Mal­te Her­wig: Der gro­sse Ka­l­a­nag

Malte Herwig: Der grosse Kalanag
Mal­te Her­wig: Der gro­sse Ka­l­a­nag

2013 leg­te der Au­tor Mal­te Her­wig ei­ne ein­drucks­voll re­cher­chier­te Stu­die zur so­ge­nann­ten »Flak­hel­fer«- Ge­ne­ra­ti­on vor, aus der her­vor­ging, dass et­li­che der­je­ni­gen, die man (voll­kom­men zu Recht) als die Säu­len der neu­en, de­mo­kra­ti­schen und plu­ra­li­sti­schen Bun­des­re­pu­blik be­zeich­ne­te, mit 17 oder 18 Jah­ren, al­so 1944 und auch noch 1945, Mit­glied in der NSDAP ge­wor­den wa­ren. Und dies, so das Er­geb­nis der Nach­for­schun­gen, mit ih­rem je­weils aus­drück­li­chem Wis­sen, da es kei­ne »au­to­ma­ti­schen« Par­tei­mit­glied­schaf­ten gab. Her­wig ging es da­bei nicht um die Dif­fa­mie­rung der Le­bens­lei­stung von Men­schen wie Hans-Diet­rich Gen­scher, Die­ter Hil­de­brandt, Wal­ter Jens oder Die­ter Wel­lers­hoff (um nur ei­ni­ge zu nen­nen). Was ihn um­trieb war das be­haup­te­te oder wo­mög­lich im Lau­fe der Zeit tat­säch­lich ein­ge­tre­te­ne Ver­ges­sen. Selbst ein­deu­ti­ge Be­le­ge ver­moch­ten bei den mei­sten kein Ein­se­hen zu er­zeu­gen. Die Em­pö­rung der Be­wun­de­rer der Prot­ago­ni­sten ließ er nicht gel­ten. Bio­gra­fien dürf­ten nicht ge­glät­tet wer­den, sie soll­ten ge­ra­de in ih­rer Wi­der­sprüch­lich­keit ge­zeigt wer­den, um die Lei­stun­gen da­nach rich­tig be­ur­tei­len zu kön­nen.

Hat­ten sie nach 1945 über­haupt ei­ne an­de­re Wahl als das Schwei­gen? Was wä­re aus ei­nem Gün­ter Grass ge­wor­den, wenn er bei­spiels­wei­se in­ner­halb der Grup­pe 47 sei­ne Dienst­zeit in ei­ner SS-Pan­zer­di­vi­si­on frei­mü­tig zu­ge­ge­ben hät­te? Hät­te Hans-Diet­rich Gen­scher In­nen- und spä­ter Au­ßen­mi­ni­ster wer­den kön­nen, wenn sei­ne NSDAP-Mit­glied­schaft be­kannt ge­wor­den wä­re? War das En­ga­ge­ment für die neue deut­sche De­mo­kra­tie ei­ne Form der Süh­ne, ei­ne Form der Bu­ße im An­ge­sicht ei­ner le­bens­lang emp­fun­de­nen und/oder spä­ter ver­dräng­ten Scham?

Her­wig scheint fas­zi­niert zu sein von die­ser Form der Ver­wand­lungs­fä­hig­keit von Men­schen. Ei­ni­ge Jah­re spä­ter ver­ant­wor­te­te er ei­nen wun­der­ba­ren Pod­cast über die so­ge­nann­ten Hit­ler-Ta­ge­bü­cher. Der Ver­wand­lungs­künst­ler hieß dies­mal Kon­rad Ku­jau, der sich als ima­gi­nä­rer Adolf Hit­ler in ei­ne Art Rausch ge­schrie­ben hat­te. Auf­klä­re­risch woll­te die­ser Fäl­scher nicht wir­ken, son­dern nur sein Ver­mö­gen auf­bes­sern. Da­her be­trog er. Die Op­fer wa­ren zu­nächst ein gut­gläu­bi­ger Jour­na­list, der die Sto­ry sei­nes Le­bens wit­ter­te und ein paar Blatt­ma­cher. Spä­ter dann Mil­lio­nen Le­ser.

Und nun legt der Tho­mas-Mann-Ken­ner und Pe­ter-Hand­ke-Bio­graph Mal­te Her­wig ei­ne Le­bens­be­schrei­bung über ei­nen ge­wis­sen Hel­mut Schrei­ber vor, der sich einst »Ka­la Nag« und dann, in den 1950er Jah­ren, »Der gro­ße Ka­l­a­nag« nann­te.

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Kom­mu­ni­ka­ti­on: ge­stört

Der Dra­ma­turg und Au­tor Bernd Ste­ge­mann wid­met sich in sei­nem neue­sten Buch »Die Öf­fent­lich­keit und ih­re Fein­de« mit al­ler ge­bo­te­nen Aus­führ­lich­keit dem ak­tu­el­len Sta­tus quo des­sen, was man Kom­mu­ni­ka­ti­ons- oder auch Dis­kurs­ge­sell­schaft nennt und be­schreibt, wie Ent­wick­lun­gen aus den USA auch in Deutsch­land im­mer mehr Fuß fas­sen. Die glei­che The­ma­tik be­han­delt »Ge­ne­ra­ti­on be­lei­digt«, ein viel be­ach­te­tes Buch der fran­zö­si­schen Jour­na­li­stin Ca­ro­li­ne Fou­rest, die sich ein­deu­tig als Ak­ti­vi­stin u. a. für LGBTQ-Rech­te stark macht und aus ei­ner fe­mi­ni­sti­schen Po­si­ti­on her­aus ar­gu­men­tiert. Ste­ge­mann be­gnügt sich nicht mit ei­ner Zu­stands­be­schrei­bung, son­dern führt aus, wie dies den Um­gang mit den tat­säch­li­chen, exi­sten­ti­el­len Pro­ble­men des An­thro­po­zäns (Kli­ma­wan­del, Um­welt­ver­schmut­zung, so­zia­le Un­gleich­heit, Mi­gra­ti­ons­strö­me) nicht nur hemmt, son­dern ver­un­mög­licht. Sein Buch steht im Zen­trum die­ser Be­spre­chung.

Bernd Stegemann: Die Öffentlichkeit und ihre Feinde
Bernd Ste­ge­mann: Die Öf­fent­lich­keit und ih­re Fein­de

Zu­nächst un­ter­schei­det er zwi­schen den gän­gi­gen Kon­zep­ten der spät­mo­der­nen Ge­sell­schafts­be­schrei­bung: »Auf der ei­nen Sei­te gibt es die Sy­stem­theo­rie, die er­klärt, dass je­des Sy­stem ei­nen blin­den Fleck braucht, um funk­tio­nie­ren zu kön­nen, und die zu­gleich re­flek­tiert, dass Fort­schritt nur da­durch mög­lich ist, dass al­le Sy­ste­me wech­sel­wei­se ih­re blin­den Flecken kri­ti­sie­ren. Auf der an­de­ren Sei­te ste­hen die My­then­er­fin­der und Fun­da­men­ta­li­sten, die ih­ren ei­ge­nen blin­den Fleck ver­leug­nen und je­den Hin­weis dar­auf als An­griff auf ih­re Iden­ti­tät zu­rück­wei­sen.«

Neo­li­be­ra­lis­mus und In­di­vi­dua­lis­mus

Wie konn­te es so­weit kom­men? Ste­ge­mann cha­rak­te­ri­siert die Post­mo­der­ne als »Er­zäh­lung ei­nes ra­di­ka­len In­di­vi­dua­lis­mus«. Da­mit war, spä­te­stens nach dem Zu­sam­men­bruch des Kom­mu­nis­mus 1989/90, der Weg frei für das, was er »Neo­li­be­ra­lis­mus« nennt. Er ver­wen­det den Be­griff nicht in sei­ner ur­sprüng­li­chen Be­deu­tung, dem ordo-li­be­ra­len Wirt­schafts­sy­stem à la Wal­ter Eucken. Neo­li­be­ra­lis­mus ist für ihn Syn­onym für den ent­fes­sel­ten, gren­zen­lo­sen, glo­ba­li­sier­ten Ka­pi­ta­lis­mus, der un­ter­schwel­lig die Prio­ri­tä­ten in Ge­sell­schaft und Po­li­tik be­stimmt. Er wird zur Ur­quel­le ei­ner sich im­mer wei­ter spal­ten­den Ge­sell­schaft, de­ren Fol­gen bis hin­ein in die öf­fent­li­che Dis­kur­se spür­bar sind.

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Ge­or­ges Si­me­non: Aus den Ak­ten der Agence O

Georges Simenon: Aus den Akten der Agence O
Ge­or­ges Si­me­non: Aus den Ak­ten der Agence O

Jo­seph Tor­rence, Ex-In­spek­tor der Pa­ri­ser Kri­mi­nal­po­li­zei und ehe­ma­li­ger Mit­ar­bei­ter von Kom­mis­sar Mai­gret, Mit­te 40, »ein un­be­küm­mer­ter Riese…sehr ge­pflegt und gut ge­nährt« ist jetzt der Chef ei­ner der »be­rühm­te­sten Pri­vat­de­tek­tei­en der Welt«, der »Agence O«. Ihm zur Sei­te steht der jun­ge, som­mer­spros­si­ge Rot­schopf Émi­le, der als Fo­to­graf fun­giert, der Bü­ro­die­ner und ehe­ma­li­ge Ta­schen­dieb Bar­bet so­wie die Se­kre­tä­rin Ma­de­moi­sel­le Ber­the. Das Bü­ro liegt fast ein biss­chen kon­spi­ra­tiv ge­gen­über von ei­nem Mu­si­cal-Thea­ter, über dem Fri­seur­sa­lon »Chez Adol­phe« in der Ci­té Ber­gè­re in Pa­ris.

Ge­or­ges Si­me­non hat bin­nen sehr kur­zer Zeit vier­zehn Er­zäh­lun­gen über die »Agence O« ver­fasst, die 1943 bei Gal­li­mard ver­öf­fent­licht wur­den. 1968 wur­den für das fran­zö­si­sche Fern­se­hen zwölf Epi­so­den der »Agence O« ver­filmt (Re­gie führ­te Si­me­nons Sohn Marc), die 1971 in der ARD un­ter dem Na­men »Agen­tur Null« aus­ge­strahlt wur­den.

Sechs Er­zäh­lun­gen sind jetzt un­ter dem Ti­tel »Aus den Ak­ten der Agence O« im Kam­pa-Ver­lag auf­ge­legt wor­den, wo­bei nur »Der Mann hin­ter dem Spie­gel« von Sa­bi­ne Schmidt über­setzt in ei­ner in­zwi­schen ver­grif­fe­nen An­tho­lo­gie be­reits er­schie­nen war. Die an­de­ren fünf Er­zäh­lun­gen, von Su­san­ne Röckel über­tra­gen, gibt es zum er­sten Mal in deut­scher Spra­che. Die wei­te­ren acht Er­zäh­lun­gen mit Aben­teu­ern der »Agence O« sol­len zu ei­nem spä­te­ren Zeit­punkt er­schei­nen.

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Es le­be der Sport

Zwei­fel­los ist Rain­hard Fend­richs Lied von 1983 (!) über den Couchpotatoe-(Winter-)Sport-Schauer ei­ne Ka­ri­ka­tur und sehr über­trie­ben. Na­ja, über­trie­ben. Ein biss­chen über­trie­ben… Seit vie­len Jah­ren lie­fern die öf­­fen­t­­lich-rech­t­­li­chen Fern­seh­an­stal­ten in ih­ren Prime-Ka­­nä­­len ARD re­spek­ti­ve ZDF von No­vem­ber bis März na­he­zu je­des Wo­chen­en­de Spe­­zi­al-Spor­t­­sen­­dun­­­gen über Bi­ath­lon, Ro­deln, Bob­fah­ren, Ski­sprin­gen, Sla­lom, Rie­sen­sla­lom, etc. Einst be­son­de­ren Ver­an­stal­tun­gen vor­be­hal­ten – ...

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Karl Ove Knaus­gård: Aus der Welt

Karl Ove Knausgård: Aus der Welt
Karl Ove Knaus­gård:
Aus der Welt

Hen­rik Van­kel ist 1970 ge­bo­ren und 26 Jah­re alt, als er ei­ne Stel­le als Aus­hilfs­leh­rer, be­fri­stet auf ein Jahr, in ei­nem als Dorf be­schrie­be­nen Ort in Nord­nor­we­gen an­tritt. Es ist kalt und es schneit. Mit dem Win­ter be­ginnt die Zeit, in der es auf dem Hö­he­punkt nur rund ei­ne Stun­de am Tag hell ist, der Son­nen­auf­gang naht­los in den ‑un­ter­gang über­geht. Hen­rik ist un­ge­bun­den, lebt al­lein, in ei­nem Miets­haus. Über ihn wohnt Lin­da, acht Jah­re äl­ter, eben­falls Leh­re­rin, mit ih­rem Ehe­mann Ri­chard.

Oh­ne gro­ße Um­stän­de kommt Karl Ove Knaus­gård in sei­nem 1998 er­schie­ne­nen Erst­lings­ro­man »Aus der Welt« (nor­we­gisch: »Ute av ver­den«, laut Über­set­zungs­pro­gramm eher: »Nicht von die­ser Welt«) auf das be­stim­men­de The­ma die­ses Hen­rik zu spre­chen: Er ist an­ge­zo­gen von ei­ner Cli­que 13jähriger Mäd­chen der Schu­le, von Han­na, Ka­ta­ri­na, An­net­te und Mi­ri­am, die er »mei­ne Mäd­chen« nennt. Ich-Er­zäh­ler Hen­rik re­gi­striert »ihr ver­le­ge­nes Lä­cheln und ih­re er­rö­ten­den Ge­sich­ter« und kon­sta­tiert: »ir­gend­et­was an ih­nen brach­te mich aus dem Kon­zept«. »Was hat­ten sie an sich, das mich so aus der Fas­sung brach­te, was war es?«, so fragt Hen­rik am An­fang. Be­son­ders hin­ge­zo­gen fühlt er sich zu Mi­ri­am. Es be­ginnt als Schwär­me­rei, fast wie ein Teen­ager, was sich auch dar­in zeigt, dass der Ich-Er­zäh­ler ei­ni­ge Im­pres­sio­nen laut­ma­le­risch, in Co­mic­spra­che, un­ter­stüt­zend schil­dert.

Al­les an und von Mi­ri­am wird be­ob­ach­tet und ge­deu­tet: »Als wä­ren nur wir zwei im Raum, zieht sie vor­sich­tig das wei­te T‑Shirt straff, lä­chelt kurz und dreht sich dann um.« Im Un­ter­richt stei­gert sich das Ver­lan­gen bis­wei­len noch: »Ich hät­te zu ihr ge­hen kön­nen, nur um sie zu rie­chen, dach­te ich, den Ge­ruch ih­res war­men, feuch­ten Woll­pull­overs auf­zu­neh­men. Die Sü­ße des Atems.« Aber es muss un­ter­drückt, darf nicht of­fen­sicht­lich und von an­de­ren be­merkt wer­den. Denn es sind doch »Kin­der­stim­men, Kin­der­au­gen, Kin­der­ge­dan­ken, Kin­der­schuld, Kin­der­scham«, so be­schwört er sich sel­ber.

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Mo­sa­ik­stein­chen

Wie­der schla­gen die Wel­len hoch: An­geb­lich schafft der West­deut­sche Rund­funk sei­ne täg­li­che Li­te­ra­tur­kri­tik im Ma­ga­zin »Mo­sa­ik« im Ra­dio WDR3 ab. Bin­nen we­ni­ger Stun­den gab es ei­ne On­­li­ne-Pe­ti­ti­on, auf den Weg ge­bracht von de­nen, die be­trof­fen wä­ren, d. h. den »frei­en« Kri­ti­kern (und Kri­ti­ke­rin­nen na­tür­lich), die wie­der ein­mal we­ni­ger Ein­nah­men be­fürch­ten. Der öf­­fen­t­­lich-rech­t­­li­che Rund­funk in Ge­stalt ...

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Pe­ter Fab­jan: Ein Le­ben an der Sei­te von Tho­mas Bern­hard

Peter Fabjan: Ein Leben an der Seite von Thomas Bernhard
Pe­ter Fab­jan: Ein Le­ben an der Sei­te von Tho­mas Bern­hard

Auf Twit­ter gibt es ei­nen Teil­neh­mer, der sich »Tho­mas Bern­hard« nennt und ein Fo­to des 1989 ver­stor­be­nen Schrift­stel­lers im Pro­fil trägt. Er folgt nur drei an­de­ren Teil­neh­mern (ei­nem Twit­ter-Nach­rich­ten­por­tal zu Tho­mas Bern­hard so­wie dem Re­si­denz- und dem Suhr­kamp-Ver­lag; merk­wür­di­ger­wei­se nicht Jung und Jung) aber ihm fol­gen über 6.700 User. Der Na­me ist »dai­ly­bern­hard« und so gibt es seit Mai 2015 auch mehr oder we­ni­ger re­gel­mä­ßig ei­nen Spruch von T.B. aus ir­gend­ei­nem sei­ner Bü­cher oder den zahl­rei­chen In­ter­views. Die An­ga­be der je­wei­li­gen Quel­le un­ter­bleibt; ei­nen Kon­text gibt es da­mit na­tur­ge­mäß nicht. Von der recht­li­chen Kom­po­nen­te ein­mal ab­ge­se­hen, stellt sich vor al­lem die Fra­ge, wem da­mit ge­dient ist. Ver­mut­lich steckt da­hin­ter ein Tho­mas-Bern­hard-Schwär­mer, je­mand, der si­cher­lich zu je­der (welt-)politischen La­ge (wo­her auch im­mer) ein tref­fen­des Zi­tat sei­nes Mei­sters an­brin­gen kann. Das ist un­ter­halt­sam, kei­ne Fra­ge. Aber es re­du­ziert das Werk ei­nes Dich­ters auf das Ni­veau ei­nes Apho­ris­mus­schrei­bers, der zum Bei­spiel bis­wei­len ge­lun­gen den öster­rei­chi­schen Bun­des­kanz­ler zu ka­ri­kie­ren scheint, ob­wohl der in Wirk­lich­keit noch nicht ein­mal drei Jah­re alt war, als Tho­mas Bern­hard starb.

Egal, wer­den die Bern­hard-En­thu­sia­sten sa­gen, Haupt­sa­che, der Dich­ter bleibt prä­sent. Denn in­zwi­schen hat so ziem­lich je­der, der in sei­nem Le­ben mit Tho­mas Bern­hard (1931–1989) et­was zu tun hat­te, über ihn be­rich­tet und ent­hüllt. Da ist es nur lo­gisch, dass Bern­hards Halb­bru­der, der ehe­ma­li­ge In­ter­nist und Nach­lass­ver­wal­ter Pe­ter Fab­jan (*1938), jetzt end­lich auch sei­nen »Rap­port« ab­gibt. »Ein Le­ben an der Sei­te von Tho­mas Bern­hard« ist der Ti­tel die­ses Büch­leins, das mit zahl­rei­chen Fo­tos aus­ge­stat­tet, vor ei­ni­gen Ta­gen im Suhr­kamp-Ver­lag er­schie­nen ist.

Fab­jans Buch ist al­ler­dings we­ni­ger ein Rap­port als ei­ne Text­samm­lung. Aus­führ­lich wer­den die Fa­mi­li­en­ver­hält­nis­se un­ter de­nen Bern­hard auf­wuchs ge­schil­dert. Die Mut­ter starb früh und war psy­chisch la­bil; der leib­li­che Va­ter, der die Va­ter­schaft nie an­er­kannt und eben­falls früh starb, ein Trun­ken­bold. Fab­jan wid­met je­der Per­son bis hin­ein in die Tan­ten und On­kel ei­ne skiz­zen­haf­te Le­bens­be­schrei­bung. Er kon­sta­tiert tra­gö­di­en­haf­te Zü­ge in der Fa­mi­li­en­ge­schich­te.

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Mo­ni­ka Ma­ron: Bon­nie Pro­pel­ler

Monika Maron: Bonnie Propeller
Mo­ni­ka Ma­ron:
Bon­nie Pro­pel­ler

Der Hund »Mo­mo« der 79jährigen, al­lein­le­ben­den Ich-Er­zäh­le­rin in Mo­ni­ka Ma­rons neue­ster Er­zäh­lung »Bon­nie Pro­pel­ler« ist ver­stor­ben (be­zie­hungs­wei­se: er wur­de ein­ge­schlä­fert). Da ein Le­ben oh­ne Hund für sie viel­leicht mög­lich, aber nicht er­stre­bens­wert ist, zu­mal wenn ein Hund den Tag der schrift­stel­le­risch tä­ti­gen Er­zäh­le­rin bes­ser struk­tu­riert, sucht sie ei­nen neu­en Ge­fähr­ten. Fün­dig wird sie bei ei­nem Ver­ein, der Hun­de aus Ost­eu­ro­pa her­an­holt. War­um die­se Pro­ve­ni­enz bleibt im Dun­keln. Im­mer­hin sieht der Hund auf dem Vi­deo pas­sa­bel aus. Dies­mal soll es kein Rü­de sein, son­dern ei­ne Hün­din. Ganz ein­fach ist der Kauf al­ler­dings nicht. Man muss ei­nen Fra­ge­bo­gen aus­fül­len, ob man über­haupt in der La­ge ist, ei­nen Hund art­ge­recht zu hal­ten und am En­de gibt es noch ein Ge­spräch. Ei­nen klei­nen Feh­ler macht die Er­zäh­le­rin, als sie ihr Ge­burts­jahr irr­tüm­lich, wie sie be­tont, zehn Jah­re jün­ger macht. Wer weiß, ob sie sonst den Hund be­kom­men hät­te.

Die »Lie­fe­rung« er­folgt un­ter kon­spi­ra­ti­ven und kom­pli­zier­ten Um­stän­den. Zu­nächst muss sie, in Ber­lin le­bend, früh mor­gens auf ei­nem Park­platz in Mün­chen sein. Als sie an­kommt, stellt sich her­aus, dass der Wa­gen ei­ne Pan­ne hat­te. Ein paar Wo­chen spä­ter klappt dann die Über­ga­be; dies­mal in Ber­lin, um 5 Uhr mor­gens.

Die Ent­täu­schung ist groß: »Pro­pel­ler«, so heißt sie, ist häss­lich, hat »zwei ka­mel­höcker­ähn­li­che Hüft­pol­ster, al­les über­wu­chert von ei­nem grau­schwar­zen, stump­fen Fell« und ist ver­narbt von ei­ner Ope­ra­ti­on. Ein un­för­mi­ges, dackel­ähn­li­ches Fell­ge­bil­de. Das Vi­deo war ge­schönt. Sie wägt ab, will den Hund zu­rück­ge­ben, be­hält ihn dann doch, gibt ihm den Na­men »Bon­nie« und be­ginnt sanft mit der Ab­rich­tung, wo­bei er sich als über­ra­schend ge­leh­rig zeigt. Der Na­me »Pro­pel­ler« fin­det auch ei­ne Auf­klä­rung in des­sen Freu­den­tau­mel-Vol­ten. Nach Di­ät und dem Ge­lin­gen ein­fa­cher Er­zie­hungs­maß­nah­men möch­te sie ihn nicht mehr mis­sen. »Bon­nie war nied­lich. Nied­lich, rüh­rend und ängst­lich.«

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