Fak­tor 13

Las­sen wir ein­mal bei­sei­te, was an den Mel­dun­gen stimmt, dass es ein ge­hei­mes Waf­fen­ge­schäft zwi­schen Nord­ko­rea und dem Iran ge­ge­ben hat. In­ter­es­sant ist der Auf­ma­cher auf tagesschau.de (13.30 Uhr, 29. Au­gust 2009):

Tagesschau.de-Bild vom 29.08.2009, 13:30 Uhr

Tagesschau.de-Bild vom 29.08.2009, 13:30 Uhr

Die Kar­ten­aus­schnit­te der je­wei­li­gen Län­der sug­ge­rie­ren, dass bei­de Staa­ten ei­ne ähn­li­che Grö­sse ha­ben. Ein Blick auf die Fak­ten zeigt aber et­was an­de­res:
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Hu­ber­tus Buch­stein: De­mo­kra­tie und Lot­te­rie

Hubertus Buchstein: <br />Demokratie und Lotterie

Hu­ber­tus Buch­stein: De­mo­kra­tie und Lot­te­rie

Der Un­ter­ti­tel macht neu­gie­rig: »Das Los als po­li­ti­sches Ent­schei­dungs­in­stru­ment von der An­ti­ke bis zur EU« heißt es da. Das Los als Ent­schei­dungs­in­stru­ment kennt man eher im Sport. So wer­den in Fuß­ball­wett­be­wer­ben Spiel­paa­run­gen zu­ge­lost, wenn nicht je­der ge­gen je­den spie­len soll. Meist wird es mit ei­ner Mi­schung zwi­schen not­wen­di­gem Übel und will­kom­me­ner Un­ge­wiss­heit be­trach­tet. Der Zu­falls­cha­rak­ter wird ins­be­son­de­re von den ver­meint­lich bes­se­ren Mann­schaf­ten als wett­be­werbs­ver­zer­rend emp­fun­den, da schwä­che­re Mann­schaf­ten durch ent­spre­chen­des »Los­glück« be­gün­stigt wer­den kön­nen; die Flos­kel vom »schwe­ren« oder »leich­ten« Los macht dann oft die Run­de. Das Wei­ter­kom­men in ei­nem Wett­be­werb wird un­ter Um­stän­den nicht mehr al­lei­ne der Lei­stung (im Sieg über die zu­ge­lo­ste Mann­schaft) gut­ge­schrie­ben.

Aber wä­re es mit un­se­rem Ver­ständ­nis in Über­ein­stim­mung zu brin­gen, po­li­ti­sche Ent­schei­dun­gen min­de­stens teil­wei­se über Los­ent­schei­dun­gen vor­neh­men zu las­sen? Ist nicht der Sta­tus des Ge­wähl­ten für ei­nen Amts­trä­ger erst DIE Le­gi­ti­ma­ti­ons­ba­sis über­haupt? Wie wür­de ein »aus­ge­lo­ster« Ab­ge­ord­ne­ter, Rich­ter oder Bür­ger­mei­ster ak­zep­tiert wer­den? Geht es über­haupt dar­um, die Wahl durch das Los zu er­set­zen? Oder könn­ten Los­ent­schei­dun­gen nur flan­kie­ren­de Maß­nah­men zur ra­sche­ren Aus­wahl von Ent­schei­dungs­trä­gern dar­stel­len? Wor­in könn­ten die Vor­tei­le ge­gen­über den bis­he­ri­gen Ver­fah­ren lie­gen? Wei­ter­le­sen

»Es gibt kei­ne Idyl­len in die­ser Welt. Nir­gend­wo.«

Schö­nes In­ter­view mit Pe­ter Hand­ke in den »Salz­bur­ger Nach­rich­ten« (SN):

SN: Wünsch­ten Sie sich, manch­mal et­was ober­fläch­li­cher wahr­ge­nom­men zu wer­den?

Hand­ke: Ja, Sie ha­ben recht. Ich würd’ mir wün­schen, dass ei­ni­ge mei­ner Stücke als Bou­le­vard stücke wahr­ge­nom­men wer­den.

SN: Pas­siert aber nicht. Viel­leicht auch, weil Sie ja so ein Art Hei­lig­keit um­gibt, der Dich­ter jen­seits von je­dem, der im Wald um Pa­ris Schwam­merl sucht, sich manch­mal pro­vo­kant zu Wort mel­det. Das ist doch nicht schön, nur so – als Schwie­ri­ger – wahr­ge­nom­men zu wer­den.
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Jo­chen Schim­mang: Das Be­ste, was wir hat­ten

Ein fu­ri­os-me­lan­cho­li­scher, manch­mal sen­ti­men­ta­ler Be­ginn. Gre­gor Korff, 1948 ge­bo­ren, durch­schrei­tet in Ge­dan­ken sei­ne Kind­heit und Ju­gend. Vom Vor­harz ins Frie­si­sche ge­kom­men, für sei­ne Mit­schü­ler mit ei­nem Ge­heim­nis [ausgestattet]…das er gar nicht hat­te, ent­wickelt sich ei­ne Freund­schaft zu Nott (der spä­ter ein An­walt in der links­al­ter­na­ti­ven Sze­ne wird). Man rich­tet sich heim­lich ei­ne al­te, bau­fäl­li­ge Hüt­te ein, be­schäf­tigt sich mit den Beat­les und dem Profu­mo-Skan­dal (vor al­lem mit Chri­sti­ne Kee­ler), hat kurz­fri­stig Re­spekt vor dem bri­ti­schen Post­räu­ber Biggs, re­zi­tiert Beckett (den man nur teil­wei­se ver­steht), spielt Schach und lässt ir­gend­wann zwei Schwe­stern (die Füch­sin­nen) ins Re­fu­gi­um hin­ein (und Gre­gor er­in­nert sich an Re­ni Fuchs und sei­ne auf­kom­men­de Lust).

Jochen Schimmang: Das Beste was wir hatten

Jo­chen Schim­mang: Das Be­ste was wir hat­ten

Dann die Stu­den­ten­zeit in Ber­lin (der seit Schul­aus­flug­ta­gen un­ge­lieb­ten Stadt), die (Zufalls-)Bekanntschaft mit Lea (im Raum des Mög­li­chen hät­te ja ein­gangs der Par­ty durch­aus auch ei­ne an­de­re Blick­rich­tung ge­le­gen), da­durch Ge­folg­schaft und Funk­ti­on in ei­ner K‑Gruppe. An­fang der 70er Jah­re geht Lea in den Un­ter­grund (er hört nie mehr von ihr). Die Fuss­ball­trup­pe der PL/PI (»Pro­le­ta­ri­sche Linke/Parteiinitiative«) bleibt noch, die­se selt­sa­me Trup­pe von Träu­mern und Ver­spreng­ten; für die Au­gen­blicke des Spiels schei­nen al­le Pro­ble­me und Dif­fe­ren­zen ge­tilgt. Hier lernt er Leo Mürks ken­nen (das Hein­rich-Böll-Ge­sicht), der nach Köln ging (und Uli Goer­gen [spä­ter Pro­fes­sor] und Carl Schel­ling). Der kom­mu­ni­sti­sche Or­den ver­liert trotz des Fuss­balls schnell sei­nen Reiz; der schlei­chen­den In­fil­tra­ti­on wi­der­steht er, schreibt ei­nen Ab­schieds­brief, ver­lässt Ber­lin und geht »in den We­sten« zu­rück.
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S. U. Bart: Good­bye Bis­marck

»Die über­grei­fen­de Ver­bin­dungs­li­nie von 1871 und 1990, al­so von na­tio­na­ler Ver­ei­ni­gung und Wie­der­ver­ei­ni­gung, fand schließ­lich in Ham­burg ih­ren sinn­fäl­li­gen Aus­druck in Form ei­nes eph­eme­ren Denk­mals be­son­de­rer Art: Ein ‘Kom­man­do Hei­ner Geiß­ler’ aus der au­to­nom-al­ter­na­ti­ven Sze­ne hat­te des Nachts dem Bis­marck-Denk­mal von Le­de­rer ei­nen Hel­mut Kohl-Kopf über­ge­stülpt und so die deut­schen Ei­ni­gungs­kanz­ler zur hi­sto­ri­scher Ein­heit ver­schmol­zen.« Die­ses Zi­tat stammt aus dem Auf­satz »Trup­pen­tri­umph und Kai­ser­kult – Eph­eme­re In­sze­nie­run­gen in Ham­burg« von Ro­land Jae­ger aus dem Buch »Mo(nu)mente« (her­aus­ge­ge­ben von Mi­cha­el Diers). Jae­ger nimmt Be­zug auf ein wah­res Er­eig­nis: tat­säch­lich wur­de an­läss­lich der Ver­ei­ni­gungs­fei­ern am 3. Ok­to­ber 1990 dem Kopf Bis­marcks ei­ne Hel­mut Kohl-Mas­ke über­ge­stülpt.

S. U. Bart: Goodbye Bismarck

S. U. Bart: Good­bye Bis­marck

Zwei­fel­los ein Hu­sa­ren­stück (das Denk­mal ist über 30 Me­ter hoch!), hier ver­stan­den als kurz­le­bi­ges Kunst­ob­jekt mit po­li­ti­scher In­ten­ti­on. Es ist die Grund­la­ge für Ste­pha­nie Barts Ro­man »Good­bye Bis­marck« (nun ja, der Nach­klang zu »Good­bye Le­nin« ist wohl durch­aus ge­wollt). Klu­ger­wei­se weist die Au­torin (die S. U. Bart ge­nannt wer­den möch­te) am An­fang dar­auf hin, dass es sich zwar um »nack­te, sau­ber re­cher­chier­te Tat­sa­chen« han­de­le von de­nen sie je­doch »man­che mit Macht und Be­dacht ver­dreht ha­be«. Und glück­li­cher­wei­se sind wohl ei­ni­ge »Er­fin­dun­gen« dar­un­ter, »die we­der mit den Wahr­hei­ten noch mit den Wirk­lich­kei­ten von da­mals ir­gend­et­was zu tun ha­ben«.
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Vi­deo­wän­de und Spa­ghet­tie­ssen

Da­ni­el Kehl­manns Re­de bei der Er­öff­nung der Salz­bur­ger Fest­spie­le. Das Pu­bli­kum ver­mag den Eklat ge­ra­de noch weg­zu­la­chen. Kehl­mann spricht von sei­nem Va­ter Mi­cha­el Kehl­mann, ei­nem Thea­ter­re­gis­seur, der sich dem in den 70er Jah­ren auf­kom­men­den Trend des »Re­gie­thea­ters« wi­der­set­ze und sich aus­drück­lich als Die­ner der Au­toren ver­stand, et­was was da­mals als per se re­ak­tio­nä­res Un­ter­fan­gen galt. Er ging un­ter in ei­nem Kli­ma der Re­pres­si­on, in der Ab­wei­chung ge­äch­tet ist.

Das Re­gie­thea­ter heu­te sei zum Pri­vat­ver­gnü­gen folg­sa­mer Pil­ger de­ge­ne­riert und ha­be sich weit­ge­hend von Stück und Au­tor ent­fernt. Die Fol­ge sei: Die Au­toren hiel­ten sich zu­rück.

Statt­des­sen im­mer das Glei­che, so Kehl­mann, aus­län­di­sche Freun­de zi­tie­rend: Vi­deo­wän­de und Spa­ghet­tie­ssen, ver­schmier­te Schau­spie­ler, die dau­ernd her­um­schrei­en. Ob dies, so süf­fi­sant ein­ge­streut, staat­lich vor­ge­schrie­ben sei, frag­ten die Freun­de. Kehl­mann dia­gno­sti­ziert ein fa­ta­les Bünd­nis zwi­schen Kitsch und Avant­gar­de, wo­bei er hier lei­der ein biss­chen un­ge­nau wird in sei­ner an­son­sten fei­nen Re­de, denn Avant­gar­de ist das nicht mehr, son­dern nur noch Si­mu­la­ti­on von dem, was die­se be­mit­lei­dens­wer­ten Pseu­do-Re­gis­seu­re für Avant­gar­de hal­ten.
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Da­vid Wro­blew­ski: Die Ge­schich­te des Ed­gar Saw­tel­le


David Wroblewski: Die Geschichte des Edgar Sawtelle

Da­vid Wro­blew­ski: Die Ge­schich­te des Ed­gar Saw­tel­le


Zwei Vor­be­mer­kun­gen:

1. Das dem Ver­fas­ser die­ser Be­spre­chung vor­lie­gen­de Le­se­ex­em­plar sei ein »un­kor­ri­gier­tes Vor­aus­exem­plar«, wie der Ver­lag auf Sei­te 1 schreibt und man bit­tet hier­aus nicht zu zi­tie­ren. Die­sem Wunsch wur­de nicht statt­ge­ge­ben, denn es liegt we­der ein an­de­res Ex­em­plar vor – und grund­sätz­li­che Ver­än­de­run­gen dürf­ten nicht zu er­war­ten sein. Die Zi­ta­te sind kur­siv ge­setzt und müs­sen un­ter dem Vor­be­halt des oben ge­sag­ten be­trach­tet wer­den.

2. Das En­de des Bu­ches ist über­ra­schend und poin­tiert. Es wird in die­ser Be­spre­chung ver­wen­det und im ent­spre­chen­den Ab­schnitt ist ei­ne Spoi­ler­war­nung aus­ge­spro­chen. Das Buch ist oh­ne den Schluss nicht zu be­wer­ten. In­so­fern kann auf ei­ne Be­rück­sich­ti­gung des Span­nungs­er­halts kei­ne Rück­sicht ge­nom­men wer­den.


Wisconsin/USA, 1950er Jah­re. Gar und Tru­dy Saw­tel­le züch­ten Hun­de, set­zen die Ar­beit von Gars Groß­va­ter John fort. Es kommt ihm da­bei we­ni­ger auf hoch­ge­züch­te­te Blut­li­ni­en als auf den Cha­rak­ter der Tie­re an. Pe­ni­bel sucht Gar nach sei­nen ei­ge­nen, spe­zi­el­len Kri­te­ri­en Hun­de aus und scheut da­bei nicht auch au­ßer­ge­wöhn­li­che Kreu­zun­gen, die von den »nor­ma­len« Züch­tern ver­pönt sind. Er hat ei­nen Plan, bil­det die Hun­de aus, will ih­ren Cha­rak­ter im Trai­ning her­vor­ho­len und for­men (er lehnt das Wort Dres­sur ab und legt Wert dar­auf, dass man mehr züch­tet als nur gut dres­sier­te Pro­me­na­den­mi­schun­gen). Die Ent­wick­lun­gen der Tie­re wer­den akri­bisch do­ku­men­tiert. Nach an­dert­halb Jah­ren wer­den sie für 1500 Dol­lar ver­kauft. Die Do­ku­men­ta­ti­on geht wei­ter; Gar be­fragt die Be­sit­zer re­gel­mä­ßig und zieht hier­aus Schlüs­se für sei­ne wei­te­re Zucht.
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Erich Loest: Lö­wen­stadt

Erich Loest: Löwenstadt

Erich Loest: Lö­wen­stadt


»Lö­wen­stadt« ist Erich Loests Über­ar­bei­tung und vor al­lem Fort­schrei­bung sei­nes 1984 ver­öf­fent­lich­ten Ro­mans »Völ­ker­schlacht­denk­mal«. Am 6. Ju­li 1982 wird Fre­di Lin­den in ei­ne Stas­ik­laps­müh­le bei Leip­zig ein­ge­lie­fert. Lin­den, ge­lern­ter Spreng­mei­ster (Mei­ster­li­ches Spren­gen hat Sanf­tes an sich), von sei­nem Be­ruf seit Jah­ren be­reits sus­pen­diert und zu­letzt Pfört­ner am Denk­mal wird ver­däch­tigt, dass Völ­ker­schlacht­denk­mal spren­gen zu wol­len, in ei­nem (ge­heim­nis­vol­len) Flucht­stol­len von Män­nern in gel­ben Over­alls ge­stellt und fest­ge­nom­men (und er be­haup­tet hart­näckig, kurz vor­her ei­nen Raum mit Schalt­ta­feln ent­deckt zu ha­ben).

Das Völ­ker­schlacht­denk­mal, von Lin­dens Va­ter Fe­lix mit er­baut und ex­akt in Fre­dis Ge­burts­jahr fer­tig­ge­stellt und ein­ge­weiht, wird Dreh- und Treff­punkt in den Er­zäh­lun­gen des Be­schul­dig­ten; man be­kommt den Ein­druck, er ken­ne je­den der sechs­und­zwan­zig­tau­send­fünf­hun­dert Gra­nit­werk­stücke, je­den Ge­heim­weg und je­den Stol­len in die­sem La­by­rinth – ober- wie un­ter­ir­disch (was ihn nicht un­ver­däch­ti­ger macht). Wei­ter­le­sen