Jörn Birk­holz: Der Aus­bruch

Jörn Birkholz: Der Ausbruch
Jörn Birk­holz:
Der Aus­bruch

Jörn Birk­holz nennt sein neue­stes Buch Der Aus­bruch und ei­nen Ro­man. Und ich war nach der Lek­tü­re des neu­en Wer­kes von Pe­ter Slo­ter­di­jk über den Kon­ti­nent oh­ne Ei­gen­schaf­ten (ge­meint ist Eu­ro­pa) ge­ra­de­zu er­leich­tert durch Birk­holz’ Ge­schich­te wie­der aus den aka­de­mi­schen Hö­hen­käm­men zu­rück ge­holt zu wer­den.

Haupt­fi­gur im Buch ist Max, er lebt in Bre­men, dürf­te Mit­te 30 sein und ar­bei­tet seit ei­nem hal­ben Jahr auf ei­ner be­fri­ste­ten Stel­le in ei­nem Ar­chiv. Man küm­mert sich pro­jekt­mä­ßig um die Auf­ar­bei­tung der Schick­sa­le von aus den Ost­ge­bie­ten Ver­trie­be­ner. Er ist li­iert mit An­net­te, ei­ner Gym­na­si­al­leh­re­rin. Zu­sam­men ha­ben sie die vier­jäh­ri­ge Ma­rie Ce­li­ne. Max fühlt sich un­be­hag­lich, ge­fan­gen in All­täg­lich­kei­ten. Ein­her geht dies mit ei­ner fast no­to­ri­schen Ehr­geiz­lo­sig­keit. Da ist zu­nächst die Ar­beit, die ihm ge­nau so we­nig ge­fällt wie Ed­gar, sein chro­nisch dau­er­an­we­sen­der Chef (der den in­ter­es­san­ten Nach­na­men »Hanf­staengl« trägt). Dann die Fa­mi­li­en­be­trieb­sam­keit von An­net­te, die sich auch noch mit sei­nen El­tern ver­steht (ih­re ei­ge­nen El­tern wa­ren bei ei­nem Au­to­un­fall vor sechs Jah­ren ums Le­bens ge­kom­men). Zu Be­ginn wird Max von ihr er­in­nert, den Wan­der­ur­laub im Schwarz­wald zwi­schen den Jah­ren für die fünf zu bu­chen. Noch so ein Hor­ror. Max kann nicht nur den Na­men sei­ner Toch­ter nicht lei­den, weil die­ser ihm in ei­nem un­be­dach­ten Mo­ment auf­ge­zwun­gen wur­de, son­dern stört sich auch an de­ren Lau­nen­haf­tig­keit, die von An­net­te und sei­nen El­tern im­mer wie­der ent­schul­digt wird. Selbst­ver­ständ­lich han­tiert das Kind be­reits mit Smart­phone und Ta­blet. Da wird Max’ Va­ter, der sich hart­näckig wei­gert, bei Be­such den Fern­se­her aus­zu­stel­len (le­dig­lich der Ton wird ab­ge­stellt) und sich mehr für das Pro­gramm zu in­ter­es­sie­ren scheint, zum Aus­blick auf das Le­ben des Soh­nes.

In ei­nem In­ner­lich­keits­ro­man wür­de man jetzt aus­gie­big über Max’ See­len­le­ben in­for­miert, er wür­de sich viel­leicht auf ei­ne Rei­se be­ge­ben, zu ei­ner Sua­da über die Un­ge­rech­tig­kei­ten in der Welt an­set­zen oder aus lau­ter Ver­zweif­lung Frau und Kind um­brin­gen. Glück­li­cher­wei­se tritt nichts da­von ein. Statt­des­sen mel­det sich Iza wie­der, sei­ne ehe­ma­li­ge Freun­din. Nach neun Jah­ren. Sie ist in Bre­men, will ihn tref­fen. Nach ei­nem Ex­kurs über Max’ Schul­zeit (und sein Frem­deln mit der feh­len­den So­li­da­ri­tät der Klas­sen­ka­me­ra­den) kommt es dann un­ter fast kon­spi­ra­ti­ven Um­stän­den zum Tref­fen.

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Chri­sti­an Schwep­pe: Zei­ten oh­ne Wen­de

Christian Schweppe: Zeiten ohne Wende
Chri­sti­an Schwep­pe: Zei­ten oh­ne Wen­de

Fast zwei­ein­halb Jah­re be­ob­ach­te­te der Jour­na­list Chri­sti­an Schwep­pe das, was man »Zei­ten­wen­de« nann­te: Die Re­ak­tio­nen der deut­schen Re­gie­rung auf den Über­fall Russ­lands auf die Ukrai­ne. Schwep­pe weiß, dass es vom Kanz­ler­stuhl der Re­gie­rungs­bank zum Red­ner­pult sie­ben Schrit­te sind. Am 27. Fe­bru­ar 2022 rief Bun­des­kanz­ler Olaf Scholz ei­ne »Zei­ten­wen­de« aus. Spä­ter er­fährt man von Schwep­pe, dass Scholz sich mit dem Be­griff der Zei­ten­wen­de selbst pla­gi­iert hat­te; er ver­wen­de­te ihn be­reits 2017 in ei­nem Buch, frei­lich oh­ne Ver­bin­dung mit mi­li­tä­ri­schen Fra­gen. An je­nem Fe­bru­ar 2022 kün­dig­te er ei­ne In­stand­set­zung der längst ma­ro­de ge­wor­de­nen Bun­des­wehr mit­tels ei­ner als Son­der­ver­mö­gen de­kla­rier­ten Ver­schul­dung von 100 Mil­li­ar­den Eu­ro an und ver­sprach, zu­künf­tig 2% des BIP für die Bun­des­wehr aus­zu­ge­ben. Die Ukrai­ne soll­te mit Waf­fen un­ter­stützt wer­den, um sich ge­gen den rus­si­schen Ag­gres­sor zu weh­ren. Mit die­ser Re­de und den er­sten Schrit­te da­nach brach man mit meh­re­ren Ta­bus der Bun­des­re­pu­blik, die spä­te­stens seit der Ver­ei­ni­gung 1990 in ei­nen geo­po­li­ti­schen Däm­mer­schlaf ver­fal­len war. Vie­le Me­di­en wa­ren be­ein­druckt, ei­ni­ge an­de­re zeig­ten sich pflicht­schul­dig schockiert, sa­hen den ag­gres­si­ven Deut­schen wie­der auf­le­ben.

Zei­ten oh­ne Wen­de heißt das Buch von Schwep­pe über die­se Zeit, das An­fang Ok­to­ber er­schie­nen ist. Ein Wort­spiel. Der Un­ter­ti­tel nimmt das im Früh­jahr bei Druck­le­gung sich ab­zeich­nen­de Re­sul­tat be­reits vor­weg: »Ana­to­mie ei­nes Schei­terns«. Man liest die 350 Sei­ten trotz­dem, in ei­nem Rutsch, in ei­ner Mi­schung aus Fas­zi­na­ti­on und Wi­der­wil­len.

Schwep­pe schreibt ei­ne Lang­zeit­re­por­ta­ge, Stil und Am­bi­ti­on er­in­nern an Ste­phan Lam­by. Im­mer wie­der wer­den ei­ni­ge aus­ge­such­te Prot­ago­ni­sten be­sucht. Be­son­ders häu­fig spricht er mit Ma­rie-Agnes Strack-Zim­mer­mann (»Flak-Zim­mer­mann«), je­ner FDP-Frau, die in hib­be­li­ger Un­ge­duld und mit en­er­gi­schem me­dia­len Auf­tre­ten den bei Waf­fen­lie­fe­run­gen für die Ukrai­ne chro­nisch stocken­den und zö­gern­den Scholz mehr­mals her­aus­for­der­te. Er be­glei­tet Da­ni­el An­drä, zu Be­ginn 43, Oberst­leut­nant, zu­nächst Kom­man­dant ei­nes in­ter­na­tio­na­len Ge­fechts­ver­bands in Li­tau­en. Man lernt Mat­thi­as Leh­na ken­nen, Mit­te 30, ei­nen ehe­ma­li­gen Ge­birgs­jä­ger, der in Ma­li war. Bei­de wer­den am En­de über die Bun­des­wehr und den Um­gang in ihr und mit ihr des­il­lu­sio­niert sein.

Schwep­pe zeich­net Por­traits von Al­fred Mais, Deutsch­lands ober­stem Hee­res­ge­ne­ral und In­go Ger­hartz, dem »Chef« der Luft­waf­fe – bei­de könn­ten nicht un­ter­schied­li­cher sein. Aber auch Ar­min Pap­per­ger, der Vor­stands­vor­sit­zen­de von Rhein­me­tall, wird be­äugt. Er schaut dem Haus­häl­ter To­bi­as Wald­hü­ter über die Schul­ter (da­bei be­kommt man in­ter­es­san­te Ein­blicke in die so­ge­nann­te »Nacht der lan­gen Mes­ser«, in der »der fi­na­le Haus­halt für das neue Jahr aus­ge­dealt« wird), be­glei­tet den Nach­rücker Nils Grün­der, der »in der FDP-Ar­beits­grup­pe Ver­tei­di­gung« ar­bei­tet, zi­tiert den ehe­ma­li­gen Wehr­be­auf­trag­ten Hans-Pe­ter Bartels und er­lebt die am­tie­ren­de Wehr­be­auf­trag­te Eva Högl, die zwar al­les zu wis­sen scheint, was die Man­gel­la­ge der Bun­des­wehr an­geht, aber ir­gend­wie wir­kungs­los bleibt.

Man­che Tref­fen wir­ken wie pflicht­schul­di­ge Pro­to­kol­le, weil sie kei­ner­lei Er­kennt­nis­ge­winn lie­fern. Et­wa bei Agnieszka Brug­ger, die über­zeugt ist, dass die Bun­des­wehr im »Ernst­fall« bes­ser funk­tio­nie­ren wür­de, als man­che Schlag­zei­le ver­mu­ten las­se. Dass es nicht »Ernst­fall« heißt, wis­sen bei­de an­schei­nend nicht, was ein biss­chen pein­lich ist, wenn man sich gleich­zei­tig dar­über amü­siert, dass Ver­tei­di­gungs­mi­ni­ste­rin wie Bun­des­kanz­ler von »Luft­ab­wehr« (statt Flug­ab­wehr oder Luft­ver­tei­di­gung) spre­chen. Er scheint auch Brug­ger zu­zu­stim­men, die meint, dass die »Zei­ten­wen­de« zu sehr von Män­nern do­mi­niert wür­de. Ei­ne merk­wür­di­ge Fest­stel­lung, schließ­lich ist zu die­sem Zeit­punkt Chri­sti­ne Lam­brecht Ver­tei­di­gungs­mi­ni­ste­rin, Eva Högl Wehr­be­auf­trag­te, An­na­le­na Baer­bock ist om­ni­prä­sent und sieht sich auch schon ein­mal mit Russ­land im Krieg und Strack-Zim­mer­mann be­herrscht die in­nen­po­li­ti­schen Schlag­zei­len.

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Pe­ter R. Neu­mann: Die Rück­kehr
des Ter­rors

Peter R. Neumann: Die Rückkehr des Terrors
Pe­ter R. Neu­mann: Die Rück­kehr des Ter­rors

In Zei­ten der in­fla­tio­nä­ren Ver­wen­dung des »Experten«-Begriffs wird es zu­neh­mend schwie­rig, wirk­li­che Spe­zia­li­sten zu fin­den, die zu mehr in der La­ge sind, als nur Schlag­wor­te und Phra­sen an­ein­an­der­zu­rei­hen. Ei­ner der we­ni­gen deutsch­spra­chi­gen Ex­per­ten für in­ter­na­tio­na­len Ter­ro­ris­mus ist Pe­ter R. Neu­mann. Er ist Pro­fes­sor für Si­cher­heits­stu­di­en am King’s Col­lege Lon­don und lei­te­te dort das In­ter­na­tio­nal Cent­re for the Stu­dy of Ra­di­cal­i­sa­ti­on (ICSR). Da­her war­te­te man ge­spannt auf sein neu­es Buch mit dem be­un­ru­hi­gen­den Ti­tel Die Rück­kehr des Ter­rors. Ge­meint ist, wie der Un­ter­ti­tel na­he­legt, der dschi­ha­di­sti­sche Ter­ror. Eu­ro­pa ste­he, so die The­se, »am An­fang ei­ner neu­en ter­ro­ri­sti­schen Wel­le […], die den Kon­ti­nent noch jah­re­lang be­schäf­ti­gen wird.«

Nun ist Neu­mann nie­mand, der fahr­läs­sig Pa­nik schürt. Im Ge­gen­teil. Sein Buch ist ei­ne nüch­ter­ne, wenn auch ein­dring­li­che Mah­nung, un­ter­legt mit wis­sen­schaft­li­chen und geo­stra­te­gi­schen For­schungs- und kri­mi­na­li­sti­schen Er­mitt­lungs­er­geb­nis­sen (er konn­te so­gar ei­ni­ge Prot­ago­ni­sten von Si­cher­heits­be­hör­den be­fra­gen), um das Phä­no­men und die neue Be­dro­hungs­la­ge zu er­fas­sen. Der Quel­len­ap­pa­rat be­steht aus fast 300 An­mer­kun­gen, mehr als drei Vier­tel da­von aus dem eng­lisch­spra­chi­gen Raum. Wer sich vor­wie­gend aus deutsch­spra­chi­gen Leit­me­di­en in­for­miert, er­hält hier ei­ne ve­ri­ta­ble und, wie sich zeigt, drin­gend not­wen­di­ge Er­wei­te­rung des Ho­ri­zonts, wenn nicht gar ei­ne ganz an­de­re Sil­hou­et­te des Ho­ri­zonts.

Zu­nächst stellt Neu­mann die Zehn-Jah­re-Wel­len­theo­rie des un­längst ver­stor­be­nen ame­ri­ka­ni­schen Ex­tre­mis­mus­for­schers Da­vid C Ra­po­port vor und un­ter­sucht die »Ter­ror­wel­len« der ver­gan­ge­nen Jahr­zehn­te, die in die west­li­che Welt (USA und Eu­ro­pa) schwapp­ten. Im Ge­gen­satz zu Ra­po­port macht Neu­mann meh­re­re, kur­ze »Mi­ni­wel­len« aus, die zeit­lich teil­wei­se in­ein­an­der­grei­fen. Un­ter dem Ober­be­griff Is­la­mis­mus (»Is­la­mi­sten be­grei­fen den Is­lam nicht nur als Re­li­gi­on, son­dern vor al­lem als po­li­ti­sche Ideo­lo­gie, nach der al­le Aspek­te des ge­sell­schaft­li­chen Le­bens ge­stal­tet wer­den sol­len«) wer­den Un­ter­grup­pen de­fi­niert. Die re­le­van­te­ste und be­droh­lich­ste wird un­ter dem Be­griff Dschi­ha­dis­mus zu­sam­men­ge­fasst. Dschi­ha­di­sten sind »der Über­zeu­gung, dass zur Er­rich­tung is­la­mi­sti­scher Herr­schaft der Ein­satz ge­walt­sa­mer Mit­tel nicht nur not­wen­dig, son­dern ver­pflich­tend ist«.

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Cle­mens Mey­er: Die Pro­jek­to­ren

Clemens Meyer: Die Projektoren
Cle­mens Mey­er:
Die Pro­jek­to­ren

Tau­send­sei­ti­ge Ro­ma­ne ha­ben et­was von Ex­pe­di­tio­nen oder Berg­be­stei­gun­gen. Man geht los, vol­ler Vor­freu­de und schwung­voll, sam­melt sorg­sam Ein­drücke und ge­rät in Stim­mung. Hier und da bleibt man ste­hen und be­wun­dert ein schö­nes Pan­ora­ma oder ei­ne be­son­de­re Stel­le. Ir­gend­wann wird die Kon­di­ti­on ge­for­dert. Man un­ter­bricht die Tour, ist er­schöpft; noch über­wiegt die Neu­gier auf den wei­te­ren Weg. In wei­te­rem Ver­lauf wird man ver­zagt, schleppt sich über die Strecke, ge­nießt die ein oder an­de­re schö­ne Aus­sicht, die zum Wei­ter­ma­chen ani­miert. Die Etap­pen­zie­le wer­den kür­zer, aber schließ­lich er­reicht man das Ziel, ist ein we­nig stolz aber auch gleich wie­der in Sor­ge um den Rück­weg. Jetzt zeigt sich, ob die Ori­en­tie­rung aus­reicht.

Ori­en­tie­rung braucht man in dem Kon­vo­lut der No­ti­zen, die sich der Le­ser wäh­rend der Lek­tü­re von Cle­mens Mey­ers Die Pro­jek­to­ren ge­macht hat. Zu­mal es nicht ei­nen durch­gän­gi­gen Plot gibt, son­dern meh­re­re, ver­schach­tel­te und häu­fig in skur­ri­ler Art in­ein­an­der ver­wo­be­ne Hand­lungs­ebe­nen. Den­noch ver­sucht man am En­de ei­ne Glie­de­rung zu fin­den. Ja, da ist die Ge­schich­te des we­gen sei­nes John-Way­ne-Hals­tuchs all­ge­mein »Cow­boy« ge­nann­ten Man­nes, 1929 ge­bo­ren, der als Kind den Ein­marsch der Deut­schen in Ju­go­sla­wi­en und das Mas­sa­ker von No­vi Sad mit den in der Do­nau schwim­men­den To­ten haut­nah mit­er­lebt. Auf ei­nen Schlag – es ist da­tier­bar – bricht die hei­le Welt des schö­nen »Sonn­tags­lichts« zu­sam­men, die Spa­zier­gän­ge und Ki­no­be­su­che mit dem Va­ter, der ein Ex­per­te der ame­ri­ka­ni­schen Stumm­film­dar­stel­ler war. Der Jun­ge, der­art »mut­ter­los und va­ter­su­chend« ge­wor­den, schließt sich den Par­ti­sa­nen an, wird Mel­de­gän­ger aber der Sieg des Mar­schalls bringt kei­ne Bes­se­rung. Er eckt an, gilt als ab­trün­nig, wird auf Ti­tos »In­sel« de­por­tiert, ein La­ger für po­li­ti­sche Ge­fan­ge­ne, wird ge­fol­tert, aber er lernt, zu über­le­ben. Die­ser Cow­boy kommt nun mit ei­nem »Land­ar­rest« 1957 an den Tul­ove gre­de, ins Ve­le­bit-Ge­bir­ge, quar­tiert sich bei ei­nem Schä­fer ein und will ein­fach nur sei­ne Ru­he ha­ben. Ein paar Jah­re spä­ter kom­men die Deut­schen wie­der, dre­hen ge­nau an die­sem Ort zwi­schen 1963 und 1968 neun We­stern­fil­me nach Dr. May, den der Cow­boy schon aus der Bi­blio­thek des Va­ters kann­te.

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Fei­gen­blatt 3sat

Wie­der ein­mal geht ums Spa­ren. Beim den öf­­fen­t­­lich-rech­t­­li­chen Sen­de­an­stal­ten (ÖRR). Je­der ist da­für – aber bit­te nicht bei mir. Die neue­sten Plä­ne se­hen an­geb­lich vor, den Sen­der 3sat ab­zu­wickeln. For­mal ein Zu­sam­men­schluss zwi­schen ARD, ZDF, ORF und SRG, kon­zi­piert als »Kul­tur­sen­der«. Ei­ne Ver­bin­dung, ge­wach­sen über meh­re­re Jahr­zehn­te mit et­li­chen Kul­tur­ni­schen­ka­nä­len in­klu­si­ve DDR-Ver­­ein­­nah­­mung, was kurz zur ...

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Da­ni­el Ko­stuj: Das Le­ben ei­nes In­fluen­cers

Daniel Kostuj: Das Leben eines Influencers
Da­ni­el Ko­stuj: Das Le­ben ei­nes In­fluen­cers

»Ich bin JAYDEN CHECKER auf YOUTUBE, @jaydenchecker auf TWITTER und SNAPCHAT so­wie @jayden-checker auf INSTAGRAM und TIKTOK.« Es fol­gen die Sub­scri­ber- bzw. Fol­lo­wer­zah­len, bei You­tube > 1 Mil­li­on, Tik­Tok > 4 Mil­lio­nen, In­sta­gram > 300.000, ei­ner Fan-Sei­te auf Face­book und so wei­ter. Wie ein Bör­sen­jun­kie starrt Jay­den täg­lich auf die­se Zah­len. Dann be­ginnt die Mor­gen­gym­na­stik und im Lau­fe der Zeit wer­den sie im­mer ab­stru­ser, die­se Zahl der Push-Ups, Pull-Ups, Cruns­hes, Hand­stän­de und Jog­gin­g­er­leb­nis­se mal mit mal oh­ne Un­ter­ho­se bis er dann ir­gend­wann Push-Ups »Oh­ne Ar­me« aus­führt und über sei­nem Par­kett­bo­den schwe­bend meh­re­re Stun­den ver­harrt. Das al­les bis der Tin­ni­tus er­wacht oder auf­hört, je nach dem.

Das Le­ben ei­nes In­fluen­cers steht auf dem Co­ver, ei­ne Art fik­ti­ves Ta­ge­buch (die @ sind al­le in­exi­stent), wo­bei zu­nächst von Tag 7 aus rück­wärts ge­zählt wird und da­nach bis Tag 7 wie­der vor­wärts. War­um auch im­mer. Die Zeit wird mit Pro­dukt­pro­mo­ti­on, Vi­deo­pro­duk­tio­nen und im Zu­sam­men­sein mit an­de­ren In­fluen­cern ver­bracht, man fei­ert oder be­sucht Mes­sen, zieht sich auf, gibt Rat­schlä­ge, ver­sucht neue Pro­duk­te zu be­kom­men (wenn mög­lich nichts aus Chi­na), ver­han­delt mit Ma­na­gern. Jay­den fährt stan­des­ge­mäss im Lam­bor­ghi­ni Huracán vor, be­nutzt für sei­ne Vi­de­os ein iPho­ne XR (ir­gend­wann er­fährt man, dass das al­les in 2019 her­um spielt) und setzt je­den Tag ei­ne lau­ni­ge Vi­deo­bot­schaft für sei­ne »fa­mi­ly« ab, die zwi­schen Koch- und Le­bens­re­zep­ten und ei­ner An­lei­tung zum Selbst­mord chan­giert. Sein Wer­ben um ei­ne In­fluen­ce­rin kommt aber nicht so rich­tig in Gang. Trotz der be­vor­zug­ten Dro­gen­mi­schung aus Me­tam­phet­amin und Via­gra. Spä­ter wird der Ste­ro­id­zy­klus mit Tren­bo­lon, Te­sto­ste­ron-En­an­tat und Ari­mi­dex getweakt. Im wei­te­ren Ver­lauf des Bu­ches wird deut­lich, war­um man so et­was nie zu sich neh­men soll­te.

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Stef­fen Mau: Un­gleich ver­eint

Steffen Mau: Ungleich vereint
Stef­fen Mau:
Un­gleich ver­eint

Es ist ein gän­gi­ges Mu­ster: Kurz vor wich­ti­gen Wah­len wird »der Osten« po­li­tisch wie­der ent­deckt. Dies­mal sind es drei Land­tags­wah­len – Thü­rin­gen, Sach­sen und Bran­den­burg. Ent­wick­lun­gen, die sich über Jah­re an­ge­kün­digt ha­ben, wer­den plötz­lich von al­len Sei­ten im Ka­ta­stro­phen­mo­dus kom­men­tiert. Hin­zu kommt, dass mit der sek­ten­ar­ti­gen Neu­par­tei um Sahra Wa­gen­knecht ein zu­sätz­li­cher, nicht kal­ku­lier­ter Fak­tor auf­ge­taucht ist. Dach­te man an­fangs noch, dass hier­durch die AfD ge­schwächt wür­de, so muss man jetzt zur Kennt­nis neh­men, dass sich vor al­lem Nicht­wäh­ler und Lin­ke-An­hän­ger an­ge­spro­chen füh­len. In Thü­rin­gen sa­gen ak­tu­el­le Um­fra­gen vor­aus, dass AfD und BSW die Mehr­heit der Sit­ze im Land­tag er­rin­gen könn­ten.

Letz­te­res war bei Er­schei­nen von Stef­fen Maus Un­gleich ver­eint in die­ser Form noch nicht ab­seh­bar. Im Ge­gen­satz zu vie­len zum Teil hy­per­ven­ti­lie­ren­den Wort­mel­dun­gen und Wäh­ler­be­schimp­fun­gen ist es al­ler­dings zu­nächst ei­ne Wohl­tat, die­ses Buch zu le­sen, auch wenn man in ei­ni­gen Punk­ten nicht über­ein­stimmt. Mau möch­te »kü­chen­psy­cho­lo­gi­sche Er­klä­run­gen ver­mei­den« und stellt klar: »Wer in der Ost-West-De­bat­te mit Schuld­be­grif­fen ope­riert, ist schon auf dem Holz­weg.« Sei­ne The­se geht da­hin, dass es in Ost­deutsch­land un­ab­hän­gig lo­ka­ler Prä­gun­gen »ei­ne Ver­fe­sti­gung grund­le­gen­der kul­tu­rel­ler und so­zia­ler For­men« (Her­vor­he­bung Stef­fen Mau) gibt. Er spricht so­gar von ei­ner »Ein­heit­lich­keits­fik­ti­on«. Mau setzt be­wusst ei­ne »Ost-West-Bril­le« auf, um »kla­rer zu se­hen, wie Ge­schich­te in Struk­tu­ren und Iden­ti­tä­ten nach­wirkt.«

Mau weist auf die Krän­kun­gen zu Be­ginn der 1990er Jah­re hin, als »die Bun­des­re­pu­blik und ihr Spit­zen­per­so­nal die Rol­le der Kon­kurs­ver­wal­ter« über­nom­men hat­ten und die Ost­deut­schen zu »be­dürf­ti­gen Empfänger[n] von Hil­fe und Zu­wen­dung« mit »nur noch begrenzte[r] Ent­schei­dungs­macht« wur­den. Aus­gie­big wer­den die­se Brü­che und Ver­wer­fun­gen her­an­ge­zo­gen, die, so die The­se, in (Tei­len) der Be­völ­ke­rung heu­te noch nach­le­ben. Da­bei wird klar­ge­stellt, dass dies »we­der al­lein der DDR noch dem Ei­ni­gungs- und Trans­for­ma­ti­ons­pro­zess zu­zu­schrei­ben« ist, son­dern sich »aus bei­den Pha­sen und der Ver­knüp­fung ih­rer Fol­gen« er­gibt. Es wer­den Zah­len prä­sen­tiert, die Rück­stän­de und Dif­fe­ren­zen zu West­deutsch­land auf­zei­gen, wie et­wa Ge­bur­ten­ra­te, Un­ter­neh­mens­struk­tu­ren (es gibt kaum Groß­un­ter­neh­men im Osten), Ta­rif­bin­dung, Or­ga­ni­sa­ti­ons­grad in po­li­ti­schen Par­tei­en, Ge­werk­schaf­ten oder Kir­chen oder auch An­teil mi­gran­ti­scher Be­völ­ke­rung. Ob die Tat­sa­che, dass sich un­ter­neh­me­ri­sche Selbst­stän­dig­keit in Ost­deutsch­land »auf den ge­werb­li­chen Be­reich recht klei­ner Be­triebs­ein­hei­ten« kon­zen­triert, ei­ne Schwä­che dar­stellt, müss­te man al­ler­dings erst ein­mal be­le­gen und sich gleich­zei­tig fra­gen, war­um die »Al­lein­un­ter­neh­mer« dort als »oft pre­kär« quan­ti­fi­ziert wer­den.

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Flo­ri­an L. Ar­nold: Das flüch­ti­ge Licht

Florian L. Arnold: Das flüchtige Licht
Flo­ri­an L. Ar­nold:
Das flüch­ti­ge Licht

Es be­ginnt als Be­schwö­rung der un­be­schwer­ten Kind­heit in ei­ner Stadt, die nur aus ei­ner Stra­ße be­stand, über­all of­fe­ne Tü­ren, nichts blieb ge­heim und die »Welt blieb Welt, die Stadt blieb Stadt und am En­de ge­nüg­te es, die Stra­ße vom ei­nen En­de zum an­de­ren zu ge­hen und al­les zu wis­sen, was die Welt aus­mach­te«. Hier leb­ten sie, ei­ne »ver­schwo­re­ne Ge­mein­schaft, in der kein Platz war für Frem­de, auch nicht für den Rot­schopf En­zo«, der aus Ar­va­ne kam, ei­nem Vier­tel, in dem Ar­me wohn­ten und eben auch En­zo mit sei­ner Mut­ter, Der Va­ter, der gro­ße Renn­fah­rer San­dro Mai­ga, ver­un­glück­te bei ei­nem Au­to­rennen töd­lich; ein Po­kal und ei­ne Me­dail­le er­in­nern an fer­nen Ruhm. Aber En­zo, der »Zwerg«, der »Selt­sa­me«, der »Un­auf­fäl­li­ge«, der »Un­fall« ist ein Hart­näcki­ger, will da­zu ge­hö­ren, sucht Gi­an­ni und Elio und die gan­ze Ban­de im­mer wie­der auf, lässt nicht ver­trei­ben, lag »in den Bü­schen und sah zu, oh­ne ge­se­hen zu wer­den«, er, »der Lau­schen­de und Seh­nen­de« und Un­er­hör­te, den sie schließ­lich mit nie­de­ren, de­mü­ti­gen­den Auf­ga­ben be­dach­ten, weil sie ihn nicht los­wur­den. Und was die Ban­de dann am mei­sten er­reg­te war, »dass er al­le Zu­rück­wei­sun­gen, je­den Spott und je­des bö­se Wort ein­fach ein­steck­te, als ha­be er es lan­ge schon er­war­tet.«

En­zo »konn­te gut er­zäh­len« und »al­les Er­zäh­len und Ge­schich­ten­er­fin­den ist Gift. Ein Gift, das Men­schen zu Un­ver­nunft bringt, das Sehn­süch­te in die Köp­fe pflanzt« und es war Elio, der zu­erst da­von sprach, weg­zu­ge­hen und sie be­rau­schen sich dar­an mit wei­te­ren, er­fun­de­nen Ge­schich­ten und dann ist es En­zo, der als er­ster geht, plötz­lich nicht mehr da ist und es dau­ert ei­ne Wei­le, bis man sei­ne Ab­we­sen­heit be­merkt.

Flo­ri­an L. Ar­nolds neu­er Ro­man Das flüch­ti­ge Licht ent­wickelt so­fort ei­nen Sog, wo­zu auch der bal­la­des­ke Ein­stieg ge­hört. Da­nach wech­seln die Er­zähl­per­spek­ti­ven zwi­schen den ein­zel­nen Per­so­nen. Mal ist es En­zo, dann, vor­über­ge­hend, Gi­an­ni, spä­ter für kurz, ein be­rühm­ter Re­gis­seur und am En­de ei­ne un­be­nann­te Frau. Die­ses ka­lei­do­sko­pi­sche Er­zäh­len ver­schafft dem Ro­man Tie­fe und in den be­sten Mo­men­ten ei­ne Form von Drei­di­men­sio­na­li­tät.

Wei­ter­le­sen ...