Christian Krachts neuer Roman Air beginnt in Stromness auf den Orkney-Inseln. Dort lebt Paul. Er ist Innenausstatter (»Home Stager«), kümmert sich, warum auch immer, um eine einäugige Katze, liest gerne ein Zeitgeist-Magazin und hat ein Bild von James Archer mit Merlin und Ritter Lancelot an der Wand hängen, das ihm der Herzog von Cumberland geschenkt hatte, weil er für dessen Salon im Jagdschloss ein ganz spezielles Rot gefunden hatte. Danach kamen dann Aufträge aus allen Regionen. Paul wirkt ein bisschen gelangweilt, selbst das Polarlicht hat seinen Zauber verloren. Er hadert mit Stromness, schwärmt für ein Haus auf der Insel Jura, »Barnhill« genannt, weit weg von jeglicher Zivilisation, das er nur von Bildern kennt«. Immerhin lernt der Leser die einzige Bäckerei von Stromness kennen. Er erhält eine Einladung nach Stavanger. Dort möchte man, das er das perfekte Weiß erfindet. Er fährt hin. Die Kapitel mit Paul sind mit ungeraden, römischen Zahlen überschrieben.
Ildr ist neun Jahre alt, lebt mit einer einäugigen Eule in einem nicht näher definierten Land in einer vormodernen Zeit. Die Mutter ist am »Gelben Tod« gestorben, der Vater unterwegs, das Leben ist hart. Manchmal muss sie jagen, mit Pfeil und Bogen, so auch heute. Statt eines Rehs hat sie allerdings einen Mann getroffen. Sie ist entsetzt, nimmt den Fremden mit. Man entfernt den Pfeil, Ildr näht die Wunden zu und gibt dem Mann von seinem weißen Pulver. Als Soldaten des Herzogs von Tviot an ihre Tür klopfen und nach einem fremden Mann fragen, lügt sie diese an. Der Mann wird gesucht; er soll ein Erfinder sein, ein Magier. Die Kapitel mit Ildr und dem Fremden sind mit geraden, römischen Zahlen überschrieben.
Siebzig »Mikroromane« auf etwas mehr als 250 Seiten präsentiert Christoph Ransmayr in seinem neuesten Buch mit dem zunächst leicht irritierenden Titel Egal wohin, Baby. Natürlich ist die Kategorie Mikroroman ein Widerspruch in sich, denn ein Text von drei oder fünf Seiten ist kein Roman. Aber Erzählungen im klassischen Sinn sind es auch nicht. Nach je einem Foto erfolgt der Text, der wiederum Ort und Gegenstand der Abbildung erläutert. Manchmal kommt es fast zum Erzählen, häufiger jedoch ist es ein Aufflackern einer Situation.
Zu Beginn jedoch eine Distanzierung: Hier erzähle kein Ich, kein Ransmayr, sondern wir sehen, erleben einen gewissen Lorcan, einen Namen »aus einem bislang nur aus Kritzeleien bestehenden, noch ungeschriebenen Roman, der den Titel tragen soll Swan oder Der Puls der Sterne und von der Entdeckung der wahren Größe des Universums handeln soll.«
Viele Orte und Erinnerungen dürfte Ransmayr-Lesern beispielsweise aus dem Atlas eines ängstlichen Mannes oder der Erzählungssammlung Als ich noch unsterblich war bekannt vorkommen und bisweilen wirken die hier konstruierten Mikroromane wie geraffte Wiedergaben der ausführlicheren Texte. Man sieht ihn unter anderem in der Arktis des Franz-Josef-Landes auf russischen Eisbrechern, in der Azteken-Metropole Tenochtitlán, beim indischen Sternenfest Tanabata, im oberösterreichischen Toten Gebirge, in der algerischen Erg-Oase auf dem Weg nach Timbuktu oder auf einer Nilfahrt. Er besucht die Robinson-Crusoe‑, Oster- und Pitcairn-Inseln, rätselt über die merkwürdigen Kugelgebilde auf der Champ-Insel, bewundert die subtropische Vielfalt des Gartens des Castlehaven House, bereist Handlungsorte der Illias und Odyssee und entwickelt am Grab Homers seine eigene Theorie über den Ursprung der beiden Epen. Seltener gibt es Ergänzungen zu den langen Texten, wie etwa über diese Buntstiftzeichnung von Emily Christian von den Pitcairn-Inseln, die Lorcan vom Kapitän des Schiffes geschenkt wurde, der ihn auf die Insel brachte. Emily war »ein siebenjähriges Mädchen und Nachfahrin des Steuermannsmaats und Anführers der Meuterer Fletcher Christian« und malte Pferde, obwohl sie noch nie welche gesehen hatte.
Als ich dem einen oder der anderen auf Nachfrage erzählte, was ich gerade lese, kamen fragende Blicke zurück. Wolfgang Menge? Das Coverbild – der markante und gutgekleidete Mann mit Glatze und Pfeife – half nicht immer. Die Rettung nahte bei der Erwähnung, dass Menge der Schöpfer von »Ekel Alfred«, der Hauptfigur aus Ein Herz und eine Seele, war. Den kannten sie, weil mindestens eine Folge – die vom Silvesterpunsch – in jährlicher Regelmässigkeit wiederholt wird. Bei Smog und Millionenspiel wussten die meisten auch nicht mehr weiter.
Nun also eine Biographie von Wolfgang Menge, fast ein bisschen verspätet zum 100. Geburtstag. Vielleicht liegt es am Verfasser Gundolf S. Freyermuth, Journalist, Autor und Professor u. a. an der Internationalen Filmschule Köln, der von Menge einmal als unpünktlicher Zeitgenosse charakterisiert worden sein soll, was der Freundschaft der beiden nicht im Wege stand. Die beiden lernten sich erst 1987 kennen. Menge war da 63, Freyermuth 32. Irgendwie finden sie einen Draht. Der junge Autor, der u. a. für den Stern schreibt und lange in den USA gelebt hat, kann Menge überzeugen, sein Computerequipment auf Macintosh umzustellen. Das war, wie sich später herausstellte, bemerkenswert, denn Menge war normalerweise schwer zu überzeugen.
Der Titel ist mit Wer war WM? interessant gewählt. Freyermuth schreibt in den fast 500 Seiten, die gelegentlich von Bildern aufgelockert werden, immer dann von »WM«, wenn es um allgemein biographische und/oder werkgenetische Dinge geht und wechselt zum »Wolfgang«, wenn es persönlich wird. Diese Methode erweist sich als Glücksgriff, weil der Leser sofort weiß, wer da gerade schreibt – der Freund oder der Biograph (wobei das eine nicht das andere ausschließen muss).
Enthüllungsbücher haben meist einen schlechten Ruf. Man unterstellt den Autoren gerne persönliche Motive bis hin zur Rache für tatsächliche oder eingebildete Intrigen. Man liebt zwar den Verrat, aber weniger den Verräter, nicht zuletzt, weil der Leser dabei zuweilen brüsk mit seiner eigenen Desillusionierung lange gepflegter Ideale konfrontiert wird. Die Betroffenen reagieren enttäuscht bis beleidigt, manchmal, aus purer Verzweiflung, ziehen sie vor Gericht. Auch der NDR, so heißt es, prüfe derzeit gegen Alexander Teskes Buch inside Tagesschau juristische Schritte. Derweil verkauft sich das Buch gut und jeder möchte es noch haben, bevor vielleicht einige Stellen geschwärzt werden müssen.
Der Leser rätselt, welche Stellen das sein sollen. Alexander Teske ist ein Journalist, der sein Handwerk von der Pike auf gelernt hat. Er arbeitete sechs Jahre (von 2018 bis Ende 2023) in der Redaktion der Tagesschau in Hamburg als »Planungsredakteur«. Vorher war er vierzehn Jahren beim MDR, der ARD-Anstalt, die, wie man im Laufe des Buches erfährt, in Hamburg aus verschiedenen Gründen keinen guten Ruf genießt. Was ein Planungsredakteur macht, wird skizziert. Auch die Hierarchien innerhalb dieses Gebildes Tagesschau bzw. ARD-aktuell bekommt man erklärt. Verblüffend: Der bzw. die Chefredakteure (Marcus Bornheim, Helge Fuhst und Juliane Leopold) haben zwar formal das Sagen, aber die wahren Herrscher über die Nachrichten sind die »Chefs vom Dienst« (von mir hier »CvD« abgekürzt), ein nicht öffentlich agierender Kreis von rund zehn Redakteuren.
Wer einmal CvD ist, bleibt dort meist bis zur Pensionierung. Männer sind überrepräsentiert (2/3 von 10 sind, lieber Herr Teske, sechs oder sieben?). Alle CvD sind älter als 45. Sie erhalten 11.434 Euro monatlich. Die meisten von ihnen haben in ihrer Laufbahn eher selten einen Fernsehbeitrag selber verfasst und wenn, dann vor sehr langer Zeit. Außerhalb von ARD-aktuell kennt sie niemand. Man wird nie erfahren, wer bei welcher Sendung CvD war. Teske nennt keine Namen, verwendet Abkürzungen (die vermutlich noch einmal verfremdet sind). Einen allerdings nennt er, »empfiehlt« sogar dessen Webseite. (Er ist seit kurzem pensioniert. Vielleicht reicht es bald noch für ein juristisch einwandfreies Impressum.) Dass eine solche Person jahrelang bestimmt hat, welche Nachrichten gesendet werden und welche nicht, lässt fast tiefer blicken als alles andere, was Teske so erzählt.
Chefredakteur vs. Chef vom Dienst
Um die CvD schwirren insgesamt mehr als 300 »Mitarbeitende« (manchmal benutzt Teske diese Sprache). Laut KEF entfielen 2021 55,7 Millionen Euro Gebührengelder auf ARD-aktuell, dem Informationskomplex der ARD, davon 12 Millionen Euro auf den Spartenfernsehsender tagesschau24, einem Sender, dessen Marktanteil je nach Altersgruppe zwischen 0,4% und 0,5% liegt und inzwischen eine Art Hobby von Helge Fuhst zu sein scheint. Bemerkenswert, dass phoenix, der »gemeinsame Ereignis- und Dokumentationskanal von ARD und ZDF«, im Buch keine relevante Rolle spielt, außer, dass die Redakteure aus Hamburg die tagesschau24-Kollegen einmal als »Schnarchnasen« titulieren, weil sie bei einem Thema als letzter »aufgesprungen« sind. Dieses Ignorieren könnte darauf zurückzuführen sein, dass phoenix ARD-seitig vom WDR betreut wird – und damit nicht unter der Zuständigkeit von ARD-aktuell fällt. phoenix erhält nach eigenen Angaben 37 Millionen Euro pro Jahr und hat einen Marktanteil um die 0,8%.
József Debreczeni wurde 1905 als József Bruner in Budapest geboren. Die jüdische Familie floh 1919 vor antijüdischen Pogromen in den ungarisch sprechenden Teil des damaligen Königreichs Jugoslawien. Unter dem Pseudonym Debreczeni verfasste Bruner Artikel und Kommentare, wurde Redakteur und Herausgeber überregionaler ungarischer Zeitungen und Magazine, schrieb aber auch Gedichte, Romane und Theaterstücke. Die ungarischen Rassegesetze des Horty-Regimes, einem Verbündeten Hitlers, beendeten 1938 die Möglichkeit der Publikation. Er zog in die Region Bačka (Vojvodina), die allerdings 1941 von Ungarn annektiert wurde. Debreczeni und seine Familie wurden in das Arbeitslager Bačka Topola deportiert. Am 1. April 1944 stieg er einen Waggon. Gerüchte sprachen von Auschwitz als Ziel.
Mit diesem Transport beginnt Kaltes Krematorium. Es endet irgendwann Anfang Mai 1945. József Debreczeni hat überlebt. Er ist frei. Sein »Bericht aus dem Land namens Auschwitz« (so der deutsche Untertitel) erschien 1950 in Jugoslawien. Von da an dauerte es nur etwas mehr als sieben Jahrzehnte bis es in Englische und nun von Timea Tankó ins Deutsche übersetzt wurde.
Über die Gründe der Missachtung des Buches kann nur spekuliert werden. Vielleicht weil es in Ungarisch geschrieben war? Ahnte Debreczeni die Reserviertheit, ja Ablehnung, sich mit diesen Menschenverbrechen zu beschäftigen? Dem Bericht ist ein Gedicht vorangestellt, dass einer gewisse Ahnung Ausdruck verleiht. Da heißt es unter anderem:
»Wozu die Jahreszeiten,
Wenn die Faschisten bleiben,
Leben wie Maden im Speck?
Ob meiner Mutter Mörder
Noch lebt als braver Bürger,
Nach seiner Sünden Beichte?«
Es endet fatalistisch:
»Ein bekannter Wind weht,
Neue Uniform trägt
Der Mörder meiner Mutter.«
Jede Zeit kreiert ihre Erzählungen und Romane, die entweder zu Klassikern werden, in Vergessenheit geraten oder irgendwann mit Emphase vom Klassikerthron gestoßen werden. Und wenn die zeitgenössische Literatur wieder einmal droht, in eine Gleichförmigkeit zu versinken, blühen die Revivals, Variationen von altbekannten, einst bereits als unzeitgemäß denunzierte Romane und deren Motive, transformiert in die Gegenwart. Einer der Romane der Zeit scheint Der Zauberberg von Thomas Mann zu sein, fast genau vor einhundert Jahren erschienen. Der Publizist Jens Nordalm erklärte kürzlich in einem fulminanten Text, warum man gerade heute den Zauberberg lesen muss. Inmitten all der Aufgeregtheiten entdecken Literaten plötzlich den Eskapismus als letzten Ausweg. Es ist der Wunsch nach Abgeschiedenheit von der zunehmend als kompliziert wahrgenommenen, überfordernden Welt mit der Möglichkeit der Überwindung von Lebens- und/oder Liebeskrisen. Olga Tokarczuk verlagerte 2023 ihr Zauberberg-Setting nach Niederschlesien, Timon Karl Kaleyta schickte seinen letzten Romanhelden in ein Sanatorium, Monika Zeiner ließ in Hans-Castorp-Manier das schwarze Schaf einer Industriellenfamilie am Ort seiner Kindheit seine Jugenderinnerungen auffrischen und Norman Ohler verfasste einen Klimawandel-Roman mit Zauberberg-Elementen (damit jeder darauf kommt, ist er im Titel schon erwähnt).
Und jetzt auch noch Heinz Strunk, der vor einigen Jahren bereits aus Thomas Manns Tod in Venedig einen Sommer in Niendorf häkelte. Sein neuestes Buch heißt Zauberberg 2. Der Held heißt Jonas Heidbrink, ist 1986 geboren. Er fährt mit 36 Jahren und rund 180 kg Gepäck in eine bis zum Schluss namenlos bleibende Klinik, 4 Stunden 52 Minuten Fahrzeit entfernt in der Nähe eines Sumpfgebiets in Mecklenburg-Vorpommern (womöglich in der Nähe von Botho Strauß’ Wohnsitz – Strunk ist Strauß-Aficionado). Heidbrinks Kontrakt läuft auf dreißig Tage, der Aufenthalt ist mit 823 Euro am Tag nicht gerade billig, aber er kann es sich leisten, weil sein Start-up wurde vor einiger Zeit aufgekauft wurde. Zwar bedeutet dies nach Lage der Dinge, das er ausgesorgt hat, aber die depressiven Zustände, bereits vor der Start-up-Gründung vorhanden, während der Zeit in dieser Firma jedoch ruhten, traten jetzt wieder hervor: Schlaflosigkeit, Lustlosigkeit gepaart mit Angst- und Panikzuständen.
Das 25 m²-Zimmer ist zunächst ein bisschen kalt, ansonsten oberer Standard. Die Mahlzeiten (»Deutsches Soulfood«) werden in einem Speisesaal eingenommen, der Tisch, an dem man sitzt, wird zugeteilt. Es gibt Aufnahmeuntersuchungen – zunächst die psychologische, dann die medizinische. Zu seiner eigenen Überraschung werden ein Nierentumor und ein Melanom festgestellt. Letzteres wird noch am gleichen Tag der Entdeckung entfernt. Am Ende wird für beide Fälle Entwarnung gegeben.
Heidbrink findet schwer Kontakt, was auch daran liegt, dass er meist alleine an seinem Sechsertisch sitzt und die Mahlzeiten serviert bekommt. Der Tag ist mit den Mahlzeiten, Untersuchungen und Therapie- und Gruppenterminen gut strukturiert. Ab und an gibt es einen »Kulturabend«. Eine Spielerunde der »Patienten« (die bevorzugte Bezeichnung der Bewohner) gibt es auch, aber Heidbrink kann kein Doppelkopf spielen.
Der Roman plätschert. Immerhin: In der Beschreibung der Heidbrink begegnenden Ärzte, Klinikangestellten und Patienten läuft Heinz Strunk zu großer Form auf. Mal ist jemand »so mager, dass sie wie ihr eigenes Röntgenfoto aussieht«, oder, eine andere Teilnehmerin, fällt durch ihre »spargelige, friedlich-freundlich-vegan/vegatarische« Erscheinung auf. Uwe aus Dormagen ist dick und »triefäugig«, sein Körper hat »Ähnlichkeit mit einer Kirchenglocke«, Simons Stirn »ist von einem Spiralnebel entzündlicher Pusteln übersät«. Weibliche Wangen haben die Durchsichtigkeit in »Sushi-Qualität«, ein anderes Gesicht sieht aus wie ein »Trockenpilz«, ein »liegendes Fünfeck« oder es »glänzt wie eine kalte Bratkartoffel«. Doreen hat Tränensäcke »wie geschmolzenes Kerzenwachs«. Große Phantasie braucht man bei der Vorstellung eines Körpergeruchs, »als hätte man Bleistiftspäne destilliert«.
Jörn Birkholz nennt sein neuestes Buch Der Ausbruch und einen Roman. Und ich war nach der Lektüre des neuen Werkes von Peter Sloterdijk über den Kontinent ohne Eigenschaften (gemeint ist Europa) geradezu erleichtert durch Birkholz’ Geschichte wieder aus den akademischen Höhenkämmen zurück geholt zu werden.
Hauptfigur im Buch ist Max, er lebt in Bremen, dürfte Mitte 30 sein und arbeitet seit einem halben Jahr auf einer befristeten Stelle in einem Archiv. Man kümmert sich projektmäßig um die Aufarbeitung der Schicksale von aus den Ostgebieten Vertriebener. Er ist liiert mit Annette, einer Gymnasiallehrerin. Zusammen haben sie die vierjährige Marie Celine. Max fühlt sich unbehaglich, gefangen in Alltäglichkeiten. Einher geht dies mit einer fast notorischen Ehrgeizlosigkeit. Da ist zunächst die Arbeit, die ihm genau so wenig gefällt wie Edgar, sein chronisch daueranwesender Chef (der den interessanten Nachnamen »Hanfstaengl« trägt). Dann die Familienbetriebsamkeit von Annette, die sich auch noch mit seinen Eltern versteht (ihre eigenen Eltern waren bei einem Autounfall vor sechs Jahren ums Lebens gekommen). Zu Beginn wird Max von ihr erinnert, den Wanderurlaub im Schwarzwald zwischen den Jahren für die fünf zu buchen. Noch so ein Horror. Max kann nicht nur den Namen seiner Tochter nicht leiden, weil dieser ihm in einem unbedachten Moment aufgezwungen wurde, sondern stört sich auch an deren Launenhaftigkeit, die von Annette und seinen Eltern immer wieder entschuldigt wird. Selbstverständlich hantiert das Kind bereits mit Smartphone und Tablet. Da wird Max’ Vater, der sich hartnäckig weigert, bei Besuch den Fernseher auszustellen (lediglich der Ton wird abgestellt) und sich mehr für das Programm zu interessieren scheint, zum Ausblick auf das Leben des Sohnes.
In einem Innerlichkeitsroman würde man jetzt ausgiebig über Max’ Seelenleben informiert, er würde sich vielleicht auf eine Reise begeben, zu einer Suada über die Ungerechtigkeiten in der Welt ansetzen oder aus lauter Verzweiflung Frau und Kind umbringen. Glücklicherweise tritt nichts davon ein. Stattdessen meldet sich Iza wieder, seine ehemalige Freundin. Nach neun Jahren. Sie ist in Bremen, will ihn treffen. Nach einem Exkurs über Max’ Schulzeit (und sein Fremdeln mit der fehlenden Solidarität der Klassenkameraden) kommt es dann unter fast konspirativen Umständen zum Treffen.