­va­ter noch nach­träg­lich ei­nen Tritt. Und auch die zahl­rei­chen pla­gi­ier­ten Au­toren wer­den in­di­rekt be­lei­digt, denn all­zu viel Ei­gen­an­teil soll die Dok­tor­ar­beit ja nicht auf­wei­sen. Wei­ter­le­sen