Al­ter Hut NSA

Es mag ja für ei­ni­ge Be­ob­ach­ter Neu­land sein, aber der ame­ri­ka­ni­sche Ge­heim­dienst NSA exi­stiert nicht erst seit den Ent­hül­lun­gen durch Ed­ward Snow­den.

Ei­ne Stich­pro­be im »Spiegel«-Archiv för­dert al­ler­dings Er­staun­li­ches zu Ta­ge. In mehr oder we­ni­ger re­gel­mä­ssi­gen Ab­stän­den be­rich­tet man dort über die NSA-Ak­ti­vi­tä­ten. So wer­den die Auf­ga­ben des Ge­heim­dien­stes, der auch schon ein­mal als »su­per­ge­heim« apo­stro­phiert wird (was er ja dann, wenn er in ei­nem deut­schen Nach­rich­ten­ma­ga­zin auf­taucht, gar nicht mehr sein kann), in ei­nem Ar­ti­kel vom 12.09.1983 de­tail­liert be­rich­tet. Dort heißt es:

»Die NSA (rund 55 000 Be­schäf­tig­te) oder die im Auf­tra­ge der NSA tä­ti­gen üb­ri­gen neun US-Ge­heim­dien­ste mes­sen, se­hen und hö­ren mit, wenn so­wje­ti­sche, ja­pa­ni­sche, chi­ne­si­sche oder auch schwei­ze­ri­sche Ra­dar­an­la­gen ak­ti­viert wer­den, um mi­li­tä­ri­sche oder zi­vi­le Flug­kör­per zu ent­decken, zu iden­ti­fi­zie­ren oder zu ver­fol­gen; Trup­pen des War­schau­er Pakts ins Ma­nö­ver zie­hen; neue Flug­zeu­ge oder Pan­zer in der So­wjet-Uni­on vom Band rol­len…« [und so wei­ter und so fort]

Über die Horch­po­sten des NSA in Deutsch­land be­rich­tet man bei­läu­fig am 06.10.1986, be­vor man dann zwei­ein­halb Jah­re spä­ter ei­ne gro­ße Ti­tel­ge­schich­te re­cher­chier­te. Am 20.02.1989 hieß es: »Freund hört mit. Die Li­by­en – Auf­klä­rer: Ame­ri­kas Su­per-Ge­heim­dienst NSA« (Be­zahl­ar­ti­kel). Die Ame­ri­ka­ner hat­ten Te­le­fon­ge­sprä­che ab­ge­hört, die ei­ne Ver­bin­dung der deut­schen Fir­ma Im­hausen-Che­mie mit dem Bau der ver­mu­te­ten Che­mie­waf­fen­fa­brik in Ra­bita, Li­by­en nach­wei­sen soll­te und die Er­geb­nis­se nicht den deut­schen Be­hör­den ge­mel­det. Da­bei schil­der­te der »Spie­gel« dies­mal aus­führ­lich die in Deutsch­land sta­tio­nier­ten Ab­hör­ein­rich­tun­gen der NSA und the­ma­ti­sier­te das Vor­ge­hen des Ge­heim­dien­stes auch in den USA. Es stell­te sich be­reits da­mals her­aus, dass...

»mit Bil­li­gung von Ju­stiz- und Ver­tei­di­gungs­mi­ni­stern und im Auf­tra­ge von FBI und CIA jahr­zehn­te­lang ver­brief­tes Recht ame­ri­ka­ni­scher Bür­ger miß­ach­tet wor­den war. We­der Mi­ni­ster noch Be­am­te, stell­te spä­ter ei­ne Un­ter­su­chungs­kom­mis­si­on fest, hät­ten ‘je­mals die Fra­ge der Le­ga­li­tät’ auf­ge­wor­fen, als NSA-Agen­ten wie selbst­ver­ständ­lich Te­le­phon­ge­sprä­che ab­hör­ten, Te­le­gram­me und Fern­schrei­ben ko­pier­ten, Brie­fe ab­fin­gen, öff­ne­ten, la­sen und Rei­se­plä­ne von US-Staats­bür­gern aus­forsch­ten.«

Was heu­te un­ter dem Deck­man­tel des »Pa­tri­ot Act« als Ter­ro­ris­mus­be­kämp­fung fun­giert, galt im Kal­ten Krieg als nor­ma­le Aus­ein­an­der­set­zung mit dem all­seits be­droh­li­chen Kom­mu­nis­mus.

Ei­ne Wo­che spä­ter leg­te der »Spie­gel« noch ein­mal nach: »Ame­ri­kas Su­per­ge­heim­dienst NSA hört deut­sche Te­le­pho­ne ab.« Da­mals schim­mer­te durch, dass ei­ni­ge po­li­ti­sche Krei­se sehr wohl um die Ab­hör­ak­ti­vi­tä­ten wuss­ten. Heu­te wird das Wis­sen um die Ak­ti­vi­tä­ten des NSA in Be­zug auf die suk­zes­si­ve Spei­che­rung von Kom­mu­ni­ka­ti­ons­da­ten noch ge­leug­net. Man fragt sich dann al­ler­dings, war­um die Bun­des­re­pu­blik über­haupt Ge­heim­dien­ste be­nö­tigt, wenn man dies nicht ein­mal im An­satz ge­wusst ha­ben will.

Es ist al­so kei­nes­falls so, dass die Ak­ti­vi­tä­ten der NSA ei­ne fun­da­men­tal neue Sicht auf Ge­heim­dien­ste wer­fen. Die­se Ak­tio­nen ha­ben auch nichts mit dem En­de des Kal­ten Krie­ges zu tun; die NSA ha­ben nie die Horch­po­sten in al­ler Welt auf­ge­ge­ben. Jetzt kom­men eben die neu­en Me­di­en als Über­wa­chungs­ge­gen­stän­de noch da­zu. Dem ame­ri­ka­ni­schen Prä­si­den­ten Ba­rack Oba­ma muss hier ei­ne zwei­fel­haf­te Kon­ti­nui­tät at­te­stiert wer­den; ei­ne über­mä­ßi­ge Em­pö­rung ist nicht an­ge­bracht (wie vor­her der fast schon lä­cher­li­che En­thu­si­as­mus um Oba­ma su­spekt wirk­te).

Viel­leicht über­rascht das Aus­maß und die Dich­te der Kon­trol­len des NSA. Aber mehr auch nicht. Durch Snow­den gibt es nun Ge­wiss­heit. Hier­für ist ihm zu dan­ken. Die Ak­ti­vi­sten kön­nen ih­re »Oba­ma Sta­si 2.0«-Plakate ein­stamp­fen; die Dys­to­pie-Kon­struk­teu­re soll­ten mit dem Nach­den­ken be­gin­nen. Statt »Yes, We Can« eher Miss So­phie: »Sa­me pro­ce­du­re as every year...« Die hei­le Zeit der un­be­wach­ten Kom­mu­ni­ka­ti­on hat es nie ge­ge­ben. Frü­her war nicht al­les bes­ser, son­dern nur an­ders. Das macht das Ge­sche­he­ne nicht bes­ser. Aber es sor­tiert die Vor­gän­ge jen­seits ei­nes un­ge­brem­sten Alar­mis­mus viel­leicht ein biss­chen ein.

Neu­lich wur­de im Ra­dio ein In­ter­net-Tool fest­ge­stellt, mit dem man fest­stel­len kann, »was wir mit wem in den so­zia­len Netz­wer­ken zum Teil ge­gen un­se­ren Wil­len und/oder Wis­sen tei­len. Das er­ste, was man ma­chen muss: Die AGB ak­zep­tie­ren und dann dem Her­aus­ge­ber des Tools ge­stat­ten, be­stimm­te Da­ten zu ver­wen­den. Ich hab’s dann ge­las­sen.

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  1. Die Aus­sa­ge, dass die Be­deu­tung der NSA nichts Neu­es ist, hal­te ich für rich­tig. Nur die Schluss­fol­ge­rung, dass sich seit dem En­de des Kal­ten Krie­ges des­halb nichts ver­än­dert ha­be, hal­te ich für falsch. Es ist eben ein Un­ter­schied, ob sich die Be­dro­hung im Kern auf den äu­ße­ren Feind be­schränkt, oder heu­te der Feind qua­si in der Ge­sell­schaft selbst zu fin­den ist. Der Ter­ro­ris­mus ist halt kein Feind, son­dern ei­ne Me­tho­de des Kamp­fes. Er kann über­all sein. Je­der – und das war das In­ter­es­san­te et­wa an Home­land – kann ver­däch­tig wer­den. Un­ter an­de­rem hat man auch heu­te auch erst die tech­ni­schen Mög­lich­kei­ten, um das zu­künf­ti­ge Ver­hal­ten von Men­schen be­ur­tei­len zu kön­nen. We­nig­stens meint man das: Und das war ja auch heu­te wie­der das zen­tra­le Ar­gu­ment von Oba­ma für Prism. Die NSA (nicht das FBI) hat­te frü­her an den US-Bür­gern kein In­ter­es­se. Die tech­ni­schen Mög­lich­kei­ten wa­ren be­schränkt. Nur was wür­de wohl heu­te pas­sie­ren, wenn wir in ei­ne Si­tua­ti­on ge­rie­ten wie bei Mc­Car­thy in den frü­hen 1950er Jah­ren? Wenn plötz­lich wirk­lich fast je­der ver­däch­tig wird? Fred Ka­plan hat das ja in der FAZ be­schrie­ben. Der Un­ter­schied wä­re greif­bar: Und die NSA wür­de man heu­te nut­zen. Des­halb ist die Qua­li­tät des­sen, was die NSA heu­te macht, ei­ne an­de­re als wäh­rend des Kal­ten Krie­ges.

  2. Für mich gibt es 2 we­sent­li­che Un­ter­schie­de: Zum ei­nen die von Lüb­ber­ding auf­ge­wor­fe­ne Fest­stel­lung, dass wir al­le heu­te po­ten­ti­el­le Fein­de sind. Aus Sicht der NSA ge­nie­ßen wir Eu­ro­pä­er z.B. (aber auch al­le an­de­ren auf der Welt) noch we­ni­ger Schutz als US-Bür­ger. Wir sind der aus ‑un­se­rer Sicht- Will­kür des frem­den Macht­ap­pa­ra­tes aus­ge­lie­fert. Das scheint mir der welt­po­li­ti­schen Si­tua­ti­on un­an­ge­mes­sen. Um es auf die Spit­ze zu trei­ben: Wenn das US-Im­pe­ri­um möch­te, dass ich als Part­ner an sei­nem wei­te­ren Ge­dei­hen mit­wir­ke, dann soll­te es auf­hö­ren mich als Bür­ger 2. Klas­se zu be­han­deln.
    Der an­de­re Un­ter­schied liegt in der Rol­le der gro­ßen Kon­zer­ne: Wir sind heu­te für Din­ge, die wir als »pri­vat« an­se­hen, in viel hö­he­rem Ma­ße als frü­her auf die Dien­ste frem­der Kon­zer­ne an­ge­wie­sen. Frü­her reich­te qua­si das Post- und Fern­mel­de­ge­heim­nis und heu­te, wo wir kei­ne Brie­fe mehr schrei­ben und ein­fach an­ru­fen (zu­recht!) als un­höf­lich gilt, ha­ben wir nicht­mal so ei­nen Schutz. Gleich­zei­tig macht es den An­schein, als wür­den die­se Kon­zer­ne nicht nur tun, wo­zu sie ge­setz­lich ge­zwun­gen sind, son­dern dar­über hin­aus mit Be­hör­den, die uns als po­ten­ti­el­le Fein­de se­hen, be­reit­wil­lig ko­ope­rie­ren. Si­cher­lich auch, weil es zum ei­ge­nen Vor­teil ist. Schließ­lich kann man die Da­ten­sam­mel­wut und den Man­gel an Si­cher­heit schlecht be­kämp­fen, wenn der Staat die Dien­ste die­ser Kon­zer­ne als wich­ti­ge Hil­fe be­trach­tet.

    Wir ha­ben al­len Grund uns auf­zu­re­gen...

  3. Ich hat­te ja nicht ge­schrie­ben, dass man kei­nen Grund zur Auf­re­gung ha­ben kann. Aber die US-Ge­heim­dien­ste (ins­be­son­de­re der NSA) hat­ten au­gen­schein­lich im­mer weit­ge­hen­de Voll­mach­ten – und das un­ter bzw. bei al­len Prä­si­den­ten. Oba­ma hat die Mög­lich­kei­ten ja noch er­wei­tert.

    @f.luebberding
    Es gibt wohl vor­der­grün­dig die­sen Un­ter­schied: Die Ak­tio­nen im Kal­ten Krieg rich­te­ten sich ge­gen Mäch­te und Dien­ste au­ßer­halb der USA; der so­ge­nann­te »Kampf ge­gen den Ter­ro­ris­mus« in­klu­diert auch die US-Bür­ger und so­gar die Eu­ro­pä­er. Aber das stimmt nur zum Teil. Im Kal­ten Krieg wur­de auch nicht dif­fe­ren­ziert. Die Un­schulds­ver­mu­tung war auch hier zu­nächst »auf­ge­ho­ben« – je­der mach­te sich ver­däch­tig, wenn er be­stimm­te Kon­tak­te hat­te bzw. die­se ihm zu­ge­wie­sen wur­den. Der Mc­Car­thy­is­mus war zwar ir­gend­wann 1953/54 be­en­det – in den Köp­fen der Ge­heim­dienst­ler war er aber im­mer prä­sent. Er fei­er­te dann bei Bush jr. ei­ne Wie­der­kehr, nur das es jetzt um den Ter­ro­ris­mus ging.

    Da­mals wie heu­te gel­ten in den USA auch für die ei­ge­nen Bür­ger, wenn sie erst ein­mal ver­däch­tig sind, die frei­heit­lich ver­brief­ten Rech­te nur noch ein­ge­schränkt. Das ZDF zeig­te ge­stern im heu­te-jour­nal den Fall der An­wäl­tin und ehe­ma­li­gen An­ge­stell­ten im Ju­stiz­mi­ni­ste­ri­um Jes­se­lyn Radack. Sie hat­te dar­auf ge­drun­gen, dass ein in Af­gha­ni­stan fest­ge­nom­me­ner US-Bür­ger, der dort in­zwi­schen schein­bar für die Ta­li­ban kämpf­te, an­ge­mes­se­nen Rechts­schutz er­hielt. Da­mit ge­riet sie in das Fa­den­kreuz des Ge­heim­dien­stes; im ZDF-Bei­trag heißt es ein biss­chen rei­ße­risch, sie sei nun ein »Feind der US-Re­gie­rung« ge­we­sen. Man leg­te ihr ei­ne Te­le­fon­li­ste vor, aus der ih­re Ge­sprä­che mit ei­nem Jour­na­li­sten her­vor­gin­gen, usw.

    Im Fest­hal­ten und teil­wei­se Ver­schär­fen der NSA-Ak­tio­nen durch Oba­ma zeigt sich wie­der ein­mal, wie sich so­ge­nann­te Hoff­nungs­trä­ger, die mit ei­nem eher links-li­be­ra­len Welt­bild zu­nächst ein­mal an das Gu­te im Men­schen glau­ben, durch die nor­ma­ti­ve Kraft der In­sti­tu­tio­nen ab­ge­schlif­fen wer­den. Brandt in Deutsch­land woll­te »mehr De­mo­kra­tie wa­gen«. Sei­ne Ost­po­li­tik, die vie­len als Va­ter­lands­ver­rat galt, woll­te er durch­be­kom­men. Da muss­te er, um nicht noch mehr An­griffs­flä­che für rechts-na­tio­na­le Kräf­te zu bie­ten auf ei­nem an­de­ren Po­li­tik­feld ver­meint­li­che Stär­ke zei­gen. Er schuf den Ra­di­ka­len­er­lass, um sich nicht auch noch Weich­heit im Um­gang mit so­ge­nann­ten Ver­fas­sungs­fein­den nach­sa­gen las­sen zu kön­nen. Und die Rot-Grü­ne Re­gie­rung 1999 war am En­de macht­los, als die NATO be­schloss, Ju­go­sla­wi­en zu bom­bar­die­ren; man be­tei­lig­te sich, weil vor­her gro­ße Zwei­fel an der »Bünd­nis­treue« auf­ge­kom­men wa­ren (die sich dann un­ter Bush/Rumsfeld wie­der neu zeig­ten).

    Oba­mas An­ge­le­gen­heit ist weit­aus kom­ple­xer und na­tür­lich fol­gen­rei­cher. Er woll­te in­nen­po­li­tisch ei­ni­ge wich­ti­ge Pro­jek­te um­set­zen: Ge­sund­heits­re­form; Schaf­fen neu­er Jobs. Bei­des ge­lang mehr schlecht als recht. Hier spielt dann die Angst ei­ne Rol­le, vom po­li­ti­schen Geg­ner auch noch als Prä­si­dent ge­brand­markt zu wer­den, der nicht die Si­cher­heit des Lan­des ga­ran­tie­ren kann. In die­sem Zu­sam­men­hang se­he ich auch sei­ne Droh­nen-Krie­ge.

    Na­tür­lich sind die tech­ni­schen Mög­lich­kei­ten heu­te an­de­re als zu Zei­ten des Kal­ten Krie­ges. Die po­ten­ti­el­len Über­wa­chungs­sze­na­ri­en sind deut­lich be­droh­li­cher. Aber auch schon in den 70er Jah­ren wur­den mei­ne Brie­fe, die ich aus ost­eu­ro­päi­schen (und zum Teil auch ara­bi­schen) Län­dern er­hielt, »für Zoll­zwecke« ge­öff­net, wie es (ge­le­gent­lich) ein Wie­der­ver­schlie­ßungs­sie­gel an­zeig­te.

    @LukasHugl
    Mei­nes Wis­sens gilt das Brief- und Post­ge­heim­nis auch für E‑Mails. Wir sind al­so kei­nes­wegs im rechts­frei­en Raum. Ge­gen die Ge­heim­dienst­ak­ti­vi­tä­ten der USA hat Deutsch­land noch nie et­was Sub­stan­ti­el­les ent­ge­gen ge­setzt. Le­sen Sie ein­mal den Spie­gel-Ar­ti­kel über die Ab­hör­an­la­gen in Deutsch­land. Es ist il­lu­sio­när zu glau­ben, sie dien­ten aus­schließ­lich der Aus­spio­nie­rung der DDR oder des Ost­blocks – die Ra­bita-Sa­che zeig­te ja dann auch, wie ge­zielt man be­reits da­mals in der La­ge war, Te­le­fo­na­te ab­zu­hö­ren. Als Bür­ger »zwei­ter Klas­se« füh­le ich mich nicht mehr als vor­her. Frei­lich gibt es ei­ne Hier­ar­chie, die von den USA im­mer ge­pflegt und von deut­schen Re­gie­run­gen im­mer als sol­che ak­zep­tiert wur­de.

    Ich se­he auch nicht die Ab­hän­gig­keit von ame­ri­ka­ni­schen Fir­men oder Kon­zer­nen. Nie­mand braucht ein Ap­ple-Ge­rät zu kau­fen, Goog­le zu be­nut­zen oder mit Mi­cro­soft-Pro­gram­men sei­ne Tex­te zu schrei­ben. In­ter­es­sant ist es al­ler­dings, in­wie­fern das In­ter­net an sich durch die USA-Ge­heim­dien­ste kon­trol­liert wird (üb­ri­gens dürf­ten rus­si­sche und chi­ne­si­sche Ge­heim­dien­ste ähn­li­ches prak­ti­zie­ren; es fand sich nur bis­her kein Whist­le­b­lower).

  4. Die E‑Mail ist vom Brief­ge­heim­nis nicht ge­schützt, wohl aber vom Fern­mel­de­ge­heim­nis. Wäh­rend das Le­sen frem­der (ver­schlos­se­ner) Brie­fe für je­der­mann straf­bar ist, ist es das Le­sen frem­der (un­ver­schlüs­sel­ter) E‑Mails nicht. Zu­dem sind die ge­setz­li­chen An­for­de­run­gen für staat­li­chen Zu­griff auf ein E‑Mail Post­fach bei ei­nem Dien­ste­an­bie­ter deut­lich nied­ri­ger als der Zu­griff auf den ei­ge­nen Brief­ka­sten.

    Dass nie­mand die­se Dien­ste nut­zen müss­te, mag theo­re­tisch rich­tig sein. Rea­li­stisch ist es nicht. Oder kennst Du je­man­den, der gar kei­ne Dien­ste von Mi­cro­soft, Goog­le, Ap­ple nutzt? Das schließt ei­nen aus der Smart­phone-Welt aus..

    Schließ­lich ist Dein Ver­ständ­nis für Oba­mas po­li­ti­sche Si­tua­ti­on al­ler Eh­ren wert. Aber trotz­dem ist die ein­zig rich­ti­ge Mög­lich­keit des Bür­gers sei­ne po­li­ti­schen In­ter­es­sen zu för­dern, noch mehr Druck von der an­de­ren Sei­te zu ma­chen. So­lan­ge Oba­ma und Co Angst vor ih­ren ei­ge­nen Hard­li­nern ha­ben und nicht vor den Bür­gern, die ih­re Rech­te schüt­zen wol­len, sind die Bür­ger zu fried­lich und stumm!

  5. War­um soll­te denn Oba­ma vor den stum­men Bür­gern Angst ha­ben – um den letz­ten Sat­ze rhe­to­risch an­zu­grei­fen?

    (Die po­ten­ti­el­le Ge­fahr der Ar­beits­lo­sig­keit und ih­re di­rek­ten öko­no­mi­schen Fol­gen be­la­sten die US-Bür­ger wo­mög­lich mehr als die nur amorph wahr­ge­nom­me­ne Ge­fahr der Mail-Spio­na­ge. Das mag man be­kla­gen, spie­gelt aber die Le­bens­wirk­lich­keit.)

    Wie ge­sagt, die »Smartphone«-Welt be­gann schon beim Te­le­fon.

    Ein­wand am Ran­de:
    Zu­dem sind die ge­setz­li­chen An­for­de­run­gen für staat­li­chen Zu­griff auf ein E‑Mail Post­fach bei ei­nem Dien­ste­an­bie­ter deut­lich nied­ri­ger als der Zu­griff auf den ei­ge­nen Brief­ka­sten.
    Das möch­te ich be­strei­ten. Die tech­ni­schen Mög­lich­kei­ten er­lau­ben ei­nen Zu­griff auf ein E‑­Mail-Post­fach sehr viel schnel­ler und ma­chen es u. U. auch nütz­li­cher, zu­nächst dort zu­zu­schau­en (Kin­der­por­no­gra­phie wird wohl kaum per Brief­post ver­schickt wer­den). Ge­ne­rell wer­den je­doch bspw. bei Haus­durch­su­chun­gen Brie­fe und E‑Mails so­zu­sa­gen gleich­be­rech­tigt be­han­delt.

  6. Es ist wohl noch per­fi­der: Das In­ter­net ist ja ur­sprüng­lich Spin-off ei­nes mi­li­tä­ri­schen Net­zes (US-Luft­waf­fe kauf­te Know­how ein beim MIT). Durch PC und WWW und den fröh­li­chen Im­pe­ria­lis­mus von US-Kon­sum, Spie­leund TV-Schund wur­den wir an­ge­fixt und be­ka­men im­mer mehr bun­te Bild­chen und die gan­ze lu­sti­ge Klicke­rei. Und jetzt zei­gen sich eben die Kehr­sei­ten der Me­dail­le.

    Die Po­si­ti­on der Stär­ke recht­fer­tigt so­wie­so al­les. Und wie G.K. schon an­deu­te­te: Man konn­te es im­mer schon wis­sen und Be­schwer­den (wenn man doch pro­fi­tier­te!) gab es so gut wie nie.

    Im Grun­de zeigt sich da­mit aber auch un­se­re ei­ge­ne dunk­le Sei­te: Dass die „west­li­chen Wer­te“ meist nur so­lan­ge gel­ten, bis es Wich­ti­ge­res gibt (du­bio­se Po­li­ti­ker-Am­bi­tio­nen, In­ter­es­sen und Evo­lu­tio­nen im mi­li­tä­risch-in­du­stri­el­len Kom­plex, mal wie­der fäl­li­ge, Res­sour­cen-si­chern­de Kriegs­schü­re­rei und so wei­ter).

    Was die USA schon im­mer mach­ten (Na­zis im­por­tie­ren und wei­ter­for­schen las­sen, de­mo­kra­ti­sche le­gi­ti­mier­te Re­gime stür­zen, Men­schen­ex­pe­ri­men­te und so wei­ter), ist eben heu­te Wa­ter­boar­ding, Droh­nen-Kil­ler­flü­ge und Des­in­for­ma­ti­on. (Die bö­sen Chi­ne­sen spio­nie­ren die USA aus!)

    Vor Jah­ren ha­be ich mal je­man­den sa­gen hö­ren (dem ich es auch tat­säch­lich zu­trau­te, das zu wis­sen), dass schon un­se­re Be­trieb­sy­ste­me sämt­lich un­do­ku­men­tier­te Schnitt­stel­len be­sit­zen. Und eben­falls be­reits vor Jah­ren hat Pe­ter Slo­ter­di­jk mal fest­ge­stellt, dass man ei­gent­lich end­lich mal die Au­gen öff­nen müss­te für das, was un­ser Haupt­ver­bün­de­ter in sei­ner ver­läss­lich skan­da­li­sie­ren­den Pra­xis seit lan­gem ist: „a ro­gue sta­te“.

    Bleibt al­les so wie im­mer – nur noch ein biss­chen schlim­mer.

  7. Mei­ner Mei­nung nach un­ter­schei­den sich die jet­zi­gen Er­kennt­nis­se in zwei Aspek­ten von den Vor­komm­nis­sen im Kal­ten Krieg:

    1. Im In­ter­net lau­fen in­zwi­schen al­le Da­ten zu­sam­men. Es be­rei­tet ei­nem In­for­ma­ti­ons­samm­ler kei­nen Auf­wand mehr, an prak­tisch al­le Da­ten ei­ner Per­son zu ge­lan­gen, die in Ver­dacht ge­ra­ten ist. Und man kann selbst das In-Ver­dacht-ge­ra­ten Al­go­rith­men über­las­sen. ... Man kom­bi­nie­re das mit dem prä­ven­ti­ven Tö­ten, das in­zwi­schen auch zur Ver­tei­di­gungs­dok­trin ge­hört und mit dem Ein­satz von Droh­nen auch im In­land (ge­ra­de eben ge­le­sen). Dann sind wir bei Sze­na­ri­en, die man bis­her nur in Sci­ence­Fic­tion-Fil­men ge­se­hen hat.

    2. Die US-Re­gie­rung re­kru­tiert Pri­vat­fir­men für ih­re In­ter­es­sen und ver­tritt selbst die In­ter­es­sen sol­cher Fir­men. Da kannst du zwar auch wie­der sa­gen, das ist nichts Neu­es (sie­he den Black­wa­ter-Skan­dal), aber es er­reicht wem dem In­ter­net ei­ne neue Qau­li­tät. Und in Deutsch­land muss­te für das Aus­spre­chen die­ser of­fen­sicht­li­chen Tat­sa­che un­längst noch ein Bun­des­prä­si­dent sei­nen Hut neh­men.

    In dei­ner Li­ste von Spie­gel­ar­ti­keln feh­len üb­ri­gens die­je­ni­gen, die auf Back­doors in Mi­cro­soft Win­dows hin­wei­sen. Die NSA kann sich ver­mut­lich in be­lie­bi­ge Rech­ner ein­log­gen, die un­ter den ver­schie­de­nen Ver­sio­nen von Win­dows lau­fen.

  8. @herr.jedermann
    Ich ver­tre­te die The­se, dass je­der an­stel­le von Oba­ma das glei­che ge­macht hät­te. Und ich glau­be, das es ähn­li­che Über­wa­chungs­sy­ste­me auch in an­de­ren Staa­ten gibt. Man den­ke an die sehr auf­wen­dig be­trie­be­ne In­ter­net­zen­sur in Chi­na. Ich glau­be nicht, dass man dort »nur« das ei­ge­ne Volk be­spit­zelt.

    @Köppnick
    Ich ha­be nur ei­ni­ge Ar­ti­kel ge­nom­men, die noch vor der Durch­drin­gung der Ge­sell­schaft durch das In­ter­net zei­gen, wie die Ge­heim­dien­ste schon da­mals funk­tio­nier­ten. Seit je­her ist für NSA & Co. die Un­schulds­ver­mu­tung ins Ge­gen­teil ver­kehrt. Dass ein US-do­mi­nier­tes Me­di­um eben auch von de­ren Ge­heim­dien­sten in­fil­triert ist, hät­te man wis­sen kön­nen. Die Auf­re­gung kommt mir der­art vor, als be­schwe­re man sich beim Metz­ger, dass er to­te Tie­re ver­kau­fe (und das ist nur ein biss­chen über­trie­ben).

    Im Mo­ment wird ja zu­meist nur ge­sam­melt; die Fül­le der Da­ten muss im­mens sein. Ge­fähr­lich wird es erst, wenn sy­ste­ma­ti­sche Aus­wer­tun­gen mög­lich sind und dar­aus Prä­ven­tiv­maß­nah­men ab­ge­lei­tet wer­den. Ich rech­ne da­mit, dass das in fünf Jah­ren der Fall sein wird. Es ist frap­pie­rend, wie dann der ar­chai­sche Ter­ro­ris­mus von Al Qai­da über den in­di­rek­ten Weg da­zu ge­führt ha­ben könn­te, dass der We­sten sei­ne Wer­te sel­ber ad ab­sur­dum führt. Es ist wie ein Gift, dass ei­ne sehr lan­ge La­tenz­zeit hat.

  9. @GregorKeuschnig: Um an die Post im Brief­ka­sten zu kom­men, muss man aber ei­ne Haus­durch­su­chung ma­chen, mit al­lem was da recht­lich da­zu ge­hört in­klu­si­ve der In­for­ma­ti­on des Be­trof­fe­nen. Die Ab­fra­ge des E‑Mail Post­fachs bei ei­nem Dienst­lei­ster hat nied­ri­ge­re straf­pro­zes­sua­le Hür­den und es kann dau­ern, bis der Be­trof­fe­ne Kennt­nis be­kommt, wenn über­haupt.

    Na­tür­lich ist das Pro­blem, dass die Bür­ger zu stumm sind, in den USA und hier. Das sa­ge ich ja. Aber ei­ne Be­schwich­ti­gung »da­mals im (kal­ten) Krieg war das ja auch schon im­mer so, jetzt reg Dich nicht auf« hilft da­bei nicht.

  10. Ich ha­be hier noch ei­nen Link von 1999 ge­fun­den. Zur Li­ste der be­trof­fe­nen Un­ter­neh­men wird dort ne­ben Ap­ple, Mi­cro­soft, Goog­le, Face­book, Ya­hoo und Sky­pe noch Lo­tus hin­zu­ge­fügt: http://www.heise.de/tp/artikel/5/5274/1.html Das ist in­so­fern be­mer­kens­wert, weil Lo­tus No­tes in deut­schen Un­ter­neh­men zur in­ter­nen Kom­mu­ni­ka­ti­on sehr gern ver­wen­det wur­de und viel­leicht noch wird, ne­ben Out­look – und das ist wie­der­um von Mi­cro­soft.

  11. @LukasHugl
    Ich ha­be kei­ne Be­schwich­ti­gung ver­fasst, son­dern ver­sucht, ein Kon­ti­nu­um dar­zu­stel­len. Für Alar­mis­mus oder Be­sänf­ti­gun­gen sind an­de­re zu­stän­dig; ich nicht. Dass es in den USA kei­ne Pro­te­ste gibt, ha­be ich auch ver­sucht zu er­klä­ren. Die Prio­ri­tä­ten sind dort an­de­re. Man mag das be­kla­gen, aber es ist wohl so. Merk­wür­dig ist für mich, dass in den USA der Staat im­mer als Dä­mon gilt, wenn es um so et­was wie Kran­ken­ver­si­che­rung oder Steu­ern geht. Aber in punk­to Si­cher­heit hat man da schein­bar ein gro­ßes Ver­trau­en. Die­sen Wi­der­spruch hat mir noch kein USA-Er­klär­bär auf­lö­sen kön­nen.

    Den Geist hat man noch nie in die Fla­sche zu­rück­be­kom­men. Nur wenn ein Um­den­ken im Ge- und Ver­brauch bei den Kon­su­men­ten ein­tre­ten wür­de, könn­te man viel­leicht ei­ne Wen­de er­rei­chen. Das ist aber nicht in Sicht, da je­der ein­fach ger­ne wei­ter dad­deln möch­te. Ich könn­te mir durch­aus ein Le­ben oh­ne Smart­phone (und am En­de auch: oh­ne die­sen Blog hier) vor­stel­len. Aber ich ken­ne es auch noch an­ders. Die di­gi­tal na­ti­ves wä­ren auf­ge­schmis­sen und wüss­ten gar nicht gar nicht mehr, wie sie ih­re Bus- und Bahn­rei­sen zu­brin­gen soll­ten.

    In­ter­es­sant ist die The­se, die ich um 2002 her­um ver­schie­dent­lich ge­hört ha­be (u. a. auch von die­sem Blog­ger hier). Sie lau­tet kurz ge­fasst, dass sich De­mo­kra­tien im Fal­le der (ver­meint­li­chen) Be­dro­hung durch wie auch im­mer mo­ti­vier­te De­mo­kra­tie­fein­de, die ex­pan­siv agie­ren. in der Be­kämp­fung die­ser Geg­ner im Lau­fe der Zeit die­sen im­mer ähn­li­cher wer­den. Bei Nach­bar­schafts­strei­tig­kei­ten kann man die­sen Ef­fekt auch be­ob­ach­ten: Man sinkt am En­de wo­mög­lich auf ein Ni­veau her­ab, dass man sei­nem Geg­ner im­mer schon at­te­stier­te.

    Viel­leicht ist ir­gend­wann der Nicht-Ver­netz­te der wah­re Re­vo­lu­tio­när. (Vgl. auch die­sen Ar­ti­kel hier, der die ver­meint­li­chen Ver­flech­tun­gen auf­zeigt.)

  12. Von den Ra­dar­an­ten­nen in Bad Aib­ling, die wir in den frü­hen ..80ern im­mer pas­sier­ten, war all­ge­mein be­kannt, dass hier die Amis nicht nur den Ost­block be­lausch­ten, son­dern auch jeg­li­chen Funk­ver­kehr, d.h. Sa­tel­li­ten­te­le­fo­na­te, im In­land über­wach­ten. Dann wur­de das als ECHE­LON-Spio­na­ge­sy­stem of­fi­zi­ell be­kannt, der Miss­brauch zur Wirt­schafts­spio­na­ge nach­ge­wie­sen und die Bad Aib­ling-An­la­ge ab­ge­baut ( und an an­de­re Stel­le wie­der auf­ge­baut). PRISM ist nur ei­ne tech­nisch ver­bes­ser­te, we­sent­lich lei­stungs­stär­ke­re Form der Über­wa­chung. Dass im In­ter­net heu­te im­mer je­mand mit­liest und auf ir­gend­ei­ner Fest­plat­te spei­chert, soll­te doch in­zwi­schen je­dem User be­wusst sein. Ein paar Tags ge­fäl­lig: Ter­ror, Bom­be, USA, spren­gen. Jetzt bin ich mal ge­spannt, ob dem­nächst ei­ne Droh­ne hier über der South­co­ast kreist.

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