Man nennt sie in der Fachsprache »Hidden Champions«. Es sind die heimlichen Weltmarktführer, Unternehmen die sich über Jahre hinweg eine Marktführerschaft in ihrer jeweiligen Branche erarbeitet haben. »Sie beanspruchen, Kunden, Wettbewerber und ihre Märkte durch das Setzen von Standards und Benchmarks zu führen«, so wird im »Handelsblatt« 2012 Hermann Simon aus seinem Buch »Hidden Champions – Aufbruch nach Globalia« zitiert. Einige der verborgenen Weltmarktführer sind im Artikel aufgeführt. Die Bundesrepublik lebt ökonomisch vom sogenannten Export; diese Unternehmen sind oft genug wichtiger für die Wirtschaft als fragile Großkonzerne, die sich mit ihrer Produktion bei der erstbesten Gelegenheit in Billigländer flüchten. Dieser sogenannte Mittelstand ist das Hätschelkind der Politik; die politischen Reden sind Legion, in denen ihre Leistungen gewürdigt werden (es gibt sogar ein »Gipfeltreffen der Weltmarktführer«).
Neben diesen verborgenen Marktbeherrschern gibt es derzeit Unternehmen, die als große, global agierende Unternehmen ebenfalls Weltmarktführer sind, aber derzeit keine so gute Presse haben. Es sind hauptsächlich zwei US-amerikanische Firmen derzeit: Amazon und Google. Im Moment ist Google in der Schusslinie. Insbesondere das Feuilleton der »Frankfurter Allgemeinen Zeitung« fährt seit Monaten eine Kampagne gegen den Konzern, der zuweilen skurrile Formen annimmt. Höhepunkt war der Artikel von Sigmar Gabriel, der zunächst eine Eloge auf die FAZ anstimmte, bevor er dann burschikos sogar eine Zerschlagung von Google in Aussicht stellte, wenn man sich nicht … ja, was eigentlich?
Es ist ein bisschen merkwürdig, wenn man sich plötzlich genötigt sieht, einen Großkonzern wie Google »verteidigen« zu müssen. Aber die Unlauterkeit und Lächerlichkeit der sogenannten Argumentation nimmt inzwischen Formen an, dass man sich an Kopf fassen möchte. Es beginnt damit, dass Google als »Monopol« dargestellt wird. Das ist als erstes unhaltbar – jeder von Google als Monopolist spricht, fast entweder keine Ahnung oder ist ein Ideologe; schlimmstenfalls beides. Google ist Marktführer (nicht überall, aber in Deutschland z. B.) und setzt damit – siehe oben – Standards und Benchmarks. Das kann man kritisieren, sollte man im Rahmen der gesetzlichen Regeln auch überwachen, aber ein Grund, um das Unternehmen zu zerschlagen, ist hierin nicht zu sehen. Oder will Gabriel etwa auch die oben aufgeführten »Hidden Champions« zerschlagen?
Haben Springer und FAZ eigentlich ihre Auftritte von Google entkoppelt? Nein? Warum denn eigentlich nicht? Die Rhetorik, die inzwischen bemüht wird, hat zuweilen schon paranoide Züge. Wenn sich Politik und Verleger einig sind, sollte man aufhorchen. Es gibt kluge Mitdenker, die am Ende dieser Kampagne eine Art erweitertes Leistungsschutzrecht erkennen.
Die Politik nimmt gerne in dem Zug Platz, der ihnen von Springer et. al. wohlig eingerichtet wurde. Sie ist ohnmächtig bzw. sie lässt sich ohnmächtig machen, wenn es um die flächendeckende Ausspähung durch NSA und andere westliche Geheimdienste geht. Sie beissen sich an Briten und vor allem Amerikanern die Zähne aus, weil sie sich schwach wähnen und es vielleicht auch sind. Umso stärker nun das vermeintliche Zupacken gegen privatwirtschaftliche Unternehmen wie Amazon und Google (die, um das nochmals zu betonen, keine Engel sind, aber auch keine Verbrecher). Die Kränkung der Bundesregierung durch die störrischen amerikanischen Politiker und Behörden sitzt wohl sehr tief und wird nun kompensiert, indem man sich an anderen Protagonisten schadlos hält. In Wirklichkeit macht Politik gerade Lobbyismus, der von denen gelobt wird, die davon profitieren wollen.
Es hat mich schon beim Leistungsschutzrecht verblüfft, wie schamlos sich die Redaktion der FAZ vor den Karren des Verlags spannen lässt. Man sollte ja denken, dass dort ein paar Leute sitzen, in deren Selbstverständnis journalistische Ethik und intellektuelle Redlichkeit eine Rolle spielen. Der Reputationsverlust ist ihnen aber anscheinend schlicht egal.
Der Reputationsverlust ist ihnen aber anscheinend schlicht egal.
In ihrem Betrieb erleiden sie keinen entsprechenden Reputationsverlust. Die Medien feiern sich ja immer mehr selber. Der Rezipient ist dabei nur noch geduldet.
Der Rezipient ist dabei nur noch geduldet.
Dieser Satz hat mich eben mit einem Schlag elektrisiert. Das ist geradezu ein Schlüsselsatz. Man überlege sich, dass in den institutionalisierten Systemen (Gesundheit, Bildung, Soziales, etc.) der Bürger nicht als Vertragspartner auftritt, sondern als Begünstigter, an dem Leistung erbracht wird. Vertragspartner sind z.B. Arzt und Krankenkasse; oder freie Lehrbeauftragte und Hochschule. Mir fällt nun nicht mehr schwer, von einer »systematisierten« Presse zu sprechen. Der Rezipient ist geduldet, gut. Die Vertragspartner würde ich aber gerne noch kennenlernen.
Die Vehemenz dieser jahrelangen Kampagne irritiert mich auch. Immer bietet die FAZ freudig Leuten wie Jason Lanier oder kürzlich Shoshana Zuboff Raum, um Kritik an Google oder allgemein Digitalskepsis zu verbreiten. Allgemein finde ich die Skepsis ja durchaus angebracht, zumal sie auch in der FAZ von Leuten aus dem Fachbereich kommt, sie haben ja auch David Gelernter oder Constanze Kurz & Frank Rieger vom CCC, und gerade der FAZ mag man ein wenig Kulturkonservatismus ja zugestehen... aber es übersteigt bisweilen doch die Maße, wie Google da dämonisiert werden soll.
Wenn die FAZ dann über den Friedensbuchpreis für Herrn Lanier jubiliert, dann zeigt das vielleicht schon wie weite Kreise diese Kampagne/Lobbyarbeit zieht. (Ungefähr so wie auch sonst »Regimekritiker« wie Pussy Riot, Ai Weiwei, Klitschko/Timoschenko von unseren Medien hofiert werden.)