Wolfgang Welt (1952 bis 2016) besaß viele Talente. Er hatte ein photographisches Gedächtnis, erinnerte sich Jahrzehnte später noch genau, wann er was mit wem gemacht (oder nicht gemacht) hatte, konnte wilde Assoziationsketten konstruieren, entdeckte Verbindungen von Musikern, Produzenten, Sängern, Mentoren, wusste wer mit wem welchen Song aufgenommen, gesampelt oder auch nur interpretiert hat wer im Background war oder, noch interessanter, wer nicht und warum. Er war ein lebendes Rock’n’Roll-Lexikon, kam ins Schwärmen über das, was Bob Dylan die »ganz ursprüngliche Musik« nannte, die Musik der 1950er und 60er Jahre, an der Spitze Buddy Holly und die Beatles, aber natürlich auch Bob Dylan, der wie ein Geist durch Welts Musikkosmos weht, über den er aber direkt erst 1991 einen Text schreibt, ein sprudelnder Hymnus auf typischem Welt-Niveau, der am Ende Buddy Hollys Todestag, den 3. Februar 1959, zum musikalischen Intitiationstag von Bob Dylan ausmacht, der drei Tage vor Hollys Tod auf dessen letztem Konzert gewesen war.
Nur eines war dieser Wolfgang Welt – Kürzel: WoW – nicht: eine »Edelfeder«. Sein Schreiben war eher Marke »abgekauter Kugelschreiber«, radikal subjektiv, bisweilen hart, teilweise vulgär (mindestens aus heutiger Sicht), aber nie ungerecht. Naja, fast nie. Das Ich als Instanz wählte er sehr früh und setzte es immer durch. Martin Willems, der im Heinrich-Heine-Institut in Düsseldorf den Nachlass von Wolfgang Welt umsichtig und kenntnisreich verwaltet (und im Frühjahr eine großartige Wolfgang-Welt-Nacht auf Deutschlandfunk Kultur präsentierte), hatte dessen Texte zu Musik und Literatur 2012 im Klartext-Verlag unter dem Titel »Ich schrieb mich verrückt« herausgegeben. Dieser Band ist lange vergriffen. Nun also eine Neuauflage mit vielen Ergänzungen. Man kann ihm und dem Verlag Andreas Reiffer nicht genug danken, dass nun eine um auch bisher unveröffentlichte Texte erweiterte Textsammlung herausgebracht wurde (kleiner Wermutstropfen: in neuer Rechtschreibung), unter anderem mit seinem meiner Meinung nach schönsten »fiktionalen» Text, dem Romanfragment »Pannschüppe«, die dem zweiten Band gleich den Namen gab.
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