ERT ist über­all

Heu­te mel­de­te die »Klei­ne Zei­tung«, dass der ORF-Ge­ne­ral­di­rek­tor Alex­an­der Wra­betz ge­stern das En­de des In­ge­borg-Bach­mann-Wett­be­werbs ab 2014 ver­kün­det ha­be. Das heißt zu­nächst ein­mal nur, dass das ORF Lan­des­stu­dio in Kärn­ten nicht mehr zur Ver­fü­gung ste­hen und dass es kei­ne Über­tra­gun­gen mehr ge­ben wird. Das wird mit dem En­de des Bach­mann­prei­ses iden­tisch ge­setzt.

Seit­dem gibt ein zum Teil heuch­le­ri­sches Ge­jau­le in den (so­ge­nann­ten) so­zia­len Netz­werken; zum Teil von de­nen, die kei­ne Ge­le­gen­heit aus­ge­las­sen ha­ben, den Bach­mann­preis bei je­der Ge­le­gen­heit hä­misch zu kom­men­tie­ren. Ih­nen ist nun die Spiel­wie­se ge­nom­men wor­den, in der Mit­tags­pau­se drei, vier Sät­ze ei­ner Le­sung und/oder ei­nes Ju­ror­bei­trags aus dem Zu­sam­men­hang zu rei­ssen. Die durch­iro­ni­sier­ten Lei­stungs­trä­ger per­si­flie­ren schon ei­ne Neu­auf­la­ge in Kon­stanz. Was noch fehlt, aber un­wei­ger­lich droht, sind die Epi­ta­phe des so­ge­nann­ten Feuil­le­tons, das seit Jah­ren be­reits den Bach­mann­preis auf der Ab­schuss­li­ste hat.

Wie ich den Ar­ti­kel ver­ste­he ko­stet die Über­tra­gung dem ORF 350.000 Eu­ro. All in­clu­si­ve? Mit oder oh­ne Over­head-Ko­sten? Man weiß es nicht. Wor­an misst man die­sen Be­trag? Pro Sen­de­mi­nu­te? Bei 15 Stun­den Über­tra­gung wä­ren dies knapp EUR 400 pro Mi­nu­te. Das ist ein lä­cher­li­cher Be­trag und viel­leicht kann mir je­mand die Po­tenz nen­nen, die ein mit­tel­mä­ßi­ger Film oder ein Con­fed-Cup-Fuß­ball-Spiel pro Mi­nu­te ko­stet. Oder rech­net man pro Zu­schau­er? Ich ha­be kei­ne Zahl über die Ein­schalt­quo­te ge­fun­den (sie ver­schwin­den so schnell, wie sie er­schei­nen). Aber an­hand der spär­lich ge­nann­ten Zah­len zum Pu­bli­kums­preis könn­te man er­ken­nen, dass es nicht sehr toll stand. Im Jahr 2007 gab man be­kannt, dass es ins­ge­samt 1.155 »Be­ur­tei­lun­gen« gab; das Er­geb­nis zu Gun­sten von Pe­ter­Licht war »knapp«. 2009 reich­ten 268 Stim­men zum Ge­winn; 2010 schon 170. Da konn­te schnell der Pu­bli­kums­preis mit flash­mo­b­ar­ti­gen Ak­tio­nen »un­ter­wan­dert« wer­den.

Um es poin­tiert zu sa­gen: Die Ver­an­stal­tung ko­stet im Ver­hält­nis zu an­de­ren Aus­ga­ben der öf­fent­lich-recht­li­chen Sen­der (si­cher­lich auch in Öster­reich) fast nichts. Wenn man den Zu­schau­er­an­teil stei­gern will, muss man zu­nächst die Zei­ten der Le­sun­gen ver­än­dern. Don­ners­tag mor­gen, Frei­tag mor­gen – seit ei­ni­gen Jah­ren von 10.15 bis 15.15 Uhr. Wer kann da schon zu­schau­en und vor al­lem: zu­hö­ren – au­ßer die üb­li­chen Ver­däch­ti­gen? Und war­um nicht auch die Ver­le­gung in ei­ne für Li­te­ra­tur­re­zep­ti­on bes­se­re Jah­res­zeit? Die Ver­la­ge­rung von En­de Ju­ni auf An­fang Ju­li ist in kei­nem Fall von Vor­teil ge­we­sen. Wie wä­re es mit April? Oder Sep­tem­ber?

Vie­les könn­te man än­dern, oh­ne dass ei­ne Qua­li­täts­ein­bu­ße die Fol­ge sein müss­te. Bei­spiels­wei­se die Tex­te nicht mehr al­len Ju­ro­ren im vor­aus zu prä­sen­tie­ren. Son­dern es auf die spon­ta­ne Re­ak­ti­on an­kom­men las­sen. Auch ei­ne An­ony­mi­sie­rung durch die Le­sung von Schau­spie­lern oder – war­um nicht? – dem je­wei­li­gen Ju­ror, der den Kan­di­da­ten vor­ge­schla­gen hät­te wä­re ein be­le­ben­des Ele­ment. Hier gibt noch an­de­re Vor­schlä­ge – al­le­samt ko­sten­neu­tral.

Neu­lich ha­be ich er­fah­ren, dass man von Sei­ten des Fern­se­hens schon seit Jah­ren am Mo­dus her­um­ba­steln woll­te. Aber nicht im Sin­ne ei­ner bes­se­ren äs­the­ti­schen Durch­dringung, son­dern eher, um der Ver­an­stal­tung ei­nen Event­cha­rak­ter zu ge­ben, ihn »ge­schmei­di­ger« zu ma­chen; die Le­se­zei­ten zu ver­kür­zen oder auch Per­for­man­ces ein­zu­bin­den. Viel­leicht dach­te man an so et­was wie in die­sen dumm­blö­den Ca­sting-Shows, in de­nen adi­pö­se Ju­ro­ren min­der­jäh­ri­gen Mäd­chen die Tail­le ver­mes­sen und die­se dann zu dick be­fin­den oder schlecht fri­sier­te Nicht-No­ten­le­ser Ge­sangs­qua­li­tä­ten be­wer­ten.

Da wä­re es tat­säch­lich bes­ser, man schaf­fe den Preis bzw. die Über­tra­gung ganz ab. Wenn man ehr­lich ist, war die Qua­li­tät in den letz­ten Jah­ren bis auf we­ni­ge Aus­nah­men eher be­schei­den. Das liegt nicht zu­letzt an den Ju­ro­ren, die ja die (lieb­los wie zu­tref­fend »Tex­te« ge­nann­ten) Bei­trä­ge vor­schla­gen. Hier schäl­ten sich gro­ße, zum Teil un­über­brück­ba­re Dif­fe­ren­zen her­aus. Manch­mal frag­te ich mich, war­um die­ser oder je­ner Ju­ror (Neu­trum) dort sitzt. Ele­men­ta­re Le­se­lei­stun­gen wur­den zum Teil nicht er­bracht. Über­ra­schun­gen re­spek­ti­ve wich­ti­ge Ent­deckun­gen blie­ben weit­ge­hend aus; Ma­ja Ha­der­laps Ro­man hät­te man auch oh­ne Bach­mann­preis ge­fun­den und für groß­ar­tig be­fun­den. Frei­lich dien­te er für vie­le Schrift­stel­ler als Pu­bli­zi­täts­be­schleu­ni­ger. So ge­lang es Si­byl­le Le­witschar­off 15 Jah­re nach dem Ge­winn des Bach­mann­prei­ses den Büch­ner-Preis zu ge­win­nen. Das hät­te oh­ne Kla­gen­furt we­sent­lich län­ger ge­dau­ert.

Be­un­ru­hi­gen­der noch als die Mel­dung über das na­he En­de des Bach­mann­prei­ses ist ei­ne Mel­dung, die vor ei­ni­gen Ta­gen fast un­be­merkt durch die Me­di­en weh­te: »In­ten­dan­ten ste­hen zum ge­mein­sa­men Kul­tur­ka­nal 3sat« heißt es da. Man weiß ab ei­nem ge­wis­sen Le­bens­al­ter, was man da­von zu hal­ten hat. Es fehlt nur ein Wort: »noch«. 2014 der Bach­mann­preis, ein paar Jah­re spä­ter 3sat. Die Oa­sen wer­den suk­zes­si­ve still­ge­legt. Die öf­fent­lich-recht­li­che Wü­ste wird nicht auf­zu­hal­ten sein. Die Bei­trä­ge ver­sickern an­ders­wo. Kul­tur­auf­trag? Nie ge­hört. ERT ist dann über­all.

31 Kommentare Schreibe einen Kommentar

  1. Ge­trof­fen und ver­senkt, wenns auf die Dra­ma­tur­gie des Schif­fe­ver­sen­kens an­kä­me. Die Heu­che­lei ist Teil des Ar­ran­ge­ments, was auch mit der ORF-Per­so­nal­po­li­tik zu­sam­men­hängt. Die Pro­duk­ti­ons­ko­sten sind im Ver­gleich zu ei­nem läp­pi­schen Tat­ort lä­cher­lich. Und wenn man sich im Ver­gleich da­zu in be­tracht kom­men­de Spon­so­ring-Bud­gets an­schaut, kann man ge­trost die drei­fa­che Sum­me des ORF-Bud­gets als rea­li­sti­sches Ak­qui­si­ti­ons­ziel be­zif­fern.

    Al­so: Der Haupt­be­fund, die Ver­wü­stung öf­fent­lich-recht­li­cher Grund­ver­sor­gung, trifft den Sach­ver­halt, der Bach­mann­preis ist da eher ein Ne­ben­kriegs­schau­platz.

    Die Ideen für ei­ne bes­se­re Dra­ma­tur­gie fin­de ich her­vor­ra­gend. Kri­tik, Lek­tü­re und Re­zep­ti­on ver­tra­gen Zu­spit­zung, Kon­tro­ver­se und Über­ra­schung al­le­mal.

    Es wür­de mich wun­dern, wenn nicht bin­nen we­ni­ger Ta­ge ei­ni­ge fi­nanz­kräf­ti­ge Kul­tur­för­de­rer über­näh­men. Dann al­ler­dings nicht in Kla­gen­furt und kaum mit dem ORF. Dar­um Kon­stanz, Zü­rich oder Ber­lin.

  2. Es geht na­tür­lich nicht um die Ko­sten, son­dern um die Quo­ten-Ef­fi­zi­enz. Denn wer weiß, was die ent­spre­chen­de Men­ge Er­satz-Pro­gramm ko­sten wür­de? Die Er­spar­nis wä­re al­so, wenn über­haupt, mi­ni­mal. Aber viel­leicht kann man mit dem glei­chen Mit­tel­ein­satz ei­ne hö­he­re Quo­te er­zie­len?
    Be­droht wird der Preis da­her nur von der Pa­nik der In­ten­dan­ten (und an­de­rer »Ver­mitt­ler«?), bei et­was Un­po­pu­lä­rem er­wischt zu wer­den. Das muss man sich ein­mal vor­stel­len: Da tau­chen Leu­te im leib­haf­ti­gen deut­schen Quo­ten­fern­se­hen und le­sen ... schwie­ri­ge Li­te­ra­tur vor! Oh­ne groß her­um­zu­ham­peln.
    99,8% der Ge­sell­schaft möch­ten nicht ein­mal beim Durch­zap­pen dran er­in­nert wer­den, dass es so et­was ja auch noch gibt. Ei­ne Le­gi­ti­ma­ti­on des Pro­gramms über Qua­li­tät oder Sinn ist gar nicht mehr vor­ge­se­hen ...

  3. Dis­kus­si­on oh­ne vor­he­ri­ge Kennt­nis der Tex­te durch die Ju­ro­ren fän­de ich bes­ser. So lief das auch bis 1996 (wenn ich die Jah­res­zahl rich­tig im Kopf ha­be). Ar­gu­ment für den ge­gen­wär­ri­gen Mo­dus war, daß sich die Ju­ro­ren bei vor­he­ri­ger Lek­tü­re ein­ge­hen­der mit dem je­wei­li­gen Text aus­ein­an­der­set­zen könn­ten. Tat­säch­lich ta­ten das vie­le so oder so nicht. Sind ja al­le im­mer so be­schäf­tigt... An­de­rer­seits öff­net das Vor­aus­wis­sen tak­ti­schen Er­wä­gun­gen beim Wer­ten und Ab­stim­men Tür und Tor. Fa­zit: Mehr Spon­ta­nei­tät wä­re gut, Keu­sch­nig hat recht.

    Ich ha­be die Bach­mann­preis­ver­an­stal­tung im­mer in der Nach­fol­ge der Tref­fen der Grup­pe 47 ge­se­hen. Viel­leicht na­iv, die Zei­ten ha­ben sich eben ge­än­dert, vor al­lem durch den Ein­fluß der vi­su­el­len Mas­sen­me­di­en. Oder könn­te man es trotz­dem – des­we­gen? – wie­der auf die­sem Weg ver­su­chen? Ein Neu­start oh­ne Dau­er­prä­senz der Ka­me­ras? Kla­gen­furt als Ver­an­stal­tungs­ort wür­de ich kei­ne Trä­ne nach­wei­nen. Bach­mann ist über­all, nicht nur an See­ufern. Bach­mann und Ce­lan ha­ben sich in Niern­dorf (!) ge­trof­fen.

  4. Das letz­te »re­gu­lä­re« Tref­fen der Grup­pe 47 fand 1967 statt (es gab dann noch 1972 und 1977 zwei Zu­sam­men­künf­te; be­reits oh­ne et­li­che der üb­li­chen Prot­ago­ni­sten; 1990 dann ei­ne Art Ve­te­ra­nen­tref­fen in Prag). In den Rich­ter-Ta­ge­bü­chern kann man schön le­sen, wie ihm ins­be­son­de­re die Kri­ti­ker MRR, Hans May­er, Kai­ser und Jens auf die Ner­ven fie­len. Sie ver­hiel­ten sich wie Di­ven. Rich­ter be­griff, dass ih­nen ih­re Per­son längst wich­ti­ger war als die Li­te­ra­tur. Aber er konn­te es auch nicht fer­tig­brin­gen, sie nicht mehr ein­zu­la­den. So war er ih­ren Lau­nen hin­ter den Ku­lis­sen aus­ge­lie­fert, was zu ei­nem gro­ßen Teil zur Re­si­gna­ti­on führ­te. Bach­mann starb 1973. Vier Jah­re spä­ter fand der er­ste Bach­mann­preis statt. Mit MRR war ei­ner der Di­ven so­fort da­bei, spä­ter ka­men dann noch Jens und Kai­ser da­zu; noch spä­ter die Pal­la­di­ne von Reich-Ra­nicki. Die Re­geln wa­ren ähn­lich; auch in der Grup­pe 47 durf­te der Le­sen­de an­schlie­ßend nicht in die Dis­kus­si­on ein­grei­fen. Vie­les spricht da­für, dass Reich-Ra­nicki ei­ner der trei­ben­den Kräf­te war, die­se Grup­pe zu re­vi­ta­li­sie­ren. Kla­gen­furt bot sich we­gen des Bach­mann-To­des an; die Kon­tak­te für die Ört­lich­kei­ten und Preis(e) konn­te er ein­fä­deln. MRR be­schreibt ja heu­te noch die Bach­mann mit der Em­pha­se ei­nes ver­lieb­ten Back­fischs. In­zwi­schen geht man auch ein we­nig da­zu über, ih­re wohl­ge­setz­ten In­sze­nie­run­gen zu un­ter­su­chen.

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    Quo­ten-Ef­fi­zi­enz hat na­tür­lich mit Ko­sten zu tun; ge­nau­er ge­sagt: mit Le­gi­ti­ma­ti­on. Die Lob­by des Pri­vat­fern­se­hens in den Me­di­en hat es ja ge­schafft, den öf­fent­lich-recht­li­chen Rund­funk an Zah­len zu mes­sen. Sind die Quo­ten für ei­ne Sen­dung ge­ring, wird so­fort die Ko­sten­fra­ge ge­stellt; ist sie ein­mal gut, kehrt man den Spieß um und krit­telt an der »Qua­li­tät« her­um. In die­se Fal­le ist der öf­fent­lich-recht­li­che Rund­funk längst ge­tappt. Durch die Zwangs­ab­ga­be in Deutsch­land wird die Si­tua­ti­on noch mehr ver­schärft: al­les wird jetzt ge­mes­sen an Quo­te und Markt­an­teil. Kei­ner be­fragt bspw. die Sinn­haf­tig­keit der so­ge­nann­ten Ziel­grup­pe zwi­schen 14–49 – als wä­re die­se ho­mo­gen.

  5. Mir hat man 2008 beim zehn­ten Velt­li­ner hin­ter vor­ge­hal­te­ner Hand schon ge­sagt, daß man je­des Jahr feie­re, als wä­re es das letz­te; der höch­ste, bis da­hin ge­mes­se­ne Ein­schalt-Re­kord lag bei 35.000. Wie auch im­mer man das ge­mes­sen ha­ben will – je­den­falls ei­ne Quo­te, die so­gar für 3sat aus me­di­en­po­li­ti­schen Grün­den noch ärm­lich ist, des­halb wur­de da­mals spe­ku­liert, ob man nicht auf zdf.kultur aus­wei­chen sol­le. Nun gut, das hat sich er­le­digt, zdf.kultur ist dem­nächst ja auch Ge­schich­te. Of­fen­bar auch 3sat. Groß­ar­tig!

    Ich fra­ge mich, ob der Bach­mann-Wett­be­werb oh­ne TV nicht ei­ne rea­le Chan­ce hät­te, den gan­zen Klad­de­ra­datsch ab­zu­strei­fen und sich mal wie­der auf Tex­te zu kon­zen­trie­ren, nicht auf die Ju­ro­ren – die, mit den li­te­ra­ri­schen Gä­sten à la Ich-hal­te-mein-Ge­sicht-in-je­de-Ka­me­ra-Tro­ja­now, ja das ei­gent­lich Wich­ti­ge wa­ren. Wo man kein Kin­topp er­war­tet, muß man es auch nicht bie­ten.
    Denn, ich hat­te es schon mal er­wähnt, glau­be ich: Am Aus­lo­sungs­abend 2008 hör­te ich die schö­nen Wor­te: »So, und dann kom­men wir zur Aus­lo­sung, ich bit­te jetzt, die Au­toren vor­zu­tre­ten. Sind die denn über­haupt schon da?«
    Ja, wir wa­ren schon da. Das hat aber nie­mand über­prüft. Weil wir ja schön wurst wa­ren für den ge­re­gel­ten Ab­lauf der Ver­an­stal­tung.

  6. zdf.kultur, so­so.

    Ist es nicht ver­rückt, dass der so­ge­nann­te Be­zahl­sen­der »Sky« (spä­te­stens durch die zwangs­wei­se Haus­halts­ab­ga­be sind die öf­fent­lich-recht­li­chen ja auch »Be­zahl­sen­der« ge­wor­den) die »Ha­rald-Schmidt-ShoW trotz ei­ner Ein­schalt­quo­te jen­seits der 20.000 be­hält? (Die er­ste Sen­dung hat­te die 20.000; da­nach an­geb­lich deut­lich we­ni­ger.)

    Al­so: Bach­mann­preis auf Sky!

  7. @ Mar­tin von Arndt
    Da fällt mir doch gleich die wirk­lich wun­der­bar be­zeich­nen­de An­ek­do­te von Tho­mas Bern­hard ein, der, als er zu ei­ner Preis­ver­lei­hung an ihn schon ein­ge­trof­fen war und sich hin­ge­setzt hat­te, hör­te, wie die igno­ran­te Mi­ni­ste­rin in die Run­de frag­te: Ja, wo ist er denn, un­ser „Dich­ter­ling“. Ich glau­be, da hät­te ich mich auch wie­der ver­drückt.

    @ G. K.
    Und klar, wenn Kul­tur ja im­mer auch Co­me­dy ist, kann man es wirk­lich auf Sky über­tra­gen.

    Aber viel­leicht kommt, bei all den me­dia-gue­ril­la-Ak­ti­vi­tä­ten, dem­nächst ein In­ter­net-TV Ka­nal dar­auf, die Lücke zu schlie­ßen?

  8. @herr.jedermann
    Wenn Sie El­ke Hei­den­reich als Me­di­en-Gue­ril­la neh­men? Die hat­te ja nach ih­rem Krach mit dem ZDF ihr »Lesen!«-Kaffeekränzchen im In­ter­net pu­bli­ziert. Auch hier wur­de die Quo­te schnell zum Pro­blem; sie hat dann nach rund ei­nem Jahr auf­ge­ge­ben.

    (Die Fra­ge wä­re ja, war­um sie auf­ge­ge­ben hat? War es nicht mehr pro­fi­ta­bel? Oder leg­te man Geld zu? – Grund­sätz­lich stellt sich die Fra­ge: Will man mit ei­ner sol­chen Sa­che Geld ver­die­nen? Oder macht man es aus Lei­den­schaft?)

  9. Keu­sch­nig be­schreibt wei­ter oben die Kon­ti­nui­tät zwi­schen Grup­pe 47 und Bach­mann­preis­wett­be­werb. Ich mei­ne ein­fach, die­se Kon­ti­nui­tät soll­te wei­ter­ge­hen. Wenn der Me­di­en­event­cha­rak­ter stirbt – gut. Es muß nicht al­les gleich ins Fern­se­hen. Wich­ti­ger wä­re, daß es über­haupt sol­che Ge­sprä­che über neue Li­te­ra­tur gibt, bei de­nen sich die un­mit­tel­bar Be­tei­lig­ten aus­tau­schen kön­nen. Kri­ti­ker-Di­ven wird es auch in Zu­kunft ge­ben, das Be­ur­teilt-Wer­den wird auch in Zu­kunft für vie­le schmerz­haft sein.
    Oft ha­be ich mich ge­fragt, ob sich ei­ne Ge­richts­ur­teils­si­tua­ti­on über­haupt ver­mei­den läßt. Ich fürch­te, nein. Der Au­tor ist im­mer ein we­nig in der Po­si­ti­on des An­ge­klag­ten. So­gar wenn er frei­ge­spro­chen wird (al­so »ge­winnt«), haf­tet ihm noch et­was von der Fi­gur des An­ge­klag­ten an. Wie soll er sich ge­gen ei­ne Über­macht ver­tei­di­gen? Am be­sten gar nicht. Aus sol­chen Be­ob­ach­tun­gen ha­ben man­che ge­schlos­sen, gar nicht erst hin­zu­ge­hen.

  10. @Leopold Fe­der­mair
    Ist es nicht auch so, dass Au­toren sol­che Ur­teils­si­tua­ti­on wol­len und viel­leicht wol­len müs­sen?: Was in ei­nem Werk steckt, zweigt sich eben erst da­durch, dass man es mit an­de­ren teilt und die­se dar­über be­fin­den (klar, an­ge­nehm ist das nicht, mei­stens zu­min­dest).

  11. Letzt­lich sind all das, was Kla­gen­furt aus­macht – Per­for­manz des Au­tors, „Kri­tik“, Spek­ta­kel und „Be­trieb“ – er­satz­haf­te In­stan­zen für die Ein­sam­keit des Le­sers – so wie der zu­al­ler­letzt ei­ne In­stanz des Mark­tes ist, der in den Text hin­ein­re­gie­ren will.

    In­so­fern war Kla­gen­furt für mich im­mer „ei­ne Far­be“ … und au­ßer­dem eben ein (re­la­tiv ori­gi­nel­les) Fern­seh­for­mat: Et­wa wie ein Quizz mit Fra­ge­run­den und Ju­ry, im be­sten Fal­le un­ter­halt­sam auch für je­man­den, mit sol­chen Nei­gun­gen wie ich.

    Die Li­te­ra­tur aber braucht das ja ei­gent­lich nicht. (Braucht sie mehr Kri­tik als in der Ver­lags- und an­schlie­ßend der Ar­beit des Le­sers? Wo­mög­lich ist das ge­wach­se­ne Selbst­be­wusst­sein der Kul­tur­kon­su­men­ten der Grund für das schlei­chen­de Ver­sa­gen der Li­te­ra­tur­kri­tik?)

    Das soll aber auch kein Plä­doy­er für die Ab­kehr von Ver­mitt­lung sein. (Und der Markt ist in un­zäh­li­gen For­men eh im­mer schon da.) Aber so, wie et­wa die bil­den­de Kunst längst ein hö­he­res Be­wusst­sein von ih­rer Ver­fer­ti­gung in ei­nem Markt­um­feld hat – der Markt und sei­ne Me­cha­nis­men (und wie­der­um: In­stan­zen) er­zeugt erst ei­nen Groß­teil der Pro­duk­ti­on – scheint mir das im­mer mehr ins Schrei­ben ein­zu­sickern. (Ich mei­ne, das lässt sich ganz gut an der Pro­mi­nenz von Leip­zig und Hil­des­heim und dann auch in der Blogo­sphä­re rund ums Schrei­ben er­kun­den.)

    Aber tut es der Auf­müp­fig­keit von »Ju­gend­kul­tu­ren« gut, wenn es auf ein­mal „Pop-Be­auf­trag­te“ und in je­der Kreis­stadt ein „Rock-Bü­ro“ gibt? Wie ge­sagt, Best­sel­ler gab es seit Lu­thers Zei­ten schon, aber nach mei­nem Ge­fühl wächst ei­ne im­mer stär­ke­re Ein­re­de VOR dem Text. Die Li­te­ra­tur im Zeit­al­ter der me­dia­len Eva­lu­ier­bar­keit.

    Es gab auf die­sem Blog ja schon öf­ter die Dis­kus­si­on um ein für Li­te­ra­tur taug­li­ches Fern­seh­for­mat (re­spek­ti­ve sei­ner no­to­ri­schen Ab­we­sen­heit). Kla­gen­furt ist für mich ei­ne Art fi­xes Da­tum im Jahr – und die so­zia­le Aus­le­gung auch der Le­ser­schaf­ten braucht wohl ih­re „so­cial“ Kom­po­nen­ten (Pu­bli­kums-Ju­ry!). Aber et­was der Li­te­ra­tur ir­gend­wie Feh­len­des wä­re die Ab­schal­tung von Kla­gen­furt für mich nicht.

  12. Man muß im Au­ge be­hal­ten, dass die Grup­pe 47 zu­erst als ei­ne Art Werk­statt­ge­spräch ge­dacht war. Man traf sich an­fangs 2x im Jahr um aus sei­nen Ma­nu­skrip­ten vor­zu­le­sen und an­de­re An­sich­ten und Mei­nun­gen ein­zu­ho­len. Schon En­de der 50er Jah­re zeich­ne­te sich ab, dass die Kri­ti­ker be­gan­nen, die Ver­an­stal­tung zu do­mi­nie­ren. Das ging par­al­lel mit dem In­ter­es­se der Me­di­en, aber vor al­lem der Ver­le­ger, die hier »Scou­ting« be­trie­ben. Das Drum­her­um, die In­sze­nie­rung des Au­tors (des Tex­tes) er­lang­te im­mer mehr Be­deu­tung. Die­se schlei­chen­de Even­ti­sie­rung der Grup­pe 47 ar­bei­tet Böt­ti­ger in sei­nem Buch sehr schön her­aus [pdf]. Rich­ter ver­moch­te die Gei­ster, die er rief, nicht mehr in die Fla­sche zu stecken; er be­fürch­te­te Be­deu­tungs­ver­lust. Aus sei­nen Tag­bü­chern kann man ent­neh­men, wie Grass bis zum Schluss die­sen Werk­statt­cha­rak­ter neu be­le­ben woll­te. Das klingt ehr­lich ge­meint, ob­wohl Grass na­tür­lich längst sel­ber wie ei­ne Di­va re­agier­te.

    Ich glau­be, es spielt auch noch ein an­de­rer Fak­tor mit, den Leo­pold Fe­der­mair schon an­deu­te­te: Es ist leid­lich aus der Mo­de ge­kom­men, Kri­tik so­zu­sa­gen wort­los über sich er­ge­hen zu las­sen. Ich will das gar nicht kul­tur­kri­tisch ein­ord­nen oder gar in Pes­si­mis­mus ver­fal­len, aber Kla­gen­furt zeig­te häu­fig, mit welch gran­dio­sem Selbst­ver­trau­en die Au­toren ih­re Tex­te und sich prä­sen­tiert ha­ben, et­wa wenn sie sich nach­träg­lich über un­ge­rech­te Kri­tik be­schwer­ten. Das Pro­blem liegt da­bei we­ni­ger bei den Au­toren als bei den Ju­ro­ren, die all­zu oft höchst mit­tel­mä­ssig agier­ten (ei­ni­ge zeig­ten, dass sie den Bei­trag nicht oder nicht mit vol­lem Ernst ge­le­sen ha­ben kön­nen). Der Tief­punkt war zu­meist er­reicht wenn es hieß, es han­de­le sich bei dem Text um ei­nen Aus­zug aus ei­nem Ro­man. Bis sich dann je­mand er­barm­te und dar­auf hin­wies, dass es nur um das Ge­schrie­be­ne ge­hen kann, wel­ches vor­liegt, wa­ren meist schon wie­der fünf Mi­nu­ten nutz­lo­ses Ge­re­de ver­gan­gen.

  13. @metepsilonema

    Das Pro­blem bei der Ur­teils­si­tua­ti­on, wie sie in Kla­gen­furt ge­ge­ben war (und we­nig­stens die­ses Jahr noch ist), hat Keu­sch­nig eben­falls schon be­rührt: Der Au­tor kann sich nicht ver­tei­di­gen. In ei­ge­ner Sa­che zu spre­chen, ist so gut wie un­mög­lich, und der­je­ni­ge Kri­ti­ker, der ihn zur Lek­tü­re vor­ge­schla­gen hat, kann auch nicht im vol­len Sinn als Ver­tei­di­ger auf­tre­ten. Die Ge­richts­si­tua­ti­on ist ir­gend­wie schief, der Au­tor be­wegt sich auf ei­ner schie­fen Ebe­ne. (In die­sem Sinn wa­ren die Ku­lis­sen­fen­ster, die letz­tes Jahr zu se­hen wa­ren, un­frei­wil­lig sinn­bild­lich: al­le­samt schief.) Nicht wie in ei­nem rea­li­sti­schen Ge­richts­saal, eher wie in Kaf­kas »Pro­zeß«. Jo­sef K. wird auch von nie­man­dem ver­tei­digt, sein Kampf ist aus­sichts­los, er weiß im­mer we­ni­ger, wor­um es geht, wie sei­ne Chan­cen ste­hen usw.

    An­de­rer­seits ist Kla­gen­furt kein un­end­li­ches Frag­ment, das Fern­se­hen führt dort ein stren­ges Zeit­re­gi­ment. Wün­schens­wert scheint mir ge­nau wie sei­ner­zeit Gün­ter Grass ein Werk­statt­ge­spräch, in dem Ran­kings und über­haupt das Event­mä­ßi­ge nicht so im Vor­der­grund steht. Es wird im­mer Kon­kur­renz ge­ben. Ge­schäfts­in­ter­es­sen. Das wirkt wo­mög­lich als Salz in der Sup­pe. Aber der Li­te­ra­tur dient man nur, wenn man ver­sucht, sich von die­sen Äu­ßer­lich­kei­ten frei zu ma­chen.

    Ich ha­be zwei­mal an der Ver­an­stal­tung als Au­tor teil­ge­nom­men. Von den Tex­ten der an­de­ren ha­be ich we­nig mit­be­kom­men und bin si­cher, daß es den mei­sten an­de­ren Au­toren eben­so ging. Durch den all­ge­mein herr­schen­den Druck ist es an­ders kaum mög­lich. Im­mer­hin bin ich auf den und je­nen auf­merk­sam ge­wor­den und ha­be da­nach sei­ne Bü­cher zu le­sen be­gon­nen. Das Werk­statt­mä­ßi­ge wird aber durch das me­dia­le Set­ting be­hin­dert, die Kri­ti­ker sind zur Selbst­dar­stel­lung fast ge­zwun­gen.

  14. Schö­nes Ide­al: Der Li­te­ra­tur zu die­nen. Ist sie nicht zu­meist längst Mit­tel zum Zweck ge­wor­den? Und zwar von al­len Sei­ten. Wo­bei ich den Me­di­en, dem ach so ed­len Feuil­le­ton, die Haupt­schuld ge­be: Man er­zeugt – ähn­lich wie in an­de­ren Be­richts­fel­dern wie z. B. der Po­li­tik – Hy­pes, und geht da­bei nicht mehr in die Tie­fe, son­dern ver­wal­tet die Auf­re­gung nur durch Re­de und Ge­gen­re­de (wenn über­haupt). Dann na­tür­lich die Ver­la­ge, die end­lo­sen, zum Teil schreck­li­chen Pu­bli­ka­tio­nen. Ich ge­he in­zwi­schen un­gern in Buch­lä­den, be­son­ders in gro­ße, weil dort nicht nur die üb­li­chen Best­sel­ler hy­ste­risch an­ge­prie­sen wer­den, son­dern weil mich die Fül­le ge­ra­de­zu er­drückt (wie ich auch kei­ne 120 Fern­seh­pro­gram­me ha­ben möch­te). Und auch hier ver­sa­gen die Me­di­en, die zwar 30 x Grass oder Fran­zen be­spre­chen, aber über den Tel­ler­rand nicht oder nur sehr ein­ge­schränkt hin­aus­se­hen. Sie glau­ben in vor­aus­ei­len­dem Gou­ver­nan­ten­tum, das Pu­bli­kum vor dem bö­sen, schwie­ri­gen, viel­leicht ab­sei­ti­gen in Schutz neh­men zu müs­sen.

  15. Die Zu­stands­be­schrei­bung trifft zu. Trotz­dem kann ein Au­tor, der die­sen Na­men ver­dient, gar nicht an­ders, als der Li­te­ra­tur die­nen wol­len – und hof­fen, daß im Um­feld sich ein­zel­ne eben­so ver­hal­ten. Es wer­den ja im­mer noch gu­te Bü­cher ge­schrie­ben. Und man schreibt viel­leicht aus ei­ner Wi­der­stän­dig­keit her­aus. Wi­der­stän­dig­keit zu­nächst ge­gen das Um­feld, wenn es zu ver­kom­men droht.

    In den Groß­buch­hand­lun­gen geht es mir ähn­lich wie ih­nen. Es gibt aber im­mer noch klei­ne Lä­den, die al­lein schon aus Platz­grün­den ei­ne Aus­wahl aus der Mas­se brin­gen, und wo man mit den Buch­händ­lern auch re­den kann. In den üb­li­chen Groß­buch­hand­lun­gen ha­ben die Ver­käu­fer in der Re­gel kei­ne Ah­nung von Li­te­ra­tur. Wenn es dar­um geht, et­was au­ßer­halb des Main­streams zu be­stel­len, muß ich ih­nen zei­gen, wie es geht. Den Ver­käu­fern ist egal, was sie ver­kau­fen, und zu­neh­mend ist auch de­nen, die Bü­cher her­stel­len, egal, was sie her­stel­len, wenn es sich nur ver­kauft (was nicht heißt, daß es auch ge­le­sen wird).

    Neu­lich sag­te E. S. Öz­da­mar ei­nen die­ser ein­fa­chen und wah­ren Sät­ze, die mir im Ge­dächt­nis haf­ten blei­ben: »Aber es wird im­mer sen­si­ble Men­schen ge­ben.«

  16. @Leopold Fe­der­mair
    Ich mein­te das gar nicht hin­sicht­lich Kla­gen­furt, son­dern ganz all­ge­mein: Wer ei­ner Öf­fent­lich­keit ei­nen Text über­gibt, er­war­tet ein Ur­teil, ich den­ke da we­ni­ger an ein Ge­richt, aber der Rah­men soll­te na­tür­lich pas­sen, klar.

    Die Fra­ge ist, wie weit das Werk­statt­mä­ßi­ge ge­hen soll: Lan­det man da nicht wo­mög­lich schnell in ei­ner De­tail­tie­fe, die für Nicht­au­to­ren und Lai­en (Le­ser und Lieb­ha­ber) gar nicht mehr in­ter­es­sant ist? Oder soll es ge­ra­de ganz in die­se Rich­tung hin ge­hen?

    Der Li­te­ra­tur die­nen? Ihr freund­schaft­lich ver­bun­den sein, wä­re das nicht ein­fa­cher und zu­gleich mehr?

  17. Et­was an­de­res: Eben be­kam ich von der öster­rei­chi­schen IG Au­toren ei­nen of­fe­nen Brief, den ich un­ter­schrei­ben soll. Dar­in wird vom ORF ge­for­dert, sei­nem Bil­dungs­auf­trag nach­zu­kom­men und den Bach­mann­preis­wett­be­werb wei­ter­hin mit­zu­ver­an­stal­ten und zu über­tra­gen. Den in ge­werk­schaft­lich-ge­sell­schafts­po­li­ti­schem Jar­gon ge­hal­te­nem Brief ha­be ich rasch über­flo­gen. Gut, die neue Li­te­ra­tur soll wei­ter­hin im Fern­se­hen ver­tre­ten sein. Soll sie? – Es soll al­les so wei­ter­lau­fen wie bis­her. Soll es? – Ich wür­de mir ei­ne Er­neue­rung des gan­zen Ver­an­stal­tungs­kon­zepts wün­schen, bei dem das Au­gen­merk nicht in er­ster Li­nie auf TV, Me­di­en­prä­senz, Ho­no­ra­ren und Preis­gel­dern liegt, aber trotz­dem die jähr­li­che mas­sen­me­dia­le Do­ku­men­ta­ti­on des Gan­zen ge­si­chert wird. Grup­pe 47, drit­te Pha­se, ge­wis­ser­ma­ßen. Et­was Neu­es, oder Alt-Neu­es. No ca­sting, plea­se! Aber ei­ne sol­che Denk­an­stren­gung kann man von ei­ner Ge­werk­schafts­grup­pe nicht er­war­ten.

  18. @metepsilonema
    Da ha­ben wir gleich­zei­tig ge­schrie­ben...
    Als Au­tor setzt man sich Ur­tei­len aus, ge­wiß. Die Fra­ge ist dann, wie man da­mit um­geht, und das muß je­der für sich be­ant­wor­ten. Ich weiß von vie­len Au­toren, daß sie Re­zen­sio­nen ih­rer Bü­cher ent­ge­gen­fie­bern. Ich ha­be das nie ganz nach­voll­zie­hen kön­nen. Ei­ner­seits will man na­tür­lich, daß das, was man macht, Ver­brei­tung fin­det. An­de­rer­seits ist da die schlich­te Tat­sa­che, daß ich am fer­ti­gen Buch nichts mehr än­dern kann und wahr­schein­lich durch sol­che Re­zen­sio­nen für mein wei­te­res Schrei­ben gar kei­ne An­re­gun­gen er­hal­te. Al­so war­um Re­zen­sio­nen le­sen? Die doch für al­le an­de­ren ge­schrie­ben sind, nur nicht für mich? Und war­um soll ich mir in Kla­gen­furt die Kom­men­ta­re der Ju­ro­ren an­hö­ren, die doch gar nicht zu mir spre­chen, son­dern für die­ses ab­strak­te Fern­seh­pu­bli­kum, ein biß­chen viel­leicht noch für die im Saal An­we­sen­den? Werk­statt­ge­spräch, das hie­ße eher, daß man mit dem Au­tor über sei­nen Text spricht. Hin und Her. Auch Au­toren mit Au­toren. In Kla­gen­furt wa­ren die Ju­ror-Au­toren doch im­mer nur Fei­gen­blät­ter (für die Macht der Kri­tik und der Me­di­en). So ein Werk­statt­ge­spräch kä­me der Si­tua­ti­on nä­her, die zwi­schen ei­nem Au­tor und sei­nem Lek­tor be­steht. Da be­steht nicht nur die Mög­lich­keit, daß der Au­tor noch et­was am Text än­dert, es ist ge­ra­de­zu der Sinn des Tref­fens. Et­was da­von ist na­tür­lich schon auch in Kla­gen­furt, bei der Ver­an­stal­tung in der jet­zi­gen Form, mög­lich. Ei­ne Frau aus dem Pu­bli­kum mach­te letz­tes Jahr ei­ne Be­mer­kung zu ei­ner Stel­le, und sie hat­te recht, ich ha­be die Stel­le nach­her ge­än­dert. Ei­ner frag­te mich neu­gie­rig, aber nur so im Vor­bei­ge­hen, ob ich beim »Stern der Er­lö­sung« an Franz Ro­sen­zweig ge­dacht hät­te. Ja, hat­te ich. Gro­ße Freu­de, daß ein »nor­ma­ler« Leser/Zuhörer so­was be­merkt. Von den Ju­ro­ren ist nie­mand dar­auf ge­kom­men...

  19. @Leopold Fe­der­mair
    Ich möch­te ganz all­ge­mein ant­wor­ten: Ein an­de­rer nimmt mei­nen Text an­ders wahr, er ist für ihn fremd, für mich aber ver­traut und die­se Ver­traut­heit ver­schwin­det für den Au­tor nur lang­sam: Es gibt da­ne­ben si­cher­lich ei­ne Men­ge ba­na­ler und we­ni­ger ba­na­ler Grün­de Re­zen­sio­nen zu le­sen oder die Mei­nung sei­ner Le­ser ein­zu­ho­len, wenn ich aber wis­sen will, was tat­säch­lich in mei­nem Text steckt, muss ich ei­nen an­de­ren als mich selbst fra­gen.

    Mir wur­de das vor ein paar Jah­ren schlag­ar­tig klar, als Gre­gor mir ei­nen kur­zen Kom­men­tar per mail zu ei­nem mei­ner Tex­te sand­te: Auch wenn es selt­sam klingt, erst da­nach hat­te ich ihn tat­säch­lich ver­stan­den.

  20. Es ist ja be­zeich­nend, dass es jetzt nur noch dar­um geht, Kla­gen­furt so zu er­hal­ten wie es ist. Än­de­run­gen will man wohl gar nicht erst ver­su­chen. Ich le­se ein we­nig amü­siert all die Stel­lung­nah­men von Au­toren, Ver­le­gern und Kri­ti­kern, die so tun, als wür­den dort öster­rei­chi­sche Ta­li­ban die Ba­mi­yan-Sta­tu­en von Kärn­ten spren­gen wol­len.

    Na­tür­lich ist das »Ar­gu­ment« – sei es nun ko­sten- oder quo­ten­be­grün­det – heuch­le­risch. Die Ko­sten sind mi­ni­mal; die Quo­ten hat man sel­ber zu ver­ant­wor­ten, weil man sich nicht traut, die Sen­dun­gen zu pu­bli­kums­freund­li­chen Zei­ten aus­zu­strah­len. Fe­der­mairs Epi­so­de von dem Le­ser, der ei­ne Par­al­le­li­tät ent­deckt hat, die der Ju­ry nicht auf­ge­fal­len war, spricht doch Bän­de: Der Le­ser kam beim Hö­ren drauf; die Ju­ro­ren ha­ben den Text Wo­chen im vor­aus – und mer­ken al­le nichts.

    Vor Jah­ren gab es ei­nen Text von Gre­gor Hens, der da­mit be­gann, dass John F. Ken­ne­dy ex­akt zu dem Da­tum in Co­sta Ri­ca ein­trifft, als es dort ein Erd­be­ben gab. Die Dis­kus­si­on der Ju­ry be­gann da­mit, dass ei­ner die Ko­in­zi­denz die­ser bei­den Er­eig­nis­se als fik­tio­nal be­griff und es für über­trie­ben hielt. Ein an­de­rer Ju­ror mein­te sinn­ge­mäss, das sei nicht so wich­tig. Ei­ne simp­le Goog­le-Re­cher­che hät­te er­ge­ben, dass es die­se Ko­in­zi­denz tat­säch­lich gab. In der Zu­sam­men­fas­sung der Ju­ry-Dis­kus­si­on sind die­se Sze­nen na­tür­lich ge­tilgt wor­den.

    Das sind win­zi­ge Bei­spie­le; ich könn­te mit viel Mü­he et­li­che her­aus­ar­bei­ten. Und wenn Fe­der­mair schreibt, dass die Ju­ry längst für das Fern­se­hen spricht und nicht mehr mit dem Au­tor, so ist das ja auch ein Pro­zess, der sich über Jah­re ent­wickelt hat.

    Ich bin froh, dass mich nie­mand di­rekt auf­for­dert, sol­che Schrei­ben zu zeich­nen. Ich könn­te das näm­lich nicht, weil ein »Wei­ter so« ge­nau so falsch wä­re wie die­ses ab­rup­te Ein­stamp­fen.

    (Wenn ich es rich­tig in Er­in­ne­rung ha­be, sind die Le­sun­gen der Grup­pe 47 nur ein- oder zwei­mal aus­schnitt­wei­se im Ra­dio über­tra­gen wor­den; das Fern­se­hen müh­te sich da­mals noch nicht. Es ist den­noch zu En­de ge­gan­gen, weil die Ei­tel­kei­ten in­ner­halb des Be­triebs, d. h. der rund 500 [oder viel­leicht 1000?] Leu­te, die da­mit di­rekt zu tun hat­ten, die ur­sprüng­li­che In­ten­ti­on in den Hin­ter­grund dräng­ten. So ist ja im­mer in der er­folg­rei­chen In­sti­tu­tio­na­li­sie­rung auch der Keim des Schei­terns ge­legt, weil an­de­re Aspek­te plötz­lich wich­tig wer­den.)

  21. Aber es ist doch Ca­sting! UND es ist Fern­se­hen!

    So lan­ge es um Be­wer­tun­gen und Kri­te­ri­en und Sie­ger (und Geld!) geht, ist Text­kri­tik etc. aus der Per­spek­ti­ve des me­dia­len For­mats ei­gent­lich Bei­werk. Na­tür­lich, es geht um die Lust am Streit – aber zu­letzt geht es um ein Ur­teil, um Ur­teils­fin­dung. „Kein ob­jek­ti­ves Ur­teil – nur ein le­ben­di­ges“: In­ge­borg Bach­mann.

    Ich ha­be mir die Fra­ge ge­stellt, ob ich das an­hö­ren woll­te, wür­de es vom Ra­dio über­tra­gen – die Ant­wort ist – ob­wohl ich die­se Au­la-At­mo nicht mag, die In­ter­view­er kaum er­tra­ge, die Vi­de­os und auch die Elo­gen schluss­end­lich fast im­mer lä­cher­lich fin­de, usw. – nein. Und ei­ne „Werk­statt“ wür­de im Fern­se­hen auch nicht funk­tio­nie­ren.

  22. @metepsilonema
    Ei­nen Tag lang ist mir Ih­re Be­mer­kung im Kopf her­um­ge­gan­gen, Sie hät­ten Ih­re Er­zäh­lung nach ei­nem Kom­men­tar Gre­gor Keu­sch­nigs erst voll ver­stan­den. Und bin zu dem Schluß ge­kom­men, daß es nicht mei­ne Auf­ga­be als Au­tor ist, mei­ne Tex­te voll zu ver­ste­hen. Je bes­ser er ist, de­sto we­ni­ger gibt es das auch, ein vol­les Ver­ste­hen. Ich den­ke auch an die Fäl­le, wo mir Au­toren ge­sagt ha­ben, nach­dem ich über sie ge­schrie­ben hat­te, daß sie die­sen oder je­nen Aspekt über­haupt nicht be­dacht, beim Schrei­ben über­haupt nicht im Au­ge ge­habt hät­ten. Die In­ter­pre­ta­tio­nen Ih­rer Tex­te kön­nen für die Au­toren gro­ße Über­ra­schun­gen sein. Po­si­ti­ve Über­ra­schun­gen, mei­ne ich. – In Kla­gen­furt war ich nicht über­rascht, son­dern ent­täuscht, wie we­nig das Ge­schrie­be­ne aus­ge­schöpft wur­de.

    Und jetzt stel­le ich mir noch vor, daß der wirk­li­che Gre­gor Keu­sch­nig, al­so der fik­tio­na­le, Ih­re Er­zäh­lung liest und kom­men­tiert.

  23. @herr.jedermann
    Na­ja, es gibt ja die­se mo­nat­li­che »Stu­dio LCB«-Veranstaltung in ei­nem der Deutsch­land-Ra­di­os, die ich re­gel­mä­ssig ver­pas­se, weil es kei­ne Pod­cast-Ver­si­on da­von gibt. Das ist na­tür­lich eher wie die be­rühm­te Le­sung in der Buch­hand­lung. Und es gibt in SWR2 die »Bestenliste«-Sendung, in der drei Kri­ti­ker die vier Bü­cher aus der SWR-Be­sten­li­ste be­spre­chen. Es gibt so­gar ein klei­nes Le­se­stück je­weils vor­ab.

    Ich glau­be, es zeigt sich ei­ne grund­le­gen­de Dis­kre­panz in der Auf­fas­sung: Ist Li­te­ra­tur eher et­was her­me­ti­sches, was erst als fer­ti­ges Pro­dukt dem/einem Pu­bli­kum prä­sen­tiert wird. Oder kann es auch zu­wei­len ei­ne Art Aus­tausch hier­über ge­ben, des­sen Re­sul­ta­te dann evtl. in den Text ein­flie­ßen? Und dann stellt sich die Fra­ge, wie ob die­ser Aus­tausch öf­fent­lich sein kann oder sein soll.

    Das führt zu @Leopold Fe­der­mair und dem Werk­statt­cha­rak­ter. Die­ser wur­de schon in der Grup­pe 47 durch die sich im­mer mehr stär­ker ab­zeich­nen­den grup­pen­dy­na­mi­schen Um­gangs­for­men kon­ter­ka­riert. Ir­gend­wann gab es dann die Schrift­stel­ler auf der ei­nen und die Kri­ti­ker auf der an­de­ren Sei­te. An­fangs hat­ten ja Schrift­stel­ler Schrift­stel­ler kri­ti­siert. Das ge­schah auch wei­ter­hin, aber im­mer we­ni­ger, weil die Kri­ti­ker das Kom­man­do über­nah­men. In­zwi­schen exi­stiert ja im Feuil­le­ton ei­ne Mau­er zwi­schen Schrift­stel­ler und Kri­ti­ker. Ein Kri­ti­ker, der Pro­sa schreibt, tut dies, wenn über­haupt nur un­ter Pseud­onym. Und Schrift­stel­ler kri­ti­sie­ren un­ter­ein­an­der nicht in der Öf­fent­lich­keit. Dass Schrift­stel­ler Kri­ti­ken schrei­ben, wird im­mer we­ni­ger. Wenn, dann sind es aus­nahms­los Hom­ma­gen. Oder es sind Kri­ti­ken, die nichts mit den Tex­ten, son­dern Ge­sin­nun­gen zu tun ha­ben.

    Vor ein paar Ta­gen hat Spin­nen den Bach­mann­preis im In­ter­view als »Nach­wuchs­wett­be­werb« be­zeich­net. Er hat­te ver­ges­sen zu er­wäh­nen, dass dies erst im Lau­fe der Jahr­zehn­te so ent­stan­den ist: Für ar­ri­vier­te Li­te­ra­ten war es ir­gend­wann ein zu gro­ßes Ri­si­ko teil­zu­neh­men und dann nicht ei­nen Preis zu be­kom­men. Frau Hop­pe oder Frau Le­witschar­off wür­den kaum mehr teil­neh­men wol­len. (Auch für die Ju­ro­ren wä­re es ei­ne schwie­ri­ge Sa­che: Ge­wän­ne ein ar­ri­vier­ter Au­tor ge­rie­te man in Kun­ge­lei-Ver­dacht; be­kommt er nichts, in­ter­pre­tier­te man dies u. U. als po­si­ti­ve Dis­kri­mi­nie­rung.)

    .-.

    Und jetzt stel­le ich mir noch vor, daß der wirk­li­che Gre­gor Keu­sch­nig, al­so der fik­tio­na­le, Ih­re Er­zäh­lung liest und kom­men­tiert.
    Schö­ne Ge­dan­ke.

  24. Ein­ver­stan­den.

    Man kann es jetzt si­cher auf noch auf vie­le Ar­ten rum sa­gen, aber (auch wenn es zu­erst mal pa­ra­dox klingt): Die „Ta­ge der deut­schen Li­te­ra­tur“ sind ja auch kei­ne Sen­dung für Au­toren!

    Wahr­schein­lich wür­de ich mich auch sehr är­gern, bei dum­mer Kri­tik nicht auch tüch­tig zu­rück­ge­ben zu kön­nen. Aber es eben Teil des Kon­zepts, dass Au­toren sich mit ih­rem Text äu­ßern und nicht mit Ver­tei­di­gungs­re­den, die ei­gent­lich nur das Se­kun­där­ge­re­de ver­viel­fa­chen. Das ist doch das Pri­mat: Dass der Text (hof­fent­lich!) klü­ger ist als all das ihm fol­gen­de Ge­re­de – und sich den­noch nicht voll­stän­dig er­klä­ren kann. Und das auch zu er­le­ben! In ei­nem Bild­me­di­um, das die Bil­der nie aus­re­den lässt. Die (zu­min­dest im bes­se­ren Fal­le) Un­ab­seh­bar­keit, Nicht-Weg-Er­klär­bar­keit von ir­gend­et­was Gei­sti­gem vor­ge­setzt zu be­kom­men. Im „Null­me­di­um“!

    Und ob Her­me­tik oder Kol­por­ta­ge oder Werk­statt und hi­sto­ri­sche Vor­läu­fer und Nach­wuchs und die gan­ze un­ter Men­schen of­fen­bar un­ver­meid­ba­re Be­triebs­nu­de­l­ei – gut. Aber jetzt gilt der Text! Das ist für mich Kla­gen­furt. Al­les an­de­re ist eben not­wen­dig me­dia­les, event-lo­gi­sches For­mat.

    Viel­leicht geht es da ja et­was mit mir durch, aber mir scheint, dass auch das Den­ken (und die For­de­run­gen etc.) der Au­toren längst im­mer zu klein­mü­tig ge­wor­den sind. (Weil sie sich ja auch kör­per­lich auf frem­dem Ter­rain be­we­gen? Weil sie sich als Rand­fi­gu­ren er­le­ben? Weil Schrei­ben, ob im main­strea­ming oder nicht, in Ge­sell­schaf­ten wie un­se­ren et­was von Nar­ren­sein hat?)

    Apro­pos Narr und Nar­ren­weis­heit: Das fand ich im­mer so rund­um über­zeu­gend bei Hand­ke (der sich na­tür­lich auch nicht im­mer dran hal­ten konn­te):
    „Ich bin Schrift­stel­ler und ha­be kei­ne wei­te­ren Er­klä­run­gen ab­zu­ge­ben!“

    Und ein­mal im Jahr darf man das der ge­nug se­dier­ten Zu­schau­er­schaft auch zu­mu­ten.

  25. Ja! Der Text sei klü­ger als das Ge­re­de! Aber das Ge­re­de hallt nach; wer liest denn noch mal den Text nach? Es gab ja in den letz­ten fast 20 Jah­ren, die ich die­sen Wett­be­werb in 3sat ver­fol­ge, im­mer mal wie­der Au­toren, die was ge­sagt ha­ben. Ko­mi­scher­wei­se wur­de ih­nen das fast im­mer ne­ga­tiv aus­ge­legt. Aber war­um ist man nicht ein­mal auf die Idee ge­kom­men, dem Au­tor ein Schluss­wort nicht nur zu er­lau­ben, son­dern so­zu­sa­gen auf­zu­er­le­gen? Da­mit das Ge­re­de ge­bannt wird. Oder, um Fe­der­mairs Ge­richts-Ver­gleich auf­zu­neh­men: Der An­ge­klag­te hat auch im­mer das letz­te Wort.

    Ich hab’s mir im­mer wie­der ger­ne an­ge­tan. Ich lern­te neue Au­toren ken­nen und ein biss­chen auch das »Ge­re­de«. Es gab Ju­ro­ren, die ich sehr schät­ze (und schät­ze). Und das Ge­gen­teil. Manch­mal konn­te ich be­ob­ach­ten, dass ein Bei­trag, der schlecht be­ur­teilt oder gar ver­ris­sen wur­de, und dann spä­ter in ei­nem Buch er­schien (teil­wei­se durch­aus werk­statt­haft ver­än­dert) von der Kri­tik plötz­lich ge­lobt wur­de. Spä­te Wie­der­gut­ma­chung?

  26. @Leopold Fe­der­mair
    Ich hät­te da­mals nicht sa­gen kön­nen, was der Text ei­gent­lich soll, im Sin­ne ei­ner Deu­tung, ei­ner Zu­sam­men­fas­sung, usf; seit Gre­gors Kom­men­tar ha­be ich ei­ne Mög­lich­keit, die sich mit dem Text ver­trägt: Ich will nicht sa­gen, dass das vol­les Ver­ste­hen ist, aber au­gen­öff­nend war es schon oder, wie Sie schrei­ben: über­ra­schend.

    Die Un­mög­lich­keit vol­len Ver­ste­hens ist es auch, die den Text be­stehen lässt, ge­gen­über dem Ge­re­de.

  27. Letz­tes Jahr mein­te Burk­hard Spin­nen in sei­ner Re­de bei der Er­öff­nung der Ver­an­stal­tung, das Al­ter des teil­neh­men­den Au­tors spie­le kei­ne Rol­le. Da hat es mich gleich ge­ris­sen, ich dach­te: Ist es denn nö­tig, das her­vor­zu­he­ben? Tat­säch­lich wies Spin­nen bei der Dis­kus­si­on mei­nes Bei­trags, zu dem er sonst nicht viel zu sa­gen hat­te, auf eher un­an­ge­neh­me Wei­se auf mein Al­ter hin. Das al­les kann man im In­ter­net nach­se­hen.

    Ca­sting? Nein, nicht im üb­li­chen Wort­sinn. So gut wie al­le beim Bach­mann­preis­le­sen teil­neh­men­den Au­toren ha­ben schon min­de­stens ein Buch ver­öf­fent­licht. Als An­fän­ger hat man kaum Chan­cen, vor­ge­schla­gen zu wer­den. Es gibt ja oh­ne­hin Prei­se, die De­bü­tan­ten vor­ent­hal­ten sind: Aspek­te-Preis, Rau­ri­ser Li­te­ra­tur­preis, Pon­to-Preis...

  28. Ich ha­be bei Spin­nen in den letz­ten Jah­ren das Ge­fühl, dass er zu­neh­mend ei­ne Rol­le spielt, statt ein­fach nur, wie zu Be­ginn, sei­ne Ein­drücke re­fe­riert (und be­grün­det). Man hat das ja ge­le­gent­lich, dass Leu­te mit der Zeit ei­ne ge­wis­se Brä­sig­keit an den Tag le­gen, die sie mit ge­le­gent­li­cher Jo­via­li­tät ver­se­hen. Die An­fangs­eu­pho­rie ist ei­nem Den­ken in ge­wis­sen in­sti­tu­tio­nel­len Gren­zen ge­wi­chen; als Ju­ry­spre­cher meint er viel­leicht ei­ne be­son­ders her­aus­ge­ho­be­ne Rol­le als »Über­va­ter« spie­len zu müs­sen. Da­durch wir­ken sei­ne Wort­mel­dun­gen plötz­lich auf ei­nen ge­wis­sen Af­fekt ab­zie­lend, was sie viel­leicht vor­her auch schon wa­ren, aber man hat­te das an­ders wahr­ge­nom­men. (Es ist ein dif­fu­ses Ge­fühl, sehr sub­jek­tiv, aber ich ha­be das Ge­fühl, dass Spin­nens Rol­len­spiel fast ex­em­pla­risch für die­se Ver­an­stal­tung steht.)

  29. Die­ses Ge­fühl bei Spin­nen ha­be ich auch – frü­her nann­te man so was »Ent­frem­dung« (et­wa »durch die In­sti­tu­ti­on«). Und eben die­ses Ge­fühl über­tra­ge ich an­schei­nend auch auf die gan­ze Sa­che: Ge­ra­de wird es mir klar.

    Die­se gan­ze Cho­se hat längst et­was zu sehr Re­prä­sen­ta­ti­ves für das ge­sell­schaft­li­che Teil­sy­stem (Nachwuchs-)Literatur. Et­was Le­ben­di­ges, ei­ne Spiel­wie­se, hat sich in ei­ne evan­ge­li­sche Ge­mein­de-Ki­ta mit viel päd­ago­gi­scher Auf­sicht und Ab­sicht ver­wan­delt. Und jetzt ist es wirk­lich nur noch der ein­zel­ne ge­lun­ge­ne, der ra­re Text, der die gan­ze Sa­che raus­rei­ßen kann. Auch wenn das For­mat als Sen­de­form bil­lig ist, scheint da ein Miss­ver­hält­nis von Er­trag und Auf­wand.

    Viel­leicht sind Eva­lua­tio­nen von Zeit zu Zeit ja doch ganz hilf­reich als re­flex­ar­ti­ge For­de­run­gen nach Be­stands­ga­ran­tien.

    ***

    (Üb­ri­gens, G.K., seit Län­ge­rem fällt es mir auf: ih­re Sei­te ist zu­neh­mend lang­sa­mer im Auf­bau ... ?)