
Roberto Bolaño: Lumpenroman

Rupert ist ein bekannter Schriftsteller und schreibt Hörspiele. Marie beginnt mit dem Schreiben, veröffentlicht 1990 ihr erstes Buch. Er ist ein politischer Kopf, der mit RAF-Gefangenen korrespondiert und sich als Kommunist bezeichnet. Er hat eine manchmal enervierende Radikalität, schimpft auf den Kleinbürgerdreck anderer (und bei sich selbst) und zieht sich an kleinen Dingen hoch, wie beispielsweise am Trinken von Cola (seiner Frau bringt er sie dann doch vom Kiosk mit).
Verspätete Bemerkungen zu einer Pseudokritik über Stephan Thomes Buch »Grenzgang«
Stephan Thome hat einen Fehler gemacht. Er hatte sich in der Kulisse seines Heimatortes Biedenkopf für die Literaturbeilage der »Zeit« (Oktober 2009) fotografieren lassen (die Bilder sind nicht online). Eine Bildunterschrift lautet: »Stephan Thome lebt zwar gerade in Taiwan, geht hier aber im heimatlichen Biedenkopf für uns in die Hocke.« Jeder, der auch nur einen Funken Gefühl für Sprache hat, erkennt die verborgenen Invektiven. Zusammen mit der Rezension von Iris Radisch ergibt dies eine schwungvolle Denunziation des Romans »Grenzgang«.
LOSLABERN: Traktat, Traktat über den Tod, über Wahn, Sex und Text, und, erheitert von diesem soeben durch ihn hindurchgefahrenen Expressivitätsereignis: Bericht!, der Herbst 2008!... Eine grosse (großspurige?) Eröffnung. Dann: »loslabern« als ethischer Akt. Als neue Diskursform im Habermasien der Nullerjahre? Und natürlich auch gleich die »passende« literaturhistorische Selbsteinstufung: Ein richtig losgelaberter Text würde seine, dass man aber dann, ohne sich dabei zu unter; Finsternis: Steuer, Erwachsenenleben, Verantwortung, Einsicht, Vernunft; ENDHÖLLE. Verstanden? Nein? Macht nichts. »loslabern« ist eben auch zwangloses bzw. ‑haftes Absondern. (Das aber glücklicherweise eher selten.)
Vom Größenwahn wechselt Rainald Goetz dann bisweilen ins theatralische und geriert sich auch schon mal als der Gefangene. Aber tröstend für den Leser: Er meint wenig in diesem Buch wirklich Ernst. Hinter diesen Textkaskaden steckt (zu) oft (zu) wenig. Nur ab und an ist das anders, etwa wenn er Schirrmacher vorhält, die Seriosität des (FAZ-)Feuilletons drohe nachzulassen. Dann blitzt die Angst des Kindes hervor, seine Spielwiese zu verlieren. Denn Goetz weiß sehr wohl, was er an seiner Spielwiese hat.
Neben diesen Interaktionen unter den vier Kritikern (Telefon‑, Mail‑, Gesprächsaustausch), dem gelegentlichen Beäugen, den Idiosynkrasien, den Verletzungen, den Merkwürdigkeiten, den Sexualstellungen und –frequenzen – alles in einer Mischung zwischen Protokoll und Reportage aufbereitet – geht es natürlich auch um Literatur. Das Geschriebene bleibt die einzige Referenz für die Adepten, denn Archimboldi ist so phantomhaft wie im realen Leben sonst nur Thomas Pynchon.