oder: Wie ethische Werte in der Desinformationsgesellschaft zerbröseln
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Ich entnehme diesen Überlegungen, die nichts anderes sind als Feststellungen des Offensichtlichsten (über das man nach wie vor wenig spricht), zwei Punkte, die ich ein wenig weiterspinnen will. Erstens, auf den Pornoseiten und den sogenannten Gesellschaftsseiten, in den social networks, wie es euphemistisch heißt, kann man Amateuraufnahmen von Amateurspielern sehen, doch bei weitem nicht in so großer Zahl, dass sie neben dem professionellen Pornogeschäft ins Gewicht fallen. Es ist dies ein Zeichen dafür, das öffentlicher und privater Bereich auch auf der intimsten Ebene nicht mehr getrennt sind. Eine nicht unbedeutende Rolle dafür spielt die Tatsache, dass Reproduktionsinstrumente, also Kameras aller Art, heute infolge technischer Entwicklungen, der allgemeinen Konsumgier und des faktischen Wohlstands für jedermann zugänglich sind. Jeder kann ständig Abbildungen von sich und seinen Nächsten machen und übertragen und tut es auch. Ein Kind, das kein Handy mit Fotoapparat besitzt, kann neben seinen Freunden nicht bestehen. Ein Kind ohne Internetanschluss kann auch nicht bestehen. Mimesis, Spiegelung, ist ein Massenphänomen und eine Massenzwangsneurose geworden. Zugleich können bei weitem nicht alle Personen vor den Schönheits- und Geilheitsidealen bestehen. Es findet eine Auslese statt. Die dabei entstehenden Kränkungen werden durch sekundäre, passive, virtuelle »Aktivitäten« in der Welt des Scheintods kompensiert.