
»Unerschöpflich sind diese Bücher. Wie ich sie aufblättere, ist es mir beinahe unbegreiflich, zu denken, daß sie wirklich unter den Deutschen noch fast unbekannt sein sollen.« Diese Sätze schrieb Hugo von Hofmannsthal 1904 nach dem Tod von Lafcadio Hearn, und sie sind mehr als hundert Jahre später zu wiederholen. Der ungreifbare, nomadisierende, in unterschiedlichen Genres tätige Autor: daß sich an seiner Situation posthum etwas Entscheidendes ändern wird, ist zu hoffen, wenngleich man es bezweifeln mag. Der Übersetzer Alexander Pechmann tut das Seine dazu, in einer hervorragenden Arbeit von Präsentation, Einfühlung und Wiedergabe. Im Nachwort zu seiner Ausgabe des Romans Chita. Eine Erinnerung an Last Island situiert er Hearn literarhistorisch zwischen Robert Crane, R. L. Stevenson und Joseph Conrad.
Ein angelsächsischer Autor, gewiß. Vielleicht amerikanisch. Interkulturell und mehrsprachig wie Conrad. Neugierig auf Abenteuer wie Stevenson. In Griechenland geboren, in Frankreich zur Schule gegangen, nach Irland und in die USA geschickt, damit ihn die Familie loswird. Von Cincinnati nach New Orleans geflüchtet (oder wieder vertrieben). Dann Martinique, dann Japan, damals ein fast ganz unbekanntes Land – Hearn trug viel dazu bei, es jenseits eines gefälligen Exotismus bekannt zu machen. Die letzten 14 Jahre bis zu seinem Tod. Hearns’ Werk ist heterogen, es zeugt von einem mühsamen Lebenskampf, auch wenn die Mühen in den Texten durchaus nicht immer durchklingen. Chita zum Beispiel ist ein sorgfältig gewirkter Roman mit zahllosen Naturbeschreibungen, die ebenso wie die langsame, dann doch wieder beschleunigte Erzählbewegung an Adalbert Stifter erinnern. Erzählung einer Gegend, der Inseln und Bayous und Sümpfe in Louisiana, am Golf von Mexiko; aber auch eines verwaisten Mädchens und seiner Pflegeeltern.