Rai­ner Ra­bow­ski: Mon­tag Ru­he­tag

Rainer Rabowski: Montag Ruhetag
Rai­ner Ra­bow­ski:
Mon­tag Ru­he­tag

Nach dem auch hap­tisch opu­len­ten Er­zäh­lungs- und Ge­dicht­band »Hal­te­stel­len«, der vorder­gründig vom Rei­sen und Un­ter­wegs-Sein (im wei­ten wie im na­hen) han­del­te, ist von Rai­ner Ra­bow­ski kürz­lich das de­zent-klei­ne Büch­lein »Mon­tag Ru­he­tag« er­schie­nen. Wenn man Pe­ter Hand­kes »Ver­such über den Stil­len Ort« als ei­ne Ge­schich­te über den ver­meint­li­chen Un-Ort Toi­let­te liest, der für den Er­zäh­ler im­mer wie­der eben auch zum »Asyl­ort« wur­de, so ist »Mon­tag Ru­he­tag«, die­ses Tri­pty­chon aus drei Ge­schich­ten, die zu ei­ner »Er­zäh­lung« zu­sam­men­ge­fasst wer­den, viel­leicht so et­was wie ein ‘Ver­such über den Fri­seur­la­den’; auch er zu­wei­len Asyl­ort, aber auch Fol­ter­stät­te.

Na­tür­lich fin­det sich auch in die­sem Buch der für Ra­bow­ski ty­pi­sche Sound des psy­cho­lo­gisch-re­fle­xi­ven Rea­lis­mus, dies­mal fast aus­schließ­lich ver­or­tet in Düs­sel­dorf (selbst in Thai­land er­in­nert er sich an ei­nen Düs­sel­dor­fer Fri­sier­sa­lon). Es ist aber deut­lich we­ni­ger ein Sich-Selbst-ins-Wort-Fal­len als sonst, was den Phä­no­me­nen mehr (Erzähl-)Raum gibt und den Le­ser mehr ins Nach­sin­nen ver­setzt. Et­wa wenn er von der Schmach und Ohn­macht er­zählt, als er als Kind auf den Fri­seur­stuhl muss­te (»Haare­schneiden ist ei­ne Ver­let­zung«). Oder der Le­bens­ab­schnitt, in der ei­nem die Fri­sur als Di­stink­ti­ons- oder son­sti­ges Merk­mal plötz­lich nicht mehr wich­tig war, ein Ak­zep­tie­ren »in der Welt des Aus­se­hens ein Au­ßen­sei­ter« zu sein und es trot­zig ge­nüg­te »gar kei­ne Fri­sur« ha­ben zu wol­len. Dann war der Fri­seur auf dem Flug­ha­fen ge­ra­de recht; so wur­de die War­te­zeit halb­wegs sinn­voll aus­ge­füllt.

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Rai­ner Ra­bow­ski: Hal­te­stel­len

Rainer Rabowski: Haltestellen
Rai­ner Ra­bow­ski: Hal­te­stel­len
In ei­ner Be­spre­chung zu Bo­tho Strauß’ neu­em Buch hör­te ich nach län­ge­rer Zeit wie­der ein­mal die Be­zeichnung »psy­cho­lo­gi­scher Rea­lis­mus«, mit der der Re­zen­sent die Er­zäh­lun­gen Strauß’ ein­ord­nen und in ei­ne Rei­he bei­spiels­wei­se mit de­nen von Tho­mas Mann stel­len woll­te. Trotz der zwangs­läu­fig feh­len­den Präzi­sion sol­cher ei­gent­lich zu pau­scha­len Zu­schrei­bun­gen, die zu­dem oft nur Ver­le­gen­heits­lö­sun­gen sind, fän­de ich die­se Be­zeich­nung in Be­zug auf die Er­zäh­lun­gen von Rai­ner Ra­bow­ski als er­ste Ein­schät­zung durch­aus zu­tref­fend. Viel­leicht liegt es auch dar­an, dass mir ins­be­son­de­re bei der Lek­tü­re von »Un­se­re Sa­che« ne­ben den Par­al­le­len zu Strauß’ Be­ginn­lo­sig­keits-Pro­sa durch­aus auch ein psy­cho­lo­gi­sches Ele­ment prä­sent war.

Da­bei geht es Ra­bow­ski al­ler­dings we­der um den Ver­such kü­chen­psy­cho­lo­gi­scher Per­sön­lich­keits­dia­gno­sen der An­de­ren noch wird von der War­te ei­ner wie auch im­mer emp­fun­de­nen Er­ha­ben­heit her­aus auf die Welt ge­blickt. Das sanf­te See­l­e­ner­kun­den, wel­ches in der Re­gel nur ein ge­nau­es Hin­schau­en und Be­ob­ach­ten ist, wird zu­meist nur als Aus­gangs­punkt für ei­ne Selbst­psy­cho­lo­gi­sie­rung ge­nom­men, die durch­aus – und hier liegt der ent­schei­den­de Mehr­wert bei­spiels­wei­se zur In­ner­lich­keits­pro­sa der 1970er Jah­re aber auch dem Ge­wim­mer so man­cher Schreib­schul­ab­sol­ven­tIn­nen heu­te – auf Erkenntnis­gewinn über die Welt im All­ge­mei­nen zielt. Ra­bow­ski fügt dem »em­pi­ri­schen Kreis­lauf« von De­duk­ti­on und In­duk­ti­on die Selbst­re­fle­xi­on hin­zu. Und die­se fast un­ab­läs­sig for­cier­te Selbst­re­fle­xi­on un­ter­schei­det ihn dann deut­lich von Au­toren, die ih­re Fi­gu­ren nicht in den Ab­grund der Tie­fe und das »Schim­mern der Schlan­gen­haut« (Die­ter Wel­lers­hoff) wahr­neh­men und statt­des­sen eher aus (iro­ni­scher) Di­stanz er­zäh­len las­sen.

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Ver­su­che über die Be­ginn­lo­sig­keit

Ei­ni­ge Ge­dan­ken zu Rai­ner Ra­bow­skis bril­lant-kom­­p­le­­xem Er­zähl­band »Un­se­re Sa­che« Sie hei­ßen Yvonne, Hel­ga, Ra­pha­e­la, auch No­vi­ko­va und An­gé­li­que oder – ge­heim­nis­voll – »H.N« und spie­len in fünf von sechs Er­zäh­lun­gen des Ban­des »Un­se­re Sa­che« ei­ne ent­schei­den­de Rol­le. Ober­flächlich be­trach­tet mit so­zio­lo­gi­schem Blick da­her­kom­mend sind es Er­in­ne­run­gen an ver­gan­ge­ne Be­­kannt- und Freund­schaf­ten aus ei­ner zurückge­lassenen Zeit. ...

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Die Schön­heit des be­ob­ach­ten­den Tiers

Die fein­füh­lig-re­fle­xi­ven Er­zäh­lun­gen des Rai­ner Ra­bow­ski

Rainer Rabowski: Die gerettete Nacht
Rai­ner Ra­bow­ski:
Die ge­ret­te­te Nacht

Mo­men­te der Won­ne: Ei­ne Frau und de­ren Lä­cheln her­aus ei­ner Art Se­kun­den­bei­schlaf an Mit­wis­se­rei und Kom­plizenschaft, wie er manch­mal un­ter völ­lig Frem­den mög­lich ist, durch nichts wei­ter be­dingt. Kon­tra­stie­rend mit dem Wüh­len ei­nes Selbst-Ent­wur­zel­ten in ei­nem rie­si­gen Hau­fen Sperr­müll, red­se­lig auf ei­ne schräg-um­ständ­li­che Wei­se, ein gei­sti­ges Ver­stol­pern im all­mäh­li­chen Sor­tie­ren und Sich­ten des erst noch zu fin­den­den La­ge­plans sei­ner Ge­danken. Es sind fast Epi­pha­ni­en, die Rai­ner Ra­bow­ski da be­schreibt, nein – dar­auf muss man be­stehen -: er­zählt. Es sind Er­zäh­lun­gen, »Le­bens­mit­schrif­ten« vom Aufgehoben­sein in ei­ne von al­lem an­de­ren gelöste[n] Be­we­gung. Was doch die­se Schlaf­lo­sig­keit, die dem Ich-Er­zäh­ler in schö­ner(?) Re­gel­mä­ßig­keit (oder Unregel­mäßigkeit?) al­les her­vor­bringt: Ein Fla­nie­ren in der Stil­le der Nacht. Ei­ner Nacht, die, wenn man ge­nau hin­hört, hin­sieht und riecht die­se Schön­heit des…alles ge­nau be­ob­ach­ten­den Tiers zu er­zeu­gen ver­mag (ganz im Ge­gen­satz zur schau­rig-af­fek­ti­ven Jekyl­l/­Hyde-Ver­wand­lung).

Da der Ich-Er­zäh­ler na­men­los bleibt, ist es ver­füh­re­risch, ihn mit dem Au­tor gleich­zusetzen oder zu ver­wech­seln. Der Ort ist über­deut­lich Düs­sel­dorf (die Stadt Pe­ter Kür­tens, wie es ein­mal heißt) und mehr als nur Ku­lis­se (wie sich schon in der Be­zeich­nung »Düs-Tro­pi­en I« auf der er­sten Sei­te zeigt): Tau­send­füß­ler, Gleis­an­schluss Gather­hof, Haupt­bahn­hof Hin­ter­ein­gang, Für­sten­platz, Burg­platz, Bil­ker Al­lee, See­stern, Ecke Her­zog-/Cor­ne­li­us­stra­ße, Gu­stav-Poens­gen-Stra­ße, Ka­ro­lin­ger­stra­ße, etc. Wer will, kann auf ei­ner Kar­te Punk­te ma­chen, die­se ver­bin­den und er­hält ein Be­we­gungs­pro­fil. Ob­wohl: die wirk­lich wich­ti­gen Or­te blei­ben an­ge­deu­tet, et­wa die B‑Straße, G‑Straße oder K‑Straße – als gel­te es, die­se jung­fräu­lich zu er­hal­ten und dem Zu­griff des neu­gie­ri­gen Le­sers zu ent­zie­hen.

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