Christian Krachts neuer Roman Air beginnt in Stromness auf den Orkney-Inseln. Dort lebt Paul. Er ist Innenausstatter (»Home Stager«), kümmert sich, warum auch immer, um eine einäugige Katze, liest gerne ein Zeitgeist-Magazin und hat ein Bild von James Archer mit Merlin und Ritter Lancelot an der Wand hängen, das ihm der Herzog von Cumberland geschenkt hatte, weil er für dessen Salon im Jagdschloss ein ganz spezielles Rot gefunden hatte. Danach kamen dann Aufträge aus allen Regionen. Paul wirkt ein bisschen gelangweilt, selbst das Polarlicht hat seinen Zauber verloren. Er hadert mit Stromness, schwärmt für ein Haus auf der Insel Jura, »Barnhill« genannt, weit weg von jeglicher Zivilisation, das er nur von Bildern kennt«. Immerhin lernt der Leser die einzige Bäckerei von Stromness kennen. Er erhält eine Einladung nach Stavanger. Dort möchte man, das er das perfekte Weiß erfindet. Er fährt hin. Die Kapitel mit Paul sind mit ungeraden, römischen Zahlen überschrieben.
Ildr ist neun Jahre alt, lebt mit einer einäugigen Eule in einem nicht näher definierten Land in einer vormodernen Zeit. Die Mutter ist am »Gelben Tod« gestorben, der Vater unterwegs, das Leben ist hart. Manchmal muss sie jagen, mit Pfeil und Bogen, so auch heute. Statt eines Rehs hat sie allerdings einen Mann getroffen. Sie ist entsetzt, nimmt den Fremden mit. Man entfernt den Pfeil, Ildr näht die Wunden zu und gibt dem Mann von seinem weißen Pulver. Als Soldaten des Herzogs von Tviot an ihre Tür klopfen und nach einem fremden Mann fragen, lügt sie diese an. Der Mann wird gesucht; er soll ein Erfinder sein, ein Magier. Die Kapitel mit Ildr und dem Fremden sind mit geraden, römischen Zahlen überschrieben.
In Stavanger trifft Paul seinen Auftraggeber. Es sei ein gut bezahlter Auftrag, sagt ihm der etwas chaotische, fingernägelbeißende Kettenraucher Cohen. Paul soll sofort mit dem Taxi zu einem etwas außerhalb gelegenen Rechenzentrum fahren und sich die riesigen Clouds dort ansehen. Er möchte, dass dort alles weiß gestrichen wird, aber ein diesen Räumlichkeiten adäquaten Weiß. Paul ist bei der Ankunft beeindruckt von diesem riesigen »Aufbewahrungszentren des Gedächtnisses der Menschheit«.
Nachdem Ildr mit der Keramikpistole des Fremden drei Soldaten getötet hatte, machen sich die beiden auf den Weg nach Süden. Es wird ein wildes Flüchten, Verirren und Suchen inklusive Meteoriteneinschlag mit kurzfristigem Sandsturm.
Während Paul noch in Rechenzentrum über die Trillionen von Bildern, die dort gespeichert sind, philosophiert, sie förmlich körperlich zu spüren scheint, gibt es einen Sonnensturm, der wenig später dafür verantwortlich ist, dass der Strom für kurze Zeit ausfällt. Als die Lichter wieder angehen, ist Paul verschwunden. Spurlos. Und Cohen begibt sich auf die Suche.
Ildr und der Fremde erreichen nach endlosen Märschen eine äußerlich lebensfeindliche Landschaft ohne Bäume, Vögel, Tiere. Dort leben Menschen »in Frieden« »zwischen der Steinwüste und dem Meer«, die angeben, in ihren Träumen »die Wahrheit« zu sehen. Der Herzog und seine Truppen waren hier nie. Sie heißen Ut oder Reidh und sind gastfreundlich zu Ildr und dem Fremden. Sie leben ausschließlich aus dem Meer, teilen alles, »alles gehört allen«, sie schlafen in Sälen. Der Fremde spürt derweil eine »Verflachung der Welt«.
Längst weiß er der Leser, wer dieser Fremde ist. Christian Kracht muss nur noch im bisweilen arg ruckigen Zeitmaschinen-Plot Cohen in die Steinwüste unterbringen und dann ist das Setting für einen tollen finalen Kampf Gut gegen Böse ist perfekt. Air ist ein Soufflé aus Zivilisationskritik, nordischer Mythologie, überbordendem Schlachtengetöse (mit massenweise Toten) und Fantasy, leicht zu lesen, wenn man keine Fragen stellt. Die Unterbringung möglichst vieler literarischer Verweise ist ermüdend. Kracht vertraut schlicht darauf, dass die Kritik darauf anspringt. Keine Sorge: sie wird.