Be­den­ken­trä­ge­rei

Ei­ner der Ga­li­ons­fi­gu­ren des deutsch(sprachig)en On­line­jour­na­lis­mus macht na­tür­lich auch mit bei den »Kraut­re­por­tern«. Er ist ei­ner der 30 28, die ei­nen wer­be­frei­en, recherchein­tensiven Jour­na­lis­mus im Netz ha­ben möch­ten – und ihn schein­bar nir­gend­wo mehr fin­den. Da­her schlie­ßen sie sich zu­sam­men. Wenn sie 900.000 Eu­ro ge­sam­melt ha­ben, soll es los­ge­hen. Da­für brau­chen sie 15.000 zah­len­de Le­ser. ...

Wei­ter­le­sen ...

»Ich wür­de auch Adolf Hit­ler in­ter­view­en«

Der Jour­na­list, Bio­graph und Re­por­ter Mal­te Her­wig hat­te Ra­do­van Ka­ra­džić, der als ei­ner der Draht­zie­her des Mas­sa­kers von Sre­bre­ni­ca gilt, des größ­ten Kriegs­ver­bre­chens in Eu­ro­pa nach dem Zwei­ten Welt­krieg, im Ge­fäng­nis in Sche­ven­in­gen be­sucht und in ei­ner ein­drucks­vol­len Re­por­ta­ge da­von im letz­ten »SZ-Ma­ga­zin« zu­sam­men mit Ro­nen Stein­ke be­rich­tet.1 Mal­te Her­wig war so freund­lich, ei­ni­ge Fra­gen hier­zu be­ant­wor­ten.2

Be­gleit­schrei­ben: Sie ha­ben Ra­do­van Ka­ra­džić be­sucht und ge­spro­chen. Konn­ten Sie im­mer wäh­rend des Ge­sprächs von den ihm zur Last ge­leg­ten Ta­ten ab­stra­hie­ren?

Mal­te Her­wig: Ja, ein sach­li­cher Zu­gang ist die ein­zi­ge Ge­sprächs­ba­sis für ein gu­tes In­ter­view. Ich wür­de auch Adolf Hit­ler in­ter­view­en – vor­aus­ge­setzt er ist ge­stän­dig. Es ist doch fei­ge und un­ehr­lich ge­gen­über dem Pu­bli­kum, wenn man sich em­pört und Fra­gen stellt im Duk­tus von: »Sie sind ein bö­ser Mensch, was sa­gen Sie da­zu?«. Ich ha­be Mör­der, Gei­stes­kran­ke und Ras­si­sten in­ter­viewt. Aber der In­ter­view­er ist kein Rich­ter. Mich in­ter­es­siert nicht, ob mei­ne Ge­sprächs­part­ner gu­te oder schlech­te Men­schen sind, son­dern was sie zu ih­ren Ta­ten an­ge­trie­ben hat.

Wei­ter­le­sen ...


  1. "Gesichter des Todes" - "Süddeutsche Zeitung Magazin" Nr. 19, 9. Mai 2014, S. 12-18 

  2. Die Fragen und Antworten wurden per E-Mail ausgetauscht. 

Ver­gleich und Gleich­set­zung

Da­ni­el Bax be­schwer­te sich ge­stern im Po­li­ti­schen Feuil­le­ton von Deutsch­land­ra­dio Kul­tur über die In­fla­ti­on der Hit­­ler-Ver­­­g­lei­che. Da­bei wie­der­holt all das, was man schon ‑zig mal ge­hört hat. Na­tür­lich geht es ihm auch um die »Ver­harm­lo­sung der Na­­zi-Di­k­ta­tur«, die sich in die­sen Ver­glei­chen im­mer wie­der zei­ge. Zur Il­lu­stra­ti­on be­dient sich der Sen­der ei­nes Pu­tin-Bil­­des un­ter an­de­rem ...

Wei­ter­le­sen ...

Die Kri­se in der Ukrai­ne, die Rol­le der EU und das Po­si­ti­ons­pa­pier der Ne­os

Der Aus­gangs­punkt: Das Un­be­ha­gen mit Po­li­tik und Be­richt­erstat­tung

Es wä­re falsch zu be­haup­ten, dass die Me­di­en oder die Po­li­tik, die als ei­ne sol­che En­ti­tät gar nicht exi­stie­ren, in ih­rer Ge­samt­heit ein schwarz-wei­ßes Bild ge­zeich­net hät­ten und es noch im­mer tun, aber in der Brei­te der Be­richt­erstat­tung, in dem was man so hört, dem das auch der po­li­tisch we­nig In­ter­es­sier­te mit­be­kommt, tritt es deut­lich zu Ta­ge: Das Schwar­ze, das ist Russ­land oder per­so­na­li­siert: Pu­tin.

Die­ses Bild, das vie­le Bür­ger zu­min­dest ih­rem Ge­fühl nach für falsch hal­ten, be­darf der Kor­rek­tur, aber nicht im Sin­ne ei­ner Um­fär­bung, der Far­be Weiß, son­dern in der Wahl an­de­ren Dar­stel­lung, ei­ner in Grau­stu­fen: Aus­ge­wo­gen­heit statt zwei­er­lei Maß.

Wei­ter­le­sen ...

Die Spra­che ver­sagt

TAGEBUCHAUFZEICHNUNGEN APRIL/MAI 1984

Am 23. April, Mon­tag, die Fahrt ins Wald­vier­tel. Ra­sten­berg als Ziel, un­ter­wegs Mittag­essen in Gföhl, im Fo­rel­len­hof. Na­he Ra­sten­berg der klei­ne Ort Losch­berg, No­ras1 Haus be­sich­tigt, dar­in ein Zim­mer für mich – und das ist es! Ich hab’s ge­fun­den! Bin so glück­lich! Mein Schreib­raum ist ge­fun­den! Groß­zü­gig + hell + freund­lich – und der Blick auf die herr­li­che Land­schaft! Wer­de hier, glau­be ich, GUT ar­bei­ten kön­nen. Auch die gan­ze Um­ge­bung ge­fällt mir be­son­ders, kann­te das Wald­vier­tel über­haupt nicht. Und Chri­stia­ne Sin­ger2, No­ras Schwä­ge­rin, als Bei­na­he-Nach­ba­rin, in Ra­sten­berg; sie hin und wie­der zu tref­fen wä­re ja auch nicht schlecht...Werde in et­wa 2 Wo­chen hier­her zie­hen...3

Am 7. Mai, Mon­tag, am Mor­gen den Sta­ti­on Wa­gon im Pelz­haus Lis­ka ab­ge­holt, Lil­li­ans Au­to ist nicht fahr­tüch­tig, even­tu­ell ir­repa­ra­bel. Ich hat­te ge­stern das Mei­ste be­reits in Ki­sten ver­staut, Ba­na­nen­ki­sten von der Fir­ma Meinl be­kom­men. / Packe noch das Wich­tig­ste zu­sam­men. L. kommt nach, wir fah­ren nach Losch­berg. (...) Aus­packen noch nicht, nur das De­po­nie­ren der Ki­sten. Mei­ne Nach­ba­rin und Schlüs­sel­ver­wal­te­rin heißt Frau Wür­stel. Mein schö­ner Raum! / Rück­fahrt nach Wien, Ab­ge­ben des Au­tos (400 Schil­ling Ben­zin ver­braucht) und noch 1½ Stun­den mit L. in der Stadt un­ter­wegs. (...) Re­gen, Trau­rig­keit, L. bringt mich zum Ab­schied noch zum Ta­xi, fah­re in den 20. Be­zirk, Bri­git­ta­platz, Bus um 15h50 nach Ra­sten­berg – lan­ge Fahrt durch he­fi­gen Re­gen, bin strecken­wei­se ein­zi­ger Fahr­gast. In Gföhl kur­zer Auf­ent­halt. H.C.4 und sei­ne Ire­ne be­tre­ten ge­ra­de in die­sem Mo­ment die Te­le­fon-Hüt­te ne­ben der Hal­te­stel­le. Ich wuß­te: H.C. hat na­he­bei ein Haus, aber daß wir uns so wie­der­se­hen? Durch­bre­che mein Preu­ßen­tum, stei­ge aus, wer­de von H.C. und Ire­ne so­fort zum Blei­ben auf­ge­for­dert. Fah­ren zu ih­nen nach Hau­se, kom­me in ei­nen Bau­ern­hof, Mi­cha­el Korth5 auch da­zu, ken­ne ihn aus Salz­bur­ger Ta­gen.

Wei­ter­le­sen ...


  1. Gemeint ist Nora Gräfin Herberstein, die mir ihr Landhaus in Loschberg, im Waldviertel (ca. 100km von Wien entfernt) für die Dauer meiner Arbeit an der Biografie Franz Werfels zur Verfügung stellte. 

  2. Die französische Schriftstellerin (1943 – 2007) war mit einem der Söhne von Nora Herberstein, dem Architekten Giorgio Thurn-Valsassina verheiratet und lebte mit ihm auf dem Stammschloss seiner Familie, in Rastenberg. 

  3. Im Jahr 2004 kam im "profil" in Wien ein Artikel heraus, der das Recherche-Ergebnis beinhaltete, dass Nora Gräfin Herberstein und ihre Mutter sich in der Anschluss-Zeit jüdisches Eigentum angeeignet hatten. Das ist natürlich doppelbödig auch aus dem Grund, da Nora mir Gutes tun wollte, mir ihr Haus fast ohne Miete zur Verfügung zu stellen. Christiane Singer, die Jüdin war, wusste wahrscheinlich nichts von dieser Vergangenheit ihrer Schwiegermutter und der Großmutter ihres Mannes! 

  4. Der Dichter H.C. Artmann (1921 - 2000), mein langjähriger Freund, lebte damals zeitweise mit seiner um vierzig Jahre jüngeren Freundin Irene Schrempf im Waldviertel. 

  5. Der 1946 geborene Schriftsteller, Sänger und Librettist lebt nach wie vor im Waldviertel. 

Le­se­run­de zur Fuß­ball-WM?

Vor ei­ni­gen Wo­chen wur­de auf Nach­fra­ge mei­ner­seits wie die­ser Blog hier zu ver­bes­sern ist, an­ge­regt ei­ne Art Le­se­run­de zu ver­an­stal­ten. Ich ge­ste­he nun, dass ich skep­tisch bin, was das Le­sen und Kom­men­tie­ren in Tei­len oder Ka­pi­teln an­geht. Man kann an­de­ren schwer­lich ein Le­se­tem­po vor­schrei­ben; un­wei­ger­lich gibt es Teil­neh­mer, die schon wei­ter sind und dann von ...

Wei­ter­le­sen ...

Jens Ditt­mar: So kalt und schön

Jens Dittmar: So kalt und schön
Jens Ditt­mar: So kalt und schön
Wer kennt Jens Ditt­mar? Ei­gent­lich je­der, der Tho­mas Bern­hard et­was in­ten­si­ver ge­le­sen hat. Die von Ditt­mar her­aus­ge­ge­be­ne »Werk­ge­schich­te« in der ak­tua­li­sier­ten Aus­ga­be von 1990 war für mich jah­re­lang wie ei­ne Bi­bel. Chro­no­lo­gisch ist dort je­des Buch, je­der Text Bern­hards auf­ge­führt, mit An­ga­ben zur Auf­la­ge, Hin­wei­se auf Par­al­le­len zu an­de­ren Bern­hard-Tex­ten und, vor al­lem, Aus­zü­gen aus Kri­ti­ken (po­si­ti­ve wie ne­ga­ti­ve). Ei­ne wah­re Fund­gru­be, die auf­zeig­te, wie kon­tro­vers Bern­hard wahr­genommen wur­de – und wie er­folg­reich (im Ver­gleich zu an­de­ren zeit­ge­nös­si­schen Dich­tern). Spä­ter folg­te von Ditt­mar mit »Sehr ge­schätz­te Re­dak­ti­on« ein äu­ßerst ge­lun­ge­nes Kom­pen­di­um mit Le­ser­brie­fen von und über Bern­hard, in dem al­le mög­li­chen (und un­mög­li­chen) Er­re­gun­gen und Skan­da­le um, über und vor al­lem mit Tho­mas Bern­hard auf­ge­li­stet sind. Be­son­ders lehr­reich hier die Le­ser­brie­fe öster­rei­chi­scher Ho­no­ra­tio­ren (fast al­le ge­gen den Dich­ter). Bern­hard wä­re heu­te, so die Über­le­gung nach der Lek­tü­re und den ge­ball­ten Skan­da­len, ein Mei­ster des Shits­torm-Rou­lette in den so­zia­len Me­di­en. Kurz dar­auf pu­bli­zier­te Ditt­mar ei­nen Band über die Salz­bur­ger Jah­re von Tho­mas Bern­hard. Er­schien die »Werk­ge­schich­te« noch bei Suhr­kamp, so gab Ditt­mar sei­ne bei­den an­de­ren Bern­hard-Bü­cher in der »Edi­ti­on S« des »Ver­lags der Öster­rei­chi­schen Staats­drucke­rei« her­aus. Hier hat (hat­te?) sich je­mand ei­nem Dich­ter ver­schrie­ben und um die­sen ver­dient ge­macht. Um­so unver­ständlicher, dass Suhr­kamp die Werk­ge­schich­te nicht mehr neu auf­ge­legt hat­te – just als das In­ter­es­se an Bern­hard wuchs und zeit­wei­se mas­sen­wei­se Epi­go­nen des Öster­rei­chers wie Pil­ze aus dem Bo­den schos­sen.

Wei­ter­le­sen ...

Bom­ben­stim­mung

Merk­wür­di­ges Co­ver auf der »taz«: »Noch 17 Ta­ge« – bis zur Eu­ro­pa­wahl, er­fährt man dann in der Bom­be. Wah­len sind al­so, so­fern ein Er­geb­nis er­war­tet wird, dass un­an­ge­nehm ist oder gar miss­fällt, Bom­ben gleich. Das es Wahl­kämp­fe gibt, die sol­che Bom­ben ent­schär­fen könn­ten – auf die Idee kommt die »taz« nicht bzw. sie sieht sie ...

Wei­ter­le­sen ...