Schwin­den­de Glaub­wür­dig­keit

Am 30.10.08 stand in ei­ner Glos­se von Chri­stof Sie­mes über die Vor­gän­ge um die Sen­dung »Le­sen!« und El­ke Hei­den­reich in der ZEIT un­ter an­de­rem:

    Glaub­wür­dig­keit sei ihr Er­folgs­ge­heim­nis, hat El­ke Hei­den­reich mal stolz be­haup­tet. Wenn es ihr da­mit wirk­lich ernst war, hät­te sie mit ih­rer Li­te­ra­tur­sen­dung Le­sen! auch oh­ne das Raus­wurf-Tam­tam der letz­ten Ta­ge am 1. Ja­nu­ar 2009 auf­hö­ren müs­sen. Denn im neu­en Jahr wird aus der Mo­de­ra­to­rin die Ver­le­ge­rin El­ke Hei­den­reich; un­ter dem Dach der Ver­lags­grup­pe Ran­dom Hou­se wird sie im El­ke-Hei­den­reich-Ver­lag Bü­cher zum The­ma Mu­sik her­aus­brin­gen. Wie woll­te sie da noch un­ab­hän­gig an­de­re Bü­cher emp­feh­len?

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Nai­vi­tät, Dumm­heit oder Faul­heit?

Wenn man in den letz­ten Wo­chen die Be­richt­erstat­tung ver­folgt hat, dann kann man nur noch mit dem Kopf schüt­teln. Da ist von ei­ner Kri­se der Au­to­mo­bil­in­du­strie die Re­de, die an­geb­lich al­les bis­her Ge­se­he­ne in den Schat­ten stellt. Ein ähn­li­ches Vo­ka­bu­lar hat­te man zwar im ver­gan­ge­nen Jahr schon an­ge­stimmt – frei­lich aus an­de­ren Grün­den (da­mals war es die Mehr­wert­steu­er­erhö­hung in Deutsch­land). Ein »Re­kord­jahr« war es dann doch ir­gend­wie.

Merk­mal solch alar­mi­sti­scher Pro­sa ist in der Re­gel, dass die Be­stä­ti­gung mit Fak­ten bzw. ei­ne halb­wegs neu­tra­le Ein­ord­nung des Phä­no­mens un­ter­bleibt. Wenn be­haup­tet wird, die Nach­fra­ge nach Au­to­mo­bi­len bre­che dra­stisch ein, bleibt un­be­rück­sich­tigt, auf­grund wel­cher (fal­scher) Pro­gno­sen über die Ab­nah­me die Pro­duk­ti­on be­ruh­te und wel­ches Ni­veau als Ba­sis für den »Ein­bruch« gilt. Tat­säch­lich war man An­fang des Jah­res von ei­nem un­ver­än­der­ten Nach­fra­ge­boom in Eu­ro­pa aus­ge­gan­gen. Das hat zu teil­wei­se aber­wit­zi­gen Über­ka­pa­zi­tä­ten ge­führt.

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Angst und ban­ge

Der Schock saß sicht­bar tief. Trä­nen flos­sen an die­sem 17. März 2005. Hei­de Si­mo­nis war zum vier­ten Mal in der Wahl zum schles­wig-hol­stei­ni­schen Mi­ni­ster­prä­si­den­ten ge­scheitert. Min­de­stens ei­ne Stim­me aus der fra­gi­len Ko­ali­ti­on SPD/Grüne/SSW hat­te ge­fehlt. Zum vier­ten Mal.

Was für ei­ne Em­pö­rungs­ma­schi­ne­rie da los­ge­tre­ten wur­de! Der da­ma­li­ge SPD-Frak­ti­ons­vor­sit­zen­de Hay be­zeich­ne­te den/die »Abweichler/in« öf­fent­lich als »Schwein«. Ei­ne Rü­ge oder Zu­recht­wei­sung für die­se Ent­glei­sung gab es na­tür­lich nicht.

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Bläs­se und Jagd­sze­nen

Zum 9. No­vem­ber ei­ne Er­zäh­lung von Durs Grün­bein in der ak­tu­el­len Zeit; an­geb­lich au­to­bio­gra­fisch. Man wun­dert sich über die doch sehr höl­zer­ne, un­in­spi­rier­te und blei­er­ne Spra­che. Und so vol­ler Kli­schees. Ei­ne merk­wür­di­ge Bläs­se schlägt ei­nem da ent­ge­gen, die auch nicht mit La­ko­nie ver­wech­selt wer­den kann. Selbst die an­fangs so pe­ne­tran­te Selbst­in­sze­nie­rung des Wi­der­stän­di­gen ist nur hoh­les Wort­ge­klin­gel. Ich muss an ‘Schul­auf­satz’ den­ken.

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Ro­ger Wil­lem­sen: Der Knacks

Der Ti­tel klingt ei­gent­lich harm­los: »Der Knacks«. Und ob­wohl Ro­ger Wil­lem­sen gleich am An­fang vom Ster­ben und Tod sei­nes Va­ters er­zählt (er ist zu die­sem Zeit­punkt 15 Jah­re alt), ent­steht zu­nächst der Ein­druck ei­ner Art feuil­­le­to­­ni­­stisch-apho­ri­­sti­­schen Phä­no­me­no­lo­gie. Die Sen­ten­zen sind klin­gend, manch­mal so­gar lu­zi­de; ge­le­gent­lich fast zu schön. Aber im­mer wei­ter wird man in den ...

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Der klei­ne Un­ter­schied

Horst See­ho­fer gab das Amt Bun­des­mi­ni­sters für Er­näh­rung, Land­wirt­schaft und Ver­brau­cher­schutz auf, weil er Mi­ni­ster­prä­si­dent in Bay­ern wur­de. Zur Neu­be­set­zung des Mi­ni­ste­ri­ums in Ber­lin ein paar Zi­ta­te aus un­se­ren Qua­li­täts­me­di­en aus den letz­ten Ta­gen:

DIE ZEIT:
Ai­gner ist über die An­fra­ge von Horst See­ho­fer, ob sie sei­ne Nach­fol­ge in Ber­lin an­tre­ten wol­le, nach ei­ge­nem Be­kun­den zu­nächst »zu­sam­men­ge­zuckt«. Sie ha­be »erst mal schlucken und nach­den­ken« müs­sen, sag­te sie am Frei­tag im ARD-»Morgenmagazin«. »Aber mich freut das na­tür­lich wahn­sin­nig, dass Horst See­ho­fer in mich das Ver­trau­en setzt.«

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Cat­weaz­le beim Fern­seh­preis

In den 70er Jah­ren wur­de im deut­schen Fern­se­hen die Se­rie »Cat­weaz­le« aus­ge­strahlt. Ein Zau­be­rer – eben je­ner Cat­weaz­le – wur­de vom 11. Jahr­hun­dert in die 70er Jah­re des 20. Jahr­hun­derts »ver­setzt«. Die Ko­mik be­stand dar­in, dass er all die uns selbstver­ständlich ge­wor­de­nen Er­run­gen­schaf­ten der Tech­nik (Strom, Te­le­fon, Au­tos) an­fangs für Teu­fels­zeug hielt, ver­such­te mit Zau­ber­sprü­chen zu ban­nen und spä­ter dann zur Ma­gie er­klär­te.

Mar­cel Reich-Ra­nicki muss sich am Sams­tag bei der Ga­la zum Deut­schen Fern­seh­preis wie Cat­weaz­le ge­fühlt ha­ben. Was dort für preis­wür­dig be­fun­den wur­de, hat ihm ver­mut­lich ei­nen Kul­tur­schock grö­sse­ren Aus­ma­sses be­schert. Wie es heisst, woll­te der für sein Le­bens­werk preis­wür­dig emp­fun­de­ne Reich-Ra­nicki ir­gend­wann ein­fach ge­hen. Da­mit er nicht zu sehr lei­den muss­te, zog man sei­ne Preis­ver­ga­be vor. Der Rest ist be­kannt.

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Gün­ter Grass: Die Box

Günter Grass: Die Box
Gün­ter Grass: Die Box

Den Aus­weg, Gün­ter Grass’ neu­es Buch »Die Box« in vor­aus­ei­len­der Mil­de mit den Wer­ken der Ver­gan­gen­heit des Schrift­stel­lers zu ver­rech­nen, hat die »ZEIT« da­hin­ge­hend ver­passt, dass sie mit An­dre­as Mai­er ei­nen Re­zen­sen­ten be­auf­trag­te, der nach ei­ge­ner Aus­sa­ge vor­her noch kein Buch von Grass ge­le­sen hat­te. »Der Um­blät­te­rer« ver­mu­tet hier nicht zu Un­recht ein tak­ti­sches Vor­ge­hen. In dem Mai­er of­fen mit sei­nem Nicht­wis­sen ko­ket­tiert, so­gar sug­ge­riert, die Ah­nungs­lo­sig­keit sei vor­teil­haft für die Re­zep­ti­on die­ses Bu­ches, wird dem Le­ser ei­ne Art neu­er, nai­ver, ja: un­schul­di­ger Re­zen­sen­ten­blick vor­ge­spielt. Was auf den er­sten Blick ori­gi­nell er­scheint, muss aber bei ei­ner Per­son wie Grass und ei­nem Buch wie die »Die Box« schei­tern.

Denn (1.) ist Grass auch (und vor al­lem) ei­ne po­li­ti­sche Per­son und wird als sol­che in der Öf­fent­lich­keit stär­ker wahr­ge­nom­men als über sei­ne schrift­stel­le­ri­schen Wer­ke. Die Ur­tei­le über Grass re­sul­tie­ren in den sel­ten­sten Fäl­len über das li­te­ra­ri­sche Oeu­vre, wie die Re­zep­ti­on sei­nes »Zwiebel«-Buches ex­em­pla­risch ge­zeigt hat. Und (2.) ist das Buch »Die Box« oh­ne Vor­kennt­nis­se we­nig­stens ei­ni­ger Bü­cher von Grass sehr viel schwie­ri­ger ver­steh­bar. Schliess­lich han­delt es sich nicht um ei­ne li­ne­ar er­zähl­te (Auto-)Biografie, son­dern um ein de­zi­diert li­te­ra­ri­sches Pro­jekt.

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