John Wil­liams: Nichts als die Nacht

John Williams: Nichts als die Nacht
John Wil­liams: Nichts als die Nacht

Vor vier Jah­ren ge­lang mit der Neu­über­set­zung von John Wil­liams’ 1965 erst­mals pu­bli­zier­tem Ro­man »Stoner« im deut­schen Feuil­le­ton et­was sehr Sel­te­nes: Von der Hoch­kri­tik bis in den Bou­le­vard hin­ein gab es nur Lo­bes­hym­nen. »Stoner« bot auf al­len Ebe­nen Iden­ti­fi­ka­ti­ons­po­ten­ti­al, ins­be­son­de­re für den Intel­lektuellen, der Zeit sei­nes Le­bens in der Uni­ver­si­tät (oder eben in Re­dak­ti­ons­stu­ben) sei­ner in­tel­lek­tu­el­len In­te­gri­tät treu ge­blie­ben war. Das Le­ben des Uni­ver­si­täts­do­zen­ten Stoner war ge­prägt aus der Dis­kre­panz der Lei­den­schaft des In­tel­lek­tu­el­len für sei­ne Ar­beit und dem rea­len Le­ben. Im Ge­gen­satz zum deut­schen Faust blieb sich Stoner treu. Sein Schei­tern (Ver­lust der Freun­de, un­glück­li­che Ehe, al­ko­hol­kran­ke Toch­ter, aus­blei­ben­der aka­de­mi­scher Ruhm nebst Uni­ver­si­täts­in­tri­ge) wur­de als Le­bens­tra­gik emp­fun­den, die tap­fer aus­ge­hal­ten wur­de. Die spä­te Flucht in die Lie­be ei­ner Stu­den­tin ist nicht der schlüpf­ri­ge drit­te Früh­ling ei­nes al­tern­den Man­nes, son­dern Aus­druck ei­ner Sehn­sucht. Der Er­folg die­ses Bu­ches, das 2006 in den USA nach mehr als 40 Jah­ren wie­der­ent­deckt wur­de und dann in der deut­schen Über­set­zung von Bern­hard Rob­ben auch hier re­üs­sier­te, liegt in der be­hut­sa­men wie un­pa­the­ti­schen Spra­che, die es dem Le­ser er­mög­lich­te, nicht un­ter sei­nem Ni­veau Mit­leid und Em­pa­thie zu emp­fin­den. Die Ster­be­sze­ne des auf­rech­ten Exi­sten­tia­li­sten Stoner ist ei­ne der rüh­rend­sten der Li­te­ra­tur, wo­bei es Wil­liams’ Ver­dienst es, ge­ra­de hier kei­nen süß­li­chen, me­lo­dra­ma­ti­schen Kitsch zu ver­brei­ten.

Der Ver­lag legt nun mit »Nichts als die Nacht«, John Wil­liams er­ster Er­zäh­lung aus dem Jahr 1948, nach. Der Au­tor war 26 als die­ses Buch ver­öf­fent­licht wur­de und soll es vier Jah­re zu­vor schon ge­schrie­ben ha­ben. Die deut­sche Gat­tungs­be­zeich­nung ist »No­vel­le«, was dis­ku­ta­bel wä­re, aber ei­gent­lich un­wich­tig ist. Si­mon Strauß kommt in sei­nem Nach­wort auf die hin­läng­lich be­kann­te Ge­schich­te über Wil­liams’ Ab­schuss im Indo­chinakrieg zu spre­chen, den die­ser nur mit Glück über­leb­te. Es wä­re ein leich­tes die­se au­to­bio­gra­phi­schen Er­leb­nis­se auf den Text an­zu­wen­den, aber es ist eben auch je­ne Kü­chen­psy­cho­lo­gie, vor der man sich hü­ten soll­te.

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Der klei­ne Franz und der spin­ner­te Schor­schl

Ein Salz­bur­ger Traum

Um 1910 wa­ren in den öster­rei­chi­schen Städ­ten vie­le Pfer­de un­ter­wegs, sie zo­gen Wa­gen und Kut­schen ver­schie­den­ster Art. In Wien fuhr im Ju­ni 1903 die letz­te Pferdestraßen­bahn, doch schwe­re Gü­ter wur­den wei­ter­hin in er­ster Li­nie von Pfer­den be­för­dert. Die Pho­bie des klei­nen Hans, die Freud an­hand der Auf­zeich­nun­gen des Va­ters des Kna­ben 1909 be­schrieb und ana­ly­sier­te, die Angst des Kna­ben vor Last­pfer­den, be­son­ders dann, wenn sie mit den Bei­nen »Kra­wall ma­chen«, muß zu­nächst ein­mal ganz rea­li­stisch ge­we­sen sein, zu­mal die Fa­mi­lie in der Un­te­ren Via­dukt­gas­se ge­gen­über von ei­nem La­ger­haus wohn­te, wo ein re­ger Ver­kehr von Fuhr­wer­ken herrsch­te. Freud tritt dem Vor­wurf, bei der Be­hand­lung der Pho­bie wür­den dem Kna­ben Din­ge vor al­lem se­xu­el­ler Na­tur le­dig­lich sug­ge­riert, of­fen­siv ent­ge­gen. Sei­nen wohl­ab­ge­wo­ge­nen Ar­gu­men­ten zum Trotz kann man sich bei der Lek­tü­re auch mehr als hun­dert Jah­re spä­ter des Ein­drucks nicht er­weh­ren, daß Freud und sein Ana­ly­se­ge­hil­fe (Han­sens Va­ter) das fa­mi­liä­re Ge­sche­hen nicht nur se­xua­li­sie­ren, son­dern mit Sym­bol­wer­ten – die dann al­le in ein und die­sel­be Rich­tung zei­gen – re­gel­recht über­la­den. Rie­si­ge Fuhr­wer­ke in un­un­ter­bro­che­ner Fol­ge gleich vor der Haus­tür, soll­ten sie ei­nen vier­jäh­ri­gen Jun­gen et­wa nicht erschre­cken? Das ist doch so, wie wenn ei­ne Fa­mi­lie heu­te an ei­ner Ortsdurchfahrt­straße wohnt, auf der in ei­nem fort mo­to­ri­sier­te Last­wa­gen zu ge­wal­ti­gen La­ger­haus­kom­ple­xen – et­wa der Fir­men Ho­fer oder Lutz – vor­beib­rau­sen. Vor al­ler Sor­ge um die se­xu­el­le Ent­wick­lung des Kin­des wer­den sich sei­ne El­tern vor al­lem Ge­dan­ken ma­chen, wie sie si­cher­stel­len kön­nen, daß es nie­mals von ein im Ernst­fall wohl fa­ta­len Ver­kehrs­un­fall be­trof­fen sein wird.

Der Ost­deut­sche, in Böh­men auf­ge­wach­se­ne, in Kalks­burg bei Wien zur Schu­le ge­gan­ge­ne Schrift­stel­ler Franz Füh­mann träum­te im Mai 1977 wäh­rend ei­nes kur­zen Be­suchs in der Stadt Salz­burg von ei­nem Pferd, das ihn zum rei­ßen­den Fluß wälz­te und hin­ein­warf. In sei­nem gro­ßen Tra­kl-Es­say Vor Feu­er­schlün­den be­rich­tet er kurz da­von: »Ros­se stie­gen aus ei­nem Brun­nen und wälz­ten mich durch den Stein der Stadt und stürz­ten mich in die rot­schäu­men­de Salz­ach, die ihr Stein­bett über mir schloß.« 1977 gab es in Salz­burg nur noch we­ni­ge Pfer­de, die Tou­ri­sten in Fia­kern be­för­der­ten. Ich selbst wohn­te da­mals in der Max­gla­ner Vor­stadt un­weit vom Alm­ka­nal und hör­te abends manch­mal Huf­ge­trap­pel, das mich fast mär­chen­haft an­rühr­te, bis ich ei­nes Ta­ges den Ka­nal ent­lang spa­zier­te und auf die Scheu­ne stieß, in der Fia­ker­pfer­de die Nacht zu­brach­ten. Je­der, der Tra­kls Dich­tung kennt, wird sich bei der Kennt­nis­nah­me von Füh­manns Traum an ein Ge­dicht er­in­nern, in dem Rös­ser vor­kom­men, und zwar mit der­sel­ben Wort­wahl und gleich­falls im Plu­ral. Das 1910 ver­faß­te Ge­dicht Die schö­ne Stadt nimmt ein den Salz­bur­gern ver­trau­tes Bild aus der Wirk­lich­keit auf, näm­lich den Brun­nen auf dem Re­si­denz­platz, wo stei­ner­ne Pfer­de aus dem Was­ser tau­chen oder – bei Füh­mann – stei­gen. Zu Leb­zei­ten Tra­kls war die Stadt aber noch von le­ben­di­gen Pfer­den be­völ­kert, so daß der tro­chä­isch-vier­he­bi­ge, ex­pres­si­on­stisch-pro­to­koll­haf­te Satz »Rös­ser tau­chen aus dem Brun­nen« sich eben­so auf die we­ni­ge Geh­mi­nu­ten vom Re­si­denz­brun­nen ent­fern­te Pfer­de­schwem­me be­zie­hen könn­te, wo in noch nicht mo­to­ri­sier­ten Zei­ten er­hitz­te und ver­schmutz­te Pfer­de ge­kühlt und ge­wa­schen wur­den.

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Der Kuss auf dem Fen­ster­glas – Pe­ter Hand­ke

Der Jun­ge heißt Klei­ner Jun­ge; er steht vor ei­nem ho­hen Fen­ster mit Dop­pel­flü­geln am Gang des In­ter­nats; mit dem Fin­ger zeich­net er auf dem an­ge­lau­fe­nen Fen­ster­glas; er hat ei­nen Berg ge­zeich­net; am Gip­fel des Hü­gels ist ein Schlit­ten; der Ab­hang ist lang und flach, und am En­de be­fin­det sich ein Haus; rechts vom Haus ist ei­ne ho­he Tan­ne; dort, wo die Hand des Jun­gen den höch­sten Punkt er­rei­chen konn­te, sind zwei klei­ne Hü­gel ge­zeich­net: auf dem ei­nen ist ei­ne klei­ne Kir­che, auf dem an­de­ren drei Kreu­ze; der Jun­ge flü­stert: »Grif­fen, Grif­fen, Grif­fen«; er zeich­net ei­nen Hund ne­ben dem Haus da­zu; lei­se sagt er: »Grif­fen, Kärn­ten, Öster­reich, Eu­ro­pa, Welt...«; er macht ei­nen Schritt nach links, dann zieht er den rech­ten Fuß nach, und tut es noch ein­mal; nun steht er vor dem an­de­ren an­ge­lau­fe­nen Fen­ster­glas; lang­sam zeich­net er zwei Au­gen, die grö­ßer sind als sei­ne; durch die Au­gen sieht er den gro­ßen ver­schnei­ten Hof; er zeich­net die rech­te, dann die lin­ke Au­gen­braue; er dreht sich auf die ei­ne, dann auf die an­de­re Sei­te: am kal­ten Gang ist nie­mand; er nä­hert sein Ge­sicht dem Glas und küsst es zärt­lich, et­was tie­fer als die Au­gen, die ihn an­schau­en, oh­ne mit der Wim­per zu zucken; er flü­stert auf Slo­we­nisch: »Ma­ma, naj ti pol­jub na­riše ust­nice.” Der klei­ne Jun­ge ist acht­zehn Jah­re alt, als er er­fährt, dass sein Va­ter nicht sein Va­ter ist, son­dern sein Stief­va­ter.

Klei­ner Jun­ge fügt sei­nem Na­men noch ei­nen wei­te­ren hin­zu – Jun­ger Mann; er stu­diert in Graz; er ver­kehrt in ei­nem Kaf­fee­haus, wo er Bier trinkt, liest, sich No­ti­zen in ein ge­wöhn­li­ches Heft macht und Mu­sik aus der Juke­box hört; auf dem Tisch liegt ne­ben dem Glas häu­fig die Zeit­schrift für Li­te­ra­tur Ma­nu­skrip­te; er wirft ei­ne Mün­ze ein, drückt den Knopf und kehrt zu sei­nem Tisch zu­rück: zu hö­ren ist Cree­dence – Have You Ever Seen the Rain; ir­gend­wel­che lang­haa­ri­gen jun­gen Män­ner füt­tern die Juke­box eben­falls mit ih­ren Mün­zen und wie­der ist die glei­che Mu­sik bis tief in die Nacht zu hö­ren: Bad Moon Ri­sing, down on the cor­ner, I put a Spell on You...; die jun­gen Män­ner sind Gast­ar­bei­ter aus Ju­go­sla­wi­en; Klei­ner Jun­ge Jun­ger Mann und ei­ner von den jun­gen Män­nern aus Ser­bi­en freun­den sich an; man trinkt, raucht und un­ter­hält sich mitein­ander; ab und zu, in den Pau­sen zwi­schen zwei Lie­dern von den Rol­ling Stones, singt ein Bos­ni­er De­vo­j­ka so­ko­lu zu­lum uči­ni­la, aber er bricht ab, so­bald die Beat­les zu Lu­cy in the Sky wi­th Dia­monds an­set­zen; je­mand hat fälsch­li­cher­wei­se den Knopf mit der Num­mer des Lie­des ge­drückt: ein öster­rei­chi­scher Schla­ger wird ge­spielt; die Kell­ne­rin denkt: ‘Gott sei Dank, et­was von uns’; die lang­haa­ri­gen Gä­ste pro­te­stie­ren; der jun­ge Mann dreht sich zum Saal um, mit ei­nem schul­di­gen Ge­sichts­aus­druck: »Je­bi­ga, ich hab ei­nen Feh­ler ge­macht. Hey, Bos­ni­er, spiel du dein Lied ab, so­lan­ge das hier läuft«; De­vo­j­ka so­ko­lu zu­lum uči­ni­la über­tönt den Lie­bes­schla­ger; Der Klei­ne Jun­ge Jun­ger Mann be­ginnt den Aus­druck zu ver­wen­den: je­bi­ga.

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Ar­min Stingl: Ei­ne Schach­tel voll Sa­chen

Armin Stingl: Eine Schachtel voll Sachen
Ar­min Stingl:
Ei­ne Schach­tel voll Sa­chen

Auf dem Co­ver sieht man die lee­re Schach­tel. Im Buch ist sie ge­füllt. Ein Dach­bo­den­fund? Ein Ge­heim­ge­fäß? Bald wird klar: Der In­halt hat kei­nen pe­ku­niä­ren Wert. Hier ist nichts zu er­lö­sen. Ei­ne al­te Son­nen­bril­le, ei­ne Haar­locke, ein de­fek­ter Krug, ei­ne Steck­na­del­do­se. Eben »Ei­ne Schach­tel voll Sa­chen«, die Ar­min Stingl zu sei­ner »klei­nen Pro­sa« in­spi­riert.

Ein sehr lie­be­voll ge­stal­te­tes Buch. Far­bi­ge Ab­bil­dun­gen. Sehr gro­ße Schrift, so dass die ein oder an­de­re Prosa­miniatur tat­säch­lich ei­ne gan­ze Sei­te be­an­sprucht, aber meist ist es we­ni­ger. Klei­ne Im­pe­ra­ti­ve an sich sel­ber ge­rich­tet (»Still, Idi­ot!«). Wahr­neh­mun­gen, die man der­art noch nicht ge­le­sen hat. Das schwar­ze Ge­sicht ei­nes Do­mi­no­steins zum Bei­spiel. Oder ei­ne Spie­ge­lung auf der Bril­le. Skur­ri­les, wie der Ma­ler, der sei­ne Stilleben (!) un­mit­tel­bar nach Fer­tig­stel­lung fo­to­gra­fiert und die Ge­mäl­de da­nach ver­nich­tet. Über­haupt die Ma­lai­se des Kunst­schaf­fens. Dann phan­tas­tisch-traum­haf­te As­so­zia­tio­nen wie der Fluß, in den man hin­ein­fällt, der aber im Sand ver­läuft. Al­bern­hei­ten wie der »gro­ße Scha­ben­kon­greß« mit et­wa »sie­ben Mil­li­ar­den Gä­sten« in »Poel­zigs ex­pres­sio­ni­sti­scher Oper«. Oder ein Ly­rik­se­mi­nar »im Pilz­gar­ten ei­ner Blatt­schnei­der­amei­sen­ko­lo­nie«. Und ernst­haft-me­lan­cho­li­sches. Et­wa über den to­ten Gott über den »wir, die wir selbst nicht trau­ern kön­nen, weil wir ihn nicht kann­ten«. Oder ei­ne Mi­nia­tur über Freun­de. Ir­gend­wann er­kennt man: Die far­bi­gen Ver­sa­li­en ha­ben ei­ne Be­deu­tung. Je dunk­ler, je ern­ster viel­leicht? Aber kei­ne Sor­ge: Es ist kein fin­ste­rer Ernst, eher ei­ner der den Le­ser auf­schau­en lässt, das Buch für ei­nen Au­gen­blick zur Sei­te le­gend (nur kein Esels­ohr!) und nach­den­kend.

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Ko­in­zi­denz II

Ein lan­ger Tisch im Sü­den des asphal­tier­ten Plat­zes (der sonst Au­to­mo­bi­len dient), mit Kult­ge­gen­stän­den, de­nen kei­ner der Sit­zen­den, Kau­ern­den, Kau­en­den, Trin­ken­den, Fei­ern­den, Lau­fen­den, Hüp­fen­den Be­ach­tung schenkt, wo­durch die An­we­sen­heit die­ser Din­ge ei­gent­lich erst her­vor­ge­ho­ben wird: neun­stöcki­ge Mi­nia­tur­pa­go­de, gol­de­ne Kan­ne, Blu­men­strauß, zwei Ker­zen, zwei... Ge­fei­ert wird näm­lich die Jah­res­mit­te oder der Be­ginn des Jah­res; die Aus­saat ...

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Ko­in­zi­denz I

In der Nä­he des sich ins Ge­län­de schmie­gen­den, mehr­stöcki­gen Ge­bäu­des des Kin­der­gar­tens, den mei­ne Toch­ter zwei Jah­re lang be­sucht hat­te, über­hol­te mich ein Klein­last­wa­gen und bog dann in ei­ne schma­le Ne­ben­stra­ße, die ich noch nie be­fah­ren hat­te. In die Pe­da­le tre­tend, folg­te ich dem Wa­gen aus blo­ßer Neu­gier, wo die Stra­ße wohl hin­füh­ren moch­te, wo­bei der Ab­stand zum Kraft­fahr­zeug grö­ßer wur­de, zu­letzt aber, vor der nied­ri­gen Un­ter­füh­rung, die die Au­to­bahn­tras­se durch­lö­chert, wie­der klei­ner. Ich mach­te halt, war­te­te ei­ni­ge Se­kun­den vor der dunk­len und feuch­ten Höh­lung, fuhr dann zwi­schen Pfüt­zen wei­ter.

Kurz nach der Un­ter­füh­rung en­de­te die Stra­ße an ei­nem Stau­damm, hin­ter dem sich ei­ner der vie­len Tei­che zur Be­wäs­se­rung der Reis­fel­der be­fin­det. Ich stieg ab und schob das Fahr­rad vor­sich­tig, um nicht an­zu­strei­fen, vor­bei am Wa­gen, der in der Nä­he ei­ner hel­len, zum Damm hoch­füh­ren­den Trep­pe halt­ge­macht hat­te. Das Fahr­zeug be­saß ei­ne je­ner durch­sich­ti­gen, nur leicht ge­tön­ten Sei­ten­tü­ren (aus Ple­xi­glas?), wie man sie an neue­ren Mo­del­len von Last­wä­gen häu­fig sieht. Mit ei­nem ein­zi­gen Blick er­faß­te ich das Pro­fil des Man­nes mit schüt­te­rem schwar­zem Haar und bräun­li­cher Ge­sichts­far­be, das Han­dy in sei­ner aufs Lenk­rad ge­stütz­ten lin­ken Hand und das eri­gier­te Glied, das aus sei­nem Schoß rag­te, ein nichts­sa­gen­des – so das Bei­wort, das mir durch den Kopf schoß – Stäb­chen von der­sel­ben Far­be wie sein Ge­sicht, in der rech­ten.

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Ja­mai­ka ist nicht über­all

Quel­le: Der Bun­des­wahl­lei­ter Es wird son­diert und ver­han­delt. Aber die »Jamaika«-Koalition hat nur in be­stimm­ten Re­gio­nen ei­ne Mehr­heit. Am En­de könn­te sie, die schein­ba­re al­ter­na­ti­ve schein­bar al­ter­na­tiv­lo­se Kon­stel­la­ti­on (Lieb­lings­kind der Me­di­en) die Ver­dros­sen­heit wei­ter Tei­le der Be­völ­ke­rung an den Po­li­tik­be­trieb noch be­för­dern.

No­tiz- statt Ta­ge­bü­cher

Vor ei­ni­gen Jah­ren ent­deck­te ich in mir ei­ne Sym­pa­thie, die Ta­ge­bü­cher von Tho­mas Mann zu le­sen. Frei­lich war ich ge­warnt ob der aus­gie­bi­gen Be­schrei­bun­gen zum Teil in­tim­ster De­tails, aber die so viel­fach ge­lob­te Edi­tie­rung ließ mich hof­fen, nicht nur in Idio­syn­kra­si­en und Hy­po­chon­dri­en des Au­tors zu ver­sin­ken. So be­such­te ich re­gel­mä­ssig die Bü­cher­märk­te in Düs­sel­dorf und tat­säch­lich fand ich ei­nes Ta­ges die Ta­ge­bü­cher in ei­ner Ta­schen­buch­aus­ga­be. Der Preis war sehr gün­stig (ir­gend et­was mit 60 Eu­ro), der Zu­stand der di­ver­sen Bän­de zu­frie­den­stel­lend bis gut. Das Vo­lu­men al­ler­dings – ab­schreckend (vom Ge­wicht nicht zu re­den, aber das war lös­bar). Was al­so tun? Der Nei­gung nach­ge­ben und prak­tisch ein Jahr nur mit Tho­mas Mann ver­brin­gen – von dem ich noch nicht ein­mal al­les ge­le­sen hat­te? Oder der manch­mal ret­ten­de »Mut zur Lücke«?

Ich be­schloss ei­ne Art Auf­nah­me­prü­fung vor­zu­neh­men. Ich schlug wahl­los in den Bän­den Stel­len auf und woll­te le­sen, was Mann dort ge­schrie­ben hat­te und wie dies auf mich wirk­te. Um mich nicht all­zu lan­ge dem skep­ti­schen Blick des An­ti­quars aus­zu­set­zen re­gle­men­tier­te ich mei­ne will­kür­li­che Aus­wahl auf sechs Stel­len. Al­so be­gann ich. Die er­ste Stel­le be­han­del­te aus­gie­big Manns schlech­ten Schlaf nebst Früh­stück und der Kon­si­stenz des Eis. Okay. Ein an­de­rer Band: Mann be­rich­te­te von sei­nem Stuhl­gang bzw. ei­nem (ge­glück­ten) Ein­lauf. Wei­ter zu ei­ner an­de­ren Stel­le: Aber­mals die Be­schrei­bung ei­ner Krank­heit (wel­che es war, ha­be ich ver­ges­sen). Das reich­te. Das (Vor-)Urteil hat­te sich be­stä­tigt: Ent­ge­gen der Be­teue­run­gen von Mann-Adep­ten wie Fritz J. Rad­datz: Für mich war das nichts. Der­ar­ti­ge In­ti­mi­tä­ten ei­nes Dich­ters in­ter­es­sie­ren mich nicht. Schan­de über mich. Aber die Bü­cher blie­ben dort, wo sie wa­ren.

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