Eigentlich wollte ich schon vor ein paar Tagen einen Text über das »Experiment Tageszeitung« schreiben. Nach dem Umzug nach Augsburg konnte ich einem Angebot nicht widerstehen: 3 Wochen für 5 Euro. Erinnerungen wurden wach. Der Geruch der Zeitung – wie damals, als Kind. Aber irgendwie fehlt mir in Anbetracht der Pandemie der analytische Geist für eine detaillierte Erzählung. In Erinnerung ist eine ganz gute Feuilleton-Beilage zur (ausgefallenen) Buchmesse, ein fehlerhafter Text über Thea Dorn und, besonders, ein Interview mit dem ersten Corona-Patienten in Deutschland, dem es wieder gut geht und der ohne ein Wort des Dankes an das Pflegepersonal bräsig herumjammerte.
Gerade kommen wir von einem Einkauf zurück. Solange es noch geht. Der Tiefkühler, den wir von Düsseldorf nach Augsburg mitgenommen, aber bisher nicht angeschlossen hatten, läuft. Das Einkaufen in den nächsten Tagen und Wochen dürfte nicht sicherer werden. Daher habe ich Verständnis für die leeren Nudel- und Konservenregale. Immerhin ist noch viel Veggie-Zeug da. Warum auch heute im REWE das Toilettenpapier ausverkauft war, verstehe ich allerdings nicht.
Inzwischen bekomme ich keine Zeitung mehr. Ich habe erst einmal kein Abo abgeschlossen. Der Fehler ist Twitter. Hier wird man verführt. Sicher, man filtert und erhält ergänzende Informationen, die man in öffentlich-rechtlichen Medien nicht so ohne weiteres bekommt. Aber es ist auch ein Zeitfresser.
Es gibt Bücher, die ich lese. Fertig bin ich mit Oskar Roehler. Derzeit Lutz Seiler (zäh). Danach vielleicht die Hitler-Biographie. (Oder doch noch einmal Boccaccio?) Zu allem muss ich mich zwingen, vor allem zum Schreiben über die Texte. Aber diese Form des Zwangs ist gut. Es diszipliniert.
Und heute beginnt in Jekaterinburg das Kandidatenturnier zur Schach-WM. Der Sieger wird Herausforderer von Magnus Carlsen. Corona wird in Russland praktisch geleugnet; es ist, so wird gesagt, ein Problem Europas. Ich werde mich bestimmt einschalten (heute ab 12 Uhr MEZ). Hier kann man die Spiele verfolgen, auch mit deutschem Kommentar.
Hier geht es weiter. Die wunderbare Lesebiographie von Leopold Federmair zum Beispiel. Und hier und da auch was über meine Lektüren. Allen, die das lesen: Alles Gute! Bleibt gesund.
Seilers Buch habe ich schon hinter mir und kann Ihren Eindruck zumindest insofern bestätigen, als dass ich es zum Schluss hin (bei Kruso ging es mir übrigens ähnlich) zäh enpfunden habe. Die Figuren bleiben merkwürdig blass und eindimensional, über die Mutter Inge hätte ich aber gerne mehr gelesen, die einzige wirklich interessante Figur, naja, vielleicht auch noch der Vater, der Rest der Staffage ist das übliche Prenzlberg-Klischee. Opa erzählt vom Krieg. Ein Buch voller lustiger Einfälle, die einen irgendwann nur noch langweilen.
Darf ich fragen, welches Buch Sie von Roehler lesen?
Es ist Roehlers neuestes Buch »Der Mangel«.
Was Sie über Seiler schreiben, macht mir wenig Mut für die letzten 200 Seiten...
Danke, das klingt auch interessant, werde ich mir mal bestellen.
Den neuen Seiler hatte ich vor einiger Zeit in den Blick genommen, als er bei Suhrkamp angekündigt wurde und die Leseprobe war vielversprechend. Will sagen, ich habe mich auf das Buch gefreut, wurde aber enttäuscht. Ich finde, wie gesagt, die Geschichte der Eltern viel interessanter als die des Erzählers. Da Sie ja noch im Buch stecken, möchte ich hier nicht unnötig spoilern, was mich an dem Kniff der Geschichte der Eltern gestört hat, warum sie in den Westen wollen. Vielleicht dazu also später mehr.
Zur Zeit lese ich recht viel von Leopold Federmair, soeben habe ich Die lange Nacht der Illusion gelesen, davor Tokyo Fragmente und Divertimenti, auf Halde liegen noch einige der älteren Sachen, die Apfelbäume von Chaville (habe ich begonnen, jedoch gemerkt, dass erst noch mehr Handke zu lesen ist, bevor ich speziell dieses Buch weiter angehe), Erinnerung an das, was wir nie waren und Ein Büro in la Boca, aber jetzt aktuell bin ich an Olga Martynovas Essayband dran, der, glaube ich, in Tokyo Fragmente öfter Erwähnung findet, und natürlich seine aktuelle Reihe hier über sein befreites oder jetzt frei(er)es Lesen, und Handkes Zweites Schwert nicht zu vergessen (sogar zweimal gelesen, weil es so viel zu entdecken gab). Das klingt jetzt in dieser Aufzählung etwas angeberisch, tatsächlich strecken sich die Lektüren über Monate. Es gibt ja so Phasen, in denen mit Lesen einfach nichts zu machen ist, umso erstaunlicher wie schnell man wieder in ein Buch hineinkommt nach einiger Zeit, als ob nichts gewesen wäre.
Vorhin habe ich darüber ein bisschen nachgedacht, warum ich eigentlich keine Zeitung mehr lese, denn vor so 10 Jahren war ich noch das, was man einen passionierten Zeitungsleser nennt. Irgendwann hatte ich es einfach satt, die immer gleichen Phrasen zu lesen und diese ewige Besserwisserei von Journalisten oder sogenannte Debatten zur Kenntnis zur nehmen, die niemand sonst außer den Zeitungsleuten führten, und die Zeitungssprache stiess mich immer öfter ab, wohl war das auch eine Folge der Handke-Lektüren oder es kam eben von sprachlich genau verfassten Lektüren her. Ich scrolle jetzt durch die Internetseiten von Zeitungen, aber richtige Lektüren finden da nicht mehr statt. Schon die meisten Überschriften locken mich nicht mehr. In der langen Nacht der Illusion gibt es eine Stelle, an der der Erzähler darüber sinniert, wie er in früheren Zeiten mit Verve eine Zeitung durchgelesen hat und wie sich dieses Verhalten angesichts des Internet (hin zu Feeds und Filtern verändert) hat, dessen Grenzenlosigkeit der Konzentration abträglich ist. So, muss ich sagen, geht’s mir auch.
Vielen Dank für Ihren Kommentar. Ja, dieses Schlagzeilenhafte stösst mich auch ab. Ich wäre eigentlich dafür, dass man Agenturmeldungen praktisch generell aus Zeitungen ausschließt bzw. sie, wenn sie innerhalb von Redaktionstexten auftauchen, kenntlich macht. Dann wäre die Zeitung womöglich dünner, aber das macht ja nichts.
Einzelne Texte von Zeitungen, die online zu lesen sind, rezipiere ich schon noch. Aber tatsächlich bin ich dann am Ende oft enttäuscht. Das Hopping zwischen den Feeds ist ja auch ein bisschen oberflächlich. Ich hatte vor einigen Jahren Podcast-Feeds von ÖRR-Radioangeboten abonniert und viel gehört. Aber auch dort war es irgendwann recht eintönig; wirklich tiefe Diskussionen gab es immer seltener, die Rezensionen von Büchern ließen immer stärker erahnen, dass man das Buch nicht oder nur oberflächlich gelesen hatte, usw.
Manchmal fürchte ich, man schottet sich zu sehr ab.
Ich mag mich irren, aber ich glaube wir werden uns in einiger Zeit mit der Maß- und Verhältnislosigkeit der Politik auseinanderzusetzen haben.
Ansonsten verwundert mich diese Bemerkung: »Zu allem muss ich mich zwingen, vor allem zum Schreiben über die Texte. Aber diese Form des Zwangs ist gut. Es diszipliniert.« Ist es nicht unmittelbare Folge daraus, dass Seiler sich zieht? Warum das Schreiben und Lesen nicht mal lassen, wenn die innere Notwendigkeit fehlt?
Der Einwand ist interessant. Aber ich muss mich häufig »zwingen«, zu Lektüren etwas aufzuschreiben. Dabei bin ich zwar vollkommen unabhängig, d. h. ich muss nichts machen, aber ich habe eben festgestellt, dass ich durch die Zusammenfassung meiner Lektüreeindrücke schlichtweg mehr behalte. Aber das ist für mich fast nie leicht.
Natürlich kann man das Lesen lassen; ich mache das durchaus und lese bei weitem nicht mehr soviel und wahllos wie früher. Aber es ist auch eine Art von »Pflicht«, ein Buch nicht aufgrund eigener Idiosynkrasien einfach wegzulegen, sondern dies für sich (und dann auch andere) zu begründen.
Über eine evtl. Maß- und Verhältnislosigkeit der Politik vermag ich nichts zu sagen. Mir kommen die Maßnahmen zum COVID-Virus, die von vielen als Freiheitseinschränkungen wahrgenommen werden, eher zu milde vor. Ich mag mich da täuschen. Aber wenn man nichts machen würde bzw. es wie eine »normale« Grippeepidemie behandeln würde und sich dann nachträglich ein Ausmaß wie weiland bei der sogenannten »Spanischen Grippe« zeigen würde, dann möchte ich das Gejammer nicht hören...
Es ist bei mir genau umgekehrt, ich muss mir Dinge aufschreiben, zur Lektüre oder anderes, ich habe da »keine« Wahl, außer Papier und Bleistift fehlen. Es ist eine Frage von Eindringlichkeit, ja Nötigung und insofern ist es leicht. Ich lege Bücher oft zur Seite, unterbreche, fange aber regelmäßig nach manchmal langer Pause, wieder an.
Ich sehe keine harten Fakten, auf die sich die Politik berufen kann. Ist es nicht lächerlich, ein Platzverbot für Spiel- und öffentliche Plätze in einer Großstadt wie Wien auszusprechen? Zur Überprüfung der Einhaltung will A1 anonymisierte Mobilfunkdaten zur Verfügung stellen. Und die Polizei beschwert sich darüber, dass die Menschen an einem Frühlingstag spazieren gehen, dabei würde jeder Arzt frische Luft bei Atemwegserkrankungen empfehlen. Und all das im üblichen Jargon des Betriebs. Ich schüttle nur noch den Kopf.
Naja, in Italien gibt es Stand gestern fast 3000 Tote, bald genau so viel wie in der Provinz Wuhan. Aus der gleichen Quelle werden 31 Tote für Deutschland bzw. 5 für Österreich registriert. Alles nur Panikmache? Ich glaube nicht, denn der Teufel liegt im Detail. Während in Italien ach die Toten getestet werden, unterbleibt dies in D. Überhaupt testet man in D aus welchen Gründen auch immer sehr zögerlich. Personen melden sich, die über Symptome klagen und 6, 7 Tage warten müssen. Die müssen aber u. U. auch weiter einkaufen oder sonstwie am sozialen Leben teilhaben.
Die Idee ist simpel: Wenn es eine exponentielle Ausbreitung des Virus gibt, brechen die Gesundheitssysteme sofort zusammen. Nicht nur was die Bettenanzahl angeht sondern auch wegen des Personals. Gestern twitterte (!) der deutsche Gesundheitsminister, dass die ersten 10 Millionen Schutzmasken eingetroffen sind. Gestern!
Ich glaube, dieses Virus ist mehr als nur eine »Atemwegserkrankung«. Man kann sich da zwar irren, aber wer will die Verantwortung übernehmen? Obwohl: Von Seiten der Wirtschaft wird massiv interveniert; es wird von einer »kontrollierten Infektion« geschwafelt. Als ließen sich Viren kontrollieren wie Schafe. Immerhin untergraben solche Vorstösse die ohnehin schwach ausgebildete Neigung der Europäer, sich Autoritäten für einen gewissen Zeitraum zu fügen. Sie möchten sich das beste aussuchen. Da haben es Diktaturen wirklich leichter.
Panikmache ist das nicht. Besonders alarmierend derzeit Spanien. Inzwischen 767 Tote, innerhalb der letzten 24 Stunden 169 mehr. Praktisch Ausgangssperre, Militär auf den Straßen.
Dagegen Japan, wo ich mich aufhalte: Erste Fälle schon früh, aber der Virus breitet sich kaum aus. Die Maßnahmen nicht sonderlich strikt, keine Ausgangsbeschränkungen, aber die Schulen schon vor zwei oder drei Wochen geschlossen.
In China gehen die Ansteckungen derzeit radikal zurück.
Alles sehr uneinheitlich. Um das Ganze zu verstehen, werden Virologen und Soziologen einiges zu forschen haben.
@Geschwafel eines Ökonomen: Er beschwört die Ökonomik, bringt aber kein einziges nachprüfbares Argument aus jenem Bereich vor. Außerdem bezeichnet er den Vorgang als »kontrollierte Infektion«, obgleich die Infektion tatsächlich vollkommen unkontrolliert verlaufen soll. Das Wegsperren eines Bevölkerungsfünftels (65+) unter »Infektionskontrolle« zu subsumieren, darf als schlicht abwegig bezeichnet werden.
Eine Überschlagsrechnung:
Selbst unter der irrigen Annahme, dass sich das Virus exponentiell ausbreite, würden rd. zwei Monate bis zur vollständigen Durchseuchung der Bevölkerung verstreichen – dies bei einer realistischen Verdoppelungszeit von 2,5 Tagen. Weil die unkontrollierte Virenausbreitung aber einer Sigmoid-Funktion folgt, würde die angestrebte Durchseuchung mindestens doppelt so lange dauern.
Wenn ohne Berücksichtigung der besonders vulnerablen Gruppe »65+« mit einer durchschnittlichen Sterblichkeit von 0,5% gerechnet wird, entspricht dies rd. 300.000 zu erwartenden Todesfällen.
Jeder Todesfall belege vor dem Exitus durchschnittlich 14 Tage lang ein Intensivbett bei einer ursprünglichen Überlebenschance von 50% bei vorhandener intensivmedizinischer Versorgung. Die vollständige Durchseuchung dauere außerdem 120 Tage und die Intensivbetten seien optimal genutzt. Deutschland verfügt über fast 30.000 Intensivbetten, wovon etwa 20% als freie Kapazität zur Verfügung stehen, also rd. 6.000.
Das macht gut 25.000 Todesfälle, die aus einem Intensivbett heraus sterben. Bleiben 275.000 Todesfälle, die eben in kein Intensivbett kommen konnten, zuzüglich sozusagen spiegelbildliche 275.000 Todesfälle, die in einem Intensivbett hätten überleben können.
Ergibt in Summe 575.000 Todesfälle und eine tatsächliche Sterblichkeit von fast 10%.
Indes wären noch viele weitere Zusammenhänge zu berücksichtigen, welche die Zahl der Todesfälle im Rest der Bevölkerung (80%) nach oben treiben.
Legt man nun € 1.000.000 pro Todesfall zugrunde, kommt man auf einen volkswirtschaftlichen Gesamtschaden von 575 Milliarden. Im Vergleich dazu (man verwende den Faktor 10) rechnet die hiesige Bundesregierung vorläufig mit Krisenkosten von 38 Mia. bei einem, im Verhältnis gesehen, Bruchteil der zu erwartenden Todesfälle.
»Ist es angesichts dessen tatsächlich zynisch, unmoralisch und damit völlig daneben, die Ökonomik einzusetzen, um Wirkungsweisen verschiedener Strategien im Kampf gegen das Coronavirus nüchtern zu vergleichen und zu bewerten?« fragt Straubhaar. Selbstverständlich nicht – wenn es denn stattfände. Er weiß dazu nichts, aber auch gar nichts, beizutragen.
Besonders interessant wird die nachträgliche Aufarbeitung des Exportverbots für Schutzausrüstung werden, welches Frankreich und Deutschland ausgesprochen hatten (und teilweise mittlerweile wieder aufgehoben haben). Die viel beschworenen europäischen Werte sind ein Lippenbekenntnis, wie sich wieder einmal erwiesen hat. Und da wir erst am Beginn einer überwältigenden Entwicklung stehen, werden wir aus dieser Richtung noch einiges auf uns zukommen sehen. Fragen der Ethik sollten vielleicht auf breiterer Basis als bisher in Verhandlung genommen werden.
Panikmache vielleicht nicht, aber womöglich entsteht eine Panik dadurch, dass Relationen und Maßstäbe nicht beachtet werden und die »Ergebnisse« dann verstärkt werden, ein digitales, hier immer wieder behandeltes, Thema.
Ein ehemaliger deutscher Amtsarzt hat ein gewichtiges Argument angeführt: Nicht der Erreger, sondern die Häufung der Todesfälle (Symptome bzw. Erkrankungen) ist entscheidend, wenn eine Gefahr belegt werden soll, also: Es müsste europaweit im vorhandenen, wöchentlichen Monitoring ein aus dem üblichen Rahmen fallender Anstieg zu beobachten sein. Den gib es aber nicht. In anderen Worten: Was ist die Vergleichsbasis für die gegenwärtigen Behauptungen?
Aber es wurde doch ein neuer Virus gefunden, der sich ausbreitet und viele Menschen krank macht, oder? Ersteres ist richtig, zweiteres weiß man nicht, denn man hat ja erst zu suchen begonnen, vielleicht kommt der Virus schon immer (unbemerkt) in unseren Breiten vor, wir wissen das nicht. Und zu letzterem: Wir finden den Virus in vielen Menschen, auch schwer kranken, aber das reicht nicht als Erklärung, dass diese tatsächlich daran verstorben sind, es gibt viele Viren, die Atemwegserkrankungen verursachen und diese können selbstverständlich gleichzeitig einen Organismus befallen bzw. darin gefunden werden. Hat das jemand überprüft? In anderen Worten: Sind die Toten tatsächlich an der neuen Viruserkrankung verstorben?
Ich habe zwei Dinge zu Italien gelesen, die zeigen, dass sich die Situation auch anders erklären lässt: Angeblich sind die Italienischen Intensivstationen zur Grippezeit zu 85–90% ausgelastet (Quelle) und die Italienische Bevölkerung stark überaltert: Eine hohe Zahl von Atemwegserkrankungen bei alten, mehrfach kranken Patienten kann auch andere Ursachen haben und man findet vielleicht zufällig ein neues Virus und hält die Korrelation für eine Kausalität.
Oder man findet überhaupt etwas anderes: Der verwendete, in der Gruppe von Christian Drosten, entwickelte Test, liefert bei Patienten ohne Symptome eine hohe Zahl falsch-positiver Ergebnisse (bis zu 50%), es scheint die Möglichkeit zu bestehen, dass er auf genetisches Material der Viren anspricht, obwohl die Menschen nicht mehr infektiös sind (Quelle 1, Quelle 2, min 3:30). Ein weiterer Vorwurf gegenüber dem Test lautet, dass er keine regulären, standardisierten Prüfungen durchlaufen hat (Quelle; Drosten verteidigt ihn und verweist auf eine Studie, aber er sagt eben auch nicht, dass er die üblichen Kriterien erfüllt hat, die für solche Tests gelten). Und er meint, dass man überlegen solle, einen unausgereiften Impfstoff einzusetzen, um die Gefahr zu bannen (ein Schelm wer denkt, dass daran derjenige, der den Impfstoff herstellt, verdienen könnte; Quelle).
Im Anschluss noch zwei »Letters to the Editor« aus einem wissenschaftlichen Journal von Ende Februar, die m.E. die beiden Positionen widerspiegeln, also eine, die auf Fakten bzw. gesicherte Daten baut und eine andere, die sich an einem Sicherheits- und Kontrolldenken orientiert (1, 2).
Ich sage nicht, dass ich recht habe, aber Zweifel an dem was zu sein scheint, habe ich.
Wodarg ist immer dabei, wenn es gilt »Verschwörungen« u. a. der Pharmaindustrie aufzudecken. Das SARS-CoV-2-Virus ist so neu, dass Menschen keine Zeit hatten, dagegen eine Immunkraft auszubilden. Es ist eine Mutation bekannter Viren, aber eben dahingehend neu, dass es keinen Impfstoff dagegen gibt. Die Krankheitsbilder verlaufen im übrigen anders als bspw. bei der SARS-Erkrankung; die Infektionsrate ist höher, weil andere Teile des Halsraums betroffen sind.
Die Särge, die aktuell in Spanien und Italien abtransportiert werden, kann und vor allem sollte man nicht ignorieren. Im übrigen würde ich Herrn Wodarg vorschlagen, seine Hilfe konkret als Arzt anzubieten. Ich habe gehört, die werden jetzt gebraucht.
@metepsilonema: Ihre Hinweise sind allesamt sehr interessant (insbesondere wegen der der referenzierten Quellen). Wer in den letzten Tagen die Berichterstattung über medizinische Beiträge zum Thema verfolgt hat, konnte erfahren, dass Diabetes mellitus als schwerwiegend beitragender Faktor zur Sterblichkeit identifiziert wurde. Nicht entschieden werden kann aber bisher die Frage, ob das geschwächte Immunsystem dem Virus zuwenig entgegensetzen kann oder ob gar die Medikation den Eintritt des Virus in die Lunge begünstigt. Solange das nicht erforscht ist, kann davon kein Hinweis auf den angemessenen Umgang mit der Corona-Pandemie abgeleitet werden. Da wird viel Forschungsarbeit zu leisten sein.
Ein Patient entwickelt eine Hypoxämie und muss zur Stützung mit Sauerstoff versorgt werden. Schließlich versagt seine Lunge. Intubation und künstliche Beatmung ist die Folge. Soviel ist sicher.
Gesichert sind auch die Infektionswege. Zu 95% liegt Tröpfcheninfektion vor, den Rest macht Schmiereninfektion aus. Gesichert ist auch, wie diese Infektionswege unterbrochen werden können – unabhängig vom übertragbaren Krankheitserreger.
Mir fehlt in Ihren durchaus erhellenden Ausführungen ein stichhaltiges Argument dagegen, die Allgemeinheit zur Unterbrechung der Infektionswege zu verpflichten. Oder anders herum könnten Sie argumentieren, worauf das individuelle Recht zur Exposition und – wenn auch unbeabsichtigten – Weitergabe eines Krankheitserregers gründet. Als Orientierungsbeispiel lege ich vor, dass unwissentliche ungeschützte HIV-Weitergabe strafrechtlich als fahrlässige Körperverletzung geahndet wird.
@h.z. Diese Spiele der Statistiker und Möchtegernstatistiker zeigen doch nur, wie gefährlich solche »Wissenschaftlichkeit« ist. Gefährlich, weil sie Gerüchte und Angstmache bestärken. Es kommen bei Corona so viele Faktoren zusammen, es gibt so viele Unsicherheiten, auch in der Bewertung und Darstellung, daß man dem mit solchen Berechnungen sicher nicht auf den Grund gehen kann, vor allem nicht in so kurzer Zeit (Rechenmaschinen rechnen schnell, aber sie tun halt nichts anderes als rechnen). Selbstverständlich sind bestimmte Zahlen alarmierend. Derzeit eben die aus Spanien. Man erwartet das Abflachen der Kurve, aber niemand weiß genau, wann. Es erkranken nicht nur Alte, und Infizierte sterben nicht ausschließlich in Intensivbetten (die in der statistisch »prognostizierten« Anzahl gar nicht vorhanden wären).
@metepsilonema Was Sie über die Zahlen aus Italien schreiben, habe ich mir auch öfters gedacht. Ich bin selbst »Risikoperson« und weiß aus Erfahrung, wie sehr man als solche durch andere, kleinere Erkrankungen beeinträchtigt werden kann. Ob ich an Grippe, Covid-19 oder einer Erkältung sterbe, ist mir letztlich egal. Und daß solche Verläufe sich nicht auf Corona beschränken, wird derzeit gern vergessen. Übrigens ist auch die Bevölkerung in Japan stark überaltert, aber das Coronavirus breitet sich nicht in dieser Weise aus (es wird allerdings auch wenig getestet). Selbiges gilt für Taiwan. In China hat es nur in der Provinz Hubei so arg gewütet. Warum? Weil die landesweiten Schutzmaßnahmen gegriffen haben?
@h.z.
Ich habe zunächst die Reaktion unserer – d.h. der österreichischen Regierung – für gut befunden, mir gehen aber Platzverbote, also Betretungsverbote öffentlicher Plätze, zu weit (weil Spazierengehen alleine unter Einhaltung des Abstands ja gestattet ist). Ich spüre, oder meine, ein Misstrauen individueller Verantwortungs- bzw. Einschätzungsfähigkeit gegenüber zu spüren, im Vergleich zu dem was wir sicher wissen. Ein paar persönliche Bemerkungen: Wenn ich mein Verhalten in den letzten Tagen beobachte, dann halte ich, weil es geboten ist, Abstand zu anderen Personen, mehr als sonst, bemerke dabei aber, dass ich einer Fremdbestimmung unterliege. Ich bemerke diese Fremdbestimmung auch anderswo, z.B. kamen meine Nichte und mein Neffe heute vorbei, standen im Garten, aber eine Art fremder Befehl – und die Gegenwart meines Bruders – verhinderte die gewohnte Begrüßung, wir blieben auf Distanz. Das mag vernünftig sein; da ich selbst gerade verkühlt bin, hätte ich vielleicht gesagt: Kommt mir nicht zu nahe, ich bin krank. Dazu kam es aber nicht. Mein Neffe hätte gerne eine begonnene Arbeit fortgesetzt, das verhinderten die Umstände, ich musste eine kindliche Regung zurückweisen, eine die ich nicht nur schätze, sondern eine, die sehr viel mit unserer Beziehung zu tun hat (ich meinte auch zu sehen, dass die beiden Kinder mich vermissen). Am Abend wollte ich meinen Bruder treffen, meine Schwägerin verhinderte das, aus – sicherlich vernünftigen – Gründen. Auf einer anderen Ebene bemerke ich in Wien, beim Einkaufen oder beim zufälligen Radiohören, beim Fahren mit öffentlichen Verkehrsmitteln, sehr viel systemkonformes Handeln in den gängigen Klischees und Bahnen. Das macht mich nachdenklich, es ist widersprüchlich darin, dass es vielleicht gut ist, aber der Situation nicht entspricht. Natürlich ist das mein Problem.
Zur Ihrer Frage: Das wäre abzuwägen, das ist eine Entscheidung, die wir alle immer wieder zu treffen haben, etwa dann, wenn wir überlegen arbeiten zu gehen oder doch zu Hause bleiben. Ich kenne mich juristisch zu wenig aus, aber gilt das, was Sie schreiben – ich hoffe, ich werde nicht missverstanden – auch für Grippe?
Zur Ergänzung noch dieser Artikel, den ich vorhin noch nicht gelesen hatte, er ist die beste Einschätzung, die ich bislang las (dann entkommen wir auch der Personalisierung).
@Leopold Federmair
Ich habe anfangs genauso auf die immer höher steigenden Zahlen gestarrt. Aber das alleine macht keinen Sinn, es ist, im Gegenteil, eine Art digitales Phänomen (fast wie in einem Computerspiel). Es ist der Zusammenhang, der entgleitet, wenn man dabei bleibt. Die Toten sind Realität, fraglich oder uneindeutig ist die Todesursache. Meine Intuition rät mir zu mehr Vorsicht, um mich nicht anzustecken, für die sehr drastischen staatlichen Maßnahmen sehe ich keine Grundlage, die sie rechtfertigen (natürlich können sie trotzdem richtig sein).
@ Metepsilonema/ Ich vermute, sie sind richtig. Alternative wäre die »kollektive Immunisierung«, indem zunächst ein Großteil der Bevölkerung angesteckt wird. Die Folgen wären aber möglicherweise katastrophal, wie bei der Spanischen Grippe 1918, allein in Frankreich 400.000 Tote.
@ LF/ Ein Nachtrag zu meinem vorigen Beitrag: Oliver Meiler, Korrespondent der SZ in Rom, weist darauf hin, daß die Luftverschmutzung in Italien zu der dramatischen Entwicklung beigetragen haben dürfte. Noch ein Faktor.
@metepsilonema
Ihre Frage ist leicht zu beantworten: Nein, für Grippe gilt das nicht. Das betrifft anzeige- oder meldepflichtige Krankheiten. Darunter fällt seit 2006 auch SARS (das aktuelle Virus trägt die Bezeichnung SARS-CoV‑2).
Unter den gegebenen Umständen macht ein testpositver Zeitgenosse, der nicht an die bescheidförmig verhängte häusliche Isolation sich hält und eigenmächtig aus dem Haus geht, der »vorsätzlichen Gefährdung von Menschen durch übertragbare Krankheiten« sich schuldig und ist mit bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe zu bestrafen. Eine Ansteckung anderer Menschen ist übrigens für die Strafbarkeit des Handelns nicht erforderlich. Schon die Gefahr der Krankheitsverbreitung genügt. Falls dieser Zeitgenosse Glück hat, wurde die häusliche Isolation aufgrund eines falsch-positiven Testergebnisses verhängt.
Ihre persönlichen Beobachtungen sind mir auf etwas anderer Ebene sehr vertraut. Mich betrifft’s im Rahmen einer Hausgemeinschaft hier in Wien. Persönlich habe ich einen subjektiv alles andere übertreffenden Grund, am Corona-Virus nicht erkranken zu wollen. Wegen der wirksamen Zusammenhänge ist mir aber klar, dass ich einer Infektion mit recht hoher Wahrscheinlichkeit auf Dauer nicht entkommen kann. Als schicksalshafte Entwicklung werde ich’s dann hinnehmen müssen. In mir flammt aber rasender Widerstand auf, wenn sich mir ignorante Wehleidigkeit offenbart. (Sie kennen Wien...)
Den Artikel lese ich mir noch. Inzwischen möchte ich Ihnen, gewissermaßen als Gegensatz zu Wodarg, den Genetiker und Molekularbiologen Josef Penninger anbieten. Er erläutert in dem Gespräch, wie SARS-CoV‑2 funktioniert, weshalb es viel gefährlicher ist als Grippe und welchen Ansatz er verfolgte bei der Entwicklung eines Medikaments gegen das virentypische Lungenversagen.
@Leopold Federmair
Es sei darauf hingewiesen, dass mit solchen »Spielchen« Ausmaß und Auswirkung der Überschreitung intensivmedizinischer Kapazitäten offen gelegt wird. Nicht zuletzt geben einfache mathematische Betrachtungen Auskunft über den zu erwartenden Zeitpunkt des Zusammenbruchs des Gesundheitssystems, falls die Krankheitsausbreitung unkontrolliert erfolgt. Was daran gefährlich sein soll, erschließt sich mir nicht. Die Folge tatsächlich wissenschaftlicher Analysen war die Einsicht der Politik, dass »die Kurve abgeflacht werden müsse«. Wie auch schön beobachten werden konnte, verfiel deshalb niemand in Panik.
Die »Alternative« Straubhaars wurde auch von Boris Johnson verfolgt und kommuniziert. Johnson scheint aber zu Wochenbeginn noch rechtzeitig verstanden zu haben, dass er rd. 400.000 Tote binnen Halbjahresfrist nicht überleben würde.
Solange kein Impfschutz existiert, kann die Virenverbreitung erst durch die sich ausbildende Herdenimmunität endgültig zum Erliegen kommen. Bei SARS-CoV‑2 wird auf Grundlage der Infektiosität mit 60–70% der Bevölkerung gerechnet. Insofern ist die »kollektive Immunisierung« keine Alternative, sondern der Endpunkt der bereits laufenden Entwicklung. Bei einem Durchseuchungsgrad von, sagen wir als Beispiel, 20% könnte zwar die weitere Verbreitung durch rigorose Maßnahmen vorläufig gestoppt werden. Allerdings darf dann weiterhin niemand über die Grenze ohne Quarantäne herein kommen. Mein Schachlehrer pflegte dazumal einem kecken Zug mit den Worten zu begegnen: »Das lass’ ich mir vorführen.«
In China werden wir deshalb weitere, diesmal eingeschleppte Epidemiewellen sehen.
Die Diskussion um die zum Teil sehr stark eingeschränkten Freiheitsrechte in Bezug auf die Eindämmung bzw. das Aufhalten der Pandemie finde ich durchaus interessant. Längst gibt es ja Besserwisser, die rückwirkend schon den Karneval im Rheinland abgesagt hätten. Als Indiz gilt hier die Ansteckung in Heinsberg – eigentlich keine Karnevals»hochburg«. Von stark gestiegenen Infektionen in Düsseldorf, Köln oder Mainz – den tatsächlichen Schwerpunkten auch des Straßenkarnevals – ist indessen nichts bekannt. Die Frage: Ist es nicht zu verstärkten Ansteckungen gekommen? Oder wird uns etwas verschwiegen?
Der erste Fall in D war in Augsburg. Wir waren gerade eine Woche hier und dann das. Wir nahmen es noch auf die leichte Schulter. Ein Fall. Sofort erkannt. Isoliert. Vor einigen Wochen beschwerte sich der inzwischen als fast geheilt geltende Mann über die immer noch andauernde Isolation. Er hatte das Virus noch im Stuhl. Infiziert wurde er durch Kontakt mit einem chinesischen Kollegen oder Kunden. Damals wurde nämlich nicht gehandelt: Man hätte den Luftverkehr zu China sofort einstellen müssen. Aber Grenzen darf man ja in D nicht schließen.
Ungefähr zu diesem Zeitpunkt haben zahlreiche Verbände die deutsche Politik gewarnt: Es gibt keine Schutzkittel, Masken u. ä. für das Krankenhauspersonal (von der Versorgung der Bevölkerung einmal ganz abgesehen), die einer zu erwartenden Corona-Welle (man sprach damals wohl noch nicht von Pandemie) genügen würden. Reaktion des Gesundheitsministeriums: 0.
Ich lese, dass 97% der hilfreichen Schutzmasken in China produziert werden. Die Chinesen hatten natürlich irgendwann alles gesperrt. Als man in D eine Ausfuhr nach Italien untersagte, war das Geschrei in der EU groß. Die Erklärung für die Versäumnisse, nein: das Versagen der deutschen Regierung fehlt mir noch.
Jetzt ist das Virus da, wie der deutsche Gesundheitsminister salopp Anfang März erklärte. Wiederum landeten bis fast zum heutigen Tag Maschinen aus dem Iran und China ohne Ankunftskontrollen in deutschen Flughäfen. Iraner besuchen ihre Freunde und Verwandten in Europa zum iranischen Neujahrsfest. Viel Freude kann man da nur wünschen.
Aufgearbeitet werden diese Versäumnisse nie werden. Konsequenzen für zukünftige Ereignisse wird es auch nicht geben. D ist das Land mit den höchsten Krankenhausinfektionen der sogenannten zivilisierten Welt. Rund 30.000 Leute sterben daran im Jahr – schätzt man. In Ländern wie den Niederlanden und Norwegen schüttelt man darüber den Kopf. Die bekommen das hin. Deutschland nicht.
Jetzt also weitgehende Ausgangssperren. Ich sehe keine Alternativen. Vielleicht ist es die letzte Chance, eine explosionsartige Infektion in der Bevölkerung mindestens abzumildern. Die Einschränkung der sozialen Kontakte muss man wohl in kauf nehmen. Wenn wir in D italienische Zahlen erreichen, brechen wir auch zusammen.
Für Interessierte hier zwei Links zum Robert Koch-Institut:
Dashboard mit Zahlen auf Bundesländer- bzw. Landkreis-Ebene
und
bundesweite Zusammenfassung
Das RKI hat noch niedrigere Zahlen als Johns Hopkins. Beiden glaube ich die verhältnismässig niedrigen Todesfälle für Deutschland nicht. Womöglich hat es damit zu tun, dass in Italien auch post mortem getestet wird, in D nicht,
@h.z.
Danke für die Erinnerung an Penninger, ich hatte mir das Interview schon auf die Seite gelegt, dann aber vergessen. Mir bleiben trotz der recht anschaulichen Erklärungen, ein paar Fragen: Warum ist das Virus so ansteckend, wenn es in den Lungenbläschen repliziert, SARS war ja deswegen weniger absteckend? Ich meine gelesen zu haben, dass es weiter oben, ev. im Rachen repliziert, was stimmt nun? Und warum schädigt es gerade alte Menschen, junge verlieren den Rezeptor ja genauso (die entsprechende Zuseherfrage beantwortet er nicht)? Kann er bei den jungen rasch genug regeneriert werden?
Seinen Zahlenangaben traue ich nicht, weil er nur von Sterblichkeit spricht, es ist aber entscheidend wie man die berechnet, gerade in der aktuellen Situation in der wir über keine gesicherten, repräsentativen Daten verfügen, die Fallsterblichkeit ist z.B. deutlich höher, wenn man sie nur aus den Fällen in den Spitälern berechnet, oder nur aus den gemeldeten Fällen, denn die milden bleiben außen vor, weil sie nicht aufscheinen (die Personen gehen nicht zum Arzt oder ins Krankenhaus).
Penninger spricht von 2% Sterblichkeit in Wuhan und 6% in Italien, was auch immer er damit meint, weil er Sterblichkeit nicht definiert (und davon, dass SARS COV‑2 30x tödlicher sei, als Grippe, für die er eine Sterblichkeit zwischen 0,1–0,15% angibt). Diese relativ neue Arbeit spricht von einem über alle Altersklassen (>15 Jahre) gemittelten Sterberisikos (sCFR, die Wahrscheinlichkeit, dass man stirbt, wenn man auch Symptome entwickelt) des SARS COV‑2 von 1,4 %. Das wird weniger, wenn man auch die symptomlosen Fälle einbezieht.
Auch in Österreich gibt es nur wenig Todesfälle (aber eine überdurchschnittlich hohe Zahl an Patienten wird auffallen, in beiden Ländern).
Der deutsche Virologe Droste, der derzeit in den Medien herumgereicht wird, erklärt hier u. a. warum dieses Virus infektiöser ist als andere.
Ich widme mich jetzt anderen Dingen; mir ist das Herumspekulieren zu zeitintensiv und es macht auch wenig Sinn. Die Zahlen in D wie auch in A sind m. E. nicht korrekt, aber auch das ist Spekulation. Sicher ist, dass es heute wieder 600 Tote in Italien gab. Aber man kann ja wie weiland auf der Titanic weiter die Musik spielen lassen.
@ h. z. / Daß statistische Berechnungen und Prognosen hilfreich sein können, ja, daß sie unverzichtbar sind, bestreite ich nicht. Ich bin alles andere als ein Experte auf diesem Gebiet, habe aber bei manchen Darstellungen den Eindruck, daß die Berechnungen aus dem Ruder laufen und man sehr leicht zu Horrorzahlen kommt. Das hilft dann nicht mehr.
So oder so müssen sich die Spitäler auf verschiedene Szenarien vorbereiten, auch auf den worst case, und sie tun das auch. In den USA und in Schweden, lese ich, werden von militärischen Einheiten Feldlazarette vorbereitet, eben für den Fall, daß die Kapazitäten in den Spitälern ausgelastet sind.
Sie prognostizieren neue Epidemiewellen in China. Inzwischen hat man Erfahrungswerte. Hoffen wir, daß Quarantänemaßnahme greifen.
In Japan, wo ich wohne, traten die ersten Infektionen schon im Januar auf. Wir sind nicht fern von China und Korea. Trotzdem liegt die Zahl der erfaßten Infektionen »nur« bei ca. 1000 (die Fälle auf dem Kreuzfahrtschiff Diamond Princess abgerechnet). Die Schulen wurden vor ca. drei Wochen geschlossen, strikte Ausgangsbeschränkungen gibt es nicht. Der Premierminister hat heute angekündigt, daß die Schulen nach den Frühlingsferien wieder geöffnet werden, am 6. April.
Was ich damit sagen will: Die Ausbreitungskurve ist hier offenbar viel flacher als in anderen Ländern. Auf welche Faktoren ist das zurückzuführen?
Zwei Thesen zu Japan: Zum einen ist es eine Insel. Zum anderen tragen die Menschen, die glauben, dass sie irgendeine Infektion haben, schnell Masken. Angeblich schützen die ja laut deutschem »Faktencheck« nicht (vermutlich, weil die deutsche Regierung keinen Nachschub organisiert hat – nicht einmal für Krankenhauspersonal), aber ich glaube dennoch, dass es hilft. Womöglich hat man auch rigidere Kontrollen an Häfen und Flughäfen gemacht. In Deutschland gibt es nach wie vor in Flughäfen nicht einmal eine Fieberkontrolle. (Man hatte vor einigen Wochen eine Formular eingeführt...)
@ Gregor K./ Mag sein, allerdings sind die Praktiken gar nicht so strikt. Hier ein aktueller Vergleich zwischen den Flughäfen in Hong Kong und in Tokyo-Narita, von einem CNN-Reporter: https://edition.cnn.com/2020/03/18/asia/japan-coronavirus-intl-hnk/index.html
Japaner halten generell Distanz zueinander, geben sich kaum je die Hand usw. Alkoholstäuber findet man sowieso an Ausgängen von Supermärkten und ähnlichen Orten, Reinlichkeit ist eine tief verwurzelte Gewohnheit. All das könnte eine Rolle spielen, aber ein klares Bild zeichnet sich für mich ab, es gibt da sehr viele Widersprüche.
Eine Notiz noch zur österreichischen Politik: In der gestrigen Pressekonferenz traten alle Regierungsmitglieder mit einer für mich eigenartigen Sicherheit auf, es gab keine kritischen Fragen und seit der Krise scheint es auch kein Opposition mehr zu geben. Mit einem Wort, es gibt keine Alternativen. Unser Innenminister Nehammer meinte sogar, dass man Leben retten könne, wenn man sich an die Anweisungen hält. Genauso wie man einen Beitrag zur Verbrechensbekämpfung leisten kann, wenn man – ev. nach Anweisung – kein Bargeld verwendet, usw. Es sind diese allzu selbstverständlich gewordenen Muster, die mich skeptisch machen und die sich eins zu eins in der alltäglichen Politik wiederfinden. Mag sein, dass die Maßnahmen trotzdem richtig sind.
In der Morgenpost steht: »Besonders heftig betroffen ist weiter die Region Madrid, wo fast 9000 Fälle und 800 Todesopfer verzeichnet wurden.« Was dort nicht steht, ist dass Madrid ca. 3,5 und die gesamte Region etwa 6,6 Millionen Einwohner hat. Hier machen Journalisten ihre Arbeit nicht, weil sie die Verhältnisse nicht beachten. Die zentrale Frage ist, ob die Ereignisse die übliche Sterblichkeit und deren Schwankungen deutlich übersteigen. Dann kann man gerne von heftiger Betroffenheit sprechen.
In diesem Artikel steht (angeblich), dass die italienischen Intensivstationen bereits in den Jahren 2017/18 in Bedrängnis waren (Grippe). Beherrscht jemand Italienisch?
@h.z.
Noch in Ergänzung zu Penninger (oben): Diese ebenfalls neue Studie ermittelt eine Crude Infection Fatality Rate (Tote/Schätzung aller Infizierten) und time-delay adjusted IFR von 0.04% bzw. 0.12% (für COVID-19), das entspricht ungefähr derjenigen, die Penninger für Grippe angibt.
Gut, wenn Dir 800 Todesopfer als Zwischenstand einer Pandemie und der Link zu Drosten nicht ausreichen, kann ich nicht mehr argumentieren.
Andernfalls kann man natürlich die Sache laufen lassen, wie es Johnson in GB ursprünglich wollte. Dann sterben 6, vielleicht 10% der Infizierten, die dann 80% der Gesamtbevölkerung sein werden. Macht zwischen 3 und 5 Millionen (h. z. schreibt ähnliches oben). Das geht sehr rasch, binnen weniger Wochen. Danach wäre dann die Sache mehr oder weniger ausgestanden. Johnson ist allerdings letzte Woche plötzlich von seiner »kontrollierten Infektion« abgerückt.
Klar ist, dass die aktuelle Situation mit Quasi-Ausgangssperren aus vielerlei Gründen nicht lange aufrecht erhalten werden kann. Vielleicht zwei, vielleicht sogar vier Wochen. Der europäische Hedonismus ist zu stark ausgeprägt. (Asiaten sind hier im Vorteil; sie haben andere Prioritäten und ordnen sich Autoritäten unter, wenn sie es für notwendig halten Hier kommt dazu: Sie hatten Atemschutzmasken, die in Europa Mangelware sind.) Und es ist klar, dass diese Maßnahmen die Ausbreitung des Virus nur verlangsamen, nicht gänzlich aufhalten können. Dafür ist es in Europa zu spät. Im Grunde wartet man auf irgendein Medikament und/oder Impfstoff.
(Italienisch geht mit Google Übersetzer.)
Ergänzung hier. – Es geht – wie immer – am Ende um die Ökonomie. Die Frage wird sein, ob die Nachfrager wichtiger sind oder die Anbieter. Da es mehr Nachfrager als Anbieter gibt, ist die Antwort am Ende klar.
Und Herr Herbst schwafelt von dem »Auswaschen der Gesellschaft«.
Man sollte wohl beides: den Virus ernst nehmen und wachsam gegenüber dem sein, was sich die Regierungen an Massnahmen so einfallen lassen. Schon vor Corona ist der liberale demokratische Rechtsstaat m. E. in Schieflage geraten.
Der von Metepsilonema zitierte italienische Artikel ist von Januar 2018 (Grippezeit), aus dem Corriere della sera. Tatsächlich ist hier von Engpässen auf Intensivstationen die Rede, für Operationen reichen die Blutkonserven nicht aus. »Intensivtherapien wegen Influenza dem Zusammenbruch nahe«. Covid-19 ist Influenza ähnlich, nur gibt es keine Medikamente und keine Impfungen.
Ich habe Bekannte in Madrid, die Situation ist dort nach ihrer Einschätzung dramatisch, auch Ärzte aus dem Bekanntenkreis sagen das, sie sind überfordert. Für das medizinische System ist der rasende Anstieg von schweren Covid-19-Fällen das Problem. Auch statistisch, die Zahlen aus Madrid sind natürlich besorgniserregend.
In der WirtschaftsWoche heute ein Artikel über das »japanische Rätsel«: https://www.wiwo.de/my/politik/ausland/covid-19-das-japanische-coronaraetsel/25665574.html Das Rätsel wird hier zwar auch nicht gelöst, aber recht gut beschrieben.
@Gregor
Du verlangst von mir, dass ich dem Bodycount eines Livetickers glaube. Wir betrachten in Italien einen Zeitraum in dem normalerweise etwa 50.000 Menschen sterben, das wären – nach dem aktuellen Stand – 10% mehr Tote als normalerweise (alle Monotorings und Sterbestatistiken müssten das klar und deutlich zeigen). Genau das sagt aber niemand, alle schreien nur: 300 Tote mehr, 400 Tote mehr, 500 Tote mehr... Ich kritisiere die Art der Berichterstattung. Wenn eine Pandemie behauptet wird, die eine hohe Zahl von Menschenleben fordert, dann sollte man sich die Mühe geben, das auch klar zu belegen, das forderst Du sonst auch, oder? Ich weise darauf hin, dass die Todesursachen in Italien nicht geklärt sind: »Zivilschutzchef Angelo Borrelli betonte in Rom, dass bei den Verstorbenen die Todesursache nicht abschließend geklärt sei: ob die Menschen an Covid-19 starben oder ob der Grund eine andere Krankheit war.« Auch das sollte in einer seriösen Berichterstattung von Anfang an klargestellt sein.
Noch ein paar Bemerkungen zu den Tests, weil getestet in den Medien mit infiziert gleichgesetzt wird: Diese beruhen auf der PCR-Methodik, es wird das vorhandene genetische Material zunächst vervielfacht und dann nachgewiesen. Diese Test sind hoch sensibel, man kann damit – cum grano salis gesprochen – auch 1/10 Virus nachweisen, solange das genetische Material vorhanden ist. Ein positiver Test sagt daher nicht aus, dass jemand auch infiziert, krank oder infektiös ist. Und er ist auch keine Bestätigung einer Todesursache, er weist das Vorhandensein des genetischen Materials nach (selbstverständlich kann ein Betreffender krank oder infiziert sein). — Ist das allen klar, die jetzt die Infizierten listen?
Die mediale Engführung des Themas erlaubt es wieder einmal Sendern wie RT in eine aufklärerische Rolle zu schlüpfen und einen weiteren kritischen Mediziner zu präsentieren. Wie war das nochmal? Sich mit keiner Sache gemein machen?
Und noch ein Wort zur Psychologie der Krise: Verdrängte und abgespaltene Ängste, eventuell herrührend von traumatischen Erlebnissen, suchen sich ein Ziel in der realen Welt, Individuen beginnen sich dann vor etwas zu fürchten (z.B. einer Pandemie) und nehmen diese Ängste nicht mehr als die eigenen wahr, daraus können dann irrationale Hamsterkäufe und andere Verhaltensweisen resultieren.
@Leopold Federmair
Herzlichen Dank!
@metepsilonema
Du verlangst von mir, dass ich dem Bodycount eines Livetickers glaube.
Nein. Aber was glaubst Du denn? Eine zufällige Häufung einer Grippeepidemie?
Die mediale Engführung des Themas erlaubt es wieder einmal Sendern wie RT in eine aufklärerische Rolle zu schlüpfen und einen weiteren kritischen Mediziner zu präsentieren.
Was ist daran »aufklärerisch«? Wenn man sich Mühe gibt, wird man sicherlich eine Menge solcher Ärzte finden. Bei »Bleibt zu Hause bis Ihr gesund seid« wäre ich allerdings auch ohne Corona schnell von diesem Arzt weg.
Ansonsten gestehe ich, dass ich die Särge in Italien (und auch anderswo) nicht als Produkte einer »normalen« Grippe nehme. Ich vermag auch aufgrund des Studiums diverser Texte nicht zu entscheiden, ob die Tests vielleicht doch falsch bzw. ungenau sind. Aber man wird in den nächsten Monaten in Afrika feststellen, ob das alles hier eine Hysterie war oder nicht.
@metepsilonema
Die von Ihnen verlinkten Studien habe ich mittlerweile gelesen und nachgerechnet. Die darin aufgestellten Thesen scheitern allesamt an der inzwischen verfügbaren Evidenz. Dazu aber später mehr.
Ich nehme mir zuvor die Freiheit, Ihrem jüngsten Kommentar (#33) mit Italienbezug sogleich eine eigene Berechnung entgegen zu stellen. Die Zahl 50.000 entspricht ganz grob der durchschnittlichen Anzahl an Todesfällen pro Monat. Diese Zahl nehme ich als Ausgangsgröße und teile sie durch 30, um auf die durchschnittliche Anzahl an Todesfällen pro Tag zu kommen = 1.666.
Alleine gestern wurden 790 zusätzliche Todesfälle im Zusammenhang mit CoVid gemeldet. Das ist eine Erhöhung um 47,4% gegenüber dem »regulären« Durchschnitt – Tendenz steigend.
Stellt man Ihre Betrachtung nur für die Lombardei an, ergibt sich eine Steigerung von 35,3%.
Wie sehen Sie das?
Im Corriere della sera war heute ein Interview mit dem Mailänder Virologen Massimo Clementi. Er vergleicht die Zahl der Corona-Toten mit der in Deutschland und fragt sich, ob es da nicht zwei verschiedene Klassifizierungssysteme gibt. Daß es weniger Todesfälle gibt, könnte auch damit zu tun haben, daß viele über 60jährige gegen Pneumokokken geimpft wurden. Er rechnet damit, daß sich die Situation zum Sommer hin entspannen wird, hält aber die derzeitigen Maßnahmen für unbedingt notwendig (Drosselung der Industrieproduktion, Ausgangsbeschränkung, keine Sportveranstaltungen, keine Schule etc.).
@h.z.
Um nicht missverstanden zu werden: Ich leugne keineswegs die Möglichkeit einer Pandemie und ich stimme Gregor natürlich zu, dass die Todesfälle erklärt werden müssen. Was mich wundert: Es muss doch eine amtliche Statistik in Italien geben, die das Mehr an Todesfällen in dem betrachteten Zeitraum klar ausweist. Ich hätte diese Statistik insgesamt der Schwankungsbreite gerne in den Medien zitiert gelesen.
Wenn es ein Messartefakt geben sollte, was keinesfalls sicher ist, dann kann die Zuschreibung der Todesursache falsch sein oder sich eine andere darüber setzen, wie die Pneumokokken. Das sollte man im Auge behalten und es hätte Auswirkungen auf die Beurteilung der Lage.
Ansonsten bin ich gespannt, was Sie später schreiben.
@metepsilonema
Diese Statistik (Daten des Gesundheitsministeriums) gibt es, auch für den Download.
Sie finden die Daten beim Corriere della sera. Die Download-Links befinden sich im Kasten rechts unten.
@metepsilonema
Ergänzend sei noch kurz auf die weiter oben bereits gestellte Frage verwiesen, ob der Allgemeinheit die Unterbrechung von Infektionsketten zumutbar sei. D.h.: Ist die Anordnung und Durchsetzung solcher Maßnahmen grundsätzlich ethisch vertretbar?
Die Türkei geht offenbar einen anderen Weg. Dort wird ab Mitternacht eine Ausgangssperre für Menschen über 65 verhängt. Diese Maßnahme halte ich unter keinen Umständen für ethisch zu rechtfertigen.
@h.z.
Herzlichen Dank! Ich sehe mir das einmal an (kann sein, dass ich dafür einige Zeit brauche). Ich würde auf die Maßnahmen wohl weniger verschnupft reagieren, wenn sie nicht gleichzeitig mit einem Gestus von absoluter Sicherheit und in vollster Überzeugung der Richtigkeit der eigenen Handlungen gesetzt würden (ich erwarte mir irgendwo schon, dass unsere Regierung in einer solchen Situation die Möglichkeit einräumt, auch falsch zu liegen). Ich habe, wie ich oben schon schrieb, die Maßnahmen zunächst für richtig gehalten, sie gehen mir im Einzelnen zu weit. Also: Ja, die Unterbrechung von Infektionsketten ist grundsätzlich sinnvoll und zumutbar.
Ich habe gestern Abend überlegt, ob man die Risikogruppen nicht auch anders schützen hätte können oder nur sie und eine Versorgung aufbauen, z.B. durch Zivildiener und Arbeitslose.
@metepsilonema
Die von Ihnen verlinkten Quellen haben alle gemeinsam, dass sie einen weit geringeren Prozentsatz an tödlichen Krankheitsverläufen errechnen, als zur behördlichen Entscheidungsfindung hinsichtlich der zu ergreifenden Gegenmaßnahmen angenommen. Die zuletzt von Ihnen (#28) verlinkte Studie nennt eine Todesrate von 0,04% (ohne zeitliche Korrektur) bezogen auf die Gesamtheit infizierter Individuen.
Für A würde dies bedeuten, dass wir per Stand heute 15:00 und 16 verzeichneten Todesfällen von 40.000 Infizierten auszugehen hätten. In Italien wäre wegen 5.476 Todesfällen dementsprechend mit einer Zahl von 13.690.000 infizierten Individuen zu rechnen. Da keine flächendeckenden Testungen stattfinden, müssen diese Zahlen zunächst akzeptiert werden. Sie dürfen allerdings auf Plausibilität untersucht werden.
Epidemiologische Schätzungen gehen von milden Krankheitsverläufen bei 80% der Infizierten aus. Bei 5% der Infizierten sei mit einem so schweren Krankheitsverlauf zu rechnen, dass eine stationäre Behandlung erforderlich ist. Das bedeutet für A eine Anzahl von 40.000 * 0,05 = 2.000 hospitalisierten Infizierten. Italien hätte eine Anzahl von 13.690.000 * 0,05 = 684.500 aufzuweisen.
Aktuell liegen in Italien aber bloß 22.855 mit schweren Symptomen in den Krankenhäusern. Hier in A beträgt die Zahl der hospitalisierten Virusträger per Stand heute 19:00 lediglich 109. In A sind also 5,4% des Erwartungswertes in einem Krankenhaus aufgeschlagen; für IT beträgt der entsprechende Prozentsatz 3,3% bei 22.855 hospitaliserten Infizierten.
Man stelle in Rechnung, dass besonders harte Mitmenschen auch schwere Symptome, wie etwa 39,5°C Fieber bei schwerem Husten und gleichzeitiger Atemnot, im eigenen Bett abwettern, ohne ärztliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Selbst wenn man annimmt, dass die Hälfte der schweren Krankheitsverläufe von solchen Menschen unerkannt zu Hause ausgesessen wird, bleiben immer noch über 10.000 Patienten in A bzw. 340.000 in IT, die in ein Krankenhaus eingewiesen würden.
Diese m.E. unauflösbare Unstimmigkeit lässt die Annahme der Todesrate von 0,04% aller Infizierten in höchstem Maße unplausibel erscheinen. Die Studie ist aus meiner Sicht ebenso wertlos, wie alle anderen Bemühungen, die Sterblichkeitsrate im statistischen Rauschen zu verorten.
Geben Sie mir bitte Hinweise, welche Angaben Ihnen fehlen, um meine Betrachtungen mathematisch selbst nachzuvollziehen.
@metepsilonema
Zum alternativen Schutz von Risikogruppen habe ich unter #10 das Beispiel GB überschlägig ausgeführt.
@h.z.
Noch einmal vielen Dank für Ihre Bemühungen! Ich werde mir das morgen in Ruhe ansehen, ich bin u.a. mit dem Durchsuchen Ihrer Quelle aus #39 schon zu lange vor dem Bildschirm gesessen. Ich hatte gehofft dort Zahlen zur Gesamtsterblichkeit zu finden, aber ohne Erfolg (habe ich etwas übersehen?). Ich bin aber doch noch auf eine Angabe in diesem Interview gestoßen, die ich mir in dieser Art häufiger gewünscht hätte:
»Er [der Bürgermeister von Bergamo, m] sagte gestern, in Bergamo seien in den ersten zwei März-Wochen viermal mehr Leute gestorben als während des ganzen letztjährigen Monats März.«
@metepsilonema
Die Sterblichkeitsrate für Italien (und andere EU-Länder) finden Sie in der EU-Datenbank
Dort gehen Sie durch folgende Knoten:
Data navigation tree
– Database by themes
—- Population and social conditions
—— Demography and migration (demo)
——– Mortality
———- Deaths (total) by month (demo_mmonth)
Ich möchte mich in die Diskussion zwischen Metepsilonema und h. z. nicht einmischen. Nur dieser Hinweis: Die italienischen Zeitungen nennen als offizielle Todesrate bei Covid-19 für Italien 8 bis 9 Prozent (Lombardei 12 Prozent) und fragen sich, warum sie in Österreich und Deutschland bei 0,3 liegt. Die Quellen werden dabei meist nicht genannt, aber ich nehme an, daß die Info auf den Angaben des Gesundheitsministeriums basiert. Als Gründe genannt werden neben der vermutlich hohen Dunkelziffer, also unbemerkt gebliebenen Infektionen, die hohe Zahl von über 70jährigen und die Überalterung der Bevölkerung im allgemeinen. Andere Vergleichszahlen in diesem Artikel: https://www.ilgiornale.it/news/mondo/perch-italia-letalit-pi-alta-che-altri-paesi-europei-1843584.html betreffen u. a. Südkorea, wo die Sterblichkeit angeblich bei 0,01 Prozent liegt, und Wuhan, 5,8. Vermutlich sind die einschneidenden Maßnahmen (jetzt wird gerade die Industrieproduktion gedrosselt) in Italien zu spät gekommen. Das Durchschnittsalter der Bevölkerung betreffend: In Japan ist es sehr hoch, viele Alte zwischen 70 und 100, trotzdem wenige Todesfälle durch Covid-19. In Südkorea wurden deutlich mehr Frauen als Männer infiziert. In Italien ist es umgekehrt.
Ein einheitliches Bild ergibt sich aus alldem nicht. Es spielen sicher sehr viele Faktoren zusammen, und es wird dauern, das in seiner Gesamtheit zu erklären. Im Zweifelsfall ist es aber doch besser, Vorsichtsmaßnahmen, auch rigide, zu ergreifen, oder? Wobei eine der Fragen ist, ob sie das gesamte Gesellschafts- und Wirtschaftssystem nicht in einem Maß schädigen, das den Schaden durch Corona übertreffen könnte.
Ein weiterer Grund, der manchmal für die hohe Kontamination durch das Virus angegeben wird: die starke Verschmutzung der Luft, die die Italiener täglich einatmen. Was ist davon zu halten?
Der Artikel, auf den sich mein obiger Kommentar bezieht, ist nicht der in Il Giornale, sondern im Corriere: https://www.corriere.it/salute/20_marzo_22/coronavirus-perche-tanti-morti-italia-molti-anziani-pochi-tamponi-9098009a-6bb7-11ea-8bdc-8d7efa0d8720.shtml Der Korrektheit halber.
Um es noch einmal zu sagen: In Italien wird jeder Tote auf das Virus getestet. In Deutschland unterbleibt dies. Warum wohl? Die offiziellen Zahlen für Deutschland (und ich vermute auch Österreich) sind schlichtweg lächerlich. Einige Kliniken in D schlagen bereits jetzt Alarm; gestern im Fernsehen eine Ärztin aus Wolfsburg: Sie haben nur noch für eine Woche Schutzausstattung. Von den Intensivbetten sagte sie nichts.
Gestern postete jemand auf FB einen Text, in dem es salopp zusammengefasst hieß: Es sterben ja jeden Tag x Menschen in Italien – wieso regt man sich jetzt darüber auf? Ich stehe fassungslos vor solcher Ignoranz. Die Menschen krepieren elendig an den Symptomen, die vom Virus erzeugt werden und vom sicheren Sessel aus poliert man seinen kritischen Geist.
Die Ausgangsbeschränkungen, die in Deutschland jetzt beschlossen sind, halte ich für halbherzig und gefährlich zugleich. Halbherzig, weil die Leute weiter arbeiten gehen sollen. Besonders im Einzelhandel ist das auf Dauer nicht praktikabel, weil sich diese Menschen anstecken werden. (Daher wird auch »gehamstert«.) Gefährlich, weil es in diesem angeblich so zivilisierten und gut organisierten Land keine Atemschutzmasken gibt – weder für das Krankenhauspersonal, noch für die Bevölkerung. Das erfüllt m. E. mindestens den Tatbestand der unterlassenen Hilfeleistung, wenn nicht mehr.
In Taiwan werden jetzt täglich 10 Mio. Atemschutzmasken hergestellt. In D bestätigt ein Autobauer, dass er es überlegen würde, seine Produktion kurzfristig umzurüsten, wenn man eine Anfrage dazu erhalten würde. Find the difference!
Ohne wirksamen und dauerhaften Atemschutz für die ganze Bevölkerung sind solche Ausgangsbeschränkungen nutzlos. Sie sollen etwas beweisen, die Regierenden zeigen Tatkraft. In Wirklichkeit ist es ein Ausweis von Hilflosigkeit. Man hat Zeit gewonnen, frisiert die Statistiken, testet nicht (gestern fehlten in einem Testlabor in D Chemikalien dafür). Man vernichtet en passant die Wirtschaft wie man bei einer Chemotherapie schlichtweg alle Zellen tötet.
Der deutsche Gesundheitsminister wollte ein Gesetz, in dem die Handydaten der Infizierten geortet werden dürfen. Darüber zerreissen sich alle Mäuler, von wegen Datenschutz und informationelle Selbstbestimmung. Gut so, aber das ist eben nicht das Kernproblem (siehe oben). Regierende camouflieren ihre Versäumnisse mit Gesetzen. Zu anderen Handlungen sind sie nicht fähig. Das ist bei Pandemien lebensgefährlich.
Eine Landesquarantäne kann man 14 Tage, vielleicht vier Wochen aufrecht erhalten. Und dann? Ein Impfstoff ist vermutlich halbwegs seriös in einem halben Jahr massenweise produzierbar. Bis dahin werden wir Plünderungen ungeahnten Ausmaßes haben und marodierende Banden werden sich Kämpfe mit der hoffnungslos überlasteten Polizei liefern. In Madrid gibt es gerade schon einmal einen Vorgeschmack darauf. Aber vermutlich findet sich dann immer noch irgendein durchgeknallter Internist, der seine Patienten nach Hause geschickt hat. Und noch stolz darauf ist.
Und jetzt geht auf den Balkon oder eine Runde spazieren. Das geht nämlich noch,
@h.z
Ich kann Ihre Rechnung soweit nachvollziehen. Ich denke Sie haben im drittletzten Absatz bei der Angabe zu Österreich eine Null zu viel angeführt (es müssten 1000 nicht 10.000 hospitalisierte Personen sein, zwei Absätze darüber steht korrekt 2000).
Wenn ich Ihre Vorgehensweise hernehme, auch den zeitkorrigierten Wert (und die Schwankungsbreiten miteinbeziehe, dann komme ich auf folgende Ergebnisse (in Klammer die Annahme, dass die Hälfte mit schweren Symptomen zu Hause bleibt):
IFR: 0.04% [0.03–0.06%]
1333–2667 Hospitalisierte (667‑1334)
Zeitkorrigierte IFR: 0.12% [0.08–0.17%]
471‑1000 Hospitalisierte (235–500)
Das kommt im unteren Bereich den österreichischen Wert näher (Ihre Bemerkung mit dem statistischen Rauschen verstehe ich). Ich behaupte nicht dass die Übereinstimmung sehr gut ist, man muss aber beachten, dass die Autoren von einem »crude infection fatality ratio« sprechen, die Zahl der Infizierten ist also grob geschätzt (das ist zur Zeit wohl kaum anders möglich). Die Bewertung der Studie nach Ihrer Rechnung hängt stark am empirisch ermittelten Wert der Todesfälle in Österreich, also der Zahl 16. Wenn wir eine gewisse Unsicherheit bezüglich der ursächlichen Todesfeststellung annehmen, etwa ein falsch zugeordneter Toter von 16, dann erhalten wir:
IFR: 0.04% [0.03–0.06%]
1250–2500 Hospitalisierte (625‑1250)
Zeitkorrigierte IFR: 0.12% [0.08–0.17%]
441–938 Hospitalisierte (221–469)
Soweit einmal.
»Wenn wir eine gewisse Unsicherheit bezüglich der ursächlichen Todesfeststellung annehmen, etwa ein falsch zugeordneter Toter von 16...
Sorry, ich schließ’ hier mal die Kommentare. Diese Rechnereien erscheinen mir in Anbetracht der tausenden Tote als obszönes Geplänkel.