Hand­kes Ra­che

Peter Handke: Das zweite Schwert
Pe­ter Hand­ke:
Das zwei­te Schwert

» ‘Das al­so ist das Ge­sicht ei­nes Rä­chers!’ sag­te ich zu mir, als ich mich an dem be­wuß­ten Mor­gen, be­vor ich mich auf den Weg mach­te, im Spie­gel an­sah.«

Mit die­sem Satz be­ginnt Pe­ter Hand­kes Er­zäh­lung Das zwei­te Schwert, und als Le­ser könn­te man nun an­neh­men, die im Un­ter­ti­tel ver­spro­che­ne »Mai­ge­schich­te« wer­de als­bald los­ge­hen. Der ent­schlos­se­ne Ge­stus des An­fan­gens er­in­nert an be­kann­te Er­zähl­werk der Li­te­ra­tur­ge­schich­te, wo der Au­tor gleich zu Be­ginn ei­ni­ge wich­ti­ge Mit­tei­lun­gen über die Haupt­fi­gur und die Si­tua­ti­on macht, in der er sich be­fin­det. »Je­mand muß­te Jo­sef K. ver­leum­det ha­ben, denn oh­ne daß er et­was Bö­ses ge­tan hät­te, wur­de er ei­nes Mor­gens ver­haf­tet.« Tat­säch­lich geht die­se Ge­schich­te so­gleich los, die bei­den Scher­gen bre­chen in K.s Le­ben ein, doch be­kannt­lich ver­wickelt sich die Ge­schich­te im­mer mehr, sie fin­det kein En­de, und wenn es ei­nes gibt – Kaf­ka hat es skiz­ziert –, so weiß man nicht, wie die Er­zäh­lung dort­hin ge­lan­gen kann. Der Ro­man ist Frag­ment ge­blie­ben.

Hand­ke hat die Wer­ke, die wir von ihm ken­nen, al­le­samt ab­ge­schlos­sen, doch im Ver­lauf sei­nes Schrift­stel­ler­le­bens hat er die Di­rekt­heit mit der er in frü­hen Er­zäh­lun­gen in me­di­as res ging, ver­lo­ren oder be­wußt ab­ge­legt. Der Wech­sel er­folg­te in et­wa zu der Zeit, in der Hand­ke sich von Kaf­ka als Vor­bild los­sag­te. Die Angst des Tor­manns beim Elf­me­ter zum Bei­spiel be­ginnt so: »Dem Mon­teur Jo­sef Bloch der frü­her ein be­kann­ter Tor­mann ge­we­sen war, wur­de, als er sich am Vor­mit­tag zur Ar­beit mel­de­te, mit­ge­teilt, daß er ent­las­sen sei.« Kom­pak­te Syn­tax und viel (für not­wen­dig ge­hal­te­ne) Mit­tei­lung, wie in den Ge­schich­ten Kleists. Un­ver­mit­telt er­fah­ren wir Na­men, Be­ruf, sport­li­che Ak­ti­vi­tät und die Si­tua­ti­on, in die sich der Held ge­wor­fen sieht. In ei­nem spä­te­ren Werk, in dem Hand­ke die Ge­schich­te des »ge­glück­ten Tags« zu er­zäh­len ver­sucht, fragt sich der Er­zäh­ler selbst, wes­halb er den ei­gent­li­chen Be­ginn im­mer wie­der ver­schiebt.

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Loui­se Ri­chard­son: Was Ter­ro­ri­sten wol­len

Louise Richardson: Was Terroristen wollen
Loui­se Ri­chard­son:
Was Ter­ro­ri­sten wol­len

Der Un­ter­ti­tel des Bu­ches Was Ter­ro­ri­sten wol­len ver­spricht nicht zu­viel: Die Ur­sa­chen der Ge­walt und wie wir sie be­kämp­fen kön­nen. Loui­se Ri­chard­son, Po­li­tik­pro­fes­so­rin aus Har­vard, hat sich jahr­zehn­te­lang mit Ter­ro­ris­mus be­schäf­tigt und die­sen wis­sen­schaft­lich un­ter­sucht. Das vor­lie­gen­de Buch ist da­bei so­wohl ei­ne populär­wissenschaftliche Zu­sam­men­fas­sung ih­rer Un­ter­su­chun­gen als auch Weg­wei­ser, wie demo­kratische und li­be­ra­le Rechts­staa­ten mit die­ser Be­dro­hung um­ge­hen kön­nen, die ja – auch das wird im Lau­fe der Lek­tü­re deut­lich – kein neu­ar­ti­ges Phä­no­men dar­stellt (und auch nicht ei­ner be­stimm­ten Kul­tur zu­ge­schrie­ben wer­den kann).

Die Tat­sa­che, dass Ri­chard­son Irin ist und auch selbst als Ju­gend­li­che mit dem Ter­ro­ris­mus der IRA (bzw. PIRA) kon­fron­tiert wur­de, bringt noch ei­ne zu­sätz­li­che Fa­cet­te in die­ses Buch hin­ein (die je­doch nur sehr de­zent und am An­fang er­wähnt wird). So be­rich­tet die Au­torin sehr wohl, wie die In­fil­tra­ti­on im El­tern­haus, in der Schu­le und un­ter Freun­den wie ei­ne Art schlei­chen­des Gift in ihr fort­schritt und die­ses für Ter­ro­ri­sten und ih­re An­hän­ger ty­pi­sche di­cho­to­mi­sche Welt­bild er­zeug­te. Und sie schil­dert ihr Erwek­kungserlebnis, wel­ches sie schlag­ar­tig »be­kehr­te«, als sie auf dem Dach­bo­den ein Fo­to des On­kels fand, der als wi­der­stän­di­scher Frei­heits­held in der Fa­mi­lie ge­fei­ert wur­de, auf dem Fo­to je­doch aus­ge­rech­net ei­ne bri­ti­sche Uni­form trug und al­le My­then­ge­schich­ten, je­ne er­in­ner­te Hi­sto­rie, die von Ge­ne­ra­ti­on zu Ge­ne­ra­ti­on im­mer wei­ter­erzählt wur­de, auf ei­nen Schlag zu Lü­gen mu­tier­ten.

Was ist Ter­ro­ris­mus?

Zu­nächst ein­mal de­fi­niert Ri­chard­son den Be­griff des Ter­ro­ris­mus (bzw. des Ter­ro­ri­sten), was ab­so­lut not­wen­dig ist, denn »Ter­ror« und »Ter­ro­rist« fin­den in­zwi­schen in­fla­tio­när Ver­wen­dung – auch und ge­ra­de in den Me­di­en und auch in voll­kom­men an­de­ren Zusammen­hängen (bspw. »Te­le­fon­ter­ror« oder »Wirt­schafts­ter­ror« für Devisen­spekulationen).

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