Sport­un­ter­richt

A.d.L.e.R: Aus dem Le­ben ei­ner Rik­scha­fah­re­rin – Nr. 4

Ich hat­te da­mals vom li­ba­ne­si­schen Kol­le­gen ge­lernt, dass es hilf­reich und gut ist, die Er­war­tun­gen der Kun­den zu be­stä­ti­gen, denn wer recht hat fühlt sich wohl. Die­se Er­kennt­nis nutz­te ich für ei­ne je­ner Fra­gen, die uns sehr oft ge­stellt wer­den, und die uns nicht amü­sie­ren, näm­lich für die Fra­ge, was man denn sonst noch so tä­te. Da die mei­sten glau­ben, wir al­le tä­ten sonst noch so stu­die­ren, und da vie­le ein schlech­tes Ge­wis­sen we­gen un­se­rer kör­per­li­chen An­stren­gung ha­ben, ent­schied ich kur­zer­hand, mich zum Woh­le der Kund­schaft als Sport­stu­den­tin aus­zu­ge­ben. Und dann stie­gen ei­nen Tag vor dem Ma­ra­thon ei­ne jun­ge Frau En­de Zwan­zig und ihr On­kel bei mir ein. Wir fuh­ren Rich­tung Reichs­tag auf dem Gro­ßen Weg durch den Tier­gar­ten. Wir kreuz­ten die Gro­ße Stern­al­lee, je­ne im Som­mer von aus­la­den­den Bäu­men zu­ge­wach­se­ne Sicht­ach­se auf die Sie­ges­säu­le, als der On­kel frag­te:

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Bür­ger­krieg

A.d.L.e.R: Aus dem Le­ben ei­ner Rik­scha­fah­re­rin – Nr. 3

In der Sai­son 2002 hat­ten wir ei­nen ara­bi­schen Kol­le­gen, der aus dem Li­ba­non kam. Da­mals war die Li­ste der At­ten­tä­ter vom 11. Sep­tem­ber noch ganz frisch in den Köp­fen: al­les Ara­ber, ei­ner da­von aus dem Li­ba­non. Aber das war ver­mut­lich nicht das Pro­blem, als wir an ei­nem Sams­tag­mit­tag vorm Ein­gang des Ka­De­We stan­den, wo die Mensch­heit zum Ein­kau­fen wu­sel­te. Der Kol­le­ge saß auf dem halb knie­ho­hen Tritt­brett sei­nes Fahr­zeugs und las Zei­tung, (er war der Letz­te in der Rei­he), und ich sah ein et­was äl­te­res Ehe­paar her­an­kom­men, das mich an Rei­se­ka­ta­lo­ge der Fünf­zi­ger Jah­re er­in­ner­te. Ich sah, wie das Ehe­paar auf ihn zu ging und vor ihm ste­hen blieb. Der Kol­le­ge fal­te­te so­fort die Zei­tung zu­sam­men. Das Ehe­paar re­de­te ihn an mit der Fra­ge: »Wo­her kommst Du?« und zeig­te da­bei mit dem Kinn auf ihn.

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Der 20. Ju­li

A.d.L.e.R: Aus dem Le­ben ei­ner Rik­scha­fah­re­rin – Nr. 2

Wir ha­ben 28 Grad, ei­ne hauch­fei­ne Bri­se und ein paar Zier­wölk­chen im Him­mel. Ich ha­be zwei Da­men die Lin­den her­auf­ge­bracht, fah­re durchs Bran­den­bur­ger Tor hin­durch und fin­de den Platz auf der an­de­ren Sei­te, na­ment­lich: den »Platz des 18. März«, (an dem die »Stra­ße des 17. Ju­ni« be­ginnt), ab­ge­sperrt mit rot­wei­ßen Git­tern, hin­ter de­nen al­le fünf Me­ter Po­li­zi­sten und Po­li­zi­stin­nen in schuss­si­che­ren We­sten ste­hen, um die Ab­sper­rung zu si­chern. Un­ter den Bäu­men auf der nord­west­li­chen Sei­te Ein­satz­fahr­zeu­ge der Po­li­zei, eins ne­ben dem an­de­ren, ei­ne Wa­gen­burg ums Ge­löb­nis her­um. Öf­fent­li­ches Ge­löb­nis der Re­kru­ten un­ter Aus­schluss der Öf­fent­lich­keit. Weit­räu­mi­ge Ab­sper­run­gen, Si­cher­heits­zo­nen, Zu­fahr­ten. Von der Ecke Behrenstraße/Ebertstraße, über die nörd­li­che Tier­gar­ten­hälf­te bis zum Bahnof rauf: Al­les dicht.

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Ich ha­be Gün­ter Grass ge­se­hen

A.d.L.e.R: Aus dem Le­ben ei­ner Rik­scha­fah­re­rin – Nr. 1

Letz­tes Jahr ha­be ich Gün­ter Grass ge­se­hen, als ich am Pa­ri­ser Platz mit der Rik­scha auf Kund­schaft war­te­te. In Cord­samt ge­klei­det und Pfei­fe rau­chend kam Grass aus der Aka­de­mie der Kün­ste, ging in Rich­tung Un­ter den Lin­den und war da­bei mit ei­nem an­de­ren Herrn tief in ein Ge­spräch in­vol­viert. Grass ging sehr lang­sam, die gei­sti­ge An­stren­gung zwang ihn, hin und wie­der ste­hen zu blei­ben. Wäh­rend sein Ge­sprächs­part­ner an sei­nen Lip­pen hing, hin­gen Grass’ Schul­tern nach un­ten her­ab. Ich er­wog, Grass an­zu­spre­chen: »Herr Grass, darf ich Sie bit­ten, ge­wäh­ren Sie mir die Eh­re, Sie ein Stück des Wegs mit der Rik­scha zu fah­ren?« Grass hät­te dann in ei­ner sol­chen Rik­scha ge­ses­sen, wie sie in der Ver­fil­mung sei­ner Er­zäh­lung »Un­ken­ru­fe« zum Ein­satz ge­kom­men ist, und ich hät­te al­le mei­ne Kol­le­gen in un­se­rem in­ter­nen Pro­mi-Fahr­gast-Wett­be­werb haus­hoch aus­ge­sto­chen. Al­ler­dings wä­ren kon­tro­ver­se Dis­kus­sio­nen mög­lich ge­we­sen an­ge­sichts solch pro­mi­nen­ter Fahr­gä­ste wie ... und ge­ra­de, als ich dies dach­te, blieb Grass, der nun ge­nau auf mei­ner Hö­he war, aber­mals ste­hen.

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Kai­ser­quar­tett

Als Hel­mut Kohl ans Ru­der ge­wählt wur­de, wir wa­ren da­mals so et­wa 17 Jah­re alt, stieg der Trom­pe­ter un­se­rer Schü­ler­band auf das Dach sei­nes Hau­ses und spiel­te das Kai­ser­quar­tett in Moll. Un­se­re Schü­ler­band war die cool­ste Schü­ler­band al­ler Zei­ten, und das Kai­ser­quar­tett in Moll wur­de ein recht­schaf­fe­ner Kat­zen­jam­mer.

Die El­tern des Trom­pe­ters wa­ren bei der ört­li­chen SPD-Ver­an­stal­tung, und wir al­le hat­ten uns des­halb bei ihm ge­trof­fen. Nach der Be­kannt­ga­be des Wahl­er­geb­nis­ses im Fern­se­hen war er ein­fach oh­ne was zu sa­gen in sein Zim­mer rü­ber ge­gan­gen, hat­te die Trom­pe­te ge­nom­men und war aufs Dach ge­stie­gen. Na­tür­lich dach­ten wir zu­erst, dass er aufs Klo oder noch Chips aus der Kü­che ho­len wol­le, aber dann hör­ten wir ihn auf der Trep­pe. Sei­ne klei­ne Schwe­ster schrie so­fort: »Wo gehstn du hin?!!!«.

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