Der Titel klingt eigentlich harmlos: »Der Knacks«. Und obwohl Roger Willemsen gleich am Anfang vom Sterben und Tod seines Vaters erzählt (er ist zu diesem Zeitpunkt 15 Jahre alt), entsteht zunächst der Eindruck einer Art feuilletonistisch-aphoristischen Phänomenologie. Die Sentenzen sind klingend, manchmal sogar luzide; gelegentlich fast zu schön. Aber immer weiter wird man in den ...
Horst Seehofer gab das Amt Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz auf, weil er Ministerpräsident in Bayern wurde. Zur Neubesetzung des Ministeriums in Berlin ein paar Zitate aus unseren Qualitätsmedien aus den letzten Tagen:
DIE ZEIT: Aigner ist über die Anfrage von Horst Seehofer, ob sie seine Nachfolge in Berlin antreten wolle, nach eigenem Bekunden zunächst »zusammengezuckt«. Sie habe »erst mal schlucken und nachdenken« müssen, sagte sie am Freitag im ARD-»Morgenmagazin«. »Aber mich freut das natürlich wahnsinnig, dass Horst Seehofer in mich das Vertrauen setzt.«
In den 70er Jahren wurde im deutschen Fernsehen die Serie »Catweazle« ausgestrahlt. Ein Zauberer – eben jener Catweazle – wurde vom 11. Jahrhundert in die 70er Jahre des 20. Jahrhunderts »versetzt«. Die Komik bestand darin, dass er all die uns selbstverständlich gewordenen Errungenschaften der Technik (Strom, Telefon, Autos) anfangs für Teufelszeug hielt, versuchte mit Zaubersprüchen zu bannen und später dann zur Magie erklärte.
Marcel Reich-Ranicki muss sich am Samstag bei der Gala zum Deutschen Fernsehpreis wie Catweazle gefühlt haben. Was dort für preiswürdig befunden wurde, hat ihm vermutlich einen Kulturschock grösseren Ausmasses beschert. Wie es heisst, wollte der für sein Lebenswerk preiswürdig empfundene Reich-Ranicki irgendwann einfach gehen. Damit er nicht zu sehr leiden musste, zog man seine Preisvergabe vor. Der Rest ist bekannt.
Günter Grass: Die Box
Den Ausweg, Günter Grass’ neues Buch »Die Box« in vorauseilender Milde mit den Werken der Vergangenheit des Schriftstellers zu verrechnen, hat die »ZEIT« dahingehend verpasst, dass sie mit Andreas Maier einen Rezensenten beauftragte, der nach eigener Aussage vorher noch kein Buch von Grass gelesen hatte. »Der Umblätterer« vermutet hier nicht zu Unrecht ein taktisches Vorgehen. In dem Maier offen mit seinem Nichtwissen kokettiert, sogar suggeriert, die Ahnungslosigkeit sei vorteilhaft für die Rezeption dieses Buches, wird dem Leser eine Art neuer, naiver, ja: unschuldiger Rezensentenblick vorgespielt. Was auf den ersten Blick originell erscheint, muss aber bei einer Person wie Grass und einem Buch wie die »Die Box« scheitern.
Denn (1.) ist Grass auch (und vor allem) eine politische Person und wird als solche in der Öffentlichkeit stärker wahrgenommen als über seine schriftstellerischen Werke. Die Urteile über Grass resultieren in den seltensten Fällen über das literarische Oeuvre, wie die Rezeption seines »Zwiebel«-Buches exemplarisch gezeigt hat. Und (2.) ist das Buch »Die Box« ohne Vorkenntnisse wenigstens einiger Bücher von Grass sehr viel schwieriger verstehbar. Schliesslich handelt es sich nicht um eine linear erzählte (Auto-)Biografie, sondern um ein dezidiert literarisches Projekt.
Fabjan Hafner: Peter Handke – Unterwegs ins Neunte Land
Mit seinem Buch »Peter Handke – Unterwegs ins Neunte Land« möchte Fabjan Hafner aufzeigen, dass das Slowenische bei Peter Handke mehr als nur eine Beschäftigung mit seinen Ahnen ist, sondern nichts weniger als ein Lebensthema , ja der Generalbaß im Gesamtwerk des Dichters. Slowenien ist Sehnsuchtsort, (s)ein Utopia sui generis und bukolisches Traumland. Die gesamte mütterliche Verwandtschaft Handkes gehörte der Minderheit der Kärntner Slowenen an. Besonders der Grossvater, Gregor Siutz (slowenisch: Sivec) und dessen gleichnamiger Sohn sind Lichtgestalten in Handkes Kindheit und Jugend und bleiben darüber hinaus prägend.
Hafner betont zwar wiederholt, dass Handke selber eine biografische Deutung seiner Erzählungen (insbesondere seiner Slowenien-Rekurse) ablehnt, konzidiert dann jedoch, dass die lebensgeschichtliche Lesart…ergiebiger sei als die intertextuelle. 1942 wurde Peter Handke in Altenmarkt (bei Griffen) in Südkärnten geboren. 1944 geht die Familie nach Berlin (in den Ostteil der Stadt); Handkes Stiefvater (es stellte sich für Handke erst später erst heraus, dass es sein Stiefvater war) kam aus Berlin. 1948 zurück, hat der kleine Handke das Slowenische vollkommen vergessen und spricht »hochdeutsch«, was im Dorf als abgehoben empfunden wird. Er kann sich mit den Einheimischen, wie auch dem Grossvater nur schlecht verständigen; ihren Dialekt versteht er nicht. Hieraus rührt – so Hafner – Handkes generelle Ablehnung des Dialekts gegenüber. Die Familie ist in mehrfacher Hinsicht »am Rand«, der junge Handke doppelt unzuhause: Geografisch bewohnt die Familie einen Hof am Dorfrand; es sind »einfache Verhältnisse«. Gesellschaftlich sind sie Kärntner Slowenen, also eine Minderheit, andererseits stammt der Mann der Mutter aus Deutschland. In der Familie dient (wie auch unter den »österreichischen Kärntnern«) das Slowenische als eine Art Geheimsprache.
Richard Hoffmanns 50. Geburtstag Ende November 1982 in Dresden – und die Familie, die Freunde, die Arbeitskollegen (einige davon »Genossen«) kommen zusammen; auch diejenigen, die man sonst selten oder nie sieht (es gibt Besuch aus Südamerika). Hoffmann ist Chirurg, seine Frau Anne (geborene Rohde) Krankenschwester. Sohn Christian ist 17 Jahre alt, Robert zweieinhalb Jahre jünger.
Die Vorbereitungen zu dieser Feier, dann die Feierlichkeiten selber (man erinnert sich an andere Bücher, die so beginnen), dem grossen und teuren Buffet (mit manch seltenen Zutaten), dem innigen Hauskonzert von Christian und Ezzo und Reglinde (den Kindern von Christians Onkel Niklas), den »Fehden« der Blas- und Streichinstrumentalisten. Festreden mit politisch eindeutigen oder mehrdeutigen Anspielungen. Überhaupt das Geplauder, die Dispute: man kurz nach dem Tod von Leonid Breschnew, die Spekulationen um den Nachfolger Andropow sind voll im Gange, in Deutschland hatte es Helmut Kohl geschafft und man hört von der Hoffnung, der Westen würde endlich dem »Neuen« härter entgegentreten. Die schroffe Ablehnung Hoffmanns der westdeutschen Ostpolitik gegenüber, die als Wandel durch Anbiederung verspottet wird – und die Gegenposition der Friedensbewegten. Das Zwischen-den-Zeilen-Lesen in den Wurst- und Käseeinwickelpapier[en] namens »Sächsische Neueste Nachrichten«, »Sächsisches Tageblatt« und, vor allem, »Sächsische Zeitung«.
Ida Jessen: Leichtes Spiel
Joachim, ein 40jähriger Junggeselle ist ein bisschen kauzig und zurückhaltend, Besitzer einer Eigentumswohnung mit einigen gehobenen Accessoires und verdient gut, ohne damit zu protzen. Eines Tages lernt er auf einer Geburtstagsparty eines Kollegen die etwas flippige Susan, eine Kindergärtnerin, kennen. Monate später begegnen sie sich erneut und verbringen – fast wider Erwarten – eine Nacht miteinander. Joachim lernt Susans neunjährige Tochter Ditte kennen und es entwickelt sich eine Liaison. Susan ist schnell schwanger und Joachim fiebert dem Ereignis der Geburt seines ersten Kindes entgegen. Susan und Ditte ziehen in Joachims grosse Wohnung; Susan wird Mitbesitzerin.
Aber schon sehr früh beginnt die Entzweiung. Erst kleine Meinungsverschiedenheiten. Dann bemerkt Joachim bei Susan Zeichen zunehmender Gereiztheit und Egozentrik, was er jedoch auf die Schwangerschaft schiebt. Ihre manisch-depressiven Schübe werden immer stärker; Joachim ist mit Susans aggressivem Verhalten und ihrer Rabulistik völlig überfordert.
Man sagt immer, Geschichte wiederhole sich nicht. Kann sein. Aber merkwürdigerweise hatte ich gestern inmitten dieses Tohuwabohus, welches die SPD bot, ein Déjà-vu-Erlebnis: Es erinnerte mich an die Ausrufung von Franz Josef Strauß als Kanzlerkandidaten im Jahr 1980. Helmut Kohl, 1976 gescheitert, danach von Strauß fast offen als unfähig beschimpft, konnte die Ambitionen von Strauß nur noch schwer zügeln. Er entschloss sich zur Flucht nach vorne und liess die Nominierung zu. Er kalkulierte die Niederlage von Strauß, der ausserhalb Bayerns insbesondere bei liberalen CDU-Wählern wenig Sympathien genoss, ein und dachte strategisch auf das Jahr 1984 (das es dann durch den Schwenk der FDP schon 1982 reichte, konnte er noch nicht wissen).
Der Abgang (c: Reuters)
Die Linken in der SPD konnten sich nicht durchsetzen und Kurz Kurt Beck hatte das ewige Brückenbauen wohl leid. Mit Steinmeier als Kanzlerkandidat und Müntefering als (designierten) Parteivorsitzenden geht nun die Schröder-Fraktion der SPD ins letzte Gefecht. Beck verschwand ein bisschen lafontainehaft durch den Hinterausgang und wird wohl immerhin Ministerpräsident in Rheinland Pfalz bleiben (der zweite Pfälzer der SPD, der scheitert).