Fro­he Ostern 2020

Das Le­sen von so­ge­nann­ten »Co­ro­­na-Ta­­ge­­bü­chern« bis auf wei­te­res ein­ge­stellt. Un­er­gie­big. Selbst ei­ne Esther Kin­sky hat nichts bei­zu­steu­ern au­ßer das üb­li­che. Schrift­stel­ler, die jah­re­lang an Sub­ven­ti­ons­töp­fen hän­gen, sind na­tür­lich auch für Co­ro­­na-Bonds für Süd­eu­ro­pa, le­se ich. Nur: Wer soll das er­wirt­schaf­ten? Oder druckt man ein­fach im­mer wei­ter Geld? * * * Selbst Fuß­ball­ver­ei­ne jam­mern. Sie, die ...

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Be­treu­tes Le­sen und Poe­sie­al­ben

Wie­der ei­ne klei­ne Erup­ti­on in der Li­te­ra­tur­kri­tik. Der von mir ge­schätz­te Car­sten Ot­te hat ein Ge­dicht von Till Lin­de­mann, dem Sän­ger der von mir nicht ge­schätz­ten Band »Ramm­stein«, re­zen­siert. Ihm ge­fal­len die Ver­ge­wal­ti­gungs­träu­me­rei­en des ly­ri­schen Ich nicht. Die Wel­len schla­gen hoch; die Kunst­frei­heit wird be­schwo­ren und die Ho­he­prie­ster der Frak­ti­on »Be­treu­tes Le­sen« mel­de­ten sich auch ...

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Me­di­en­a­vant­gar­de bei der Ar­beit

Ge­stern um 20.00 Uhr wa­ren es 1076. Heu­te, 02.04.2020, 10.30 Uhr, sind es 2679 Fol­lower, die dem »of­fi­ci­al ac­count« von Pe­ter Hand­ke auf Twit­ter fol­gen. Nicht, dass es der er­ste Ac­count »von« Hand­ke ist. Es gibt min­de­stens ein hal­bes Dut­zend al­lei­ne auf Twit­ter. Hier ist es schein­bar neu, weil je­mand »of­fi­ci­al« drü­ber­ge­schrie­ben hat. Dann muss ...

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Letz­te Fä­den (V)

Mit et­was Fa­ta­lis­mus könn­te man das Vi­rus als »Rei­se­vi­rus« apo­stro­phie­ren, die Aus­brei­tung als Be­leg über die­sen in­zwi­schen in jeg­li­cher Hin­sicht über­bor­den­den Tou­ris­mus. In der »Welt« wird die Aus­brei­tung von der öster­rei­chi­schen Ski­re­gi­on Ischgl auf­ge­zeich­net. (Er­stes Bild dort: »Aprés Ski«. Furcht­bar!) An­hand der Da­ten der Tou­ri­sten wer­den Kar­ten er­stellt, die zei­gen, wie die Ver­brei­tung in Deutsch­land, ...

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Lutz Sei­ler: Stern 111

Lutz Seiler: Stern 111
Lutz Sei­ler: Stern 111

Ir­gend­wie war es Pe­ter Hand­kes Schuld, dass ich 2014 »Kru­so« nicht ge­le­sen hat­te. Er fand das Buch »grau­en­haft« (nebst ei­ner nicht zi­tier­ba­ren Vo­ka­bel). Ich hat­te dann kei­ne Lust mehr und wid­me­te mich an­de­ren Bü­chern. »Kru­so« ge­wann da­mals den Deut­schen Buch­preis. Und nun wie­der ein Preis­buch von Sei­ler, »Stern 111« (mit kur­zen Ca­me­o­auf­trit­ten ei­ner Fi­gur na­mens »Kru­so«). Der neue Ro­man hat 520 Sei­ten, aber es ist ver­blüf­fend leicht, den In­halt wie­der­zu­ge­ben: Man ist zu Be­ginn im Herbst 1989. Die Mau­er hat­te sich ge­öff­net. Carl Bi­sch­off, Ein­zel­kind, 26, »zur Zeit Stu­dent«, wird von sei­nen El­tern In­ge und Wal­ter (um die 50) te­le­gra­phisch mit ei­ner Art Hil­fe­ruf nach Hau­se, nach Ge­ra ge­be­ten. Sie of­fen­ba­ren ihm, dass sie so­fort »den We­sten in An­griff« neh­men, noch ein­mal ganz von vor­ne an­fan­gen wol­len. Be­gin­nen im Not­auf­nah­me­la­ger. Carl ist fas­sungs­los, für ihn sind die bei­den die »un­wahr­schein­lich­sten Flücht­lin­ge«; die er sich nur vor­stel­len kann. Er rich­tet sich im El­tern­haus ein, rech­net mit ei­ner frü­her Rück­kehr. Die tritt nicht ein, er be­kommt ei­nen La­ger­kol­ler und bricht sei­ner­seits mit dem Shi­gu­li sei­nes Va­ters auf. Er stran­det in der Ber­li­ner Haus­be­set­zer­sze­ne »As­sel«, um die Ora­ni­en­bur­ger Stra­sse. Wäh­rend er in Ber­lin lie­ben und le­ben lernt, mit­hilft, die rui­nö­sen Häu­ser als Mau­rer und Put­zer zu ver­schö­nern, ne­ben­bei kell­nert und ei­ne Zie­ge mel­ken kann, be­kommt er die von Ge­ra um­ge­lei­te­ten Brie­fe sei­ner Mut­ter. Aus Sor­ge, dass sich die El­tern Sor­gen ma­chen wür­de, ver­schweigt er ih­nen lan­ge sein Le­ben in Ber­lin. Carls Zu­kunfts­plan ist ei­ne Kar­rie­re als Dich­ter. Die Haus­be­set­zer-Gue­ril­la ist be­ein­druckt: Ein Hand­wer­ker und Dich­ter. Das passt per­fekt in die ideo­lo­gi­sche Ge­bäck­mi­schung der Frei­zeit­gue­ril­las. Ein paar Jah­re spä­ter sind die El­tern über Um­we­ge in Los An­ge­les ge­lan­det und Carl ver­ab­schie­det sich schließ­lich aus Ber­lin.

Es ist nicht un­be­dingt ein Aus­weis von feh­len­der Qua­li­tät, wenn Ro­man­in­hal­te der­art schnell re­ka­pi­tu­lier­bar sind. Es ist ein Rah­men. Li­te­ra­tur be­steht ja auch aus Ne­ben­aspek­ten. Zum Bei­spiel: Was ist mit dem Ti­tel? Auf dem wun­der­schö­nen Co­ver sieht man ei­ne Ra­dio­ska­la nebst Laut­spre­cher­ver­klei­dung und Sen­der­rad. Der im We­sten so­zia­li­sier­te Le­ser lernt auf Sei­te 340, dass es sich um die An­sicht von »Stern 111«, ei­nem ost­deut­schen Ra­dio, han­delt. Tat­säch­lich spielt die­ses Ra­dio ei­ne Rol­le. Geht es um die Kurz­wel­le, die das Hö­ren al­ler­lei »ver­bo­te­ner Sen­der« zu DDR-Zei­ten hät­te er­mög­li­chen kön­nen? Nein. Das Ra­dio dient als Er­in­ne­rungs­an­ker für Aus­flü­ge von Carl als Kind mit sei­nen El­tern. Spä­ter, am En­de, wird es dann noch aus­ge­gra­ben, wo­bei un­klar bleibt, war­um es je­mals ein­ge­gra­ben wur­de. Das war’s.

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Noch ein­mal lo­se Fä­den (IV)

An­dert­halb Stun­den Spa­zier­gang bei schö­nem Früh­lings­wet­ter. Gut be­such­te We­ge; vie­le Fahr­rad­fah­rer. Ver­su­che von Nor­ma­li­tät. Her­um­tol­len­de Kin­der (Fa­mi­li­en). Ich war der ein­zi­ge mit Mas­ke. * * * In der ARD füllt man die Spor­t­­schau-Sen­­de­­zeit mit ei­nem Fuß­ball­klas­si­ker. EM 2016, Deut­sch­­land-Ita­­li­en. Ty­pisch deutsch: Es ist ein Spiel, dass die Deut­schen ver­lo­ren ha­ben. Ty­pisch Blöd­mann, der ich bin: ...

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Lo­se Fä­den (III)

Doch noch, ein letz­tes Mal, (ver­spro­chen!)... Er­tap­pe mich bei im­mer grö­sse­rer Wut. Ein Land wie Deutsch­land ist nicht in der La­ge, Schutz­aus­rü­stung für Kran­ken­häu­ser und Mas­ken für die Zi­vil­be­völ­ke­rung zu be­schaf­fen. Statt­des­sen gibt es lä­cher­li­che Tips bspw. für das »Home Of­fice«. Das RKI ver­brei­te­te so­gar die Mär, das Mas­ken gar nicht hel­fen. Das ist schon ...

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Os­kar Roeh­ler: Der Man­gel

Oskar Roehler: Der Mangel
Os­kar Roeh­ler:
Der Man­gel

Ir­gend­wo im Frän­ki­schen, um 1960 her­um. »Die Hut«, ein Bau­ge­biet. Es sol­len Ein­fa­mi­li­en­häu­ser ent­ste­hen für Zu­ge­zo­ge­ne. Im Win­ter ist dort hart, ein »rie­si­ges Dach aus Glas«, ein An­stieg, fast nicht zu be­wäl­ti­gen. Ro­seg­ger­haf­te Bil­der von Men­schen, die Na­tur­ge­wal­ten trot­zen. Jah­re­lang wird ge­baut, im­mer wie­der Un­ter­bre­chun­gen, weil Was­ser von oben wie von un­ten ein­dringt, die Bau­fort­schrit­te im­mer wie­der zer­stört. Rie­si­ge Pum­pen, die nicht im­mer funk­tio­nie­ren. Feind­se­lig­kei­ten von den lo­ka­len Bau­ern, »stier­nacki­ge Bru­ta­li­tät«. Sie sind Flücht­lin­ge, kei­ne Kin­der des Wirt­schafts­wun­ders. Die Ein­hei­mi­schen sind ge­gen die Sied­lung. Ei­ne Par­zel­le für den Bau ei­ner Schu­le wird ver­wei­gert. Man haust lan­ge im Roh­bau, spät erst mit Elek­tri­zi­tät. Die Neu­en bil­den »sym­bo­li­sche Grup­pen des Schei­terns«.

Es gibt ei­nen Wir- spä­ter Ich-Er­zäh­ler, da­mals Kind, heu­te um die 60. Die Neu­an­sied­ler und ih­re »selt­sa­me Schwer­mut«. »Un­schein­ba­re, schweig­sa­me Män­ner«, von den un­ge­lö­sten Pro­ble­men auf­ge­zehrt. Es herrsch­te öko­no­mi­scher Man­gel. Man­gel statt Zu­ver­sicht – ganz ge­gen den Zeit­geist.

Man reibt sich die Au­gen. Hat das wirk­lich DER Os­kar Roeh­ler ge­schrie­ben? Das (so­zu­sa­gen) letz­te ver­blie­be­ne En­fant ter­ri­ble des deut­schen Re­gie­films, der mit sei­nem Ro­man »Selbst­ver­fickung« ei­nen klei­nen Skan­dal aus­lö­ste? Der Os­kar Roeh­ler, der zu­wei­len auf »Te­le 5« so­ge­nann­te Skan­dal­fil­me ana­ly­siert? (Es sind Ana­ly­sen, die meist bes­ser sind als die Fil­me da­nach.)

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