Yel­low Fi­scher

Es war ein lau­er Som­mer­abend 1998. Die Pla­ka­te hat­te ich schon vor­her ge­se­hen. Wir schlen­der­ten am Rhein ent­lang und plötz­lich kam uns die Idee, die Rhein­ter­ras­sen zu be­su­chen. Josch­ka Fi­scher hielt dort ei­ne Wahl­kampf­re­de. Es be­gann mit dem Ka­ba­ret­tist Vol­ker Pis­pers, der ei­ni­ge Witz­chen über Kohl und des­sen (ma­ro­der) Re­gie­rung mach­te. Wir sehn­ten die Zeit her­bei, dass sol­che Wit­ze nicht mehr ge­macht wer­den konn­ten.

Dann kam er. Ha­ger, mön­chisch, fast ein biss­chen kränk­lich sah er aus. Er soll so­gar, flü­ster­te man sich zu, vor­her noch am Rhein ge­joggt ha­ben. 9/11 war noch sehr weit weg und au­sser­halb un­se­rer Vor­stel­lun­gen. Die Stim­me halb­wegs fest; der Wahl­kampf, »Ihr ver­steht«. We­ni­ge Wo­chen da­nach er­ken­nen wir Fi­scher beim An­tritts­be­such in Wa­shing­ton im Fern­se­hen kaum wie­der – in ed­lem Zwirn, die Kör­per­spra­che fast un­ter­wür­fig, gar ängst­lich; wie ein Gym­na­si­ast, der gu­ten Ein­druck bei dem rei­chen On­kel ma­chen möch­te. Hun­dert Jah­re spä­ter oder: Wie schnell geht das?

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Deutsch­lands Fa­mi­li­en­po­li­tik im Blind­flug

Kaum ein The­ma hat in den letz­ten Mo­na­ten die In­nen­po­li­tik so be­stimmt wie die de­mo­gra­fi­sche Ent­wick­lung Deutsch­lands und das »Aus­blei­ben« von Kin­dern. Das ging bis zur An­pran­ge­rung gan­zer Be­rufs- und Ge­sell­schafts­grup­pen. Die kon­ser­va­ti­ve Re­gres­si­on zur Fa­mi­lie und dem gän­gi­gen Fa­mi­li­en­bild der 50er Jah­re (mit­in­iti­iert bei­spiels­wei­se von Udo di Fa­bi­os »Kul­tur der Frei­heit« oder auch – klü­ger – von Schirr­ma­chers »Mi­ni­mum«) ging ein­her mit ei­nem (teil­wei­se na­tio­nal da­her­kom­men­den) Alar­mis­mus – als wä­re die Kri­sen­haf­tig­keit der So­zi­al­sy­ste­me mo­no­kau­sal er­klär­bar und lie­sse sich mit der blo­ssen Zu­füh­rung neu­er »Bei­trags­zah­ler« lö­sen. (Wo­her dann die Ar­beits­plät­ze kom­men sol­len, blieb in die­ser Dis­kus­si­on üb­ri­gens im­mer merk­wür­dig un­ter­be­lich­tet.)

In sei­nem lo­bens­wer­ten Ar­ti­kel »Po­ker­spie­le an der Wie­ge« de­cou­vriert Björn Schwent­ker nun die sta­ti­sti­schen (Fehl-)Methoden, die für die Po­li­tik die Grund­la­ge zu ih­rer neu­en Hin­wen­dung zur Fa­mi­lie füh­ren. Deutsch­lands Fa­mi­li­en­po­li­tik be­fin­det sich im Blind­flug – die Er­he­bung der Ge­bur­ten­zif­fern ist lücken­haft und geht teil­wei­se von fal­schen Vor­aus­set­zun­gen aus.

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Fran­cis Fu­ku­ya­ma: Schei­tert Ame­ri­ka? – Su­per­macht am Schei­de­weg

Francis Fukuyama: Scheitert Amerika? Supermacht am Scheideweg
Fran­cis Fu­ku­ya­ma: Schei­tert Ame­ri­ka? Su­per­macht am Schei­de­weg

Ei­nes vor­weg: Der deut­sche Ti­tel von „Ame­ri­ca at the cross­roads“ ist wie­der ein­mal Be­leg für den un­nö­ti­gen und pri­mi­ti­ven Alar­mis­mus, mit dem Ver­le­ger glau­ben, hö­he­re Ver­kaufs­zah­len er­zie­len zu kön­nen. „Ame­ri­ka am Schei­de­weg“ reicht nicht, es muss hei­ssen: Schei­tert Ame­ri­ka? – Su­per­macht am Schei­de­weg.

Auch die Er­war­tung, die vom Ver­lag ge­schürt und ge­le­gent­lich von Re­zen­sen­ten über­nom­men wur­de, näm­lich ei­ne „Ab­rech­nung“ des (ehe­ma­li­gen) „Neo­con“ (Neo­kon­ser­va­ti­ven) Fran­cis Fu­ku­ya­ma, Pro­fes­sor der Po­li­tik­wis­sen­schaf­ten, mit der Ad­mi­ni­stra­ti­on Bush, bleibt aus. Im gro­ssen und gan­zen kri­ti­siert der Au­tor nur ei­nen be­stimm­ten Aus­wuchs ei­ner von ihm im Kern durch­aus rich­tig emp­fun­de­nen Po­li­tik; da hel­fen auch al­le Di­stan­zie­run­gen (auch in In­ter­views) nicht; an den Kern­the­sen des Neo­kon­ser­va­tis­mus rüt­telt er nicht.

Im Ver­lauf des Bu­ches scheint sich sei­ne Kri­tik im­mer mehr auf den Irak­krieg der Bush-Ad­mi­ni­stra­ti­on zu fo­kus­sie­ren (und zu mo­no­po­li­sie­ren), wo­bei er selbst die­sen noch fast un­fall­haft dar­stellt und den Spiess ir­gend­wann schlicht­weg um­dreht: Die Kri­se des kol­lek­ti­ven Han­delns der in­ter­na­tio­na­len Staa­ten­ge­mein­schaft wur­de nicht, wie vie­le an­nah­men, von der Bush-Re­gie­rung ver­ur­sacht, son­dern von den Ver­ein­ten Na­tio­nen und je­nen Eu­ro­pä­ern, die im Rah­men der UNO Si­cher­heit ge­wäh­ren woll­ten.

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Pe­ter Slo­ter­di­jk: Falls Eu­ro­pa er­wacht

Peter Sloterdijk: Falls Europa erwacht
Pe­ter Slo­ter­di­jk: Falls Eu­ro­pa er­wacht

Der Es­say von Pe­ter Slo­ter­di­jk ist be­reits 1994 er­schie­nen und wur­de 2002 als Ta­schen­buch neu auf­ge­legt (al­ler­dings wohl nicht über­ar­bei­tet). Er­schreckend ist, dass er von sei­ner Ak­tua­li­tät – au­sser, dass Eu­ro­pa in­zwi­schen aus 25 Mit­glie­dern be­steht – nichts ein­ge­büsst hat.

In teil­wei­se aben­teu­er­lich-lu­zi­den hi­sto­ri­schen Al­le­go­rien er­zählt Slo­ter­di­jk von ei­nem Eu­ro­pa, wel­ches sich durch das Trau­ma von 1945 von der po­li­ti­schen Büh­ne im­pe­ria­ler Mäch­te erst ein­mal ver­ab­schie­den muss­te – ein­ge­zwängt zwi­schen den USA und der So­wjet­uni­on, sym­bo­li­siert durch die Be­sat­zung und Tei­lung Deutsch­lands. Aus dem ehe­ma­li­gen „Sub­jekt“ (ge­schei­ter­ter) wur­de für ein hal­bes Jahr­hun­dert ein halb­mün­di­ges Ob­jekt von Mos­kau­er und Wa­shing­to­ner Kal­kü­len. Slo­ter­di­jk prägt den Be­griff der Ab­sence da­für. In kur­zen Rück­blen­den be­legt er, dass Eu­ro­pa vom Rö­mer­reich über das „Hei­li­ge Rö­mi­sche Reich Deut­scher Na­ti­on“ über die be­gin­nen­de Welt­ko­lo­nia­li­se­rung ab spä­te­stens 1492 im­mer in Reichs- bzw. im­pe­ria­len Struk­tu­ren agier­te (frei­lich un­ter wech­seln­den Ägi­den) – gip­felnd in den Ka­ta­stro­phen der Na­tio­nal­staa­te­rei des 19. Jahr­hun­derts – lau­ter „klei­ne Rei­che“, die, als die Ko­lo­nien ver­teilt wa­ren, ge­gen­sei­tig über­ein­an­der her­fie­len, um ih­ren Vor­bil­dern nach­zu­ei­fern.

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Wolf­gang Koep­pen: Das Treib­haus

Wolfgang Koeppen: Das Treibhaus

Wolf­gang Koep­pen: Das Treib­haus

In An­be­tracht der jüng­sten Mer­kel-Re­de, in der die „trans­at­lan­ti­sche Freund­schaft“ wie­der be­schwo­ren wur­de, kam mir Wolf­gang Koep­pens Ro­man „Das Treib­haus“ von 1953 wie­der in Er­in­ne­rung – und auch die kon­ge­nia­le Ver­fil­mung von 1987 (ein­ge­rahmt mit je­weils ei­nem klei­nen In­ter­view mit dem da­mals be­reits über 80jährigen Au­tor).

Der Film be­ginnt mit ei­nem Re­de­aus­schnitt ei­ner Re­gie­rungs­er­klä­rung von Hel­mut Kohl, gip­felnd in dem Satz „Wir sind kei­ne Wan­de­rer zwi­schen Ost und West“ und eben­falls auf die Au­ssen- und Si­cher­heits­po­li­tik Ade­nau­ers re­kur­rie­rend („auf der Sei­te der Frei­heit“). Dann wird die Ge­schich­te des Ab­ge­ord­ne­ten Kee­ten­heuve er­zählt, der zur ent­schei­den­den De­bat­te nach Bonn an­reist. Es geht um das, was man „Wie­der­be­waff­nung“ nann­te. Als Koep­pen die­sen Ro­man 1953 her­aus­brach­te, wa­ren die Wei­chen ge­ra­de ge­stellt. Der Ro­man sorg­te für Auf­se­hen, da er ei­ne Sicht der Din­ge zeig­te, die man (1.) gar nicht se­hen woll­te und (2.) für ob­so­let hielt; Rück­blen­den gal­ten als hin­der­lich.

Koep­pen hat sei­nem Ro­man die who­le­sa­le nfl jer­seys po­li­ti­sche Di­men­si­on stets die der Per­son Kee­ten­heu­ves un­ter­ge­ord­net – so auch im In­ter­view mit dem Fil­me­ma­cher Pe­ter Goe­del. „Das Treib­haus“ sei, so Koep­pen sinn­ge­mäss, kein po­li­ti­sches Buch, son­dern ein Ro­man um die Ge­stalt des Ab­ge­ord­ne­ten Kee­ten­heuve; ei­nes „un­glück­li­chen Men­schen“, der es (!) „wie­der gut ma­chen will“.

Das ist na­tür­lich ei­ner­seits Ko­ket­te­rie – an­de­rer­seits aber auch durch­aus cheap jer­seys on­line ernst zu neh­men: Koep­pen sah sich als Po­et. Den­noch, die be­rühm­ten „drei Ro­ma­ne“ Koep­pens, die „Tri­lo­gie des Brun­nen Schei­terns“, („Tau­ben im Gras“, „Das Treib­haus“ und Alabilece?iniz „Tod in Rom“) al­le in­ner­halb kür­ze­ster Zeit in den 50er Jah­ren er­schie­nen, spie­geln, so un­ter­schied­lich ih­re Su­jets sind, doch im­mer nur ein The­ma: Die Bun­des­re­pu­blik der cheap nba jer­seys Re­stau­ra­ti­ons­zeit; das Ver­ges­sen der ge­ra­de erst zu En­de ge­gan­ge­nen Dik­ta­tur; die ver­geb­li­chen Ver­su­che, die Bun­des­re­pu­blik dau­er­haft ei­ner ir­gend­wie ge­ar­te­ten (sei sie auch noch so gut ge­mein­ten) Re­al­po­li­tik zu ent­zie­hen und das Schei­tern and der we­ni­gen Auf­rech­ten, die ei­nen „an­de­ren“ Staat woll­ten und sich ent­we­der zu ar­ran­gie­ren hat­ten oder in die Be­deu­tungs­lo­sig­keit zu ver­fal­len oder gar den Frei­tod zu wäh­len.

Kee­ten­heuve, Ly­rik­lieb­ha­ber (Cum­mings und Be­au­de­lai­re), der Exi­lant, bei Kriegs­en­de 39, der „oh­ne be­son­de­re An­stren­gung“ über cheap nba jer­seys ei­ne Son­der­re­ge­lung in den Bun­des­tag für die SPD (»die Op­po­si­ti­on«) ge­wählt wur­de, ist be­reits knapp vier Jah­re nach Grün­dung der Bun­des­re­pu­blik voll­kom­men des­il­lu­sio­niert.

Wür­de des Par­la­ments? Ge­läch­ter in den Schen­ken, Ge­läch­ter auf den Gas­sen. Die Laut­spre­cher hat­ten das Par­la­ment in die Stu­ben des Vol­kes ent­wür­digt, zu lan­ge, zu wil­lig war die Volks­ver­tre­tung ein Ge­sang­ver­ein ge­we­sen, ein ein­fäl­ti­ger Chor zum So­lo des Dik­ta­tors. Das An­se­hen der De­mo­kra­tie war ge­ring. Sie be­gei­ster­te nicht. Und das An­se­hen der Dik­ta­tur? Das Volks schwieg. Schwieg es in wei­ter­wir­ken­der Furcht? Schwieg es in an­häng­li­cher Lie­be? Die Ge­schwo­re­nen spra­chen die Män­ner der Dik­ta­tur von je­der An­kla­ge frei. Und Kee­ten­heuve? Er dien­te der Re­stau­ra­ti­on und rei­ste im Ni­be­lun­gen­ex­preß

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